OGH 5Ob129/14b

OGH5Ob129/14b23.10.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Mag. Wurzer als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache des Antragstellers Ing. H***** K*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Zankl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die Antragsgegner 1. B*****gesellschaft mbH, *****, 2. Dr. E***** B*****, 3. A***** R*****, 4. P***** L*****, 5. A***** K*****, 6. A***** E*****, 7. I***** G*****, 8. G***** Ö*****, 9. M***** D*****, 10. M***** Z*****, 11. C***** L*****, 12. C***** G*****, 13. E***** H*****, 14. M***** L*****, 15. K***** B*****, 16. A***** H*****, 17. A***** S*****, 18. Dr. H***** R***** G*****, 19. P***** s.r.l., *****, 20. H***** I*****, 21. U***** H*****, 22. R***** W*****, 23. E***** S*****, 24. C***** D*****, 25. Dr. E***** B*****, 26. Dipl.‑Ing. E***** S*****, 27. G***** A*****, 28. H***** F*****, 29. E***** S*****, 30. M***** R*****, 31. I***** M*****, 32. A***** S*****, 33. C***** S*****, 34. Dr. A***** S***** und 35. B***** S*****, beide *****, 36. M***** L*****, 37. C***** H*****, 38. Mag. C***** G*****, 39. S***** H***** T*****, 40. J***** W*****, 41. Mag. P***** R*****, 42. W***** W*****, 43. Mag. P***** P*****, 44. P***** S*****, 45. A***** K***** und 46. J***** K*****, beide *****, 47. A***** W*****, 48. Mag. W***** W*****, 49. Mag. M***** R***** und 50. A***** R*****, beide *****, 51. B***** P***** und 52. S***** P*****, beide *****, 53. B***** B*****, 54. Dipl.‑Ing. (FH) F***** S*****, 55. C***** P*****, 56. A***** P***** und 57. M***** P*****, beide *****, 58. C***** T***** und 59. F***** T*****, beide *****, 60. Mag. A***** M***** H*****, 61. J***** S***** und 62. R***** S*****, beide *****, wegen § 52 Abs 1 Z 9 iVm § 32 Abs 5 2. Fall WEG 2002, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 30. April 2014, GZ 22 R 111/14y‑14, mit dem infolge Rekurses des Antragstellers der Sachbeschuss des Bezirksgerichts Salzburg vom 10. Jänner 2014, GZ 16 Msch 29/12i‑11, bestätigt wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Sachbeschluss des Erstgerichts in der Hauptsache wie folgt zu lauten hat:

„1. Die Aufteilung der Liftkosten der Liegenschaft EZ 70317 GB *****, mit der Liegenschaftsadresse *****, B*****straße 1 und 3, wird abweichend von § 32 Abs 1 WEG dahin neu festgesetzt, dass der Antragsteller diese nur im Umfang von 1/5 zu tragen hat.

2. Das Mehrbegehren des Antragstellers, ihn von den Liftkosten zur Gänze und von den Kosten der Hausbesorgung und Hausbetreuung sowie von den mit dem allgemeinen Stiegenhaus verbundenen Aufwendungen bis auf 20 % zu entlasten, wird abgewiesen.“

Der Antragsteller hat seine gesamten Verfahrenskosten selbst zu tragen.

Begründung

Der Antragsteller und die eingangs bezeichneten Antragsgegner sind die Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ 70317 GB *****. Der Antragsteller ist Miteigentümer zu 831/41306-Anteilen (B-LNR 45), mit denen Wohnungseigentum an Geschäft G 3 verbunden ist.

Auf der Liegenschaft befindet sich ein Gebäudekomplex mit 6 Stockwerken inklusive Keller. Das Gebäude hat zwei Haupteingänge mit jeweils einem Stiegenhaus. Die Stiegenhäuser sind nicht miteinander verbunden. Für jeden Gebäudeteil existiert ein Personenaufzug, der das Kellergeschoss mit den Obergeschossen verbindet. Der Lift ist vom allgemeinen, über den jeweiligen Haupteingang erreichbaren Stiegenhaus zu betreten. Der Zugang zu den Gebäudeteilen ist über die Tiefgarage bzw den Keller und die Haupteingänge im Erdgeschoss möglich. Es gibt 35 Tiefgaragenplätze im Untergeschoss sowie Außenparkplätze. Im Kellerbereich befinden sich weiters die Heizung und ein eigener Tankraum. Das gesamte Objekt, wie auch das Wohnungseigentumsobjekt des Antragstellers, wird mit Öl zentralbeheizt. Für beide Gebäudeteile existieren separate Wasch- bzw Trockenräume. Weiters sind Kellerabteile und zwei getrennte Fahrradräume im Untergeschoss vorhanden. Im Keller des Gebäudeteils 1 existiert ein Hausmeisterraum, in dem Reinigungsutensilien lagern.

Im Dachbereich befindet sich die Technik für den Lift und die SAT-Anlage.

Im Gebäude gibt es keinen separaten Müllraum. Die Mülltonnen befinden sich vor dem Haus neben der Einfahrt zur Tiefgarage. Im Erdgeschoss und in den folgenden Obergeschossen existieren Stockwerk-Sicherungskästen. Ein Hauptsicherungskasten befindet sich im Erdgeschoss jedes Gebäudeteils.

Der Antragsteller ist Wohnungseigentümer des Geschäftslokals 3 im Gebäudteil Haus-Nr 3, das derzeit an einen Postshop-Partner vermietet ist. Der Antragsteller hat keinen Tiefgaragenabstellplatz, aber ein Kellerabteil im Gebäudeteil Haus Nr 1. Der Antragsteller muss, um zu seinem Kellerabteil zu gelangen, den Haupteingang des Gebäudeteils benützen, um dann mit dem Lift bzw über die Stiege in den Keller zu gelangen. Einen direkten Zugang vom Wohnungseigentumsobjekt des Antragstellers zum Haupteingang bzw ins Stiegenhaus gibt es nicht. Das Geschäftslokal des Antragstellers verfügt über eine eigene Eingangstür. Den Kellerbereich und sonstige allgemein zugängliche Räume nützt der Antragsteller nicht.

Die Tiefgarage und das Kellergeschoss sind nicht nur über den Lift, sondern auch über das Stiegenhaus und über eine Rampe mit fernbedientem Tor bzw Schlüssel zu erreichen. Für die Haupteingänge in den Gebäudeteilen im Erdgeschoss braucht man einen Schlüssel, weil die Türen ständig geschlossen sind. Die allgemeinen Zugangstüren sowie die Türe zur Tiefgarage und zum Gartenbereich können mit dem Zentralschlüssel geöffnet werden. Der Antragsteller verfügt über die entsprechenden Schlüssel.

Grundlage für die Tätigkeit der Hausbetreuung ist ein Werkvertrag mit dem Hausbetreuungsunternehmen. Diese Hausbetreuung ist zuständig für die Innen- und Außenreinigung des Gebäudes und der Tiefgarage, für Haustechnik, Heizung, Lift, Müll, Pflege der Grünflächen und Winterdienst. Die Hausbetreuerin ist insbesondere für den Austausch defekter Leuchtkörper im Stiegenhaus und in den allgemeinen Teilen der Liegenschaft zuständig, für die Wartung der Heizung, für den Lift und dessen Betreuung (Entfernung von Verunreinigungen, Kontrolle etc), für kleine Reparaturen und die Kontrolle sowie Überwachung von beauftragten Handwerkern. Wird ein anderes Unternehmen beauftragt, dann wird über die Hausbetreuerin ein Termin vereinbart und ist diese vor Ort, um die Türen aufzusperren und die Tätigkeiten zu kontrollieren.

Der Antragsteller begehrte die Festsetzung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels dahin, dass er von den Kosten der Liftanlage zur Gänze befreit und an den Kosten der Hausbesorgung, der Hausbetreuung sowie an den mit dem allgemeinen Stiegenhaus verbundenen Aufwendungen nur mit 20 % beteiligt werde. Der Antragsteller machte zusammengefasst geltend, dass die Lage seines Wohnungseigentumsobjekts im Erdgeschoss und dessen separater Zugang die begehrte (teilweise) Befreiung von den bezeichneten Aufwendungen rechtfertigten.

Die einschreitenden Antragsgegner sprachen sich gegen die Festsetzung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels aus.

Das Erstgericht wies den Sachantrag zur Gänze ab. Es war rechtlich der Ansicht, dass die Hausbetreuung, nämlich die Pflege der gesamten Liegenschaft, die Erledigung anfallender Reparaturen, die Versorgung der Allgemeinflächen und die Durchführung des Winterdienstes allen Miteigentümern der Liegenschaft zugute komme. Die Beleuchtung des Stiegenhauses und dessen Ausstattung mit Feuerlöschern diene der allgemeinen Sicherheit des Gesamtobjekts. Den Lift könne der Antragsteller dazu nutzen, andere Mitbewohner des Hauses zu besuchen, und er diene überdies der Hausbetreuung, weshalb insgesamt keine die Festsetzung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels rechtfertigende „erheblich unterschiedliche Nutzungsmöglichkeit“ angenommen werden könne.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Es führte in seiner rechtlichen Beurteilung aus, dass eine Reduktion des Beitrags des Antragstellers zu den Kosten der Hausbesorgung, der Hausbetreuung und den Aufwendungen für das Stiegenhaus schon deshalb nicht in Betracht komme, weil der Antragsteller bzw sein Mieter so wie die anderen Wohnungseigentümer durch die gemeinschaftlichen Eingänge Zugang zum Keller, zum gemeinsamen Gartenbereich sowie zu den allgemeinen Parkplätzen habe und die Reinigung, Pflege sowie Instandhaltung dieser Bereiche einschließlich Haustechnik, Heizung, Müllentsorgung und Winterdienst auch im uneingeschränkten Interesse des Antragstellers liege. Selbst wenn der Antragsteller die im Kellergeschoss befindlichen Räume nicht nutze und dort auch über keinen Pkw-Abstellplatz verfüge, so stehe diesem und seinem Mieter doch die Nutzung des Kellerabteils und des gemeinschaftlichen Fahrradraums offen. Die Möglichkeit der Nutzung eines sicheren Fahrradraums unterscheide sich im städtischen Bereich nicht gravierend von der eines Pkw-Abstellplatzes, weshalb auch eine Änderung des Aufteilungsschlüssels für die Liftkosten nicht in Frage komme. Dem Rekurs sei daher ein Erfolg zu versagen gewesen.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil eine Änderung des Aufteilungsschlüssels stets nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und das Rekursgericht von den in der Judikatur entwickelten Rechtsgrundsätzen nicht abgewichen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Stattgebung des Sachantrags. Hilfsweise stellt der Antragsteller auch Aufhebungsanträge.

Der Oberste Gerichtshof hat den Antragsgegnern die Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung freigestellt. Die Antragsgegner erstatteten keine Revisionsrekursbeantwortung .

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise auch berechtigt, weil das Rekursgericht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Annahme erheblich unterschiedlicher Nutzungsmöglichkeiten im Sinn des § 32 Abs 5 WEG 2002 abgewichen ist.

1. § 32 Abs 5 WEG 2002 ermöglicht einem Wohnungseigentümer, bei erheblich unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten eine rechtsgestaltende Neufestsetzung des Aufteilungsschlüssels durch gerichtliche Entscheidung zu erlangen. Eine derartige Entscheidung ist vom Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls zu treffen (5 Ob 267/04g wobl 2005/116 [ Call ] = MietSlg 56.523; 5 Ob 170/07v). Auf subjektive Bedürfnisse eines Wohnungseigentümers kommt es dabei nicht an (5 Ob 175/06f wobl 2007/57 [ Call ]; 5 Ob 96/07i wobl 2008/29 [ Call ]). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die in § 32 Abs 1 WEG vorgesehene gesetzliche Aufteilung der Liegenschaftsaufwendungen nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile dann zu unbilligen Ergebnissen führt, wenn ein oder mehrere Wohnungseigentümer an den die Aufwendungen betreffenden Anlagen nicht oder nur in erheblich untergeordnetem Ausmaß teilhaben (5 Ob 48/12p wobl 2013/19).

2. Dem zuvor genannten Regelungszweck entsprechend hat der Oberste Gerichtshof schon mehrfach entschieden, dass dann, wenn die objektive Nutzungsmöglichkeit eines Personenaufzugs für einen Wohnungseigentümer erheblich hinter der Nutzungsmöglichkeit anderer Miteigentümer zurückbleibt, die Abänderung des Aufteilungsschlüssels gerechtfertigt ist. Daher ist bei Wohnungseigentümern von Erdgeschosswohnungen in aller Regel eine Reduzierung der anteilig mitzutragenden Liftkosten angezeigt, wenn sie den Aufzug im Wesentlichen nur zum Erreichen von Gemeinschaftsräumlichkeiten im Keller nutzen können. In diesen Fällen wird der betreffende Wohnungseigentümer zumeist um 4/5 von der Tragung der Lisftkosten befreit (5 Ob 2423/96a wobl 1998/203; 5 Ob 301/02d wobl 2003/122 [ Call ] mwN; 5 Ob 255/04t immolex 2005/149 = MietSlg 57.518; 5 Ob 267/04g wobl 2005/116 [ Call ]; 5 Ob 120/07v wobl 2007/123 [ Call ]). Abweichend wurde (nur) dann entschieden, wenn etwa der Lift (neben [einem/mehreren] allgemeinen [Fahrrad-]Räumen) auch noch häufig frequentierte Coloniaräume (5 Ob 19/01g [keine Befreiung] wobl 2001/161 [ Call ]) oder Abfallcontainer (5 Ob 48/12p [Befreiung um 3/4] wobl 2013/19) erschlossen hat. Da ein solcher zuletzt genannter Fall hier nicht vorliegt, ist die übliche Befreiung von der Tragung der Liftkosten im Umfang von 4/5 angemessen und (nur) in diesem Umfang ist der Revisionsrekurs des Antragstellers berechtigt.

3. Mit seinem verfahrenseinleitenden Antrag hat der Antragsteller auch die Befreiung von den Kosten der Hausbesorgung und Hausbetreuung sowie von den mit dem allgemeinen Stiegenhaus verbundenen Aufwendungen bis auf 20 % begehrt. Auf diese Begehren kommt der Antragsteller in seinem Revisionsrekurs nicht mehr zurück und er führt auch gegen die diese Befreiung ablehnende Beurteilung des Rekursgerichts nichts mehr aus. Die mangelnde Berechtigung des Revisionsrekurses in diesen selbständigen Teilbereichen bedarf daher keiner Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof mehr (vgl RIS-Justiz RS0043338).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG (iVm § 52 Abs 2 WEG 2002). Der Antragsteller ist mit seinen Begehren jedenfalls nicht erkennbar überwiegend durchgedrungen, weshalb es der Billigkeit entspricht, dass er seine Vertretungskosten selbst zu tragen hat. An (ust-freien) Barauslagen hat der Antragsteller nur Kopierkosten verzeichnet, diese aber nicht belegt, weshalb ihm insgesamt kein Kostenersatz zusteht.

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