Spruch:
Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Parteien sind Mit- und Wohnungseigentümer einer Liegenschaft in Innsbruck, auf der sich ein mit zwei Personenaufzügen ausgestattetes Geschäfts- und Wohngebäude befindet. Gegenstand des außerstreitigen Wohnrechtsverfahrens ist die Festsetzung eines für sämtliche Kosten der Personenaufzüge geltenden abweichenden Aufteilungsschlüssels ab dem 28. 5. 2004.
Das Erstgericht setzte einen alle Anteile erfassenden Verteilungsschlüssel fest und befreite die Zweitantragstellerin, die Erstantragsgegnerin, den Zweitantragsgegner und die Sechstantragsgegnerin von sämtlichen Kosten sowie den Erstantragsteller und den Drittantragsteller jeweils zur Hälfte. Es ging dabei von folgenden (zusammengefassten) Feststellungen aus:
Die 28 Wohn-/Geschäftseinheiten und zwei Kellereinheiten sind auf zwei getrennte Gebäude aufgeteilt: Das Hauptgebäude mit seinem West- und Ostteil und das davon abgetrennte, lediglich aus der Einheit Top 5b der Sechstantragsgegnerin bestehende Stöckelgebäude. Nur die ebenerdig gelegenen Räumlichkeiten des Hauptgebäudes sind durch eine in einen Innenhof führende Einfahrt in einen westlichen und östlichen Gebäudeteil getrennt. Das Hauptgebäude besteht neben dem Keller und dem Erdgeschoss aus sechs Obergeschossen samt zusätzlichen Dachräumlichkeiten im östlichen Gebäudeteil. Weder im Keller noch im Dachboden gibt es Gemeinschaftsräumlichkeiten, die für jeden Wohnungs- und Miteigentümer nutzbar sind. Das westliche und das östliche Stiegenhaus sind jeweils mit einem Personenaufzug ausgestattet. Beide Lifte führen in den Keller; der westliche Lift fährt bis zum fünften Stock, der andere Personenaufzug bis zum sechsten Stock. Vom Parterre sind die Lifttüren nicht ebenerdig erreichbar, sondern nur über ein Zwischengeschoss, das über eine Halbstiege bzw mehrere Stufen zugänglich ist. Sämtliche Geschäftsräumlichkeiten im Parterre können abgetrennt von den beiden Stiegenhäusern von der Straße oder über die Hofeinfahrt betreten werden.
Das Wohnungseigentumsobjekt des Erstantragstellers liegt im Erd- und Kellergeschoss des westlichen Teiles. Der Erstantragsteller betreibt in diesen Geschäftsräumlichkeiten einen gastgewerblichen Betrieb. Das im Keller und unterhalb der Einfahrt in den Innenhof untergebrachte Lokal ist von der Straße über einen Eingang westlich der Zufahrt über eine gesonderte Stiege zugänglich. Von dem Gastbetrieb im Keller führt jeweils eine Fluchttüre als Notausgang in das westliche und östliche Stiegenhaus. Im westlichen Teil des Lokales befinden sich auch die Toilettenanlagen des Gastronomiebetriebes. Der westliche Notausgang des Gastronomiebetriebes befindet sich direkt neben der Lifttür im Keller des westlichen Stiegenhaus.
Die an ein Unternehmen vermietete Geschäftseinheit des Drittantragstellers besteht aus Büroräumlichkeiten, die sich über den Keller bis in den ersten Stock erstrecken. Sowohl in den Keller als auch in den ersten Stock führt jeweils eine eigene Innenstiege. Nur von den im ersten Stock gelegenen Büroräumlichkeiten führt eine als Notausgang bezeichnete Türe, die von außen nur mit einem Schlüssel zu öffnen ist, in das östliche Stiegenhaus. Diese Türe wird lediglich als Notausgang für Notfälle und von jenen Mitarbeitern, die in den Büroräumlichkeiten im ersten Stock arbeiten, jeweils zu Arbeitsbeginn und Arbeitsende benutzt. Kunden des Unternehmens betreten das Geschäftslokal ausnahmslos vom straßenseitigen Zugang. Das Rekursgericht gab den Rekursen des Erst- und des Drittantragstellers nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes jeweils EUR 10.000 übersteigt und der Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Rechtliche Beurteilung
1. Die vom Erstantragsteller auf den Verstoß gegen die Teilrechtskraft gestützte und damit ungeachtet der Verneinung dieses Nichtigkeitsgrundes durch das Rekursgericht revisible (10 Ob 25/06h = Zak 2006/752) Nichtigkeit liegt nicht vor. Die rechtsgestaltende Festsetzung des Verteilungsschlüssels für die Kosten der Liftanlage nach § 32 Abs 5 WEG 2002 ist für sämtliche Verfahrensparteien als zum Zeitpunkt der Rechtskraft eingetragenen Miteigentümer bindend (RIS-Justiz RS0083238; 5 Ob 21/06h = wobl 2006/128 [Call]). Dies erfordert einen alle Mit- und Wohnungseigentümer erfassenden Verteilungsschlüssel im Sachbeschluss (RIS-Justiz RS0109935). Damit liegt ein Anwendungsfall der sogenannten wirkungsgebundenen einheitlichen Streitpartei vor (Fucik/Kloiber, AußStrG § 43 Rz 4). Die materielle Rechtskraft eines derartigen Sachbeschlusses über die Festsetzung des Verteilungsschlüssels setzt die Erledigung sämtlicher Rechtsmittel voraus. Schon deshalb kann es keinen Verstoß gegen die Teilrechtskraft darstellen, wenn der Erstantragsteller in den beiden ersten Rechtsgängen dieses Verfahrens von der Tragung der Kosten für beide Personenlifte zur Gänze befreit wurde. Abgesehen davon hat das Rekursgericht die Sachbeschlüsse der ersten Instanz jeweils zur Gänze aufgehoben: Zunächst als nichtig wegen der unterlassenen Beteiligung eines Wohnungseigentümers und danach wegen der nicht erfolgten Festsetzungen eines alle Mit- und Wohnungseigentümer erfassenden Verteilungsschlüssels.
2. Maßstab für den bei Gemeinschaftsanlagen iSd § 32 WEG festzusetzenden Verteilungsschlüssel ist die objektive und nicht die subjektive Nutzungsmöglichkeit. Auf die tatsächliche Nutzung kommt es nicht an (RIS-Justiz RS0083193). Bleibt die objektive Nutzungsmöglichkeit des Aufzuges für einen Miteigentümer erheblich hinter jener anderen Miteigentümer zurück, kann er beantragen, von der Tragung der Liftkosten (zum Teil) ausgenommen zu werden (5 Ob 255/04t = immolex 2005/149; 5 Ob 175/06f = wobl 2007/57 [Call]; RIS-Justiz RS0083087). Es handelt sich dabei um eine Ermessensentscheidung, die im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat (RIS-Justiz RS0107157 [T3]). Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Überschreitung des den Vorinstanzen zustehenden Ermessensspielraumes liegt hier nicht vor. Für beide betroffene Wohnungseigentumsobjekte steht die objektive Nutzbarkeit der Liftanlagen grundsätzlich fest: Für den Gastronomiebetrieb des Erstantragstellers bietet sich insbesondere die Nutzung für Warentransporte in das Kellerlokal an; auf Seiten des Drittantragstellers steht die Erreichbarkeit der Liftanlage für die Benützer der im ersten Stock gelegenen Büroräumlichkeiten im Vordergrund. Wegen des regelmäßigen Geschäfts- bzw Bürobetriebes ist die Benutzungsintensität nach objektiven Kriterien im Vergleich zu Benutzern von Wohnungen oder Büroräumlichkeiten im ersten bzw zweiten Stock nicht derartig gering, dass die 50 %ige Befreiung grob unbillig erscheint. Die Benutzungssituation lässt sich auch nicht mit jener vergleichen, die für Wohnungseigentümer von Erdgeschosswohnungen vorliegt, welche den Aufzug im Wesentlichen nur für das Aufsuchen von Gemeinschaftsräumlichkeiten im Keller nutzen können; in derartigen Fällen hält die Judikatur wegen des typischerweise selteneren Aufsuchen der Kellerräumlichkeiten eine Entlastung zu 4/5tel für angemessen (5 Ob 2423/96a = wobl 1998/203; 5 Ob 255/04t). Das Argument der seltenen Besuche von Kellerräumlichkeiten kommt bei einem teilweise im Keller liegenden gastgewerblichen Betrieb bzw bei Büroräumlichkeiten, die sich vom Keller bis in den ersten Stock erstrecken, aber nicht zum Tragen. Die ausschließliche Erreichbarkeit der beiden Personenaufzüge über ein durch mehrere Stufen erschlossenes Zwischengeschoss gilt für alle Benutzer/Bewohner des Hauptgebäudes gleichermaßen, weshalb die Lage der Lifte keine objektive Erschwerung ausschließlich zu Lasten der Geschäftsräumlichkeiten von Erst- und Drittantragsteller bedeutet (vgl 5 Ob 175/06f).
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