Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben wie folgt:
Der Antrag, den Aufteilungsschlüssel hinsichtlich der Mietkosten der Liegenschaft EZ ***** neu festzusetzen und den Antragsteller von der Tragung der Liftkosten zu 5/4 auszunehmen, wird abgewiesen.
Text
Begründung
Die Parteien sind die Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft. Das dem Antragsteller zugeordnete Objekt (W 2) liegt ebenso im Erdgeschoss wie jene der Erstantragsgegnerin (W 1, W 4 und W 5). Sie verfügen jeweils über einen straßenseitigen und einen rückseitigen Zugang. Nur das Geschäftslokal W 1 hat einen direkten Zugang zum Stiegenhaus, in dem sich der Lift befindet, ansonsten müssen alle anderen Wohnungseigentümer zum Aufzug über einen außen am Haus angebrachten, überdachten „Laufsteg" gehen. Auf der Rückseite des Gebäudes erschließt eine Freitreppe die beiden Tiefgeschosse. Die Wegstrecke von W 2 des Antragstellers bis zum Lift beträgt vom straßenseitigen Zugang 26 Schritte, vom rückseitigen Zugang 14 Schritte. Die Wegstrecke zwischen W 2 und der Freitreppe misst vom rückseitigen Zugang 10 Schritte, vom straßenseitigen Zugang 50 Schritte.
Im Zubehör-Wohnungseigentum des Antragstellers stehen die Tiefgaragenplätze 1 bis 3 im ersten Untergeschoss und das Kellerabteil Top 2 im zweiten Untergeschoss. Die Wegstrecke von den Stellplätzen bis zur Freitreppe beträgt 9 Schritte, jene bis zum Lift 28 Schritte. Die Außentüren zum ersten und zweiten Tiefgeschoss besitzen nur innenseitig eine Klinke, außen hingegen einen festen Türknauf und können nur mit einem Schlüssel geöffnet werden. In den Obergeschossen gibt es keine von der Allgemeinheit genützte Flächen. Der Antragsteller begehrt die Neufestsetzung des Aufteilungsschlüssels hinsichtlich der Liftkosten wie im Spruch ersichtlich mit der Begründung, dass die Liftanlage für sein im Erdgeschoss gelegenes Geschäftslokal völlig nutzlos sei, zumal sowohl die im ersten Tiefgeschoss gelegenen PKW-Stellplätze als auch der im zweiten Tiefgeschoss gelegene Abstellraum nicht mit dem Lift, sondern über eine Freitreppe aufgesucht würde, weil der Lift nur über einen im Freien gelegenen und vom rückwärtigen Ausgang des Büros ca 10 m entfernten Eingang erreichbar sei.
Die Antragsgegner sprachen sich gegen diesen Antrag aus, weil sowohl hinsichtlich des Kellerabteils im zweiten Untergeschoss als auch hinsichtlich der Tiefgaragenabstellplätze im ersten Untergeschoss eine objektive Nutzungsmöglichkeit der Liftanlage bestehe. Der Zugang zum Lift sei genauso überdacht wie der Zugang zur Freitreppe. Die Freitreppe sei darüber hinaus nur als Notausgang gedacht, weshalb die selbstschließende Tür von außen nur mit einem Schlüssel zu öffnen sei. Es bestehe sohin eine sinnvolle objektive Benützungsmöglichkeit des Liftes durch den Antragsteller, zumal von keinem einzigen Wohnungseigentumsobjekt ein direkter Zugang zum Lift bestehe und alle Wohnungseigentümer über außenliegende Gänge zum Lift gehen müssten. Lediglich für den Fall, dass dem Antrag des Antragstellers stattgegeben würde, beantragen auch die Erst- und Zweitantragsgegnerin wegen erschwerter Benützung des Aufzugs eine Befreiung im gleichen Ausmaß.
Das Erstgericht gab dem Antrag statt und befreite nicht nur den Antragsteller sondern auch die Erstantragsgegnerin von der Bezahlung von 4/5 der Aufzugskosten, soweit ihre Objekte ebenfalls im Erdgeschoss liegen. Es vertrat im zweiten Rechtsgang (das Erstgericht hatte im ersten Rechtsgang den Antrag des Antragstellers abgewiesen) die ihm vom Rekursgericht überbundene Rechtsansicht, dass die objektive Nutzungsmöglichkeit des Liftes für den Antragsteller aufgrund der örtlichen Gegebenheiten als recht bescheiden anzusehen sei, weshalb eine erhebliche unterschiedliche Nutzungsmöglichkeit eine Abänderung des Aufteilungsschlüssels gemäß § 32 Abs 5 WEG rechtfertige.
Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung und hielt seine im ersten Rechtsgang geäußerte Rechtsansicht aufrecht, dass der Antragsteller keinen direkten Zugang zum Lift habe und der rückwärtige Zugang zur Freitreppe für den Antragsteller in unmittelbarer Nähe liege. Die objektive Nutzungsmöglichkeit des Liftes erweise sich als recht bescheiden, sodass es angemessen sei, den Antragsteller zu 4/5 von der Tragung der Liftkosten auszunehmen. Dazu berief sich das Rekursgericht auf die Entscheidung 5 Ob 2423/96a, der ein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde läge. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 10.000 übersteige, der ordentliche Revisionsrekurs aber nicht zulässig sei, da die Festsetzung eines von § 32 Abs 1 WEG abweichenden Aufteilungsschlüssels regelmäßig eine von den Umstände des Einzelfalls abhängige Ermessensentscheidung darstelle.
Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Zweitantragsgegnerin mit einem Abänderungsantrag, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
In der - vom Obersten Gerichtshof freigestellten - Revisionsrekursbeantwortung wird beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist auch berechtigt. Nach ständiger Rechtsprechung ist Maßstab für den bei Gemeinschaftsanlagen iSd § 32 WEG festzusetzenden Verteilungsschlüssel die objektive und nicht die subjektive Nutzungsmöglichkeit. Auf die tatsächliche Nutzung kommt es nicht an (RIS-Justiz RS0083193). Bleibt die objektive Nutzungsmöglichkeit des Aufzuges für einen Miteigentümer erheblich hinter jener anderer Miteigentümer zurück, kann er beantragen, von der Tragung der Liftkosten (zum Teil) ausgenommen zu werden (5 Ob 255/04t = immolex 2005/149; RIS-Justiz RS0083087). Dabei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung, die im Regelfall keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat (RIS-Justiz RS0107157); hier jedoch hat das Rekursgericht seinen Ermessensspielraum im Einzelfall überschritten, was gemäß § 62 Abs 1 AußStrG im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifen ist.
Das Rekursgericht übersieht, dass der von ihm herangezogenen Entscheidung 5 Ob 2423/96a kein vergleichbarer Sachverhalt zugrunde liegt. Zum einen sind die räumlichen Verhältnisse völlig anders, weil die dort zu beurteilende Wohnhausanlage „Übereck" gebaut war und von den Antragstellern sehr lange und umständliche Wege zurückgelegt werden mussten, um gemeinschaftliche Räume zu erreichen, wobei jeweils vom und zum Lift noch zusätzlich Stufen zu überwinden waren, um die gewünschte Geschossebene zu erreichen. Zum anderen befand sich der im festgestellten Sachverhalt erwähnte Tiefgaragenparkplatz der Antragsteller auf derselben Geschossebene wie ihr Wohnungseigentumsobjekt, sodass sie den Lift zum Erreichen des Parkplatzes auch aus objektiver Sicht gar nicht brauchten. Die Antragsteller konnten zu ihm von ihrem Geschäftslokal mit wenigen niveaugleichen Schritten gelangen. In der rechtlichen Beurteilung wurde folgerichtig auf diesen Kfz-Abstellplatz gar nicht mehr Bezug genommen.
Im hier vorliegenden Fall muss der Antragsteller nur einen relativ kurzen Weg über den „Laufsteg" zurücklegen, um den Aufzug zu erreichen. Es ist dabei zu bedenken, dass alle Wohnungseigentümer (ausgenommen vom Objekt W1) diesen Weg über den „Laufsteg" nehmen müssen. Darin liegt für sich genommen keine objektive Erschwerung. Der Antragsteller muss andererseits, um seine drei Tiefgaragenparkplätze zu erreichen, ein Stockwerk überwinden. Die festgestellten Wege zur Freitreppe und zum Aufzug differieren keinesfalls so gravierend, dass von einer objektiven Erschwerung der Nutzung des Aufzuges gegenüber der Freitreppe gesprochen werden kann, zumal die Benützung der Freitreppe durch das beim Gang in das Tiefgaragen-Geschoss notwendige Aufsperren eines Schlosses erschwert wird. Außerdem bietet ihm der Lift - wie anderen Wohnungseigentümern auch - Erleichterungen bei der Beförderung von Lasten aus der Tiefgarage in jenes Geschoss, in dem sein Wohnungseigentumsobjekt liegt. Unabhängig davon, wie oft er tatsächlich seine Tiefgaragenabstellplätze aufsucht (was als allein subjektive Nutzung unbeachtet zu bleiben hat), besteht für ihn doch eine objektive Nutzungsmöglichkeit, die sich wegen der Besonderheiten der Wohnungseigentumsanlage gar nicht gravierend von jener der anderen Wohnungseigentümer unterscheidet. Ein Tiefgaragenparkplatz wird erfahrungsgemäß häufig aufgesucht, was der objektiven Nutzungsmöglichkeit des Antragstellers entsprechendes Gewicht verleiht. Dem gegenüber wird ein Kellerraum bzw Wasch- und Trockenraum wie in der erwähnten Vorentscheidung 5 Ob 2423/96a naturgemäß seltener benützt. Die objektive Nutzungsmöglichkeit des Antragstellers ist daher nicht wesentlich anders zu beurteilen als die der Antragsgegner, die mit dem Lift ins erste Obergeschoss fahren. Eine erheblich unterschiedliche Nutzungsmöglichkeit des Aufzuges durch die einzelnen Wohnungseigentümer, die eine Änderung des Aufteilungsschlüssels für die Liftkosten rechtfertigen könnte, ist also nicht erkennbar, weshalb der Antrag abzuweisen ist.
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