Spruch:
1. Dem Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Antragsabweisung hinsichtlich des Erstantragsgegners richtet, nicht Folge gegeben.
Der Antragsteller ist schuldig, der Erstantragsgegnerin deren mit 21,51 EUR anteilig bestimmte Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 3,58 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
2. Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs des Antragstellers Folge gegeben und werden die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:
„Die Aufteilung der Liftkosten der Liegenschaft EZ 5, GB *****, mit der Liegenschaftsadresse *****, wird abweichend von § 32 Abs 1 WEG dahin neu festgesetzt, dass der Antragsteller diese nur im Umfang von 1/4 zu tragen hat.
Das Mehrbegehren, den Antragsteller von der Tragung der Liftkosten zur Gänze zu entlasten, wird
a b g e w i e s e n.
Die Festsetzung ist ab der der Antragstellung nachfolgenden Abrechnungsperiode (ab 1. 1. 2010) wirksam.
Dieser abweichende Aufteilungsschlüssel ist ob der EZ 5, GB *****, grundbücherlich ersichtlich zu machen.
Die 2.‑ bis 29.‑Antragsgegner sind schuldig, dem Antragsteller die mit 2.461,25 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin 410,21 EUR USt) sowie die mit 546,48 EUR bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin 67,75 EUR USt und 140 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
3. 2.‑ bis 29.‑Antragsgegner sind weiters schuldig, dem Antragsteller die mit 804,43 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin 99,07 EUR USt und 210 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Die Erstantragsgegnerin ist nicht Mit‑ und Wohnungseigentümer der gegenständlichen Liegenschaft, sondern deren Verwalter.
Mit‑ und Wohnungseigentümer dieser Liegenschaft sind (bzw waren zur Zeit der Antragseinbringung) der Antragsteller sowie die 2.‑ bis 29.‑Antragsgegner.
Der Antragsteller ist zu 291/3968 Anteilen Miteigentümer der Liegenschaft, womit das Wohnungseigentum an Büro Nr 1 verbunden ist. Sein Objekt liegt im Hochparterre des Hauses, wo er als Arzt eine Privatordination betreibt.
Das Haus hat vier Stockwerke und einen Keller. Im Keller besteht ein Fahrradraum, den jeder Wohnungseigentümer verwenden kann.
Seit Errichtung des Hauses gibt es einen Lift, der vom Keller bis in das ausgebaute Dachgeschoss führt. Einstiegsstellen befinden sich im Keller, im Hochparterre und in den übrigen Stockwerken. Er kann von jedermann ohne Schlüssel benützt werden. Um den Lift zu verwenden, müssen jedenfalls Stufen überwunden werden. Zur Einstiegsstelle im Hochparterre gelangt man nach Passieren des Hauseingangstors über einen Stiegenaufgang mit drei und sodann neun weiteren Stufen, wozu insgesamt etwa 28 Schritte erforderlich sind. Ein zweiter Weg zum Lift führt durch den Hof, über zwei Stufen abwärts in den Keller zur dortigen Liftstation. Diesfalls sind etwa 40 Schritte erforderlich. Die Liftkabine ist ausreichend groß, um sie mit einem Rollstuhl oder auch einem Kinderwagen zu benützen.
Im Innenhof des Hauses stehen Restmüll‑ und Bioabfallcontainer, von denen der Antragsteller zumindest den Restmüllcontainer verwendet. Eine Reinigungskraft, die etwa einmal pro Woche in die Praxis des Antragstellers kommt, entsorgt dann den Müll im Hauscontainer. Der Antragsteller verfügt im Haus weder über ein Kellerabteil noch einen Garagenplatz.
Mit dem verfahrenseinleitenden Antrag begehrt der Antragsteller gemäß § 32 Abs 5 WEG einen abweichenden Aufteilungsschlüssel dergestalt festzusetzen, dass er als Wohnungseigentümer der top Nr 1 keinen Anteil an den Betriebskosten, Reparaturkosten und der Reparaturrücklage für den Aufzug zu tragen habe. Er und seine Patienten könnten den Aufzug aufgrund der Lage seines Objekts im Hochparterre nicht benutzen. Überdies sei die Aufzugsanlage nicht rollstuhlgerecht und daher für die Benützung durch seine Patienten ungeeignet. Die Benützung des Aufzugs über die Einstiegsstelle im Keller sei keine geeignete Verwendungsmöglichkeit. Bisher habe er sämtliche Aufwendungen für den Aufzug, also Betriebskosten und auch Wartungs‑ und Erneuerungskosten vorgeschrieben erhalten und bezahlt. Nunmehr sei die Erneuerung der Aufzugsanlage geplant. Ihn daran in Höhe seiner Nutzwertanteile zu beteiligen, sei sachlich nicht gerechtfertigt. Sein Versuch, die Miteigentümer durch Beschlussfassung zu einer Änderung zu bewegen, sei erfolglos geblieben.
Die Antragsgegner bestritten das Begehren und beantragten dessen Abweisung. Der Antragsteller und ihm zurechenbare Personen könnten den Lift ebenso wie die übrigen Wohnungseigentümer benützen. Im Jahr 2008 hätten der Antragsteller und Arbeiter im Zug von Umbauarbeiten den Lift auch tatsächlich benützt.
Das Erstgericht wies das Begehren auf Festsetzung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels hinsichtlich der Aufzugsanlage ab. Es erkannte rechtlich keine gravierenden Unterschiede in der objektiven Nutzungsmöglichkeit der Liftanlage. Es treffe auf alle Wohnungseigentümer gleichermaßen zu, dass eine Person, die den Lift verwenden wolle, entweder über die Stufen des Hochparterrs oder durch den Hof über den Keller zu einer Einstiegsstelle des Lifts gehen müsse. Die Lage des Objekts des Antragstellers im Hochparterre rechtfertige für sich allein noch nicht die Annahme erheblich unterschiedlicher Nutzungsmöglichkeiten, sonst müsste konsequenterweise der Anteil an den Liftkosten je nach Stockwerk gestaffelt aufgeschlüsselt werden. Dies verkenne aber den Grundgedanken des Wohnungseigentums, wonach alle Miteigentümer sämtliche Kosten nach ihren Mindestanteilen, bei denen ja bereits die Lage des Wohnungseigentumsobjekts im Haus berücksichtigt worden sei, zu tragen hätten.
Im Ergebnis könnten der Antragsteller und seine Patienten den Lift verwenden, um zur Praxis zu gelangen. Außerdem könnten der Antragsteller und seine Reinigungskraft den Lift dazu verwenden, um in den Keller und den dort gelegenen Fahrradabstellraum sowie in den Innenhof zu den Müllcontainern zu gelangen. Ob dabei nur ein Geschoss oder mehrere überwunden würden, mache rechtlich keinen Unterschied.
Dem dagegen vom Antragsteller erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge. Es teilte im Ergebnis die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass für den Antragsteller und seine Patienten eine sinnvolle Benützung des Lifts möglich sei. Für Patienten des Antragstellers, vor allem für gehbehinderte Patienten sei das Überwinden von zwölf Stufen zum Hochparterre unter Umständen wesentlich problematischer als das Hinabsteigen über zwei Stufen zur Liftstation im Keller. Auch die Reinigungskraft des Antragstellers könne den Aufzug nutzen, um den Müll in den Hauscontainer zu bringen. Zur Anlieferung schwererer Gegenstände könne der Lift ebenfalls über die Kellereinstiegsstelle genutzt werden. Nicht völlig gleiche Nutzungsmöglichkeiten der Wohnungseigentümer rechtfertigten noch nicht die begehrte Neufestsetzung des Aufteilungsschlüssels für die Liftkosten.
Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteigt und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil bei Beurteilung einer sinnvollen Nutzungsmöglichkeit lediglich Umstände des Einzelfalls maßgeblich seien.
Gegen diesen Sachbeschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der Sachbeschlüsse der Vorinstanzen im Sinne einer Antragsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Jene Antragsgegner, die sich am Revisionsrekursverfahren beteiligten, beantragten, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Annahme erheblich unterschiedlicher Nutzungsmöglichkeiten abgewichen ist.
Der Revisionsrekurs ist auch teilweise berechtigt.
§ 32 Abs 5 WEG ermöglicht es einem Wohnungseigentümer bei erheblich unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten eine rechtsgestaltende Neufestsetzung des Aufteilungsschlüssels durch gerichtliche Entscheidung zu erlangen. Eine derartige Entscheidung ist vom Gericht nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls zu treffen (5 Ob 267/04g; 5 Ob 283/06p; 5 Ob 170/07v), auf subjektive Bedürfnisse eines Wohnungseigentümers kommt es dabei nicht an (5 Ob 175/06f wobl 2007/57 [ Call ]; 5 Ob 96/07 wobl 2008/29 [ Call ]).
Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die in § 32 Abs 1 WEG vorgesehene gesetzliche Aufteilung der Liegenschaftsaufwendungen nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile dann zu unbilligen Ergebnissen führt, wenn ein oder mehrere Wohnungseigentümer an den die Aufwendungen betreffenden Anlagen nicht oder nur in erheblich untergeordnetem Ausmaß teilhaben.
Es entspricht ständiger höchstgerichtlicher Rechtsprechung, dass dann, wenn die objektive Nutzungsmöglichkeit eines Personenaufzugs für einen Wohnungseigentümer erheblich hinter der Nutzungsmöglichkeit anderer Miteigentümer zurückbleibt, die Abänderung des Aufteilungsschlüssels gerechtfertigt ist (5 Ob 301/02d wobl 2003/122 [ Call ] mwN; 5 Ob 177/00s wobl 2000/196 [ Call ]; RIS‑Justiz RS0083087). Aus der Entscheidung 5 Ob 255/04t MietSlg 57.518 geht der Grundsatz hervor, dass bei Wohnungseigentümern von Erdgeschosswohnungen grundsätzlich eine Reduzierung der anteilig mitzutragenden Liftkosten angezeigt ist, wenn sie den Aufzug im Wesentlichen nur zum Erreichen von Gemeinschaftsräumlichkeiten im Keller nutzen können. In einem vergleichbaren Fall wurde zu 5 Ob 2423/96a WoBl 1998/203 ausgesprochen, dass bei einer baulichen Anordnung der Liftanlage mit Zugang im Halbstock für einen Wohnungseigentümer im Erdgeschoss die Nutzungsmöglichkeit nur sehr gering ist, wenn er einen Wasch‑ und Trockenraum mit dem Lift nur unter Überwindung von mehreren Stufen erreichen konnte. Nach Billigkeitsgrundsätzen führte das zu einer Befreiung des betreffenden Wohnungseigentümers um 4/5 der Liftkosten.
Die Annahme der Vorinstanzen, wonach hier erheblich unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten nicht vorlägen, widerspricht der dargestellten Rechtsprechung. Für den Antragsteller und seine Patienten besteht, weil die Liftstation nicht im Erdgeschoss, sondern im Hochparterre liegt, wo sich auch die Ordination des Antragstellers befindet, zunächst überhaupt keine sinnvolle Möglichkeit, den Lift zu benützen. Dass die Erreichbarkeit des Lifts über das Hochparterre für alle Wohnungseigentümer gleich (umständlich) ist, ist als Argument für nicht erheblich unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten untauglich, weil die anderen Hausbewohner dann den Lift benützen können, um zu ihren Objekten zu gelangen, während das Objekt des Antragstellers neben der Lifttüre liegt. Es bleibt also nur die Nutzungsmöglichkeit durch den Hof, den Abgang in den Keller zur Kellereinstiegsstelle, um dann ein Stockwerk zum Objekt des Antragstellers im Hochparterre zu überwinden. Da beim Kellereingang zwei Stufen zu überwinden sind, kann auch hier nicht von einem barrierefreien Zugang für Patienten die Rede sein; jedenfalls ist hier ein Weg von 40 Schritten durch den Hof über zwei Stufen abwärts den Kellergang entlang bis zur Aufzugstüre zurückzulegen. Im Vergleich zur Erreichbarkeit der Ordination des Antragstellers über die Stufen ins Hochparterre ist der Weg über den Keller kaum eine sinnvolle Alternative. Zuzugestehen ist, dass in Einzelfällen, etwa mit einem Kinderwagen oder mit Lasten, eine solche Verwendung doch sinnhaft sein kann, ebenso wie die Verwendung zum Abfalltransport vom Hochparterre zu den Abfallbehältern, wenngleich diese Möglichkeit auch nur einmal wöchentlich in Anspruch genommen wird. Dies ändert aber ‑ entgegen der Beurteilung durch die Vorinstanzen ‑ nichts an der nur erheblich eingeschränkten Nutzbarkeit des Lifts für den Antragsteller. Dieser nur untergeordneten Benützbarkeit ist nach billigem Ermessen dadurch Rechnung zu tragen, dass der Antragsteller zu 3/4 von der Tragung jener Kosten, die auf den Aufzug des Hauses entfallen, zu entlasten ist und diese sohin nur im Umfang von 1/4 zu tragen hat.
Eine gänzliche Entlastung wie vom Antragsteller begehrt, stünde hingegen nicht in Einklang mit der dargestellten höchstgerichtlichen Rechtsprechung.
Der Revisionsrekurs des Antragstellers erweist sich daher nur als teilweise berechtigt. Das Mehrbegehren war hingegen abzuweisen.
Durch Benennung des Hausverwalters als Erstantragsgegner im Verfahren über die Festsetzung eines abweichenden Verteilungsschlüssels hat der Antragsteller diesen iSd § 2 Abs 1 Z 2 AußStrG in das Verfahren als Partei einbezogen. Eine materielle Berechtigung, einem Dritten gegenüber, der nicht Miteigentümer der Liegenschaft ist und daher zur Tragung der Aufwendungen der Liegenschaft auch nicht verpflichtet ist, einen abweichenden Verteilungsschlüssel feststellen zu lassen, besteht allerdings nicht. Mangels Passivlegitimation des Verwalters war das gegen ihn gerichtete Begehren abzuweisen und (nur) insoweit die Entscheidung der Vorinstanzen zu bestätigen.
Die Verfügung der Ersichtlichmachung dieser Entscheidung im Grundbuch gründet sich auf § 32 Abs 8 WEG.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Abgesehen von der Erstantragsgegnerin, der ‑ anteilig ‑ die entstandenen Verfahrenskosten zu ersetzen sind, sind die übrigen Antragsgegner dem Antragsteller gegenüber zum gesamten Kostenersatz zu verpflichten. Das teilweise Unterliegen des Antragstellers ist nicht relevant, weil die Entscheidung nach Billigkeitsgrundsätzen erfolgte.
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