European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00148.14G.1022.000
Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht die Einleitung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Wiederaufnahmsklage aufgetragen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Prozesskosten.
Begründung:
Im zu AZ C 362/80 des Erstgerichts wegen Feststellung der Vaterschaft und Leistung des Unterhalts vom Rechtsvorgänger der Beklagten (in Hinkunft: Sohn), geboren am 14. Juli 1980, gegen den (hier) Kläger geführten Prozess gestand dieser zwar zu, mit der Mutter innerhalb der gesetzlichen Vermutungsfrist verkehrt zu haben, wandte aber ein, sie habe in derselben Zeit auch mit ihrem damaligen Lebensgefährten regelmäßig verkehrt; er sei als Vater auszuschließen. Es wurde ein Gutachten über die Verteilung der Blutgruppen und -faktoren und der Serum-, Enzyme- und Sekretoreigenschaften bei den Streitteilen, der Mutter und dem weiteren Mann eingeholt, wonach die Vaterschaft des weiteren Mannes unwahrscheinlich bis sehr unwahrscheinlich sei, jene des Klägers jedoch zu 78 % wahrscheinlich. Mit Urteil des Erstgerichts vom 13. August 1981, GZ C 362/80 ‑18, dessen Rechtskraft am 21. September 1981 bestätigt wurde, stellte es den Kläger als Vater des Sohnes fest (Beilage ./A).
Am 17. April 2014 erhob der Kläger eine Wiederaufnahmsklage . Der Sohn sei am 17. August 2007 unter Hinterlassung der (nunmehr) Beklagten (Witwe und drei minderjährige Kinder) tödlich verunglückt, denen sein Nachlass eingeantwortet worden sei. Über Veranlassung der Ehegattin des Klägers sei dem Sohn im Jahr 2007 in der Prosektur eine Haarprobe entnommen worden, die von ihr aufbewahrt und am 13. März 2014 gemeinsam mit einem Mundhöhlenabstrich des Klägers zu einer DNA-Analyse abgegeben worden sei. Nach dem Inhalt des ihm am 27. März 2014 zugestellten Abstammungsgutachtens auf DNA-Basis sei er als Vater des seinerzeitigen Klägers ausgeschlossen. Dessen DNA könne auch über dessen Kinder festgestellt werden, sodass eine Exhumierung nicht erforderlich sei. Da der Kläger erst am 27. März 2014 davon Kenntnis erlangt habe, dass aufgrund der entnommenen Haarprobe seine Vaterschaft nicht bestehe, sei die Frist für die Wiederaufnahmsklage eingehalten. Die absolute Zehnjahresfrist des § 534 Abs 3 ZPO sei nach der Judikatur nicht anzuwenden.
Das Erstgericht wies die Klage ohne Verhandlung zurück (§ 538 Abs 1 ZPO). Gemäß § 202 AußStrG gelte für das vorliegende Verfahren weiter die ZPO. Vaterschaftsfragen würden derzeit durch DNA‑Analyse geklärt. Da die Haarprobe bereits 2007 entnommen worden sei, hätte der Kläger seit diesem Zeitpunkt die DNA‑Untersuchung durchführen und die Wiederaufnahme anstreben können. Dies wäre auch schon zu Lebzeiten des Sohnes möglich gewesen. Auf den Zeitpunkt des Vorliegens des DNA‑Gutachtens könne es dabei nicht ankommen, so dass die Klage verfristet sei.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung zur absoluten Klagefrist in Abstammungssachen abweiche.
Es gelangte ebenfalls zur Anwendung der ZPO und unter Berücksichtigung von zur Zweijahresfrist nach § 164 Abs 2 ABGB idF FamErbRÄG 2004 (nunmehr § 154 Abs 2 ABGB idF KindNamRÄG 2013) ergangener Judikatur zur Ansicht, die Frist des § 534 Abs 1 und 2 Z 4 ZPO habe erst nach Erhalt des DNA-Gutachtens begonnen und sei deshalb gewahrt worden.
Das Rekursgericht ging aber von der Versäumung einer 30‑jährigen absoluten Klagefrist aus. Zur Zehnjahresfrist nach § 534 Abs 3 ZPO werde seit der Entscheidung 8 Ob 599/92 = SZ 66/10 judiziert, diese auf Wiederaufnahmsklagen gegen Urteile, mit denen die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind festgestellt wurde, nicht anzuwenden. Allerdings habe der Gesetzgeber mit der Schaffung des neuen Abstammungsverfahrens nach dem AußStrG 2005 für im Wesentlichen sämtliche dabei auftretenden Fallkonstellationen eine absolute Frist von 30 Jahren festgelegt, und zwar auch für das Abänderungsverfahren im Abstammungsverfahren (§ 83 Abs 5 AußStrG). Zwar sei die Nichtigerklärung eines Vaterschaftsanerkenntnisses nach den gesetzlichen Bestimmungen immer noch fristungebunden möglich. Die durch das FamErbRÄG 2004 zu Lasten des Ehemannes und seiner Rechtsnachfolger statuierte absolute 30-jährige Frist für die Antragstellung auf Feststellung der Nichtvaterschaft ab der Geburt des Kindes bzw Änderung der Abstammung des § 158 Abs 3 ABGB aF (nunmehr § 153 Abs 3 ABGB idF KindNamRÄG 2013) sei von der Judikatur aber auch auf die Fälle des § 164 Abs 1 Z 3 ABGB aF ausgedehnt worden (1 Ob 106/08g). Dafür beginne zwar im Hinblick auf Art IV § 5 Abs 2 der Übergangs- und Schlussbestimmungen zum FamErbRÄG 2004 die 30‑jährige Verjährungsfrist erst mit Inkrafttreten dieser Bestimmung, somit frühestens am 1. Jänner 2005 (2 Ob 12/12x). Bei der Wiederaufnahme verhalte es sich aber anders, weil diesbezüglich nur die bestehende zehnjährige Frist verlängert worden und bloß die verfassungskonforme Interpretation an die neu angewandten Fristen anzupassen sei, ohne dass ein Rückwirkungsverbot entgegenstehen könnte.
Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Aufhebung des Zurückweisungsbeschlusses und Einleitung des gesetzlichen Verfahrens. Der Kläger macht im Wesentlichen geltend, die Änderungen der Rechtslage durch das FamErbRÄG 2004 würden keinen Anlass bieten, von der mit der Entscheidung 8 Ob 599/92 eingeleiteten Judikatur zum Entfall der Zehnjahresfrist bei Wiederaufnahmsklagen gegen Urteile, mit denen die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind festgestellt wurde, abzugehen; Derartiges habe auch der Gesetzgeber nicht beabsichtigt. Anders als bei der Bestreitung der ehelichen Geburt gehe es bei einer Wiederaufnahmsklage nur darum, dass neue Tatsachen hervorgekommen seien, aufgrund derer sich ein bereits ergangenes Urteil als falsch erweise. Es sei das Abstammungsverfahren betroffen, das von amtswegiger Wahrheitsforschung geprägt sei. Nachträglich eingeführte Fristen könnten nicht dazu führen, dass unrichtige Entscheidungen bestehen bleiben könnten.
Rechtliche Beurteilung
Der zugelassene Revisionsrekurs, über den in einem einseitigen Verfahren zu entscheiden ist, weil die Wiederaufnahmsklage vor Streitanhängigkeit zurückgewiesen wurde, fällt nicht unter den Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO, weil der Ausnahmefall des § 528 Abs 2 Z 2 zweiter Halbsatz ZPO vorliegt (RIS-Justiz RS0125126; E. Kodek in Rechberger 4 § 538 Rz 8). Er ist zulässig und berechtigt , weil die von den Vorinstanzen angenommene Verfristung der Wiederaufnahmsklage eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung darstellt.
1. Nach § 202 AußStrG 2005 ist dieses Gesetz auf die vor seinem Inkrafttreten anhängig gewordenen Streitigkeiten in Angelegenheiten, die nunmehr statt im streitigen Verfahren im Verfahren außer Streitsachen durchzusetzen wären, nicht anzuwenden. Eine solche Angelegenheit ist auch das Abstammungsverfahren (§§ 82 ff AußStrG). Diese Zuständigkeitsregel gilt nach den ErläutRV (abgedruckt in Fucik/Kloiber , AußStrG Anm zu § 202) auch für die Wiederaufnahme derartiger bereits abgeschlossener Verfahren. Um keine Rechtsschutzlücke entstehen zu lassen, sind daher dafür auch weiterhin die Vorschriften über die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage maßgeblich (RIS‑Justiz RS0123808).
2. Das Rekursgericht hat die Verfristung der Wiederaufnahmsklage wegen der Versäumung der seines Erachtens analog zu § 158 Abs 3 ABGB aF/§ 153 Abs 3 ABGB nF anzuwendenden absoluten Frist von 30 Jahren, beginnend ab der „bekämpften Vaterschaftsfeststellung“, angenommen, was einer Verlängerung der Zehnjahresfrist des § 534 Abs 3 ZPO gleichkomme, sodass dem kein Rückwirkungsverbot entgegenstehe.
2.1. Die Rechtsfrage, ob eine solche analoge Anwendung einer materiell-rechtlichen Frist auf eine verfahrensrechtliche Frist mit dem Ergebnis deren Verlängerung wegen geänderter Gesetzeslage (FamErbRÄG 2004; § 83 Abs 5 AußStrG) und jüngerer Judikatur (1 Ob 106/08g und 2 Ob 12/12x) hier geboten ist (dagegen Jelinek in Fasching/Konecny 2 § 534 ZPO Rz 47), muss für die vorliegende Konstellation nicht beantwortet werden. Denn sie wäre auch im Fall ihrer Bejahung wegen der zu § 158 Abs 3 ABGB aF ergangenen Übergangsbestimmung derzeit keinesfalls abgelaufen.
2.2. Art IV § 5 Abs 2 des FamErbRÄG 2004, BGBl I 58/2004, sieht vor, dass Fristen zur Geltendmachung von abstammungsrechtlichen Ansprüchen, die vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes nicht bestanden haben, frühestens mit dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes zu laufen beginnen. Diese Übergangsregelung hat schon den 2. Senat veranlasst, zwar die Anwendung der absoluten Verjährungsfrist des § 158 Abs 3 ABGB aF auch auf die Fälle des § 164 Abs 1 Z 3 ABGB aF zu bejahen, allerdings nicht vor Inkrafttreten des FamErbRÄG 2004 mit 1. Jänner 2005 (2 Ob 12/12x). Diese Rechtsansicht, der sich der erkennende Senat anschließt, hat zur Folge, dass in über Antrag des Mannes eingeleiteten Verfahren zur Rechtsunwirksamerklärung eines Vaterschaftsanerkenntnisses die genannte, analog angewendete absolute 30-jährige Frist des § 158 Abs 3 ABGB aF/§ 153 Abs 3 ABGB nF erst mit 1. Jänner 2005 zu laufen beginnen und daher bei Klageeinbringung am 17. April 2014 noch nicht abgelaufen sein konnte.
Nichts anderes kann für die vorliegende Wiederaufnahmsklage gelten, wenn man § 158 Abs 3 ABGB aF/§ 153 Abs 3 ABGB nF darauf analog anwenden wollte. Der Ansicht des Rekursgerichts, diesfalls käme es „nur“ zur Verlängerung der im § 534 Abs 3 ZPO vorgesehenen Zehnjahresfrist, kann nämlich nicht gefolgt werden.
2.3. Zutreffend hat schon das Rekursgericht auf die seit der Entscheidung 8 Ob 599/92 bestehende Judikaturkette verwiesen, wonach die (objektive) Frist des § 534 Abs 3 ZPO auf Wiederaufnahmsklagen gegen Urteile, mit denen die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind festgestellt wurde, bei verfassungskonformer Gesetzesanwendung nicht anzuwenden ist (RIS-Justiz RS0044350; RS0044469 je mwN).
Das bedeutet de facto eine ‑ im Ergebnis vom Gesetzgeber tolerierte (vgl ErläutRV zu § 83 Abs 5 AußStrG [abgedruckt in Fucik/Kloiber , AußStrG Anm zu § 83]) ‑ Rechtslage, die für die fristgerechte Erhebung einer Wiederaufnahmsklage wie der vorliegenden nur die Wahrung der subjektiven Frist des § 534 Abs 1 ZPO von vier Wochen erfordert, eine absolute Befristung jedoch nicht vorsieht. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des FamErbRÄG 2004 mit 1. Jänner 2005 war daher für Wiederaufnahmsklagen gegen Urteile, mit denen die Vaterschaft zu einem unehelichen Kind festgestellt wurde, vom Nichtbestehen einer absoluten Befristung auszugehen. Die analoge Anwendung der absoluten Frist des § 158 Abs 3 ABGB aF/§ 153 Abs 3 ABGB nF auf die vorliegende Wiederaufnahmsklage hätte daher nicht die Verlängerung der (ohnehin bereits Ende September 1991 abgelaufenen) Zehnjahresfrist des § 534 Abs 3 ZPO zur Folge, sondern die (wenn auch neuerliche) Einführung einer absoluten Befristung. Die zitierte Übergangsbestimmung zum FamErbRÄG 2004 für Fristen, vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes nicht bestanden haben, erlaubt es daher nur, allenfalls einen Beginn der Dreißigjahresfrist am 1. Jänner 2005 anzunehmen.
2.4. Da diese Frist bei Einbringung der Wiederaufnahmsklage noch nicht abgelaufen war, braucht also zur vom Rekursgericht vertretenen analogen Anwendung des § 158 Abs 3 ABGB aF/§ 153 Abs 3 ABGB nF hier nicht abschließend Stellung genommen zu werden.
3. Im Gegensatz zum Erstgericht hat das Rekursgericht die Wahrung der subjektiven Frist nach § 534 Abs 1 und Abs 2 Z 4 ZPO durch den Kläger im Ergebnis zutreffend bejaht.
3.1. Eine Wiederaufnahme wegen neu aufgefundener Beweismittel kommt grundsätzlich nur dort in Frage, wo im Vorprozess eine bestimmte Tatsache zwar behauptet wurde, aber nicht bewiesen werden konnte und die neu aufgefundenen Beweismittel eben den Beweis dieser Tatsache erbringen sollen (RIS-Justiz RS0040999). Die neuen Tatsachen iSd § 530 Abs 1 Z 7 ZPO müssen im vorangegangenen Verfahren bereits entstanden oder vorhanden gewesen sein. Bei den neuen Beweismitteln kommt es nicht darauf an, wann diese entstanden sind; sie müssen sich nur auf Tatsachen beziehen, die schon vor Verfahrensabschluss erster Instanz vorhanden waren (RIS‑Justiz RS0044437; vgl RS0124752). Baut ein später eingeholtes Gutachten auf einer neuen wissenschaftlichen Erkenntnismethode auf, die zur Zeit des Vorprozesses noch nicht bekannt war, handelt es sich um ein neues Beweismittel im Sinne des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO (RIS-Justiz RS0044733 [T1]).
Der Umstand, dass die DNA-Analyse während des Vorprozesses noch nicht zur Verfügung stand, ist offenkundig. Unter den genannten Gesichtspunkten macht der Kläger, der neuerlich die im Vorprozess vergeblich geltend gemachte Ausgeschlossenheit von der Vaterschaft unter Berufung auf ein eingeholtes privates DNA-Gutachten behauptet, einen tauglichen Wiederaufnahmsgrund geltend.
3.2. Aus dem Fehlen einer dem § 530 Abs 2 ZPO entsprechenden Bestimmung im Zusammenhang mit der auf Kenntnis und nicht auf Kennen können abstellenden Vorschrift des § 534 Abs 2 Z 4 ZPO folgt, dass der Wiederaufnahmskläger nicht verpflichtet ist, nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Vorprozess weitere Nachforschungen schon bei Vorliegen vager, eine Wiederaufnahmsklage für sich nicht rechtfertigender Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Wiederaufnahmsgrundes anzustellen (9 ObA 82/90). Ein Verschulden iSd § 530 Abs 2 ZPO ist nur soweit beachtlich, als es die Geltendmachung des Beweismittels vor Schluss der Verhandlung im Vorprozess verhinderte (2 Ob 72/55 = SZ 28/95).
Dem Kläger kann daher auch kein Verschulden iSd § 530 Abs 2 ZPO angelastet werden, da eine DNA‑Analyse seinerzeit noch nicht möglich war.
Den Klagebehauptungen ist eine besondere Verdachtslage gegen die Richtigkeit des offensichtlich unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Urteils im Vorprozess beim Kläger nicht zu entnehmen; allfällige, ungeachtet des rechtskräftigen, nicht nur auf Zeugen- und Parteienaussagen, sondern auf einem Gutachten eines Sachverständigen basierenden Urteils im Vorprozess denkbare Zweifel an seiner Vaterschaft wegen der relativ geringen Wahrscheinlichkeit dafür (wie sie die behauptete „Beweissicherung“ indiziert), vermögen somit eine Obliegenheit zur Nachforschung mit dem Ziel, die angenommene Vaterschaft widerlegen zu können, nicht zu begründen.
3.3. Dem vom Erstgericht als wesentlich erachteten Umstand der behaupteten Entnahme einer Haarprobe des Verstorbenen bereits im Jahr 2007 kommt keine Relevanz zu.
Die Wiederaufnahmsklage ist nach § 534 Abs 1 ZPO binnen einer Notfrist von vier Wochen zu erheben. Beim Wiederaufnahmegrund des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO beginnt die Frist mit jenem Tag, an dem die Partei imstande war, die ihr bekannt gewordenen Tatsachen und Beweismittel bei Gericht vorzubringen. Dafür ist entscheidend, wann die Partei Kenntnis von den neuen Tatsachen und Beweismitteln erlangt. Absolute Gewissheit ist nicht erforderlich, es genügt ein höherer Grad von Wahrscheinlichkeit, der objektiv gesehen die Wiederaufnahme rechtfertigt (4 Ob 123/13m; RIS-Justiz RS0044790); der Kläger muss die neuen Beweismittel so weit kennen, dass er ihre Eignung für ein allfälliges Verfahren prüfen kann (RIS-Justiz RS0044635). In den Fällen der Abstammungsfeststellung ist bei der Ermittlung des Beginns des Laufes der Frist gemäß § 534 Abs 1 ZPO kein strenger Maßstab anzulegen; dies bedeutet aber nicht, dass diese Frist überhaupt unbeachtlich ist (2 Ob 557/95; Jelinek § 534 ZPO Rz 37). Die Frist des § 534 Abs 1 ZPO ist nicht von dem Bestehen eines Verdachts, sondern von der Kenntnis einer Tatsache/eines Beweismittels an zu berechnen (RIS-Justiz RS0044581). Die Frage, ab wann eine Partei imstande ist, ihr bekannt gewordene Beweismittel bei Gericht vorzubringen, und ab wann sie imstande ist, Beweismittel zu benützen, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung verschafft hätten, stellt stets eine nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu lösende Frage dar (5 Ob 148/10s).
Bei der Haarprobe des Sohnes handelt es sich um ein Beweismittel, das für sich alleine keine Beurteilung der Eignung für eine Wiederaufnahmsklage zulässt; eine Nachforschungspflicht besteht aber ‑ wie bereits dargelegt ‑ nicht.
3.4. Erst mit Vorliegen des Privatgutachtens ist der Kläger somit in der Lage gewesen, einen form- und inhaltsgerechten Beweisantrag zu stellen (RIS-Justiz RS0044635 [T1]), ohne die ‑ bereits im Vorprozess erfolglos aufgestellte ‑ Behauptung des Ausschlusses seiner Vaterschaft ohne ausreichende Anhaltspunkte dafür und deshalb „ins Blaue“ zu wiederholen, was der Wahrheitspflicht des § 178 Abs 1 ZPO ( Fucik in Rechberger 4 § 178 ZPO Rz 1) widerspräche. Auch ein ‑ über die bloße abstrakte Möglichkeit hinausgehender ‑ höherer Grad der Wahrscheinlichkeit der Eignung eines DNA-Gutachtens, bei Benützung im früheren Verfahren eine für den Kläger günstigere Entscheidung herbeizuführen (RIS-Justiz RS0044676), dh den Ausschluss seiner Vaterschaft erweisen zu können, war erst zu diesem Zeitpunkt gegeben (vgl 2 Ob 292/05p).
Wenn der Kläger unter diesen Umständen vom ‑ dem Urteil des Vorprozesses widersprechenden ‑ Inhalt des erst 2014 eingeholten, entsprechend seiner Behauptungen tatsächlich auch mit Befundmaterial des früheren Klägers erstellten DNA-Gutachtens erst am 27. März 2014 Kenntnis erlangte, also weniger als vier Wochen vor Klageeinbringung, ist von der Wahrung der subjektiven Klagefrist auszugehen.
4. Nach dem Tod der betroffenen Person kann ua die Feststellung der Abstammung von den Rechtsnachfolgern oder gegen diese bewirkt werden (§ 138a Abs 2 ABGB aF/§ 142 ABGB nF). Daher sind die Beklagten ‑ ausgehend von den Klagebehauptungen ‑ als eingeantwortete Erben gemeinsam passiv legitimiert ( Hopf in KBB 4 § 142 ABGB Rz 2).
5. Da die Vorinstanzen somit zu Unrecht von der Verfristung der vorliegenden Wiederaufnahmsklage ausgingen, ist dem Revisionsrekurs des Klägers Folge zu geben; das Erstgericht wird daher das gesetzmäßige Verfahren unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund einzuleiten haben.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
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