OGH 7Ob152/14z

OGH7Ob152/14z17.9.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hoch, Dr. Kalivoda, Mag. Dr. Wurdinger und Mag. Malesich als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F***** K*****, vertreten durch Mag. Philipp Tschernitz, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei F***** K*****, vertreten durch Mag. Max Verdino und andere Rechtsanwälte in St. Veit an der Glan, wegen Räumung, über die außerordentlichen Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 26. Juni 2014, GZ 4 R 191/14a‑46, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0070OB00152.14Z.0917.000

 

Spruch:

Die außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Zur außerordentlichen Revision des Klägers:

Die Zulassungsbeschwerde beruft sich darauf, dass die Entscheidung, ob durch die Aussage des Großvaters des Klägers im Jahr 1979 ein Wohnrecht (für dessen Vater, den Beklagten) im Haus oder gar ein Nutzungsrecht für die gesamte Liegenschaft abzuleiten sei, von einer erheblichen Rechtsfrage abhänge. Das Berufungsgericht habe ‑ ohne neuerliche Beweisaufnahme und „im teilweisen Widerspruch“ zu den Feststellungen ‑ die Frage unrichtig gelöst, ob dem Beklagten ein Wohnrecht eingeräumt worden sei. Dabei sei die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach eine schlüssige Einräumung von Benützungsrechten unter Familienangehörigen einer über jeden Zweifel erhabenen Eindeutigkeit des Verhaltens des Eigentümers bedürfe, übergangen worden. Es liege eine Fehlbeurteilung vor, die aus Gründen der Rechtssicherheit wahrzunehmen sei.

Rechtliche Beurteilung

Damit werden keine nach § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfragen aufgezeigt.

Welcher Art das Wohnungsrecht ist, ist eine Frage der Auslegung des Erwerbstitels (RIS‑Justiz RS0011840 [T8]). Wie eine Erklärung im Einzelfall aufzufassen ist, ist jeweils nur nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und stellt im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage dar (8 Ob 49/14k mwN), weil schon wegen ihrer Einzelfallbezogenheit ein Beitrag zur Rechtsentwicklung oder Rechtsvereinheitlichung nicht erwartet werden kann und ein Aufgreifen daher nur aus Gründen der Rechtssicherheit erforderlich sein könnte (RIS‑Justiz RS0042555 [T9]; 3 Ob 72/14f).

Die bekämpfte Auslegung kann somit ‑ wie der Rechtsmittelwerber offenbar selbst erkennt ‑ nur dann eine erhebliche Rechtsfrage darstellen, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde und eine im Interesse der Rechtssicherheit wahrzunehmende Fehlbeurteilung vorliegt (RIS‑Justiz RS0042776; RS0042936).

Steht die Vertragsauslegung mit den Grundsätzen von Lehre und Rechtsprechung im Einklang, kommt der Beurteilung, ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, keine darüber hinausgehende Bedeutung zu (RIS‑Justiz RS0042776). Eine erhebliche Rechtsfrage liegt in einem solchen Fall unabhängig davon nicht vor, ob (auch) die vom Rechtsmittelwerber angestrebte Auslegung vertretbar ist (RIS‑Justiz RS0042555 [T4]; RS0112106 [insb T2 bis T4]).

Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen:

Ist doch die Beurteilung, dass der Großvater des Klägers dem Beklagten schlüssig ein dingliches Wohnrecht einräumte, weil er jahrelang (auch zum Zeitpunkt des Übergabsvertrags) nichts an der Wohnsituation des Beklagten änderte und zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor 1979 sagte, dass der Beklagte „sein Leben lang“ bleiben könne, jedenfalls vertretbar; gleiches gilt für die Beurteilung, dass insbesondere deshalb, weil der Großvater die Renovierung des Hauses durch den Beklagten samt anschließender Nutzung als Wohnhaus seit dem Jahr 2002 duldete, wobei dies auch dem Kläger bekannt war, eine offenkundige Servitut vorliegt; auch die Frage der Offenkundigkeit einer Wohnungsdienstbarkeit ist ‑ entsprechend den von der Rechtsprechung bei der Grunddienstbarkeit herausgebildeten Kriterien ‑ nur nach den Umständen des Einzelfalls, also danach beurteilen, ob bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrnehmbar sind, die das Bestehen oder die Erweiterung einer Wohnungsdienstbarkeit vermuten lassen (RIS-Justiz RS0079882).

Zur außerordentlichen Revision des Beklagten:

Der Beklagte beruft sich zur Zulässigkeit seines Rechtsmittels darauf, dass ein Räumungsbegehren hinsichtlich Liegenschaftsanteilen „nicht ausreicht, um eine Nutzung derselben, welche im Übrigen ohnedies unstrittig ist, als Rechtsgrundlage für die weiteren Entscheidungen zugrunde zu legen“. Aber auch wenn man davon ausgehe, dass diese Teile unstrittig seien, entferne sich das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, dass offenkundige Dienstbarkeiten (insbesondere wie hier nicht nur durch Wissen, sondern auch durch jahrelange Duldung gestärkt) vom Rechtsnachfolger zu übernehmen seien. Es sei nicht am Beklagten gelegen, nachzuweisen, dass er die Liegenschaft nutze, zumal dies „nicht streitgegenständlich“ gewesen sei.

Dem ist zu erwidern:

Ein Wohnungsrecht im Sinn des § 521 ABGB umfasst grundsätzlich nur die unmittelbar zur Wohnung dienenden Räume und die als Zubehör verwendbaren Nebenräume wie Küche, Keller, Dachboden und dergleichen, doch können auch weitere Mitbenützungsrechte vereinbart werden. In Verbindung mit den bewohnbaren Teilen eines Gebäudes kann etwa auch ein Hausgarten ‑ jedenfalls auf Grundlage einer entsprechenden Vereinbarung ‑ Gegenstand eines Wohnungsrechts sein (RIS‑Justiz RS0011823 [T1]).

Die im vorliegenden Fall bekämpfte Beurteilung des Berufungsgerichts, dem Beklagten sei der Beweis dafür, dass ihm auch die Nutzung der Reithalle sowie des teilweise überdachten Lagerplatzes sowie der Zufahrten von seinem Vater mit Bindungsabsicht und Rechtsfolgewillen überlassen worden sei, nicht gelungen, weshalb diese Teile der Liegenschaft von der offenkundigen Dienstbarkeit nicht umfasst sind, ist jedenfalls vertretbar.

Die Ausführungen des Rechtsmittelwerbers, dass die Nutzung der Liegenschaft nicht „streitgegenständlich“ gewesen sei und von ihm auch nicht habe bewiesen werden müssen, widersprechen dem in ständiger Rechtsprechung vertretenen allgemeinen Grundsatz, dass dem Beklagten die Behauptung und der Beweis anspruchsvernichtender Tatsachen obliegt, dass ihn also Behauptungs- und Beweislast für die Einwendungstatsachen trifft (RIS‑Justiz RS0037694; RS0037797; RS0109287; vgl auch RS0118756; RS0076536).

Beide außerordentliche Revisionen sind daher mangels erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen, was nach § 510 Abs 3 ZPO keiner weiteren Begründung bedarf.

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