OGH 3Ob72/14f

OGH3Ob72/14f25.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch RA Dr. Franz P. Oberlercher & RA Mag. Gustav H. Ortner Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in Spittal/Drau, gegen die beklagte Partei B***** GmbH, *****, vertreten durch Piccolruaz & Müller Anwaltspartnerschaft in Bludenz, wegen Feststellung, in eventu Duldung, in eventu Leistung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Berufungsgericht vom 19. März 2014, GZ 3 R 3/14x‑13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Spittal/Drau vom 31. Oktober 2013, GZ 1 C 416/13a‑9, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00072.14F.0625.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Zwischen den Parteien ist die Auslegung eines Vertrags strittig, mit dem der Kläger der Rechtsvorgängerin der beklagten Liftgesellschaft, einer KG, eine Servitut zur Errichtung und zum Betrieb eines Schlepplifts einräumte und ihm als Gegenleistung ua die kostenlose Beförderung von Frachten mit einer Stollenbahn der KG zugesagt wurde; weiters die (Un-)Möglichkeit der Erfüllung dieser Gegenleistung durch die Beklagte wegen des Fehlens einer Zustimmung eines Dritten.

Der Kläger stellte das Hauptbegehren auf Feststellung seines mit der KG vereinbarten Beförderungsrechts, in eventu begehrt er die Verpflichtung der Beklagten zu dessen Duldung und in eventu deren Verpflichtung zur Durchführung der Transporte.

Die Beklagte bestritt eine Verpflichtung zur Beförderung; dem Kläger sei nur zugesagt worden, eine allfällige Beförderung sei kostenlos. Sie habe ihm das behauptete Recht wegen des dem Kläger bekannten Inhalts des Vertrags mit einem Dritten, der seinerseits die Einräumung eines Rechts für die Errichtung und den Betrieb der Stollenbahn auf die Personenbeförderung eingeschränkt habe, auch gar nicht einräumen können; eine derartige Beförderungspflicht wäre daher wegen rechtlicher Unmöglichkeit nichtig. Der Dritte habe im Dezember 2010 alle Transporte für die Hütte des Klägers untersagt. Vermittlungsversuche der Beklagten seien gescheitert.

Das Erstgericht wies das Haupt- und das erste Eventualbegehren unbekämpft ab und gab dem zweiten Eventualbegehren ‑ bestätigt vom Berufungsgericht ‑ statt. Beide Vorinstanzen legten den mit dem Kläger geschlossenen Dienstbarkeitsvertrag im Sinn einer als Entgelt für die Einräumung der Liftservitut vereinbarten Beförderungspflicht der Beklagten aus und verneinten sowohl eine anfängliche als auch eine nachträgliche Unmöglichkeit der Leistung der Beklagten, weil eine Zustimmung des Dritten zu Materialtransporten des Klägers derzeit nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen erscheine.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte zeigt in ihrer außerordentlichen Revision , mit der sie ihren bisherigen Standpunkt aufrecht erhält, keine erhebliche Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO auf; dies ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 ZPO).

1. Die Auslegung von Willenserklärungen im Einzelfall sowie Auslegungsfragen über die Erklärungsabsicht im Einzelfall sind vom Obersten Gerichtshof ‑ von groben Auslegungsfehlern und sonstigen krassen Fehlbeurteilungen abgesehen ‑ nicht zu überprüfen (RIS-Justiz RS0042555 [T11]). Einen solchen Ausnahmefall vermag die Beklagte nicht darzustellen.

1.1. Sie übergeht nämlich die Feststellungen, wonach dem Kläger die im Vertrag festgehaltene Belieferung seiner (geplanten) Schihütte über die Stollenbahn wesentlich war und er wegen seines schlechten Verhältnisses zum Dritten bei Kenntnis von der Notwendigkeit dessen Zustimmung zu den Materialtransporten vom Abschluss des Servitutsvertrags Abstand genommen hätte. Die Relevanz eines Beförderungsrechts für den Kläger offenbart schon der Vertragstext („[…] auch wenn sie gewerblich genutzt wird [Jausenstation], [...] ) und konnte den Organen der KG vor Ort nicht verborgen bleiben.

1.2. Schließlich enthält der Wortlaut („[…] werden mit der Stollenbahn kostenlos befördert, [...]“) keinen Hinweis auf eine bloße unverbindliche Absichtserklärung der KG. Die dem Betriebsleiter vorbehaltene Entscheidung über die Eignung der Frachten für den Transport in der Stollenbahn betrifft nur die jeweils zu befördernden Gegenstände, nicht jedoch das dem Kläger eingeräumte Beförderungsrecht an sich.

1.3. Warum angesichts der Einräumung einer Schleppliftservitut durch den Kläger eine als Gegenleistung zu seinen Gunsten zugesicherte kostenlose Materialbeförderung (außerhalb der regulären Betriebszeiten im Rahmen von Kontrollfahrten) mit der Stollenbahn eine unangemessene Besserstellung des Klägers darstellen sollte, ist schon im Hinblick auf die herrschende Privatautonomie nicht im Geringsten nachvollziehbar.

1.4. Fehlende Vertragsbestimmungen für den Fall eines Betriebsausfalls der Stollenbahn wegen eines technischen Defekts stellen keinen notwendigen Inhalt der Entgeltsregelung dar und könnten im Anlassfall im Weg der ergänzenden Vertragsauslegung ermittelt werden. Ihr Fehlen lässt keinen Rückschluss auf eine unterbliebene Einräumung eines Rechts an den Kläger zu.

1.5. Allerdings hat sich die KG vorbehalten, Kosten, die ihr wegen der Nichteinhaltung der vereinbarten Modalitäten der Transporte entstehen, dem Kläger in Rechnung zu stellen. Damit gibt sie aber zu erkennen, dass sie sich zu den Transporten selbst dann verpflichtet fühlt, wenn sich der Kläger nicht vertragsgemäß verhalten sollte; andernfalls könnte sie nämlich daraus einfach die Konsequenz ziehen, die Beförderung zu verweigern.

2. § 878 ABGB handelt von der ursprünglichen (anfänglichen), im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses bereits bestehenden (absoluten) Unmöglichkeit der versprochenen Leitung, die das Zustandekommen des Rechtsgeschäfts überhaupt in Frage stellt, während die nachträgliche Unmöglichkeit in den Bereich der Leistungsstörungen gehört (RIS‑Justiz RS0016422). Ob Unmöglichkeit der Leistung vorliegt, kann immer nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RIS‑Justiz RS0115570 [T1]). Auch zu dieser Rechtsfrage besteht kein Korrekturbedarf.

2.1. „Geradezu unmöglich“ iSd § 878 ABGB ist das rechtlich Unmögliche, also Versprechen, deren Erfüllung die Rechtsordnung nicht bloß verbietet, sondern schon der Art nach nicht kennt, und das faktisch Absurde. Absurd ist eine Leistungszusage, wenn die Erfüllung der Leistungsverpflichtung von vernünftigen Geschäftspartnern im Zeitpunkt des Vertragsschlusses als ausgeschlossen angesehen werden musste (RIS‑Justiz RS0016414; RS0016406; Bollenberger in KBB4 § 878 ABGB Rz 3 f; Kolmasch in Schwimann ABGB‑TaKom² § 878 Rz 2).

2.2. Davon kann hier unabhängig von der Reihenfolge der Vertragsunterzeichnungen schon deshalb keine Rede sein, weil der von der KG mit dem Dritten abgeschlossene Servitutsvertrag die Möglichkeit seiner Zustimmung zu Materialtransporten ausdrücklich vorsieht; deren Zulässigkeit war daher am 15. April 1986 (dem Datum beider Vertragsunterfertigungen) weder rechtlich noch faktisch ausgeschlossen.

2.3. Dass der Beklagte zur Erfüllung der Mitwirkung eines Dritten bedarf, steht der Schaffung eines Exekutionstitels nicht entgegen (2 Ob 254/12k). Ist die Erbringung einer Leistung von der Zustimmung einer am Vertrag nicht beteiligten Person abhängig, so liegt nur eine für den Versprechenden bestehende subjektive Unmöglichkeit (Unvermögen) vor, die auf die Gültigkeit des Rechtsgeschäfts keinen Einfluss hat. In diesem Falle muss sich der Versprechende bemühen, die fehlende Zustimmung zu erlangen (RIS‑Justiz RS0016378; RS0016430; vgl 4 Ob 170/99z; 6 Ob 531/78). In Fällen einer relativen, lediglich gegenüber bestimmten Personen wirkenden Leistungsunmöglichkeit (wenn also der Schuldner nacheinander mehrere Verpflichtungen eingegangen war, bei denen die Erfüllung der einen notwendig zur Vereitelung der Erfüllung der anderen führen musste) braucht sich der in seinen Rechten verletzte Vertragspartner nicht auf den Schadenersatzanspruch nach § 920 ABGB verweisen zu lassen, sondern er kann weiterhin Erfüllung verlangen (RIS‑Justiz RS0011210). Unmöglichkeit oder Unerlaubtheit iSd § 1447 ABGB bedeutet, dass der Leistung ein dauerhaftes Hindernis entgegensteht. Ein solches ist anzunehmen, wenn nach der Verkehrsauffassung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Leistung auch in Zukunft nicht mehr erbracht werden kann. Besteht jedoch eine ernst zu nehmende, irgendwie ins Gewicht fallende Chance, dass diese zumindest zu einem späteren Zeitpunkt wieder möglich sein wird, so liegt nicht Unmöglichkeit, sondern Verzug vor (RIS-Justiz RS0109496; RS0016423; RS0018391). Ob die Unmöglichkeit der Leistung als eine dauernde (endgültige) anzusehen ist, ist zum Teil Tat- und zum Teil Wertungsfrage (RIS-Justiz RS0034104). Der sich auf die Unmöglichkeit Berufende hat diese zu behaupten und zu beweisen, weshalb Zweifel darüber zu seinen Lasten gehen (RIS-Justiz RS0034223; RS0034226; RS0109947). Die bloße Behauptung, der Dritte sei nicht bereit, auf seine Rechte zu verzichten, genügt nicht, um die behauptete Unmöglichkeit der Leistung darzutun. Es müsste vielmehr vorgebracht und bewiesen werden, dass alles redlich Zumutbare unternommen wurde, um den Dritten zur Mitwirkung zu bewegen, dies allenfalls durch ein ‑ noch nicht übermäßiges ‑ finanzielles Angebot (RIS-Justiz RS0016423 [T8]).

2.4. Die von der KG am 15. April 1986 einerseits mit dem Kläger und andererseits mit dem Dritten abgeschlossenen Verträge führen im Fall ihrer Erfüllung jeweils notwendig zur Vereitelung der Erfüllung der anderen: Frachtentransporte für den Kläger ohne die Zustimmung des Dritten bilden eine Verletzung des mit diesem geschlossenen Servitutsvertrags (der grundsätzlich nur Personenbeförderung gestattet); die Weigerung der Beklagten, ihrer Beförderungspflicht nachzukommen, verstößt gegen den mit dem Kläger eingegangenen Dienstbarkeitsvertrag. Ein Leistungsanspruch des Klägers wäre daher erst dann zu verneinen, wenn der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der KG der Nachweis gelungen wäre, dass sie (und nicht der Kläger) alles redlich Zumutbare unternommen hat, um den Dritten zur Zustimmung zu den Transporten für den Kläger (allenfalls durch ein angemessenes finanzielles Angebot) zu bewegen, und wegen der Weigerung des Dritten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass ihr die Transportleistungen für den Kläger auch in Zukunft nicht erlaubt sein werden.

Die Ansicht der Vorinstanzen, dieser Nachweis sei misslungen, stellt keine unvertretbare, sondern eine durchaus richtige Einzelfallbeurteilung dar. Nach den Feststellungen beschränkte sich die Aktivität der Beklagten auf (erfolglose) Vermittlungsbemühungen in der Vergangenheit, die offenkundig aber doch auch dazu führten, dass der Dritte über viele Jahre die Material‑ und Warenbeförderung duldete; weiters steht das Fehlen einer Klarstellung des Dritten fest, seine Zustimmung zu den Materialtransporten für den Kläger unter keinen Umständen zu erteilen; die derzeitige Weigerung zur Zustimmung hat vielmehr ihre Ursache darin, dass er eine Anfrage des Klägers für erforderlich erachtet, obwohl sein Vertragspartner die Beklagte ist, die die Zustimmung zur Vermeidung einer Vertragsverletzung benötigt. Somit kann eine ernst zu nehmende und keineswegs zu vernachlässigende Chance nicht ausgeschlossen werden, dass es noch möglich sein wird, die Zustimmung des Dritten zu erlangen.

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