OGH 13Os32/14a

OGH13Os32/14a5.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. Juni 2014 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kotanko als Schriftführerin in der Strafsache gegen Semir B***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 15. Jänner 2014, GZ 34 Hv 130/13k‑64, und über die Beschwerde des Angeklagten gegen den zugleich ergangenen Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Semir B***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (1) und des Vergehens der falschen Beweisaussage nach §§ 15, 12 zweiter Fall, 288 Abs 4 StGB (2) schuldig erkannt.

Danach hat er in L*****

(1) am 23. August 2013 Carina W***** mit Gewalt zur Vornahme oder Duldung des Beischlafs zu nötigen versucht, indem er mit entsprechendem Vorsatz den Beifahrersitz seines Fahrzeugs in Liegeposition brachte, sie dort fixierte, gewaltsam in Bauchlage drehte, sich mit entblößtem Unterleib auf sie legte, ihre dehnbaren Jeans sowie ihre Unterhose nach unten zog und sie nach einem Fluchtversuch ins Fahrzeug zurückzog, wobei es letztlich aufgrund der heftigen Gegenwehr der Carina W***** beim Versuch geblieben ist, sowie

(2) am 12. September 2013 versucht, Selma A***** zu bestimmen, bei ihrer förmlichen Vernehmung zur Sache falsch auszusagen, indem er seinen Bruder aufforderte, sie zu veranlassen, im Rahmen ihrer im gegenständlichen Strafverfahren bevorstehenden polizeilichen Vernehmung wahrheitswidrig anzugeben, er habe am 23. August 2013 (1) den gesamten Tag mit ihr verbracht.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 3, 5 und (richtig) 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Mit dem Einwand der Verfahrensrüge (Z 3), das Erstgericht habe (entgegen § 126 Abs 4 StPO) einen im Sinn des § 47 Abs 1 Z 3 StPO befangenen Dolmetscher zur Hauptverhandlung beigezogen, wird die Verletzung oder Missachtung einer Bestimmung, deren Einhaltung das Gesetz bei sonstiger Nichtigkeit anordnet, nicht behauptet. Die Prozessordnung bedroht nämlich im gegebenen Zusammenhang nur das Unterlassen der Enthebung eines im Sinn der Z 1 oder der Z 2 des § 47 Abs 1 StPO befangenen Dolmetschers mit Nichtigkeit (§ 126 Abs 4 zweiter Satz StPO).

Eine (allenfalls aus Z 4 des § 281 Abs 1 StPO relevante) auf Enthebung des beigezogenen Dolmetschers gerichtete Antragstellung wird (aktenkonform [siehe ON 49 und ON 63]) nicht vorgebracht.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider ist die Ableitung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus dem objektiven Tathergang (US 17 f) unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstanden (RIS‑Justiz RS0098671 und RS0116882).

Mit dem Hinweis, dass aus dem objektiven Tathergang auch andere, für den Beschwerdeführer günstigere Schlüsse ableitbar wären, wendet sich die Beschwerde nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO).

Indem die Rüge die Urteilsannahme releviert, wonach der Beschwerdeführer „sich mit seinem entblößten Unterleib auf“ Carina W***** „legte“ (US 6), bezieht sie sich nicht auf schuld‑ oder subsumtionsrelevante Umstände (siehe aber RIS‑Justiz RS0106268).

Die vermisste Begründung (Z 5 vierter Fall) für die Feststellungen zur subjektiven Tatseite in Bezug auf den Schuldspruch 2 findet sich auf der US 18.

Die übrigen Ausführungen der Mängelrüge zu diesem Schuldspruch lassen keinen Konnex zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe erkennen.

Entgegen der Rüge sind die Urteilskonstatierungen, nach denen der Beschwerdeführer Carina W***** „mit überlegener Körperkraft gewaltsam auf deren Bauch drehte“, ihr letztlich aber aufgrund heftiger Gegenwehr die Flucht gelang (US 6), keineswegs in sich widersprüchlich (Z 5 dritter Fall).

Auch die auf der US 12 wiedergegebenen Aussage der Carina W*****, wonach der Beschwerdeführer „dünn“ gewesen sei, steht den angesprochenen Urteilsannahmen nicht entgegen (der Sache nach Z 5 zweiter Fall).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) leitet die Behauptung, versuchte (§ 15 StGB) Vergewaltigung setze ein erigiertes Glied des Täters voraus, nicht aus dem Gesetz ab und entzieht sich solcherart einer inhaltlichen Erwiderung (RIS‑Justiz RS0116569).

Mit Blick auf § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO sei ergänzt, dass es sich bei der Vergewaltigung um ein mehraktiges Delikt handelt, nämlich dergestalt, dass auf den Einsatz des Nötigungsmittels (erster Teilakt) die einen selbständigen Unrechtsgehalt aufweisende Abnötigung des Beischlafs oder der diesem gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung (zweiter Teilakt) folgt (Hinterhofer SbgK § 201 Rz 9). Demgemäß beginnt der Versuch (§ 15 StGB) im Sinn des § 201 StGB bereits mit jener Handlung, die der Ausübung von Gewalt, der Freiheitsentziehung oder der qualifizierten Drohung unmittelbar vorangeht (Philipp in WK² StGB § 201 Rz 40; Hinterhofer SbgK § 201 Rz 71).

Hinzu kommt, dass selbst Tatvollendung im Sinn des § 201 Abs 1 StGB nach ständiger Judikatur und herrschender Lehre eine Erektion des Täters nicht voraussetzt (13 Os 92/09t, 104/09g, 130/09f, SSt 2009/72; RIS‑Justiz RS0090720; Philipp in WK² StGB § 201 Rz 43; vgl Hinterhofer SbgK § 201 Rz 52).

Indem die Beschwerde hinsichtlich des Schuldspruchs 1 fehlende Feststellungen zur subjektiven Tatseite einwendet, ohne darzulegen, welche über die vom Erstgericht getroffenen (US 6 f) hinausgehenden Konstatierungen zur rechtsrichtigen Subsumtion erforderlich sein sollen, verfehlt sie ebenfalls die prozessordnungskonforme Darstellung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS‑Justiz RS0118415).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte