OGH 3Ob32/14y

OGH3Ob32/14y8.4.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Hofrätin Dr. Lovrek als Vorsitzende sowie die Hofräte Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W*****, Deutschland, vertreten durch Dr. Gerhard Fink und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei F*****, wegen Einwendungen gegen den Anspruch, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 12. November 2013, GZ 4 R 96/13m‑17, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Graz‑Ost vom 4. April 2013, GZ 240 C 6/12x‑12, mit einer Maßgabe bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00032.14Y.0408.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Den Gegenstand des Verfahrens bildet die Frage, ob der Kläger, der seinen Wohnsitz in Deutschland hat, seine Einwendungen gegen den Unterhaltsanspruch des Beklagten (seines Sohnes) im streitigen oder im außerstreitigen Rechtsweg zu erheben hat.

Gestützt auf den allgemeinen Gerichtsstand des Beklagten brachte der Kläger am 26. Februar 2012 eine „Klage gemäß § 35 EO“ mit dem Begehren auf Feststellung ein, dass der in einem Beschluss des Bezirksgerichts Wolfsberg vom 21. Jänner 2009 titulierte Anspruch des Beklagten auf Zahlung eines monatlichen Unterhalts von 300 EUR, zu dessen Hereinbringung in Deutschland Exekution geführt werde, seit 1. Februar 2011 erloschen sei.

Das Erstgericht wies die Klage im ersten Rechtsgang a limine wegen internationaler und örtlicher Unzuständigkeit (inhaltlich) zurück. Eine Klage nach § 35 EO setze ein in Österreich anhängiges, vom angerufenen Bezirksgericht bewilligtes Exekutionsverfahren voraus.

Das Rekursgericht behob diesen Beschluss ersatzlos und trug dem Erstgericht die gesetzmäßige Verfahrensfortsetzung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Im Anwendungsbereich der EuUntVO dürfe das angerufene Gericht eine internationale Unzuständigkeit nicht von Amts wegen in limine litis wahrnehmen. Möglicherweise sei die Klage in einen Antrag im Außerstreitverfahren umzudeuten.

Diese Rekursentscheidung blieb unangefochten.

Nach Vorliegen der Rekursentscheidung stellte das Erstgericht vorerst die Klage sowie die bis dahin gefassten Entscheidungen zur Zuständigkeit zu (ON 10) und fasste sodann den nun relevanten Beschluss, dass das auf eine Befreiung von der Unterhaltspflicht abzielende Verfahren gemäß § 40a, § 114 Abs 2 JN im außerstreitigen Weg zu führen sei, weshalb die Rechtssache gemäß § 40a JN an die zuständige (familiengerichtliche) Gerichtsabteilung überwiesen werde (ON 12).

Das vom Kläger angerufene Rekursgericht bestätigte den Beschluss des Erstgerichts, dass das Verfahren gemäß § 40a, § 114 Abs 2 JN im außerstreitigen Rechtsweg zu führen sei, mit der Maßgabe, dass die Bestimmung der nach der Geschäftsverteilung zuständigen Abteilung dem Erstgericht vorbehalten bleibe.

Die Klage entspreche einer in Österreich gesetzlich nicht geregelten „Abänderungsklage“ im Sinne des § 323 dZPO, die als negative Feststellungsklage zu deuten sei. Einem streitigen Oppositionsverfahren fehle ‑ mangels eines in Österreich anhängigen Exekutionsverfahrens ‑ die Grundlage; das Verfahren sei gemäß § 114 Abs 2 JN im außerstreitigen Rechtsweg zu führen.

Der ‑ im Hinblick auf die Gleichstellung der Überweisung mit einer Zurückweisung der Klage nicht jedenfalls unzulässige ‑ Revisionsrekurs sei zulässig, weil der Oberste Gerichtshof noch nicht mit der Überweisung gemäß § 40a JN einer als „Oppositionsklage“ bezeichneten, mangels einer in Österreich anhängigen Exekution jedoch in einen Unterhaltsbefreiungsantrag umzudeutenden Klage befasst gewesen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers mit dem (erkennbaren) Antrag, die vorinstanzlichen Entscheidungen ersatzlos zu beheben.

Der Beklagte hat sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

1. Die Wahl der Verfahrensart durch die verfahrenseinleitende Partei bestimmt die anzuwendenden Rechtsmittelvorschriften (RIS‑Justiz RS0046238 [T2], RS0046245 [T4]). Im vorliegenden Fall ist daher für die Beurteilung der Zulässigkeit des Revisionsrekurses § 528 ZPO maßgeblich.

2. Das Erstgericht hat einen Beschluss gemäß § 40a JN gefasst, wonach die Klage als im außerstreitigen Verfahren zu behandelnder Unterhaltsenthebungsantrag aufzufassen ist. Diesen Beschluss hat das Rekursgericht bestätigt; der Umstand, dass die Bestätigung mit einer „Maßgabe“ erfolgte, ändert nichts an der inhaltlichen Bestätigung der „Überweisung“ der Rechtssache in das außerstreitige Verfahren, weil die Rechtskraftwirkung durch die „Maßgabe“ nicht berührt wird (vgl E. Kodek in Rechberger 3 § 528 Rz 32).

3. Die höchstgerichtliche Rechtsprechung beantwortete die Frage unterschiedlich, ob die „Überweisung“ einer Rechtssache vom streitigen in das außerstreitige Verfahren (§ 40a JN) der Zurückweisung der Klage nach § 528 Abs 2 Z 2 letzter Halbsatz ZPO gleichzuhalten ist. In der Mehrzahl wurde diese Frage in der Vergangenheit bejaht (RIS‑Justiz RS0106813 [T2]; RS0103854; ausführlich etwa 9 Ob 52/01i), wohingegen vor allem der 5. Senat eine bestätigende „Überweisungsentscheidung“ des Rekursgerichts für unanfechtbar hielt (RIS‑Justiz RS0044445, RS0044538; ähnlich RIS‑Justiz RS0099940). Die die Ausnahme von der Unanfechtbarkeit bestätigender Beschlüsse einschränkende Aussage, die Anfechtung von konformen Beschlüssen sei nur bei definitiver Versagung des Rechtsschutzes, also bei Verweigerung des Zugangs zu Gericht, vorgesehen, wurde zuletzt in den Entscheidungen 2 Ob 90/06h, 3 Ob 190/08z und 1 Ob 30/10h wiederholt.

4. Mit der Entscheidung 2 Ob 309/03k wurde eine vermittelnde Ansicht begründet, die die Gleichstellung der „Überweisung“ nach § 40a JN mit der Zurückweisung einer Klage nur dann vornimmt, wenn mit der Überweisung der Rechtssache eine Veränderung der anzuwendenden materiellen Bestimmungen verbunden ist (RIS‑Justiz RS0106813 [T4], RS0103854 [T3]), etwa bei einer Überweisung einer Streitsache in das nacheheliche Aufteilungsverfahren (RIS‑Justiz RS0106813 [T5], RS0103854 [T4]).

Zu 2 Ob 187/11f hat der 2. Senat seine zu 2 Ob 309/03k geäußerte vermittelnde Ansicht bekräftigt; der 5. Senat ist zu 5 Ob 107/12i ebenfalls auf diese Linie eingeschwenkt (ebenso E. Kodek in Rechberger 3 § 528 Rz 21; Horn in Fasching/Konecny 3 § 40a JN Rz 17; aA Zechner in Fasching/Konecny 2 § 519 ZPO Rz 82; Mayr in Rechberger 3, § 40a JN Rz 6; Ballon in Fasching 2 § 40a JN Rz 13). Der erkennende Senat folgt dieser Ansicht.

5. Eine Änderung der materiell‑rechtlichen Anspruchsgrundlagen, wie sie die vermittelnde Ansicht für die Ausnahme von der Unanfechtbarkeit bestätigender Beschlüsse verlangt, tritt im vorliegenden Fall nicht ein. Die materielle Beurteilung des Unterhaltsanspruchs des Kindes erfolgt immer nach § 231 ABGB, unabhängig davon, ob sie in einem Unterhaltsherabsetzungs‑ oder ‑enthebungsverfahren vorzunehmen ist oder in einem streitigen Oppositionsverfahren. Diese Schlussfolgerung zieht letztlich auch der Kläger, wenn er in seinem Revisionsrekurs von einem Wahlrecht zwischen Oppositionsklage und Unterhaltsenthebungsantrag ausgeht. Dass sein Rechtsschutz durch die Durchsetzung im außerstreitigen Verfahren beschränkt wäre, ist nicht zu erkennen ‑ im Gegenteil sieht gerade die Oppositionsklage durch die Eventualmaxime und die Beschränkung auf nach Titelschaffung entstandene neue Umstände eher Einschränkungen des Rechtsschutzes vor als ein Unterhaltsenthebungsantrag.

6. Ob eine andere Beurteilung geboten wäre, wenn das Begehren der Klage auch auf Unzulässigerklärung der Anlassexekution gerichtet ist, kann hier dahinstehen, weil der Kläger ein solches Begehren nicht erhob.

7. Da die in § 528 Abs 2 Z 2 letzter Halbsatz ZPO genannte Ausnahme somit nicht zum Tragen kommt, ist der Revisionsrekurs wegen der Konformatssperre (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO) als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.

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