OGH 1Ob30/10h

OGH1Ob30/10h9.3.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Sol als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kurt M*****, vertreten durch Poduschka Anwalts GmbH in Perg, gegen die beklagte Partei M***** AG, *****, vertreten durch Kunz Schima Wallentin Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 16.159,83 EUR sA, über den Revisionsrekurs der Einschreiterin Anna M*****, vertreten durch Poduschka Anwalts GmbH in Perg, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 19. November 2009, GZ 15 R 196/09t-13, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 10. Juli 2009, GZ 37 Cg 143/08w-10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Kläger Kurt M***** brachte am 22. 12. 2008 im ERV eine Klage ein, mit der er die Aufhebung der mit der Beklagten über den Erwerb von Wertpapieren geschlossenen Kommissions/Kaufverträge und die Rückzahlung von 16.159,83 EUR begehrte. Das im ERV übermittelte Deckblatt führte Kurt M***** als Erstkläger und die Einschreiterin Anna M***** als Zweitklägerin an. Zur Klage wurde auf das als Anlage beigefügte PDF-Dokument verwiesen. Dieses nimmt auf die Zweitklägerin in keiner Weise Bezug. Weder das Rubrum noch das Sachvorbringen oder der Urteilsantrag enthalten einen Hinweis auf eine weitere Person, die an den im Sachverhalt geschilderten Geschäftsfällen beteiligt war. Am Ende der Klagsschrift findet sich auch nur der Name Kurt M*****, nicht jener der Einschreiterin.

Das Erstgericht stellte die Klage unter Anschluss des Deckblatts zu. Die Klagebeantwortung nimmt nur auf den Kläger Kurt M***** Bezug. Im vorbereitenden Schriftsatz der Klagevertreterin vom 20. 4. 2009 scheint die Einschreiterin im Rubrum als Zweitklägerin auf. Dieser Schriftsatz ist aus der Sicht von zwei Klägern, die auch am Ende des Schriftsatzes angeführt sind, in der „Wir-Form“ dargestellt. In der mündlichen Streitverhandlung vom 8. 5. 2009 beantragte die Klagevertreterin die Richtigstellung der Parteienbezeichnung auf Kurt und Anna M*****. Die Beklagte sprach sich dagegen aus.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Der aus dem inhaltlichen Vorbringen der Klage erkennbaren Bezeichnung der Partei sei mehr Gewicht beizumessen als jener auf dem ERV-Deckblatt, das primär zur Erfassung des Einbringungsdatums diene.

Das Rekursgericht wies den Rekurs des Klägers zurück und gab jenem der Einschreiterin nicht Folge. Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur rechtlichen Einordnung des sogenannten Deckblatts für im ERV übermittelte Eingaben zu. Es teilte die Auffassung des Erstgerichts, dass nur die als PDF-Dokument übermittelte Klage und das darin enthaltene Sachvorbringen für die Beurteilung der Parteistellung relevant seien, nicht aber das Deckblatt, das nicht den besonderen Schriftsatzerfordernissen der ZPO für Klagen entsprechen müsse und nur zur Dokumentation des Übermittlungsvorgangs gedacht sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Einschreiterin, die den bestätigenden Teil der Rekursentscheidung bekämpft, ist entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

1. Der Rechtsmittelausschluss des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO kommt hier nicht zum Tragen. Die Anfechtung von Konformatsbeschlüssen ist nur für die definitive Versagung des Rechtsschutzes, also die Verweigerung des Zugangs zu Gericht vorgesehen, was die höchstgerichtliche Judikatur bei der Berichtigung der Parteienbezeichnung an sich verneint (RIS-Justiz RS0099940). Dieser Grundsatz betrifft aber jene Fälle, in denen die Bezeichnung des bisher als Partei aufgetretenen Rechtssubjekts berichtigt wird oder die bisher am Verfahren beteiligte Partei nach Abweisung eines Antrags auf Berichtigung ihrer Bezeichnung weiterhin Partei bleibt, ihr der Zugang zu Gericht erhalten bleibt und sie den Ausschluss eines anderen Rechtssubjekts daher in dritter Instanz nicht bekämpfen kann. Hier geht es aber nicht um die Richtigstellung oder den „Austausch“ einer Partei, sondern um den Eintritt eines weiteren Rechtssubjekts in das Prozessrechtsverhältnis. Die Verweigerung dieses Eintritts bedeutet für die Einschreiterin, dass ihr der Zugang zu Gericht in diesem Verfahren endgültig verweigert wird. Ihr Rechtsmittel ist daher nicht absolut unzulässig.

2.Grundsätzlich bestimmt der Kläger, wer Partei ist. Bei Unklarheiten ist jene Person als Partei anzusehen, die bei objektiver Betrachtung der Klagsangaben als solche erkennbar ist. Zu dieser objektiven Auslegung sind nicht nur die gemäß den §§ 226 Abs 3, 75 Z 1 ZPO vorgeschriebenen Angaben im Kopf des Schriftsatzes heranzuziehen, sondern jedenfalls der gesamte Inhalt der Klageschrift (RIS-Justiz RS0035060). Prozesspartei ist immer derjenige, dessen Parteistellung sich aus dem Vorbringen und dem Begehren der Klage klar und deutlich ergibt (RIS-Justiz RS0039446). Die Frage, ob sich aus dem Inhalt der Klage in einer auch für die Parteien klaren und eindeutigen Weise ergibt, wer Partei ist, richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls (RIS-Justiz RS0114709).

Nach § 89c Abs 1 erster Satz GOG gelten für Eingaben im elektronischen Rechtsverkehr die Bestimmungen über den Inhalt schriftlicher Eingaben. Nach § 5 Abs 1 zweiter Satz der Verordnung der Bundesministerin für Justiz über den elektronischen Rechtsverkehr (ERV 2006) idF BGBl II 2007/333 können Eingaben auch als PDF-Anhang übermittelt werden. Das übermittelte PDF-Dokument stellt die schriftliche Eingabe (Klageschrift) dar (vgl die Entscheidung 9 Ob 78/08y, in der nur das [zunächst nicht eingebrachte] PDF-Dokument, nicht aber das Deckblatt als Rechtsmittelschrift bezeichnet wurde), deren gesamter Inhalt neben den gemäß §§ 226 Abs 3, 75 Z 1 ZPO vorgeschriebenen Angaben im Kopf des Schriftsatzes zur Beurteilung der Parteistellung heranzuziehen ist. Dieses PDF-Dokument lässt eindeutig nur die Interpretation zu, dass eine Person, nämlich Kurt M*****, als Kläger auftritt. Selbst wenn man - wie die Revisionsrekurswerberin meint - das in Form eines Klagekopfs gehaltene Deckblatt als Bestandteil der Eingabe werten sollte, wird hier gerade nicht eindeutig klargestellt, wer tatsächlich als Kläger auftritt. Die Bezeichnung der Kläger auf dem Deckblatt steht nämlich in Widerspruch sowohl zu dem Kopf des PDF-Dokuments als auch zu dem darin enthaltenen Tatsachenvorbringen. Das Rekursgericht hat die einzelfallbezogene Frage nach der eindeutig erkennbaren Parteistellung auf eine Weise beantwortet, die nicht korrekturbedürftig ist. Das dem Zulassungsausspruch zugrunde gelegte Problem, wie das Deckblatt rechtlich einzuordnen ist, ist damit nicht zu lösen: Auch in jener Variante, die das Deckblatt als maßgeblichen Kopf des Schriftsatzes wertet, verbleibt der Widerspruch zu dem Vorbringen im PDF-Dokument.

Ob die Bezeichnung der Einschreiterin als Zweitklägerin auf dem ERV-Deckblatt aufgrund der dadurch bewirkten Unklarheit über die Parteienstellung die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens indiziert hätte, kann nicht geprüft werden. Das Fehlen eines Verbesserungsauftrags verwirklicht grundsätzlich den Rechtsmittelgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens (Gitschthaler in Rechberger ZPO³, §§ 84-85 Rz 17). Diese hat die Einschreiterin bereits in ihrem Rekurs gerügt. Der vom Rekursgericht verneinte Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens kann aber in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (RIS-Justiz RS0042963).

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