OGH 4Ob232/13s

OGH4Ob232/13s17.2.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** T*****, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S***** R*****, vertreten durch Dr. Margit Kaufmann, Rechtsanwältin in Wien, wegen Feststellung, Einverleibung und Unterlassung (Streitwert 7.000 EUR), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 3. September 2013, GZ 21 R 126/13x‑8, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 28. März 2013, GZ 4 C 325/12t‑22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0040OB00232.13S.0217.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die beiden benachbarten Grundstücke der Streitteile standen seit 1968 im Miteigentum der Eltern der Rechtsvorgängerinnen der Streitteile, die (nach grundbücherlicher Abteilung der unbebauten Liegenschaft in zwei Einlagezahlen mit zwei Bauplätzen und Straßenfläche) auf den beiden Grundstücken sodann die beiden heute von den Streitteilen benutzten Gebäude und jenen heute umstrittenen Weg errichteten, der regelmäßig als Zugang und Zufahrt für beide Gebäude verwendet wurde. Diese Nutzung des Weges war zwischen den Töchtern als den ihrer Mutter nachfolgenden Liegenschaftseigentümerinnen unstrittig. 2007 verkaufte eine der Töchter ihre Liegenschaft an den Kläger, der ‑ von der Schwester der Verkäuferin unbestritten ‑ den heute umstrittenen Weg wie seine Rechtsvorgänger als Zugang und Zufahrt zu seiner Liegenschaft benutzte. 2011 erwarb sodann die Beklagte die benachbarte Liegenschaft von der zweiten Tochter der Voreigentümer, klärte aber vor Unterfertigung des Kaufvertrags (da sie sich in Zeitnot befand) die rechtliche Situation des strittigen Weges nicht, obwohl ihr bei der Besichtigung der Liegenschaften auffiel, dass über diesen Weg (der am Seiteneingang des Nachbarhauses vorbeiführt) auch der nicht eingezäunte Garten der Nachbarliegenschaft betreten werden kann.

Rechtliche Beurteilung

Bei dieser Sachlage ist das Berufungsgericht mit der angefochtenen Entscheidung nicht von den Grundsätzen höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen, wenn es dem Kläger auch ohne Vereinbarung und Verbücherung die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens über den strittigen Weg auf der Nachbarliegenschaft zuerkannt hat.

Nach ständiger Rechtsprechung entsteht nämlich bei Übereignung einer von zwei Liegenschaften desselben Eigentümers, von denen eine offenkundig der anderen dient und weiterhin dienen soll, auch ohne spezifische Vereinbarung und Verbücherung eine Dienstbarkeit, wenn der tatsächliche Zustand im Zeitpunkt der Übertragung durch offenkundige oder doch ersichtliche Anlagen erkennbar war (vgl RIS‑Justiz RS0011618, RS0011547, RS0011628, RS0011554, RS0119170; zuletzt 4 Ob 192/13h). Die nicht verbücherte offenkundige Servitut ruht während der Eigentümeridentität, wird aber bei Auseinanderfallen des Eigentums an den beiden Grundstücken sofort wirksam (RIS‑Justiz RS0011628).

Dass das Berufungsgericht zusätzlich annahm, es habe eine schlüssige Vereinbarung zwischen den Töchtern der Voreigentümer betreffend die Dienstbarkeit bestanden, ändert nichts an der aufgezeigten Rechtslage, da ja unabhängig vom Entstehen der Dienstbarkeit durch den Realakt der Teilung eine gemeinsame Willensübereinstimmung der Liegenschaftsnachbarn entsprechend der Servitut bestehen kann.

Eine offenkundige Grunddienstbarkeit durchbricht den Eintragungsgrundsatz (vgl RIS‑Justiz RS0111211 [T2]). Eine solche Dienstbarkeit, die der Erwerber einer Liegenschaft gegen sich gelten lassen muss, auch wenn sie nicht verbüchert ist, liegt vor, wenn vom dienenden Grundstück aus bei einiger Aufmerksamkeit Einrichtungen oder Vorgänge wahrgenommen werden können, die das Bestehen einer Dienstbarkeit vermuten lassen, mag auch die Ersitzungszeit noch nicht abgelaufen sein (RIS‑Justiz RS0034803; RS0011633). Auch ein Zugangstor, das bei einer von Wegerechten freien Liegenschaft keine Funktion hätte, liefert einen derartigen Hinweis (5 Ob 270/03x).

Ob im Zeitpunkt des Erwerbs des dienenden Grundstücks Anlagen oder sonstige Einrichtungen vorhanden waren, die diesen Zweck des Dienens als offenkundig erkennen ließen und eine Erkundigungspflicht auslösten, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RIS‑Justiz RS0034803 [T16]). Eine Fehlbeurteilung, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf, ist dem Berufungsgericht in dieser Frage nicht unterlaufen. Schon allein aus der baulichen Situation der beiden Nachbargrundstücke war für die Beklagte zu schließen, dass ihr Grundstück als „Fahnengrundstück“ mit einer Dienstbarkeit zugunsten der Liegenschaft des Klägers belastet ist; auch hat sie nach den Feststellungen sogar bemerkt, dass sie bei der Besichtigung des von ihr später erworbenen Grundstücks am nicht eingezäunten Garten des anderen Grundstücks vorbei gehen musste, um zu ihrem Wohnhaus zu gelangen. Dazu kommt, dass der Seiteneingang des nunmehr vom Kläger bewohnten Hauses gut sichtbar ist und eine Zufahrt dorthin sowie zum Garten des Klägers nur über den streitgegenständlichen Weg möglich ist.

Da die Dienstbarkeit unter den aufgezeigten Umständen bereits durch die Übereignung und ohne besondere vertragliche Grundlage außerbücherlich entsteht, ist es unerheblich, ob der Veräußerer den Erwerber auf die offenkundige Dienstbarkeit bei Vertragsabschluss ausdrücklich aufmerksam gemacht oder ihm die ‑ ohnehin gegebene ‑ bücherliche Lastenfreiheit zugesichert hat (1 Ob 271/03i; 4 Ob 74/07x).

Die Revision ist daher unzulässig. Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) ‑ Ausspruch des Berufungsgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Da der Kläger in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung.

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