OGH 2Ob234/13w

OGH2Ob234/13w22.1.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Janezic & Schmidt Rechtsanwälte OG in Graz, gegen die beklagte Partei ***** Flughafenbetriebsgesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch MMag. Christian Mertens, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 22.746,56 EUR, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 4. Oktober 2013, GZ 2 R 151/13t‑21, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 20. Juni 2013, GZ 40 Cg 98/12s‑17, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0020OB00234.13W.0122.000

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden abgeändert, sodass sie folgendermaßen zu lauten haben:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 21.346,56 EUR sowie die mit 10.055,95 EUR (darin 1.391,16 EUR USt und 1.709 EUR Pauschalgebühren) bestimmten Prozesskosten erster und zweiter Instanz binnen 14 Tagen zu bezahlen.

2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei weitere 1.400 EUR zu bezahlen, wird abgewiesen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.691,84 EUR (darin enthalten 221,64 EUR USt und 1.362 EUR Pauschalgebühr) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Klägerin gehört ein Flugzeug der Type Piper PA46, mit dem sie Transportflüge zu Zwecken der Obstverarbeitung durchführt.

Hangarierungsvereinbarungen mit der beklagten Flughafenbetriebsgesellschaft werden immer wieder abgeschlossen, und zwar nach gängiger Praxis nicht schriftlich. Auch zwischen den Streitteilen besteht schon seit Jahren eine nicht schriftlich abgeschlossene Hangarierungsvereinbarung.

Von der Beklagten wurden für den Flughafen ***** Zivilflugplatz-Benützungsbedingungen erstellt, die für den hier maßgeblichen Sachverhalt vom Dezember 2011 stammen, genehmigt vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie am 20. 2. 2012.

Gemäß Punkt 4.2.2 ist der Zutritt in den Hangarbereich im Interesse der Luftfahrzeughalter nur Personen mit entsprechender, von der Beklagten ausgestellter Erlaubniskarte gestattet.

Das Ab‑ und Unterstellen von Luftfahrzeugen regelt Punkt 4.4 der Zivilflugplatz-Benützungsbedingungen. Dort heißt es unter anderem:

„Die Aufsicht über die Hangars und davor befindlichen Abstellflächen, soweit diese nicht zur Gänze vermietet sind, obliegt der Flugplatzbetriebsleitung. Das Ein- und Ausbringen von Luftfahrzeugen, die Betätigung der Hangartore, die Verwendung der Flugplatzgeräte darf nur durch das hiefür bestimmte Personal der ***** Flughafenbetriebs GmbH erfolgen. …“

Unter Punkt 6. der Zivilflugplatz-Benützungsbedingungen ist die Tarifordnung genannt und festgehalten:

„Die Tarifordnung wird gesondert genehmigt und deshalb hier nicht angefügt.“

Die sogenannte Entgeltordnung ist Bestandteil der Zivilflugplatz-Benützungsbedingungen und regelt die Geschäftsbedingungen für die Durchführung der Bodenverkehrsdienste, die Leistungen und Entgelte der Bodenverkehrsdienste sowie das Hangarentgelt. Auch die Entgeltordnung war für den hier maßgeblichen Zeitpunkt von der obersten Zivilluftfahrtbehörde (Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie) per Bescheid vom 20. 12. 2007 genehmigt worden.

In Punkt 6. ist die Haftung geregelt und dort heißt es:

„6.1. Die ***** Flughafenbetriebs GmbH haftet nicht für Schäden, die die Luftverkehrsgesellschaft erleidet, oder für gegen die Luftverkehrsgesellschaft erhobene Schadenersatzforderungen, die im Zusammenhang mit den von der ***** Flughafenbetriebs GmbH zu erbringenden Leistungen entstehen, es sei denn, dass diese Schäden durch grob fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten der ***** Flughafenbetriebs GmbH, seines Personals oder seiner Erfüllungsgehilfen verursacht worden oder begründet sind. …“

Am 22. 4. 2012 wurde das Fluggerät der Klägerin in den Hangar geschoben. Für dieses Manöver ist die sogenannte Vorfeldmannschaft zuständig, im konkreten Fall waren dies Anton B***** sowie Martin W*****. Mit einer sogenannten Rangierstange wird das Flugzeug rückwärts in den Hangar geschoben, und zwar in eine Schrägstellung, um sämtliche Flugzeuge möglichst platzsparend unterbringen zu können. Durch das Hineinschieben kam Anton B***** beim „Einschlagen“ mit der Rangierstange mit dem daneben bereits abgestellten Flugzeug im Bereich von dessen Spitze in Kontakt, wodurch das rechte Querruder am Flugzeug der Klägerin beschädigt wurde. Martin W***** hatte sich bei diesem Hangarierungsmanöver ‑ von Pilotensicht aus ‑ auf der linken Seite des Flugzeugs befunden, die Streifung erfolgte auf der gegenüberliegenden rechten Seite. Sicht hatte Martin W***** nur auf jene Seite, an der er gestanden war, also in Flugrichtung gesehen auf die linke Seite. Anton B***** hatte von seiner Position vor dem Flugzeug auch Sicht auf die rechte Flügelfläche, im Zuge des Manövers mit der Hangarstange durch „Einschlagen“ unterlief ihm eine Fehleinschätzung im Abstand zum benachbarten Flugzeug.

Es entspricht durchaus ständiger Praxis, dass derartige Hangarierungsmanöver von zwei Mitarbeitern der Beklagten durchgeführt werden. Die beiden genannten Mitarbeiter der Vorfeldmannschaft verfügen über entsprechende praktische Erfahrung.

Durch dieses Schadensereignis entstanden der Klägerin Instandsetzungskosten von 9.100 EUR, Materialkosten von 237,14 EUR sowie Kosten für zwei Probeflüge zur Einstellung des Querruders inklusive der angefallenen Gebühren von 506,66 EUR. Ein weiterer Schaden entstand der Klägerin durch den Ausfall von Flügen während der unfallbedingten Reparaturdauer zwischen 23. 4. 2012 (Folgetag des Unfalltags) und 11. 5. 2012. Unter Annahme von 28,5 Flugstunden in diesem Zeitraum auf Basis von Vergleichswerten des Vorjahrs beträgt die Summe der fortlaufenden Fixkosten 7.945 EUR. Sämtliche genannten Beträge enthalten keine USt.

Weitere unfallkausale Kosten oder frustrierte Personalkosten sind der Klägerin nicht entstanden.

Die Klägerin begehrt die Bezahlung von 22.746,56 EUR (ohne konkretes Zinsenbegehren) als Schadenersatz für die durch die Beschädigung ihres Flugzeugs entstandenen Schäden. Der Schaden setze sich aus den aus den Feststellungen ersichtlichen Beträgen (zusammen 17.788,80 EUR) zuzüglich 20 % USt (3.557,76 EUR) sowie 1.400 EUR an frustrierten Personalkosten zusammen. Zwischen den Streitteilen bestehe ein Hangarierungsvertrag. Die in Punkt 6.1 den Haftungsausschluss beinhaltende Entgeltordnung der Beklagten gelte für die Klägerin nicht, da sie keine „Luftverkehrsgesellschaft“ sei. Die von der Beklagten verwendete Bezeichnung „Luftverkehrs-gesellschaft“ beziehe sich offensichtlich auf eine gewerbliche Beförderung von Personen und/oder Fracht und/oder Post. Die Klägerin führe jedoch eine derartige gewerbliche Beförderung nicht durch. Im Übrigen sei diese Haftungsbeschränkung ungewöhnlich im Sinne des § 864a ABGB, da der Inhalt für die Klägerin nachteilig sei und sie mit einer solchen Bestimmung in einer Entgeltordnung nicht rechnen habe müssen. Sie sei auch nicht gesondert darauf hingewiesen worden. Darüber hinaus sei im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB die genannte Bestimmung gröblich benachteiligend und somit nichtig.

Die Beklagte wendete ein, den Mitarbeitern der Beklagten sei bei der Hangarierung des Flugzeugs der Klägerin weder grobe Fahrlässigkeit noch Vorsatz vorzuwerfen, weshalb sie gemäß Punkt 6.1 der Entgeltordnung nicht hafte. Die Klägerin sei eine Luftverkehrsgesellschaft. Die genannte Vertragsklausel sei weder ungewöhnlich im Sinne von § 864a ABGB noch gröblich benachteiligend im Sinne von § 879 Abs 3 ABGB. Der Oberste Gerichtshof habe schon in der Entscheidung 7 Ob 244/05s die Haftungsfreizeichnung für leichte Fahrlässigkeit nach Punkt 6.1 der Entgeltordnung der Beklagten für anwendbar erachtet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte den wiedergegebenen Sachverhalt fest und führte rechtlich aus, als Luftverkehrsgesellschaft im Sinn von Punkt 6.1 der Entgeltordnung sei der jeweilige Halter eines Luftfahrzeugs zu verstehen. Die Klägerin sei Halterin des beschädigten Flugzeugs, weshalb die genannte Klausel im Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen anwendbar sei. Da das Verhalten der Mitarbeiter der Beklagten beim Hangarieren des Flugzeugs der Klägerin am 22. 4. 2012 weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gewesen sei, hafte die Beklagte nicht.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts. Die Klägerin sei als Luftverkehrsgesellschaft anzusehen. Haftungsbeschränkende Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen seien objektiv nicht ungewöhnlich. Objektiv ungewöhnlich seien nämlich nur Klauseln, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abwichen, mit denen er also nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte. Dass sich die Haftungsbeschränkung nicht direkt in den Zivilflugplatz-Benützungsbedingungen befinden, sondern in der Entgeltordnung, ändere daran nichts, da die Entgeltordnung Bestandteil der Zivilflugplatz-Benützungsbedingungen sei und ebenso wie diese für die Klägerin einsehbar gewesen sei. Punkt 6. der Entgeltordnung falle daher nicht unter § 864a ABGB und sei somit Bestandteil des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Hangarierungsvertrags geworden. Die Beurteilung, ob eine Vertragsbestimmung gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB sei, werde in einem beweglichen System vorgenommen. Der Klägerin sei zwar darin beizupflichten, dass die Beklagte als Zivilflugplatzbetreiberin quasi eine Monopolstellung in ***** inne habe, womit naturgemäß eine erhebliche Übermacht verbunden sei, da die im Raum ***** ansässigen Teilnehmer am Luftverkehr auf die Einrichtungen der Beklagten angewiesen seien. Andererseits sei das Rangieren von Flugzeugen in den Hangars eine schadensgeneigte Tätigkeit, bei der bereits kleine Fehler bzw Fehlleistungen ‑ wie hier - erhebliche Schäden verursachen könnten. Der Beklagten sei daher ein berechtigtes Interesse an der Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zuzuerkennen, weshalb diese Haftungsbeschränkung sachlich gerechtfertigt sei. Die in Rede stehende Haftungsbeschränkung begründe daher kein auffallendes Missverhältnis der beiderseitigen Rechtspositionen und sei nicht gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB.

Das Berufungsgericht ließ nachträglich gemäß § 508 Abs 3 ZPO die Revision zu, weil die Frage der Auslegung der Haftungsbeschränkung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten aufgrund der Vielzahl der davon betroffenen Teilnehmer am Luftverkehr auf dem von der Beklagten betriebenen Flugplatz ***** über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung habe.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne der vollständigen Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und teilweise berechtigt.

Die Klägerin hält in ihrer Revision sämtliche schon in erster Instanz vorgetragenen Argumente gegen die Anwendbarkeit des Haftungsausschlusses für leichte Fahrlässigkeit gemäß Punkt 6.1 der Entgeltordnung im Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen aufrecht.

Hiezu wurde erwogen:

1. Für die Beurteilung des vorliegenden Falls sind auch folgende gesetzliche Bestimmungen von Bedeutung:

1.1. § 74 LFG, dessen Überschrift im Zeitpunkt der Beschädigung des Flugzeugs „Zivilflugplatz-Betriebsordnung und Zivilflugplatz-Benützungsbedingungen“ lautete, enthält ua folgende Bestimmungen:

(1) Der Betrieb von Zivilflugplätzen sowie das Verhalten auf diesen ist unter Bedachtnahme auf die Verkehrssicherheit durch Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie zu regeln (Zivilflugplatz-Betriebsordnung).

(2) Für einen öffentlichen Flugplatz sind auf Grund der in Abs. 1 bezeichneten Verordnung vom Flugplatzhalter Benützungsbedingungen aufzustellen (Zivilflugplatz-Benützungsbedingungen). Hiebei sind die Bedingungen festzulegen, unter denen der öffentliche Zivilflugplatz von allen Teilnehmern am Luftverkehr benützt werden kann.

(3) Die Zivilflugplatz-Benützungsbedingungen bedürfen der Genehmigung durch die zur Erteilung der Zivilflugplatz-Bewilligung zuständige Behörde (§ 68). Diese Genehmigung ist zu erteilen, wenn ein sicherer und wirtschaftlicher Betrieb des Zivilflugplatzes gewährleistet ist. Vor dieser Genehmigung darf die Betriebsaufnahmebewilligung nicht erteilt werden.

1.2. Aufgrund des § 74 LFG gilt die Verordnung des Bundesministeriums für Verkehr und Elektrizitätswirtschaft vom 26. 2. 1962, betreffend den Betrieb von Zivilflugplätzen (Zivilflugplatz‑Betriebsordnung ‑ ZFBO, BGBl 1962/72 idF BGBl 1986/610), die auszugsweise folgenden Wortlaut hat:

„II. Zivilflugplatz-Benützungsbedingungen.

§ 15. Verbindlichkeit der

Zivilflugplatz-Benützungsbedingungen.

Der Benützer (§ 17) eines öffentlichen Zivilflugplatzes unterwirft sich dadurch, dass er dessen Anlagen oder Einrichtungen benützt, den für diesen Flugplatz geltenden Zivilflugplatz-Benützungsbedingungen (§ 74 Abs. 2 des Luftfahrtgesetzes).

§ 16. Inhalt der Zivilflugplatz-Benützungsbedingungen.

Zivilflugplatz‑Benützungsbedingungen müssen insbesondere enthalten:

a) eine Übersicht über die auf dem Zivilflugplatz zur Verfügung stehenden Anlagen und Einrichtungen (Beschreibung des Zivilflugplatzes, § 18);

b) die für die Benützung dieser Anlagen und Einrichtungen zu entrichtenden Entgelte (Tarifordnung, § 20);

c) eine Übersicht über die vom Zivilflugplatzhalter auf Grund der einschlägigen Rechtsvorschriften und behördlichen Anordnungen zu treffenden Regelungen, insbesondere über

§ 20. Tarifordnung.

(1) In der Tarifordnung (§ 16 lit. b) sind Entgelte festzusetzen für

a) die Benützung der Anlagen und Einrichtungen des Zivilflugplatzes zum Zwecke der Landung (Landetarif);

b) die Inanspruchnahme von Rollhilfe (§ 8);

c) die Benützung der Fluggastabfertigungs-gebäude einschließlich ihrer Einrichtungen durch abfliegende Fluggäste (Fluggasttarif);

d) die Inanspruchnahme von Befeuerungsanlagen des Zivilflugplatzes (Befeuerungstarif);

e) die Inanspruchnahme von Einrichtungen der nichtbehördlichen Abfertigung;

f) das Unterstellen eines Luftfahrzeuges in einem Hangar (Hangartarif) oder das Abstellen eines Luftfahrzeuges auf dem Gelände des Zivilflugplatzes (Parktarif);

g) sonstige für einen ordnungsgemäßen Betrieb erforderlichen Leistungen.

(2) Soweit für gleiche Leistungen Entgelte in verschiedenen Höhen festgesetzt werden, hat sich die Bemessungsgrundlage nach objektiven Merkmalen (zum Beispiel Art des Luftfahrzeuges, höchstzulässiges Abfluggewicht, Art der Pisten, der beanspruchten Flächen, Einrichtungen der nichtbehördlichen Abfertigung, Zeitdauer der Beanspruchung, Häufigkeit der Inanspruchnahme, Art und Zweck des Fluges) zu richten.

(3) In der Tarifordnung können Ermäßigungen und Befreiungen von den festgesetzten vollen Tarifsätzen gewährt werden. Die Ermäßigungen und Befreiungen sind nach objektiven Merkmalen (zum Beispiel flugbetriebliche Gründe, besondere Flugpreise sowie Art und Zweck der Flüge) festzusetzen.

(4) Für die Benützung von Anlagen und Einrichtungen von Zivilflugplätzen außerhalb der Betriebszeiten (§ 3) sowie für Beheizung können Zuschläge zu den Tarifsätzen gemäß Abs. 1 bis 3 festgesetzt werden.“

Der Begriff „Entgeltordnung“ ist der ZFBO fremd.

2. Dass zwischen den Streitteilen ein Vertragsverhältnis besteht, auf das grundsätzlich die Zivilflugplatz‑Benützungsbedingungen, die auch die Entgeltordnung umfassen, anzuwenden ist, ist im Revisionsverfahren nicht strittig.

3. Der Umstand, dass sowohl die Zivilflugplatz-Benützungsbedingungen als auch die Entgeltordnung als deren Bestandteil behördlich genehmigt wurden, hindert deren gerichtliche Kontrolle nach § 864a oder § 879 Abs 3 ABGB nicht (3 Ob 246/98t = RIS‑Justiz RS0112133).

4.1. Gemäß § 864a ABGB werden Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet hat, nicht Vertragsbestandteil, wenn sie dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen auch nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte; es sei denn, der eine Vertragsteil hat den anderen besonders darauf hingewiesen.

4.2. Die Rechtsprechung hat zu dieser Norm ua folgende Grundsätze ausgesprochen:

Objektiv ungewöhnlich ist nur eine Klausel, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, mit der er also nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen brauchte; der Klausel muss also ein Überrumpelungseffekt oder Übertölpelungseffekt innewohnen. Insbesondere dann, wenn nur ein beschränkter Adressatenkreis angesprochen wird, kommt es auf die Branchenüblichkeit und den Erwartungshorizont des angesprochenen Kreises an (RIS‑Justiz RS0014646). Dabei kommt es nicht auf den Inhalt, sondern auf die Einordnung der Klausel in das Gesamtgefüge des Textes an (RIS‑Justiz RS0014646 [T4]). Die Klausel muss einen Überraschungseffekt haben, was etwa dann der Fall ist, wenn sie sich nicht dort befindet, wo ein durchschnittlich sorgfältiger Leser nach den Umständen mit ihr rechnen muss und er sie nicht dort findet, wo er sie vermuten könnte (4 Ob 56/03v; RIS‑Justiz RS0014646 [T14]; vgl auch RIS‑Justiz RS0014659).

4.3. Nach dem allgemeinen Verständnis einer vom Vertragspartner stammenden „Tarifordnung“ oder ‑ damit hier offenbar ident ‑ einer „Entgeltordnung“ ist eine Klausel über einen Haftungausschluss darin nicht zu erwarten und ungewöhnlich. Vielmehr erwartet der Leser in einer solchen Ordnung lediglich die Auflistung von Entgelten für bestimmte Leistungen.

Dazu kommt, dass die Klägerin als Vertragspartnerin der Beklagten auch aufgrund der unter Punkt 1. dargestellten gesetzlichen Bestimmungen in der „Tarifordnung“ oder „Entgeltordnung“ mit einer Klausel über einen Haftungsausschluss nicht rechnen musste, weil diese gesetzlichen Bestimmungen eine Haftungsregelung in der Tarifordnung nicht vorsehen. Eine „Entgeltordnung“ ist im Gesetz überhaupt nicht vorgesehen.

Dass die Haftungsausschlussklausel für die Klägerin nachteilig ist, bedarf keiner Erörterung.

Dass die Beklagte die Klägerin auf diese Klausel besonders hingewiesen hätte, hat sie nicht behauptet.

Im Licht der unter Punkt 4.2. referierten Rechtsprechung ist somit der Haftungausschluss für leichte Fahrlässigkeit in Punkt 6.1 der Entgeltordnung eine ungewöhnliche Bestimmung im Sinne des § 864a ABGB, weshalb sie nicht Vertragsbestandteil zwischen den Streitteilen geworden ist.

5. Da Punkt 6.1 der Entgeltordnung somit schon aus den obigen Erwägungen zwischen den Streitteilen nicht anzuwenden ist, erübrigen sich Überlegungen darüber, ob die Klägerin eine „Luftverkehrsgesellschaft“ im Sinn dieser Klausel ist, ebenso wie dazu, ob diese Klausel nichtig im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB ist.

6. Die von den beiden Mitarbeitern der Beklagten verursachte Beschädigung des Flugzeugs der Klägerin ist als leicht fahrlässig zu qualifizieren; für dieses Verschulden der Mitarbeiter muss die Beklagte gemäß § 1313a ABGB einstehen.

7. Da die Klägerin nach den Feststellungen den eingeklagten Schaden betreffend die frustrierten Personalkosten (1.400 EUR) nicht erlitten hat, war in diesem Umfang das Klagebegehren abzuweisen.

8. Ungeachtet einer allfälligen Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerin umfasst der Schadenersatz auch die Umsatzsteuer (Art XII Z 3 EG‑UStG; RIS‑Justiz RS0037844; RS0037853; RS0038172 [T1]; RS0030251), was insgesamt 21.246,56 EUR ergibt.

9. Soweit sich die Beklagte auf die Entscheidung 7 Ob 244/05s beruft, ist ihr Folgendes zu entgegnen:

Im damaligen Verfahren war ebenso die hier Beklagte geklagt. Damals wurde ein auf dem Flughafengelände der Beklagten stationiertes Flugzeug des dortigen Klägers durch eine Sturmböe in ein angrenzendes Maisfeld geschleudert und dabei schwer beschädigt. Der Oberste Gerichtshof wies die außerordentliche Revision des Klägers gegen das klagsabweisende Urteil des Berufungsgerichts zurück und billigte die Beurteilung der Vorinstanzen, es liege höhere Gewalt vor. Die ergänzende Bezugnahme auf die auch hier gegenständliche Klausel über den Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit war daher nicht entscheidungswesentlich, sondern ein obiter dictum. Darüber hinaus musste der Oberste Gerichtshof diese Klausel auch nicht unter dem Gesichtspunkt des § 864a ABGB prüfen. Aus dieser Entscheidung lässt sich daher entgegen der Auffassung der Beklagten für den vorliegenden Rechtsstreit nichts gewinnen.

10. Die Kostenentscheidung gründet für alle Instanzen auf § 43 Abs 2 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren überdies auf § 50 ZPO. Die Klägerin ist nur geringfügig unterlegen. Für die Berufung gebührt ein ERV‑Zuschlag von 1,80 EUR (§ 23a RATG).

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