OGH 3Ob143/13w

OGH3Ob143/13w8.10.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. S*****, vertreten durch Dr. Paul Delazer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei *****bank ***** AG, *****, vertreten durch Dr. Johannes Roilo, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 30. April 2013, GZ 1 R 262/12d-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 7. August 2012, GZ 20 C 104/12w-14, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Der Klägerin gelingt es nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, sodass die Revision als nicht zulässig zurückzuweisen ist.

1.1. Die Bank hat in erster Instanz eine Vereinbarung zwischen der Klägerin (= Bürgin) und der KG (= Kreditnehmerin) mit der Bank vom 16. Oktober/7. November 2001 behauptet, wonach ua Einigung über die Verwendung dieses Meistbots im Umfang von 1.500.000 ATS zur Teilabdeckung der Titelschuld erzielt wurde; diese Vereinbarung ist auch urkundlich belegt (Beilage ./10). Sowohl das Vorbringen der Bank als auch die von ihr vorgelegte Urkunde blieb ohne jede substantiierte Bestreitung der Klägerin, obwohl ihr dies leicht möglich gewesen wäre. Als unstrittig iSd § 267 ZPO (vgl RIS-Justiz RS0039927) ist daher den weiteren Überlegungen eine Vereinbarung mit diesem Inhalt zugrunde zu legen, die zu einem Zeitpunkt geschlossen wurde, als die Liegenschaft der KG bereits am 29. August 2001 versteigert worden war (vgl den Meistbotsverteilungsbeschluss ./12) und somit in Kenntnis des dabei erzielten Meistbots.

1.2. Der Klägerin ist zuzugestehen, dass im Meistbotsverteilungsverfahren nur über den Teilnahmeanspruch des Gläubigers, also über seinen verfahrensrechtlichen Anspruch auf Zuweisung aus dem Meistbot entschieden wird, nicht aber über den materiellrechtlichen Anspruch des einzelnen Gläubigers (RIS- Justiz RS0050034 [T1]; RS0112647; Angst in Angst 2, § 231 Rz 17). Es steht bei einer exekutiven Zuweisung aber nicht im Belieben des Gläubigers, einseitig eine Schuld abweichend von den Regeln der §§ 216 ff EO zu verrechnen (vgl RIS-Justiz RS0107393; RS0003223). Ein Liegenschaftspfandgläubiger kann sich daher nicht zum Nachteil eines Bürgen auf den Inhalt des Verteilungsbeschlusses berufen, sondern muss die Verrechnung gegen sich gelten lassen, die bei Einhaltung der Verteilungsgrundsätze der §§ 216 ff EO anzuwenden gewesen wäre (vgl SZ 19/317; RIS-Justiz RS0003441).

1.3. Davon, dass die Klägerin als Bürgin an den Inhalt des rechtskräftigen Meistbotsverteilungsbeschlusses gebunden wäre, kann daher keine Rede sein. Dennoch hat sie in ihrer Revision mit keinem Wort dargelegt, warum bei Einhaltung der gesetzlichen Verteilungsgrundsätze das Meistbot primär auf die Vergleichsschuld anzurechnen gewesen wäre. Dieses Ergebnis wäre hier aber aus folgenden Gründen ohnehin nicht zu erzielen.

1.4. Die Vereinbarung über die Verrechnung des Meistbots nur im Ausmaß von 1.500.000 ATS auf die titulierte Schuld wurde nach der Aktenlage zwischen allen Beteiligten, deren Rechte hievon betroffen sind (also der Bank als betreibende Partei und einzige Forderungsanmeldende, der verpflichteten KG und der Klägerin als Bürgin), geschlossen. Aus § 214 Abs 2 EO ergibt sich, dass die gesetzlichen Verteilungsregeln der §§ 216 ff EO dispositiv sind, sodass einer Einigung der Beteiligten über die Verteilung des Meistbots der Vorrang zukommt (3 Ob 95/92; 3 Ob 255/07g = SZ 2008/297; Angst § 214 Rz 1). Entsprechend der genannten Vereinbarung musste sich die Bank daher auf den Kontokorrentkredit (nicht nur die nach dem Meistbotsverteilungsbeschluss zugewiesenen 54.504,63 EUR, sondern) 1.500.000 ATS (= 109.009,25 EUR) anrechnen lassen, was nach den Feststellungen letztendlich ohnehin geschehen ist.

Die Anrechnung eines höheren Betrags aus dem Meistbot kann die Klägerin als Beteiligte der Anrechnungsvereinbarung aber nicht mit Erfolg verlangen.

2.1. Die Rechtssätze, wonach sich das Bewilligungsgericht - auch im Fall eines Vergleichs - streng an den Wortlaut des Titels zu halten hat und es nicht darauf ankommt, was die Parteien im Einzelfall wollten (vgl RIS-Justiz RS0000205; RS0000207; RS0000892) betreffen das Exekutionsbewilligungsverfahren. In dem über die Einwendung des Erlöschens der Titelschuld geführten Oppositionsstreit ist aber (auch) die Parteienabsicht als Vorfrage zu klären (RIS-Justiz RS0001466).

Die Vorinstanzen haben sich deshalb zu Recht mit der Absicht der Parteien beim Abschluss des Vergleichs auseinandergesetzt.

2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs stellt die Auslegung eines Vergleichs keine Rechtsfrage dar, deren Entscheidung zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Die Auslegung eines Vergleichs im Einzelfall wäre nur revisibel, wenn dem Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre (RIS-Justiz RS0113785 [T4]), was hier schon nach der Diktion des Vergleichs und der daraus erkennbaren Zielsetzung nicht der Fall ist.

Die Ansicht, es sei auch eine Verzinsung des verglichenen Kapitalbetrags ab dem Zeitpunkt der Titelschaffung vereinbart worden, ist daher jedenfalls vertretbar.

3.1. Im Oppositionsprozess sind wegen der nach § 35 Abs 3 EO geltenden Eventualmaxime nachträgliche Ergänzungen des Vorbringens zulässig, aber nur soweit sie die vorgebrachten Tatsachen verdeutlichen oder präzisieren beziehungsweise richtig stellen, ergänzen oder erläutern, wobei aber ein strenger Maßstab anzulegen ist (RIS-Justiz RS0001307 [T4]). Eine Schlüssigstellung erfordert jedoch zwingend neues Tatsachenvorbringen über das Maß einer bloßen Verdeutlichung oder Präzisierung des bisherigen Vorbringens hinaus (3 Ob 90/13a; vgl RIS-Justiz RS0001369).

3.2. In der Klage behauptete die Klägerin nur, die Bank hätte von ihr Bargeld von 1.800.000 ATS bekommen, ohne den Zeitpunkt der Zahlung oder deren Widmung zu nennen, obwohl nach § 35 Abs 1 EO nur nach Entstehung des Titels verwirklichte Sachverhalte als Oppositionsgrund in Frage kommen und im Oppositionsprozess an die Behauptungspflicht des Klägers hohe Anforderungen gestellt werden (RIS-Justiz RS0048064). Auch die Erweiterung des Vorbringens erst in der Berufung, das ohnehin wegen des Verstoßes gegen das Neuerungsverbot unbeachtet bleiben müsste, beseitigte die Unschlüssigkeit nicht, weil unklar blieb, wieso die „Aufrechnung“ mit einem fremden Guthaben der Klägerin zuzurechnen sein soll.

Trotz der Verneinung eines Verstoßes gegen die Eventualmaxime durch das Berufungsgericht hat der Oberste Gerichtshof diesen von Amts wegen wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0008666). Schon wegen der Unschlüssigkeit der Einwendung der Barzahlung ist im vorliegenden Oppositionsprozess die Relevanz weder des geltend gemachten Verfahrensverstoßes noch des Beweisthemas zu erkennen.

4. Wenn sich die Klägerin mit dem hier zu beurteilenden Exekutionstitel im April 2000 unstrittig zur solidarischen Haftung mit der KG für einen an diese gewährten Kontokorrentkredit im Betrag von 5,000.000 ATS sA verpflichtete, ist nicht nachvollziehbar, warum die Frage wesentlich sein sollte, in welchem Umfang die Klägerin im Jahr 1998 eine (weitere) Bürgenhaftung übernahm.

Schon aus diesem Grund konnte die Mängelrüge der Klägerin zu diesem Thema nicht erfolgreich sein.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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