OGH 3Ob91/13y

OGH3Ob91/13y17.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Univ.‑Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der betreibenden Partei G***** Bank AG, *****, Deutschland, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die verpflichteten Parteien 1. S*****, und 2. K*****, beide vertreten durch Dr. Peter Hauser, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Zwangsversteigerung (100.000 EUR), über den Revisionsrekurs der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 14. März 2013, GZ 53 R 48/13k‑9, womit über Rekurs der verpflichteten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 30. Jänner 2013, GZ 8 E 294/13g‑3, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei wird dahin Folge gegeben, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Der betreibenden Partei werden für ihren Revisionsrekurs 4.205,72 EUR (darin 390,75 EUR USt und 1.861,20 EUR Barauslagen) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung

Auf der Grundlage

a) eines von der Erstverpflichteten (vertreten durch den Zweitverpflichteten) abgegebenen Schuldanerkenntnisses, über das vor einem österreichischen Notar am 11. Juni 2007 ein Notariatsakt errichtet wurde, und

b) eines (neben der Erstverpflichteten) vom Zweitverpflichteten abgegebenen Schuldanerkenntnisses, über das vor einem deutschen Notar am 3. Juni 2008 eine vollstreckbare notarielle Urkunde errichtet wurde, die am 7. Jänner 2013 als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt wurde,

hat das Erstgericht

a) gegen die Erstverpflichtete zur Hereinbringung der Teilforderung von 100.000 EUR sowie der Antragskosten und

b) gegen den Zweitverpflichteten zur Hereinbringung der Teilforderung von 100.000 EUR sowie der Antragskosten

die Zwangsversteigerung der 154/20588‑Anteile des Zweitverpflichteten, verbunden mit WE an Büro top 17, (BLNr 92), der 154/20588‑Anteile der Erstverpflichteten, verbunden mit WE an Büro top 17 (BLNr 93), der 344/20588‑Anteile des Zweitverpflichteten, verbunden mit WE an Büro top 18 (BLNr 94), und der 344/20588‑Anteile der Erstverpflichteten, verbunden mit WE an Büro top 18 (BLNr 95), je der EZ ***** Grundbuch *****, bewilligt.

Der Antrag der betreibenden Partei auf Bewilligung der Pfändung des Anspruchs der erstverpflichteten Partei auf Aufhebung des gemeinsamen Wohnungseigentums gegen die zweitverpflichtete Partei bzw dieses Anspruchs der zweitverpflichteten Partei gegen die erstverpflichtete Partei, jeweils betreffend die Anteile BLNr 92, 93, 94 und 95, EZ ***** Grundbuch *****, wurde ‑ rechtskräftig ‑ abgewiesen.

Das Rekursgericht änderte infolge Rekurses der verpflichteten Parteien die erstgerichtliche Entscheidung in eine gänzliche Antragsabweisung ab und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es verneinte die Exekutionsfähigkeit des Notariatsakts vom 11. Juni 2007, weil diesem der von § 3 lit b NO geforderte Rechtstitel nicht mit hinreichender Genauigkeit zu entnehmen sei.

Da die notarielle Urkunde vom 3. Juni 2008 als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt worden sei und keiner der Vollstreckungsverweigerungsgründe nach Art 21 Abs 1 EuVTVO vorliege, scheide eine Prüfung im Hinblick auf die Voraussetzungen nach § 3 NO aus. Allerdings komme dem Rekurs des Zweitverpflichteten im Ergebnis dennoch Berechtigung zu, weil auf im Ehegattenwohnungseigentum stehende Anteile nur gemeinsam Exekution geführt werden könne und eine Zwangsversteigerung aufgrund eines Titels lediglich gegen einen Partner nur im Wege der Pfändung des Anspruchs auf Aufhebung des gemeinsamen Wohnungseigentums eingeleitet werden könne. Im vorliegenden Fall habe sich der Exekutionsantrag zwar gegen beide Ehegatten gerichtet und es sei auch ein Pfändungsantrag nach § 13 Abs 3 WEG gestellt worden; dieser sei allerdings mittlerweile rechtskräftig abgewiesen worden. Mangels eines entsprechenden und bewilligten Pfändungsantrags sei demzufolge der Antrag auf Bewilligung der Zwangsversteigerung auch gegen den Zweitverpflichteten abzuweisen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil die vorliegende Rechtsprechung zu § 3 lit b NO bereits länger zurückliege und nicht eindeutig geklärt sei, ob ein schlichter Verweis auf ein nicht näher spezifiziertes Darlehensverhältnis als Grundlage eines konstitutiven Anerkenntnisses im Sinne des § 3 lit b NO ausreichend sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig; er ist auch im Sinne einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Exekutionsbewilligung berechtigt.

1. Zum Notariatsakt vom 11. Juni 2007:

1.1. Gemäß § 1 Z 17 EO sind die in § 3 NO bezeichneten Notariatsakte Exekutionstitel. Nach § 3 lit b NO müssen einem Notariatsakt, damit er wie ein vor Gericht abgeschlossener Vergleich exekutionsfähig ist, „die Person des Berechtigten und des Verpflichteten, der Rechtstitel, der Gegenstand, die Art, der Umfang und die Zeit der Leistung oder Unterlassung zu entnehmen“ sein. § 3 lit c NO verlangt, dass über die eingegangene Verpflichtung ein Vergleich zulässig ist.

1.2. Der Oberste Gerichtshof hat zu dem in § 3 lit b NO angeführten Erfordernis, dass ihm der „Rechtstitel“ (Rechtsgrund) zu entnehmen sein muss, ausführlich in der Entscheidung 3 Ob 75/95 (= SZ 68/159 = EvBl 1996/21, 144 = NZ 1996, 210 [dazu H. Schumacher, NZ 1996, 210]; RIS‑Justiz RS0065266) Stellung genommen. Der „Rechtstitel“ ist derart anzuführen, dass das prüfende Exekutionsgericht aufgrund des Urkundeninhalts Beschluss fassen kann, zumal in der Regel ohne vorhergehende mündliche Verhandlung und ohne Einvernehmung des Gegners zu entscheiden ist (§ 3 Abs 2, § 55 Abs 2 EO). Gerade deshalb muss der „Rechtstitel“ in einer Weise angeführt werden, dass seine rechtliche Qualifikation vom Gericht überprüft werden kann. Der Notariatsakt muss also wenigstens die Mindesterfordernisse für die Entstehung des Anspruchs anführen. Im Fall eines Anerkenntnisses oder eines außergerichtlichen Vergleichs müssen die Essentialien des konkreten Vertrags angeführt werden (siehe Rechberger/Oberhammer/Bogensberger, Der vollstreckbare Notariatsakt [1994] 36).

1.3. Diese Ausführungen blieben in der Lehre ohne Kritik (vgl H. Schumacher, Rechtstitel und Bestimmtheit als Voraussetzungen der Vollstreckbarkeit des Notariatsaktes, NZ 1996, 195; Angst, Der vollstreckbare Notariatsakt im Lichte der jüngeren Judikatur des OGH, NZ 2001, 366; Jakusch in Angst² § 1 EO Rz 101 und 106; Wagner/Knechtel, NO6 § 3 Rz 4) und wurden vom 4. Senat übernommen (4 Ob 348/98z).

Die zentrale Aussage der zitierten Judikatur geht dahin, dass die Angaben im Notariatsakt zwar nicht eine Prüfung des Exekutionsgerichts ermöglichen müssen, ob der zu vollstreckende Anspruch tatsächlich zu Recht besteht, wohl aber eine Prüfung, ob der dem in Exekution gezogenen Anspruch zugrunde liegende Rechtsgrund schlüssig dargestellt wurde und wirksam zustande gekommen sein konnte.

1.4. Die Bezeichnung des Rechtsgrundes ist deshalb von Bedeutung, weil sie erst die Prüfung zulässt, ob entsprechend der Vorschrift des § 3 lit c NO über die den Gegenstand der Verpflichtung bildende Verpflichtung ein Vergleich zulässig ist (Jakusch in Angst² § 1 EO Rz 101). Auch wird erst durch die Nennung des Rechtsgrundes im Notariatsakt der Verpflichtete in die Lage versetzt, sich gegen die Exekution mit Oppositions- oder Impugnationsklage oder einer Klage auf Feststellung des Nichtbestehens des im Notariatsakt verbrieften vollstreckbaren Anspruchs zur Wehr zu setzen (Rechberger/Oberhammer/Bogensberger, Der vollstreckbare Notariatsakt [1994] 55).

1.5. Im vorliegenden Fall liegt der Rechtsgrund der geschuldeten Leistung nicht ‑ wie das Rekursgericht meint ‑ in einem Darlehensverhältnis, sondern im (konstitutiven) Schuldanerkenntnis selbst. Nach dem Inhalt des Notariatsaktes dient das Schuldanerkenntnis „insbesondere zur Sicherung der Ansprüche der Gläubigerin aus dem Darlehensverhältnis“. In dritter Instanz ist auch unstrittig, dass den Verpflichteten von der Rechtsvorgängerin der betreibenden Partei ein Darlehen gewährt wurde. Damit ist ausreichend klargestellt, dass es sich bei dem Anerkenntnis nicht um ein (nach österreichischem Recht) unzulässiges abstraktes Geschäft handelt. Da sich die betreibende Partei in der Rekursbeantwortung und im Revisionsrekurs auch dahin festlegte, dass sie Ansprüche aus dem Grundgeschäft Darlehen verfolgt (das zum Erwerb des mit dem Notariatsakt verpfändeten Flugzeugs gegeben wurde), ist der betriebene Anspruch für die verpflichteten Parteien hinreichend individualisiert, um sich im Prozessweg zur Wehr setzen zu können. Nähere Angaben zu dem Darlehensverhältnis sind entbehrlich (vgl auch 3 Ob 159/02g).

Dass eine Darlehensschuld vergleichsfähig ist, bezweifeln auch die verpflichteten Parteien nicht. Etwaige materiellrechtliche Einwendungen gegen den im Notariatsakt verbrieften Anspruch (zB die im Rekurs der verpflichteten Parteien angesprochenen Einwände des Fehlens der Voraussetzungen für ein wirksames Schuldanerkenntnis) müssen zum Gegenstand eines eigenen Erkenntnisverfahrens gemacht werden (siehe 1.4.; RIS‑Justiz RS0001541).

1.6. Die verpflichteten Parteien ziehen weiters in Zweifel, dass die dem Notariatakt vom 11. Juni 2007 beigeschlossene notariell beglaubigte Vollmacht den gesetzlichen Anforderungen des § 69 Abs 1a NO entspreche. Nach dieser Bestimmung genügt eine Vollmacht nach § 69 Abs 1 NO „auch zum Abschluß aller Rechtsgeschäfte und zur Abgabe aller Rechtserklärungen, die zu ihrer Gültigkeit des Notariatsaktes bedürfen, wenn in ihr sowohl der rechtsgeschäftliche Vorgang einzeln oder, sofern nicht nach anderen Vorschriften eine auf das einzelne Geschäft ausgestellte Vollmacht notwendig ist, zumindest der Gattung nach angeführt ist“. Da das Schuldanerkenntnis für seine Gültigkeit nach den hier in Betracht kommenden Rechtsordnungen keines Notariatsaktes bedarf (zum ‑ hier ‑ fehlenden Formerfordernis nach österreichischem Recht siehe RIS‑Justiz RS0032319 [T4]; § 781 BGB fordert die „schriftliche Erteilung der Anerkennungserklärung“), ist eine Gattungsvollmacht nicht erforderlich.

1.7. Demnach erfüllt der Notariatsakt vom 11. Juni 2007 die von § 3 lit b und c NO ‑ in Bezug auf den Rechtstitel ‑ geforderten Voraussetzungen.

2. Zur vollstreckbaren notariellen Urkunde vom 3. Juni 2008:

2.1. Die vor einem deutschen Notar am 3. Juni 2008 errichtete vollstreckbare notarielle Urkunde wurde am 7. Jänner 2013 als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigt.

2.2. Nach Art 25 Abs 3 EuVTVO in Verbindung mit Art 20 Abs 1 EuVTVO gilt für das Verfahren zur Vollstreckung einer als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigten öffentlichen Urkunde grundsätzlich das Recht des Vollstreckungsstaats. Die als Europäischer Vollstreckungstitel bestätigte öffentliche Urkunde ist unter den gleichen Bedingungen zu vollstrecken wie eine im Vollstreckungsmitgliedstaat errichtete öffentliche Urkunde. Auch die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung werden vom Recht des Vollstreckungsstaats bestimmt (Stürner in Kindl/Meller-Hannich/Wolf [Hrsg], Das gesamte Recht der Zwangsvollstreckung2 [2013] Art 20 EuVTVO Rz 1).

2.3. In diesem Sinn gelten für die Vollstreckung die nämlichen Bedingungen, wie sie oben zum Notariatsakt vom 11. Juni 2007 angeführt sind. Angesichts des weitgehend identen Wortlauts erfüllt die vollstreckbare notarielle Urkunde vom 3. Juni 2008 die im österreichischen Recht (§ 3 lit b NO) in Bezug auf den Rechtstitel geforderten Voraussetzungen.

3. Wird die Exekution durch Zwangsversteigerung von im gemeinsamen Wohnungseigentum von Partnern stehenden Anteilen gegen beide Partner als verpflichtete Parteien geführt, hat ‑ selbst bei getrennten Titeln (RIS-Justiz RS0107700) ‑ keine Pfändung des Aufhebungsanspruchs nach § 13 Abs 3 WEG zu erfolgen; vielmehr ist unmittelbar die Zwangsversteigerung auf die gemeinsamen Liegenschaftsanteile zu bewilligen (Würth in Rummel 3 § 13 WEG Rz 7).

5. In diesem Sinn ist dem Revisionsrekurs der betreibenden Partei dahin Folge zu geben, dass die erstinstanzliche Entscheidung wiederhergestellt wird.

Der betreibenden Partei sind die Kosten ihres Revisionsrekurses zuzusprechen (§§ 41, 50 ZPO iVm § 78 EO). Kostenersatz für die Rekursbeantwortung steht angesichts der grundsätzlichen Einseitigkeit des Exekutionsverfahrens (RIS-Justiz RS0118686) nicht zu.

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