OGH 9ObA78/12d

OGH9ObA78/12d24.9.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter ADir. Sabine Duminger und Mag. Robert Brunner in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei B***** P*****, vertreten durch die Anwalt GmbH Mag. Teuchtmann in 4040 Linz, wider die beklagte Partei F***** M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwalt in 4020 Linz, wegen 57.564,11 EUR sA (Revisionsinteresse: 37.591,25 EUR), infolge der außerordentlichen Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. Mai 2012, GZ 11 Ra 16/12w-33, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 17. November 2011, GZ 9 Cga 9/10h-29, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das Berufungsurteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Begründung

Der Kläger war von 2. 9. 1996 bis 17. 11. 2009 bei der Beklagten als technischer und kaufmännischer Projektleiter im Metallbau beschäftigt. Auf sein Dienstverhältnis war der Kollektivvertrag für Angestellte des Metallgewerbes anzuwenden. Das letzte Bruttogehalt des Klägers betrug 3.820,68 EUR. Das Dienstverhältnis endete durch Entlassung.

Der Kläger begehrte zuletzt die Zahlung von 57.564,11 EUR brutto sA an restlichem Lohn, Überstunden, Abfertigung, Urlaubsersatzleistung, Kündigungs-entschädigung, Sonderzahlungen, Ersatz für der Beklagten zur Verfügung gestellte Gegenstände und für einen einem anderen Arbeitnehmer geleisteten Lohnvorschuss. Die Entlassung sei ungerechtfertigt gewesen. Die Mutmaßungen der Beklagten, dass der Kläger eine unerlaubte Konkurrenztätigkeit durchgeführt hätte, seien unrichtig.

Die Beklagte bestritt dies, beantragte Klagsabweisung und wandte zusammengefasst ein, der Kläger habe die Entlassungsgründe des Verstoßes gegen das Konkurrenzverbot und der Untreue bzw Vertrauensunwürdigkeit verwirklicht. Er sei auf eigene und/oder fremde Rechnung in ihrem Geschäftszweig tätig geworden und habe zum Nachteil der Beklagten für ihre Kunden gearbeitet. Der Mitarbeiter ihrer tschechischen Schwestergesellschaft, DI W*****, betreibe auch ein Konkurrenzunternehmen, für das der Kläger gearbeitet, Angebote erstellt und die Bauleitung übernommen habe. Durch sein Verhalten seien ihr Schäden aus Gewinnentgang von insgesamt 107.130 EUR entstanden, die compensando eingewandt würden.

Das Erstgericht erachtete die Klagsforderung im Umfang von 55.047 EUR sA als zu Recht, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und wies das Mehrbegehren von 2.517,03 EUR ab. Soweit revisionsgegenständlich, stellte es folgenden Sachverhalt fest:

„Die beklagte Partei ist ein Metallbetrieb, der im Bereich der Bauschlosserei tätig ist. Der geschäftsführende Gesellschafter der beklagten Partei, Herr F***** M*****, war gleichzeitig geschäftsführender Gesellschafter eines tschechischen Schwesterunternehmens, der K***** s.r.o. (idF Fa K*****). Herr DI E***** W***** war bis zur Entlassung des Klägers auf Werkvertragsbasis als gewerberechtlicher Geschäftsführer für die Fa K***** tätig. Er führte jedoch auch ein eigenes Schlossereiunternehmen mit dem Namen D***** D*****. Der Kläger war bei der beklagten Partei in Österreich beschäftigt. Sein Aufgabengebiet umfasste zunächst die gesamte Montageleitung. Nach seiner Bildungskarenz im Jahr 2009 (März bis Mai 2009) wurde sein Aufgabengebiet modifiziert und er war seither bis zu seiner Entlassung nur mehr für den Verkauf und die Bauleitung von der Angebotslegung über die Durchführung des Baus bis zur Endabnahme durch den jeweiligen Kunden zuständig. Das Erstellen von Plänen gehörte nicht zu den Aufgaben des Klägers.

Die beklagte Partei und die Fa K***** waren eng verschränkt und es herrschte eine intensive Zusammenarbeit. Im Wesentlichen war die Fa K***** als Subauftragnehmerin der beklagten Partei tätig und produzierte die Teile, die die beklagte Partei für ihre Aufträge benötigte. DI W***** nutzte dazu vereinbarungsgemäß die gesamte Infrastruktur der Fa K*****. Auch der Kläger und DI W***** standen aufgrund dieser Zusammenarbeit häufig in Kontakt. Für den Kläger war DI W***** in allen, die Fa K***** betreffenden Fragen Ansprechpartner. Eine ausdrückliche Beschränkung dieser Kooperation gab es durch die beklagte Partei nicht. Wesentlicher Kunde der beklagten Partei war das Bauunternehmen ***** L***** B***** GmbH (idF Fa L*****), dessen Ansprechpartner bei der beklagten Partei der Kläger war.

Der Kläger ist seinen Verpflichtungen aus dem Dienstvertrag zur beklagten Partei bis zu seiner Entlassung am 17. 11. 2009 ordnungsgemäß nachgekommen. Insbesondere hat er während aufrechtem Dienstverhältnis zur beklagten Partei nicht auf eigene oder fremde Rechnung bei den Bauvorhaben S*****, H*****, S*****, was die Fluchtleitern betrifft, L***** und G***** gearbeitet. Bei den genannten Bauvorhaben handelte es sich um Baustellen, bei denen die Fa L***** als Bauunternehmen eingesetzt war. Bei dem Bauvorhaben S*****, in Bezug auf die Fluchtleitern und G***** war die Fa D***** D***** als Schlossereiunternehmen tätig. Der Kläger hatte bei den beiden genannten Bauvorhaben für die beklagte Partei Angebote gelegt, jedoch hatte die beklagte Partei diese Aufträge von der Fa L***** nicht erhalten. Zu dem Zeitpunkt, als der Auftrag bzgl des Bauvorhabens S***** erteilt wurde, wurden wegen Problemen bei anderen Baustellen (etwa Bauvorhaben K*****) seitens der Fa L***** keine Aufträge an die beklagte Partei erteilt.

Bei dem Bauvorhaben S***** war der Kläger während aufrechtem Dienstverhältnis zur beklagten Partei einmal vor Ort und half DI W***** bei der Lieferung der Materialien für seine Fa D***** D*****. Dies jedoch unentgeltlich, außerhalb der Dienstzeit und zu einem Zeitpunkt, als die Fa L***** der beklagten Partei bereits den Auftragsstopp erteilt hatte. Andere Arbeiten im Zusammenhang mit diesem Bauvorhaben nahm der Kläger nicht vor.

Bei dem Bauvorhaben L***** hat der Kläger DI W***** während aufrechtem Dienstverhältnis zur beklagten Partei nie geholfen. Er hat diese Baustelle jedoch während aufrechtem Dienstverhältnis zur beklagten Partei einmal außerhalb seiner Dienstzeit aus Interesse besichtigt und am 5. 10. 2009 eine E-Mail des Zeugen Ing. R***** an DI W***** betreffend das Bauvorhaben L***** weitergeleitet. Erst seit Februar 2010, seit der Kläger selbstständig ist, hat er auf dieser Baustelle gearbeitet.

Auch das Bauvorhaben G***** besichtigte der Kläger während aufrechtem Dienstverhältnis zur beklagten Partei einmal aus Interesse außerhalb seiner Dienstzeit. Arbeiten hat der Kläger dort nicht durchgeführt.

Am 17. 11. 2009 rief ein Polier der Fa L*****, Herr H***** L*****, auf dem Diensthandy des Klägers an, um bezüglich diverser Fertigstellungsarbeiten betreffend die Bauvorhaben S***** und G***** zu urgieren. Dies jedoch lediglich irrtümlich, da er nicht wusste, dass nicht die beklagte Partei, sondern die Fa D***** D***** für die urgierten Schlossereiarbeiten zuständig war.

Was die Bauvorhaben S***** und H***** betrifft, so ist der Kläger weder für diese Bauvorhaben tätig geworden, noch war er jemals an den betreffenden Baustellen anwesend.

Der Kläger hat keine Kontakte zwischen Kunden der beklagten Partei und DI W***** hergestellt, um diesem eine Konkurrenztätigkeit zu ermöglichen.

Nach Ende seiner Bildungskarenz ersuchte der Kläger die beklagte Partei um deren Zustimmung, eine selbstständige Tätigkeit im Bereich des Alarmanlagenvertriebes neben dem Dienstverhältnis zur beklagten Partei aufnehmen zu dürfen. Die beklagte Partei erteilte die diesbezügliche Zustimmung nicht und der Kläger nahm eine solche Tätigkeit während aufrechtem Dienstverhältnis auch nicht auf.“

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Kläger habe weder ein selbstständiges kaufmännisches Unternehmen betrieben, noch sei er im Geschäftszweig der Beklagten auf eigene oder fremde Rechnung in Konkurrenz zur Beklagten tätig geworden, sodass kein Verstoß gegen das Konkurrenzverbot des § 7 AngG vorliege. Dass er Baustellen, bei denen die Beklagte keine Aufträge gehabt habe, in seiner Freizeit besichtigt habe, könne ebenso wenig wie der einmalige private und unentgeltliche Hilfsdienst für das Unternehmen eines Kollegen als konkurrenzierende Tätigkeit ausgelegt werden. Er habe auch nicht versucht, Kunden der Beklagten für sich oder ein anderes Unternehmen abzuwerben. Durch das Besichtigen von unternehmensfremden Baustellen in der Freizeit und einen einmaligen Hilfsdienst für einen Kollegen könnten unter objektiven Gesichtspunkten die Interessen und Belange der Beklagten nicht als gefährdet angesehen werden, sodass auch der Entlassungsgrund der Untreue oder der Vertrauensunwürdigkeit nicht verwirklicht sei. Die Gegenforderung der Beklagten sei mangels eines feststellbaren Schadens der Beklagten und mangels eines rechtswidrigen Verhaltens des Klägers unberechtigt.

Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung bekämpfte die Beklagte den Klagszuspruch im Ausmaß von 44.023,49 EUR brutto sA.

Das Berufungsgericht gab der Berufung teilweise, dh hinsichtlich des Zuspruchs der Abfertigung und der Kündigungsentschädigung, Folge, erachtete die Klagsforderung im Ausmaß von insgesamt 17.455,83 EUR brutto sA als berechtigt, das Mehrbegehren und die Gegenforderung jedoch nicht als berechtigt und verpflichtete die Beklagte zur Zahlung von 17.455,83 EUR sA.

Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt, dessen Richtigkeit es nicht bezweifelte, legte es zum alleine berufungsgegenständlichen Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit iSd § 27 Z 1 AngG die Grundsätze der Rechtsprechung dar und führte aus, die Vertrauensunwürdigkeit verlange einen Verstoß gegen wohlverstandene Interessen des Arbeitgebers. Sofern man das Tätigwerden des Klägers für DI W***** überhaupt als Nebenbeschäftigung beurteilen sollte, sei eine Nebenbeschäftigung während der Freizeit grundsätzlich, sofern sie nicht vertrags- oder gesetzwidrig sei, ohne Einschränkung zulässig und daher dem Arbeitgeber auch nicht zu melden. Die ausgeübte Nebentätigkeit dürfe aber für den Betrieb des Arbeitgebers nicht abträglich, also mit dem Anspruch des Arbeitgebers auf Wahrung der Arbeitsdisziplin und dienstliche Korrektheit nicht unvereinbar sein. In der Nebentätigkeit müsse ein bewusstes Zuwiderhandeln gegen die berechtigten Interessen des Arbeitgebers liegen, sodass beim Arbeitgeber die gerechtfertigte Befürchtung bestehe, dass der Arbeitnehmer auch zukünftig seine Interessen nicht mehr ordnungsgemäß vertreten werde. Auch ein außerdienstliches Verhalten könne sich in der Weise auswirken, dass es zum Verlust des für das Arbeitsverhältnis notwendigen Vertrauens führe. Damit es die Entlassung wegen Vertrauensunwürdigkeit rechtfertige, bedürfe es eines gewissen Zusammenhangs des außerdienstlichen Verhaltens mit der dienstlichen Position und dem Aufgabenbereich des Angestellten. Wenn aufgrund des außerdienstlichen Verhaltens zu befürchten sei, dass der Arbeitnehmer auch dienstliche Interessen ernsthaft gefährden werde, könne der Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit verwirklicht sein. So könne etwa die Mitarbeit in einem fremden, dem Geschäftszweig des Arbeitgebers zugehörenden Unternehmen die Entlassung rechtfertigen. Genau dieser Fall liege vor: Der Kläger habe für die Beklagte beim Bauvorhaben S***** ein Angebot an die vergebende Fa L***** gelegt, jedoch von dieser keinen Auftrag erhalten. Vielmehr sei von dieser für die Errichtung von Fluchtleitern die Firma des DI E***** W*****, die Fa D***** D*****, als Schlossereiunternehmen beauftragt worden. Angesichts dieser Umstände habe der Kläger keinesfalls davon ausgehen können, dass DI W***** in seiner Tätigkeit als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Fa K*****, die sonst im Wesentlichen als Subauftragnehmerin der beklagten Partei im Ausland Teile für die Beklagte produziert habe, aufgetreten sei. Aus der hier allein maßgeblichen Sicht eines Dienstgebers vom Standpunkt vernünftigen dienstlichen und geschäftlichen Ermessens aus habe sich die Sachlage so dargestellt, dass die vom Kläger verfassten Angebote zwar nicht zu einer Auftragserteilung an die beklagte Partei geführt hatten, der Kläger jedoch ausgerechnet jenes zweifellos konkurrenzierende Unternehmen unterstützt habe, das den Zuschlag erhalten hatte. Nach der Anschauung der beteiligten Kreise habe dieses Verhalten die berechtigte Befürchtung erwecken müssen, der Kläger werde gerade nicht mehr nur die Interessen seines Arbeitgebers wahren. Die Tätigkeit des Klägers, die durch seine Mithilfe bei der Materiallieferung der Fa D***** D***** unterstützend auf eine reibungslose Auftragsabwicklung eines Konkurrenten - und nicht eines Kollegen - abgezielt habe, habe unmittelbar die berechtigten wirtschaftlichen Interessen der beklagten Partei berührt. Es dürfe nicht übersehen werden, dass gerade das Bauunternehmen ***** L***** GmbH ein wesentlicher Kunde der Beklagten und ausgerechnet der Kläger in diesem Geschäftsverhältnis der Ansprechpartner der Beklagten für die Fa L***** gewesen sei. Wenn schon eine nicht konkurrenzierende Nebentätigkeit den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit bilden könne, so umso mehr die Unterstützung eines Konkurrenzunternehmens durch einen für die Bauleitung verantwortlichen Angestellten. Dass es sich dabei nicht bloß um eine einmalige Gefälligkeit gehandelt habe, zeige der Umstand, dass der Kläger ein E-Mail eines Bauleiters der Fa L***** an DI W***** weitergeleitet habe, obwohl ihm als Bauleiter der Beklagten klar gewesen sein musste, dass sein dienstgebendes Unternehmen keinen, wohl aber das konkurrenzierende Unternehmen des DI W***** einen Auftrag erhalten gehabt habe. Aus der maßgeblichen objektiven Sicht eines vergleichbaren Unternehmens, dessen Bauleiter ein anderes Unternehmen bei der Abwicklung eines Konkurrenzauftrags unterstütze, sei eine dadurch eingetretene Vertrauensverwirkung zu bejahen und die Entlassung berechtigt gewesen.

In seiner dagegen gerichteten Revision beantragt der Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Bestätigung des Ersturteils; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurück-, in eventu abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt.

Die Frage, ob die Voraussetzungen für eine gerechtfertigte vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses vorliegen, kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Damit wird in der Regel keine revisible Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO begründet (RIS-Justiz RS0106298), sofern nicht im Sinne der Rechtssicherheit ein Korrekturbedarf besteht. Das ist hier der Fall:

Generell ist es essentielles Tatbestandsmerkmal jeder gerechtfertigten Entlassung, dass dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers wegen des Entlassungsgrundes so unzumutbar geworden ist, dass eine sofortige Abhilfe erforderlich wird. Dieses Tatbestandsmerkmal ermöglicht die Abgrenzung zwischen einem in abstracto wichtigen Entlassungsgrund und einem in concreto geringfügigen Sachverhalt (RIS-Justiz RS0029009; vgl auch RS0029020). Entscheidend ist, ob das Verhalten des Angestellten nach den gewöhnlichen Anschauungen der beteiligten Kreise - also nicht nach dem subjektiven Empfinden des einzelnen Arbeitgebers, sondern nach objektiven Grundsätzen - als so schwerwiegend angesehen werden muss, dass das Vertrauen des Arbeitgebers derart heftig erschüttert wird, dass ihm eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann (RIS-Justiz RS0029323; vgl auch RS0029107; RS0028999).

Die Entlassungstatbestände des § 27 Z 3 AngG, die sich mit dem jeweiligen Verbot des § 7 AngG decken (RIS-Justiz RS0111110), sind nicht weiter verfahrensgegenständlich. Sie fänden im festgestellten Sachverhalt auch keine Deckung.

Unter den hier zu prüfenden Tatbestand der Vertrauensunwürdigkeit iSd § 27 Z 1 letzter Fall AngG fällt jede Handlung oder Unterlassung eines Angestellten, die mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit und auf ihre Rückwirkung auf das Arbeitsverhältnis den Angestellten des dienstlichen Vertrauens seines Arbeitgebers unwürdig erscheinen lässt, weil dieser befürchten muss, dass der Angestellte seine Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen werde, sodass dadurch die dienstlichen Interessen des Arbeitgebers gefährdet sind (RIS-Justiz RS0029547).

Bei der Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit kommt es vor allem darauf an, ob für den Dienstgeber vom Standpunkt vernünftigen kaufmännischen Ermessens die gerechtfertigte Befürchtung bestand, dass seine Belange durch den Angestellten gefährdet seien, wobei nicht das subjektive Empfinden des Dienstgebers entscheidet, sondern an das Gesamtverhalten des Angestellten ein objektiver Maßstab anzulegen ist, der nach den Begleitumständen des einzelnen Falls und nach der gewöhnlichen Verkehrsauffassung angewendet zu werden pflegt (RIS-Justiz RS0029833; vgl auch RS0029733).

Nicht jeder geringe Verstoß gegen die Treuepflicht vermag einen Entlassungstatbestand zu begründen, doch kann sich ein solcher aus einer Summe von Verstößen ergeben (RIS-Justiz RS0029600). Wenn auch die Summierung geringfügiger Verstöße den Tatbestand erfüllen kann, muss das zur Entlassung Anlass gebende Verhalten geeignet sein, die Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung im konkreten Fall zu begründen. Der eigentliche Anlassfall muss sohin eine gewisse Mindestintensität aufweisen. (RIS-Justiz RS0029600 [T2]).

Anders als beim Entlassungsgrund der Untreue im Dienst kann die Vertrauensverwirkung auch auf Handlungen des Angestellten beruhen, die mit dem Dienstverhältnis in keinem unmittelbaren Zusammenhang stehen (RIS-Justiz RS0029333). Das Verhalten muss aber so beschaffen sein, dass es nach den Umständen des Falls das dienstliche Vertrauen des Dienstgebers zu beeinflussen vermag (RIS-Justiz RS0029333 [T3]). An das außerdienstliche Verhalten eines Dienstnehmers ist kein so strenger Maßstab anzulegen wie an das Verhalten im Dienst (RIS-Justiz RS0029333 [T7]).

Der Entlassungsgrund der Vertrauens-unwürdigkeit ist im Fall einer dem § 7 AngG nicht zu unterstellenden Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen nur dann erfüllt, wenn dem Angestellten konkrete Verstöße gegen seine Treuepflicht zur Last fallen oder er ein bestimmtes Verhalten einnimmt, das ihn des Vertrauens seines Dienstgebers unwürdig macht, wie etwa Verrat von Geschäftsgeheimnissen, Betriebsgeheimnissen etc (RIS-Justiz RS0027833). Eine über die Bestimmung des § 7 AngG hinausgehende Beschränkung der privaten Betätigungsfreiheit (insbesondere auch eine Verpflichtung zur Unterlassung von Nebenbeschäftigungen) vermag, selbst wenn sie vertraglich vereinbart ist, keine Erweiterung des Entlassungstatbestands des § 27 Z 3 AngG zu bewirken. Nur bei Vorliegen der dafür notwendigen besonders erschwerenden Voraussetzungen kann in einer Nebenbeschäftigung, die entgegen einer wirksamen vertraglichen Verpflichtung ausgeübt wird, ein Vertrauensmissbrauch im Sinn des § 27 Z 1 AngG erblickt werden (RIS-Justiz RS0027828).

Angesichts dieser Rechtsprechung tragen die Feststellungen die Ansicht des Berufungsgerichts, der Kläger habe einen Entlassungsgrund gesetzt, nicht:

Nach dem vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt besuchte der Kläger während seines aufrechten Dienstverhältnisses außerhalb seiner Dienstzeit die klagsgegenständlichen Baustellen, was ihm grundsätzlich freisteht und woraus ihm auch kein Vorwurf zu machen ist. Tätigkeiten für DI W***** entfaltete er lediglich insofern, als er einmal auf der S***** Baustelle unentgeltlich bei der Lieferung der Materialien für dessen Unternehmen mithalf und ein anderes Mal ein E-Mail an ihn weiterleitete. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände erreichen diese Vorfälle jedoch weder für sich noch in Summe ein derartiges Gewicht, das bei objektiver Betrachtung geeignet gewesen wäre, die Vertrauensbasis zwischen den Streitteilen zu zerstören und eine weitere Fortsetzung des Dienstverhältnisses unzumutbar zu machen: Die Tätigkeit des Klägers auf der Baustelle S***** beschränkte sich auf eine einmalige unentgeltliche Mithilfe für DI W*****. Die Weiterleitung des E-Mails der Fa L***** als ständige Kundin der Beklagten kann auch als Ausdruck der Vereinfachung von Kommunikationswegen gesehen werden. Die bei der Beklagten am Entlassungstag erfolgte Urgenz einer Schlosserarbeit durch die Fa L***** stellte sich als Irrtum heraus, sie kann dem Kläger daher schon deshalb nicht angelastet werden. Ein weiteres Verhalten des Klägers, das über Mutmaßungen einer Tätigkeit für ein Konkurrenzunternehmen hinausginge, geht aus den getroffenen Feststellungen nicht hervor. Aus ihnen kann daher insgesamt noch nicht auf eine solche Vertrauenserschütterung geschlossen werden, die eine Weiterbeschäftigung des Klägers unzumutbar erscheinen ließe.

Das Berufungsgericht hat allerdings aufgrund seiner Rechtsansicht eine detaillierte Erörterung der zu diesem Entlassungsgrund begehrten - zT ergänzenden, zT abändernden - Feststellungen nicht für erforderlich erachtet. Da sie aber nicht von vornherein ungeeignet erscheinen, das Verhalten des Klägers in ein anderes Licht zu rücken, kann auf eine Auseinandersetzung mit diesen Berufungspunkten nicht verzichtet werden.

Der Revision war daher Folge zu geben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 2 ASGG und § 52 ZPO.

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