OGH 1Ob35/12x

OGH1Ob35/12x1.8.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Grohmann, Mag. Ziegelbauer, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** AG, *****, vertreten durch Themmer Toth & Partner, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Mag. J***** B*****, vertreten durch Dr. Heinz Stöger, Rechtsanwalt in Wien, wegen 2.000.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 16. Dezember 2011, GZ 2 R 230/11b‑15, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. September 2011, GZ 17 Cg 131/11v‑11, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 5.054,04 EUR (darin enthalten 842,34 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte war als Abschlussprüfer für eine mittelgroße GmbH tätig. Am 5. 8. 2004 erteilte er deren Jahresabschluss zum 31. 12. 2003 den uneingeschränkten Bestätigungsvermerk. Im Dezember 2004 zählte die klagende Partei der GmbH ein Mezzanindarlehen über 2,5 Mio EUR zu. Im Jahr 2010 wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet.

Mit der im Mai 2011 eingebrachten Klage begehrte die klagende Partei Schadenersatz von 2.000.000 EUR. Sie habe das Darlehen im Vertrauen auf die Richtigkeit des uneingeschränkt bestätigten Jahresabschlusses der GmbH gewährt. Die klagende Partei und der Masseverwalter hätten wegen des Verdachts des schweren Betrugs und der Bilanzfälschung im April 2010 gegen den Geschäftsführer Strafanzeige erstattet. Im Strafverfahren habe sich herausgestellt, dass der Jahresabschluss zum 31. 12. 2003 gravierend unrichtig gewesen sei. In der Bilanz seien Scheinerlöse und Scheinfaktoren aufgetaucht. Bankverbindlichkeiten seien nicht berücksichtigt und verdächtigte Umbuchungen nicht überprüft worden.

Der Beklagte wendete (insbesondere) Verjährung im Sinne des § 275 Abs 5 UGB ein.

Das Erstgericht hielt den Verjährungseinwand für berechtigt und wies das Klagebegehren deshalb ab. § 275 Abs 5 UGB sei lex specialis zu § 1489 ABGB und führe auch ohne Kenntnis des Geschädigten von Schaden und Schädiger zur Verjährung. Der Vertrag des Abschlussprüfers mit der geprüften Gesellschaft sei ein solcher mit Schutzwirkung zu Gunsten jener Gläubiger der Gesellschaft, die durch die Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks angesprochen werden sollten und bei ihrer wirtschaftlichen Disposition davon ausgehen könnten, dass Buchführung, Jahresabschluss und Lagebericht ihres Schuldners den gesetzlichen Vorschriften entsprächen. Die betragsmäßige Beschränkung der Haftung durch § 275 Abs 2 UGB gelte auch für die Haftung des Abschlussprüfers gegenüber geschädigten Dritten. Die in § 275 Abs 5 UGB geregelte absolute Verjährungsfrist beginne mit dem Eintritt des Schadens. Diese Sondernorm schränke die Haftung des Abschlussprüfers erheblich ein. Ihr Zweck würde unterlaufen, wenn sie nicht für den „mitgeschützten“ Dritten gelte. Die verschieden langen, von der Person des Geschädigten abhängigen Verjährungsfristen bedeuteten eine erhebliche Rechtsunsicherheit. Der geschädigte Dritte befinde sich zwar aufgrund seines Informationsdefizits in einer schlechteren Position als die geprüfte Gesellschaft. Dies rechtfertige aber nicht die von der klagenden Partei gewünschte Besserstellung. Der Schaden der Klägerin sei schon mit der Auszahlung der Darlehenssumme an die GmbH eingetreten.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Wesentlicher Zweck des § 275 UGB sei die Begrenzung der Haftung des fahrlässig schädigenden Prüfers. Dies sei aufgrund des § 275 Abs 2 UGB evident. Das fehlende Entgeltverhältnis zwischen Prüfer und geschädigtem Dritten, dessen Anspruch aber auf einem entgeltlichen Vertrag zwischen Prüfer und geprüfter Gesellschaft beruhe, rechtfertige eher eine für den Prüfer günstigere Haftungslage, also auch eine Verjährungsbeschränkung dem Dritten gegenüber. Dieser habe zwar weniger Möglichkeiten, Fehler des Abschlussprüfers festzustellen als die geprüfte Gesellschaft. Dies werde dadurch ausgeglichen, dass die Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 UGB ohnehin erst mit dem Eintritt des (primären) Schadens zu laufen beginne. Wesentliches Argument für die analoge Anwendung der Verjährungsfrist sei auch der mit § 275 Abs 5 UGB bezweckte Vorrang des Rechtsfriedens. Schäden seien in der Regel innerhalb von 5 Jahren ab Eintritt des Primärschadens auch für geschädigte Dritte erkennbar. Später erkennbare Schäden seien regelmäßig tendenziell erschwert einer entsprechend weit zurückliegenden Abschlussprüfung zuordenbar. Die spezielle Verjährungsnorm privilegiere den Abschlussprüfenden nicht nur, weil die kurze dreijährige Frist (§ 1489 Satz 1 ABGB) auf 5 Jahre verlängert werde. Der Schaden der Klägerin sei nicht erst mit der endgültigen Uneinbringlichkeit der Forderung auf Rückzahlung des Darlehens eingetreten, sondern bereits mit dessen Gewährung, die eine Vermögensumschichtung und die Verlagerung des Rückzahlungsrisikos auf die klagende Partei bewirkt hätte. Eine Geldforderung sei etwas anderes als der Besitz eines Geldbetrags.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Anwendung des § 275 Abs 5 UGB auf Schadenersatzansprüche geschädigter Dritter fehle.

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers:

1.1. Nach § 275 Abs 1 HGB idF des Rechnungslegungsgesetzes, BGBl 1990/475, haftete der Abschlussprüfer bei Verletzung der Verpflichtung zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung sowie Verschwiegenheit und bei einer unbefugten Verwertung von Geschäfts‑ und Betriebsgeheimnissen für Schäden, die der (geprüften) Gesellschaft und/oder mit dieser verbundenen Unternehmen entstanden. Abs 2 leg cit beschränkte die Haftung bei Fahrlässigkeit der Höhe nach. Die Haftung gegenüber nicht von § 275 HGB erfassten Dritten (im folgenden auch: Dritthaftung) war nicht geregelt.

1.2. Anlässlich der Novellierung des § 275 HGB durch das Finanzmarktaufsichtsgesetz (FMAG), BGBl I 2001/97, die unter anderem die in Abs 2 leg cit geregelte Haftungshöchstgrenze gestaffelt anhob, hielten die Erläuterungen dazu (RV 641 BlgNR 21. GP, 97) ausdrücklich fest, dass der Entwurf nicht weiter Stellung zu der kritischen Frage nehme, ob und unter welchen Voraussetzungen der Abschlussprüfer Dritten, insbesondere Gläubigern oder Anlegern hafte, und eine Klarstellung dieser Frage der Rechtsprechung und der zukünftigen Gesetzgebung vorbehalten bleibe. Der Gesetzgeber hat sich dieses Problems jedoch nicht angenommen. Die Frage der Dritthaftung blieb weiter ungeregelt.

1.3. Von Novellierungen unberührt blieb die hier interessierende Bestimmung des § 275 Abs 5 HGB (seit dem Handelsrechts-Änderungsgesetz [HaRÄG], BGBl I 2005/120: UGB; im folgenden Text wird aus Vereinfachungsgründen nur noch die aktuelle Gesetzesbezeichnung UGB verwendet). Danach verjähr(t)en die Ansprüche aus den Vorschriften über die Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers in fünf Jahren.

2. Charakter und Beginn der fünfjährigen Verjährungsfrist:

2.1. § 275 UGB ist eine lex specialis zur allgemeinen Verjährungsvorschrift des § 1489 ABGB (4 Ob 89/04y = ÖBA 2005/1269, 285 mwN; 10 Ob 24/04h = ÖBA 2005/1270, 287 mwN) und verdrängt nach herrschender Meinung als objektive, von Kenntnis des Schadens und des Schädigers unabhängige Frist nicht nur die kurze, sondern auch die lange Frist des § 1489 ABGB (4 Ob 89/04y; 10 Ob 24/04h je mwN aus der Literatur; Dehn, Die Haftung des Abschlussprüfers nach § 275 HGB [nF], ÖBA 2002, 377 [388]; Walter Doralt, Zur fünfjährigen Verjährungsfrist von Schadenersatzansprüchen nach § 275 HGB, ÖBA 2005, 260 [262 f]; aA jüngst Völkl/J. Lehner in Straube, UGB3 § 275 Rz 83 ff; J. Lehner, Verjährung der Ersatzansprüche gegen den Abschlussprüfer, RdW 2012/265, 255; kritisch, jedoch ohne ausdrückliche Stellungnahme, Graf, Grundlagen und Grenzen der Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Dritten ‑ Samt Schlussfolgerungen für die Verjährungsfrage, wbl 2012, 241 [250]). Ob dies für Fälle nicht gelten sollte, in denen die Voraussetzungen der zweiten Variante des § 1489 Satz 2 ABGB vorliegen (s dazu Walter Doralt, Haftung des Abschlussprüfers Rz 218 mwN), ist hier jedenfalls nicht zu untersuchen: Die Klägerin warf dem beklagten Abschlussprüfer nie vor, eine strafbare Handlung im Sinne des zitierten Bestimmung begangen zu haben.

2.2. Die fünfjährige Verjährungsfrist beginnt nach Judikatur und Lehre mit Eintritt des (primären) Schadens zu laufen (2 Ob 299/05t mit zahlreichen Nachweisen aus der Literatur; 1 Ob 44/06m mwN; insofern zust auch Lehner aaO 256). Anderes hat der Oberste Gerichtshof auch in den bereits zitierten Entscheidungen 4 Ob 89/04y und 10 Ob 24/04h nicht ausgesprochen. Er ließ zwar die Möglichkeit eines (früheren) Beginns der Frist mit Überreichung des Prüfberichts anklingen, letztlich die Frage des Fristbeginns aber offen.

3. Grundlagen der Dritthaftung in Judikatur und Lehre:

3.1. Die höchstgerichtliche Judikatur bezeichnet den Vertrag zwischen dem Abschlussprüfer und der geprüften Gesellschaft im Fall der (hier unstrittig vorliegenden) Prüf- bzw Veröffentlichungspflicht als solchen mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter, nämlich jener (potentiellen) Gläubiger der geprüften Gesellschaft, die durch die Veröffentlichung des Bestätigungsvermerks angesprochen werden sollten und bei ihren wirtschaftlichen Dispositionen davon ausgehen könnten, dass Buchführung, Jahresabschluss und Lagebericht ihres (potentiellen) Schuldners nach fachmännischer Ansicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen (5 Ob 262/01t = SZ 74/188 = ÖZW 2002, 88 [Artmann] = ÖBA 2002/1066, 820 [Walter Doralt]; RIS‑Justiz RS0116076; vgl RS0116077 [T1]).

3.2. In der Literatur findet sich hingegen die Begründung mit objektiv‑rechtlichen Sorgfaltspflichten des Abschlussprüfers gegenüber Dritten (Artmann, Die Haftung des Abschlussprüfers für Schäden Dritter, JBl 2000, 623, [627 ff]; Kalss, Die Haftung des Abschlussprüfers gegenüber Gläubigern, Gesellschaftern und Anlegern, ÖBA 2002, 187 [195 mwN in FN 130]; Walter Doralt/Koziol, Abschlussprüferhaftung in Österreich I Rz 53 f in Koziol/Walter Doralt, Abschlussprüfer, Haftung und Versicherung, Walter Doralt, Haftung der Abschlussprüfer Rz 333 f; Karollus, Die Haftungshöchstgrenze bei der Dritthaftung des Abschlussprüfers, de lege lata und de lege ferenda, RdW 2006/386, 389 [393]; Graf, Grundlagen, wbl 2012, 246 ff).

Diese Divergenz ist aber für die zu lösende Frage der Verjährung nicht entscheidend, wie noch zu zeigen ist.

3.3. Der in der Lehre ebenfalls diskutierte Ansatz einer eigenständigen Haftungsgrundlage kraft besonderer Rechtsbeziehung zu einem bestimmten Dritten (unter anderem Graf aaO, 249; Nachweise auch bei Dehn aaO, 390 FN 105, vgl auch J. Zehetner in Jabornegg/Strasser, AktG I [2011] § 42 Rz 50 ff mwN) ist im konkreten Fall ohne Relevanz. Anhaltspunkte für ein Verhältnis zwischen den Streitteilen, das einen speziellen Schutz des Vertrauens der Klägerin auf eine korrekte Prüfung des Jahresabschlusses und dessen Richtigkeit rechtfertigen könnte (wie beispielsweise besondere der Klägerin erteilte Informationen des Abschlussprüfers über seine Prüftätigkeit und die wirtschaftliche Situation der geprüften Gesellschaft in diesem konkreten Fall), sind dem Vorbringen der Parteien auch nicht im Ansatz zu entnehmen.

4. Meinungen in der Literatur zur Frage, ob die fünfjährige Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 UGB auch für Ansprüche geschädigter Dritter gilt:

4.1. Walter Doralt/Koziol (aaO Rz 74), Walter Doralt (Haftung der Abschlussprüfer Rz 369 mit Verweis auf die zuerst zitierte Literaturstelle) und Graf (aaO 251 ff) halten für den Bereich der Dritthaftung die Verjährungsfristen des § 1489 ABGB für anwendbar. Kernargument ist der Informationsvorsprung der Gesellschaft: Dritte hätten in erheblich geringerem Maß die Möglichkeit, Fehler des Abschlussprüfers festzustellen, als die geprüfte Gesellschaft selbst. Auch Karollus (aaO 398) spricht sich (ohne nähere Begründung) dafür aus, § 1489 ABGB auf die Dritthaftung anzuwenden. Gelter (in Bertl/Mandl, Handbuch zum RechnungslegungsG, C. VII, 45 f) sieht bessere Gründe dafür, auf Ansprüche geschädigter Dritter insoweit die fünfjährige Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 UGB anzuwenden, als diese mit Kenntnis von Schaden und Schädiger beginne und die absolute Verjährungsfrist des § 1489 ABGB nicht verdränge.

4.2. Für die analoge Anwendung des § 275 Abs 5 UGB sprechen sich Wilhelmer (Abschlussprüfung und Versicherungsschutz, RdW 2007/476, 455 [456 FN 14]) und P. Bydlinski in einem Privatgutachten, das er in diesem Verfahren im Auftrag des Beklagten erstattete, aus.

5. Der erkennende Senat kommt zum Ergebnis, dass die fünfjährige Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 UGB als objektive, mit dem Eintritt des Schadens beginnende Frist (s Punkt 2.) im Bereich der Dritthaftung anzuwenden ist. Dem liegen folgende Erwägungen zugrunde:

5.1. Nach der Judikatur (5 Ob 262/01t) und herrschender Lehrmeinung (s nur Karollus aaO 391 mit zahlreichen Literaturnachweisen) gelten die Haftungshöchstgrenzen des § 275 Abs 2 UGB auch für die Fälle der Dritthaftung. Nach insoweit gesicherter Meinung ist § 275 UGB in einem für die rechtliche Position Dritter wesentlichen Punkt (Beschränkung des Haftungsumfangs) analogiefähig. Muss sich der Dritte die für die geprüfte Gesellschaft gesetzlich vorgesehene betragsmäßige Beschränkung der Haftung des Abschlussprüfers gefallen lassen, liegt es nahe, die Analogie fortzuführen und seine Ansprüche auch der lex specialis des § 275 Abs 5 UGB zu unterwerfen. Dass der Gesetzgeber bewusst eine analoge Anwendung der Regelung des § 275 UGB in ihrer Gesamtheit ausgeschlossen hätte, was eine ergänzende Rechtsfindung ausschließen würde (RIS‑Justiz RS0008870 [T3]), ist angesichts seiner bereits zitierten Überlegungen anlässlich der Novellierung des HGB durch das FMAG zu verneinen.

5.2. Hinter der gesetzlichen Beschränkung des Haftungsumfangs stand die Überlegung, dass es sich bei der Tätigkeit des Abschlussprüfers um eine in besonderem Maß schadensgeneigte Arbeit mit typischerweise extrem hohen Risiken handle (Artmann aaO FN 103 mwN). Ein Abschlussprüfer ist im Sinne des § 88 Abs 1 Satz 2 WirtschaftstreuhandberufsG (WTBG) indirekt zum Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung mit einer angemessenen Deckungssumme verpflichtet (vgl dazu auch Wilhelmer aaO 456), müsste er doch im Fall einer Versicherungssumme, die die Haftungshöchstgrenzen des § 275 Abs 2 UGB nicht erreicht, den Prüfauftrag ablehnen. Sein Risiko, nicht nur von seiner Auftraggeberin selbst, sondern auch von geschädigten Dritten in Anspruch genommen zu werden, muss demnach versicherbar bleiben (vgl Karollus aaO 392).

5.3. Nun gibt es auch andere Berufsgruppen mit hohem Risikofaktor bei Ausübung ihrer Tätigkeit, was sie faktisch zum Abschluss von Berufshaftpflichtversicherungen mit entsprechend hohen Deckungssummen zwingt (wie beispielsweise Ärzte). Die Haftung des Abschlussprüfers ist aber dadurch geprägt, dass sich als Folge der vorgeschriebenen Offenlegung des Jahresabschlusses einschließlich des Bestätigungsvermerks (§ 277 ff UGB) die Zahl der potentiell geschädigten Dritten, die im Vertrauen auf die Richtigkeit des Jahresabschlusses mit der geprüften Gesellschaft kontrahieren und im Insolvenzfall mit dem (teilweisen) Ausfall ihrer Forderungen konfrontiert werden, ex ante nicht eingrenzen lässt, wovon auch Graf (aaO 246 [FN 30] und 247) ‑ Gegner der analogen Anwendung des § 275 Abs 5 UGB im Bereich der Dritthaftung - ausgeht.

5.4. Nach § 277 Abs 6 Satz 1 UGB idF des Publizitätsrichtlinie‑Gesetzes‑PuG, BGBl I 2006/103, sind Jahresabschlüsse elektronisch einzureichen und in die Datenbank des Firmenbuchs (§ 29 FBG) aufzunehmen. Seit dem PuG stehen jedermann (nach Maßgabe der technischen und personellen Möglichkeiten) Einzelabfragen mittels automationsgeschützter Datenübermittlung und Einsicht in Urkundensammlungen des Firmenbuchs offen (s dazu § 34 Abs 1 und § 33 Abs 2a FBG). Der mit dem Bestätigungsvermerk des Abschlussprüfers versehene Jahresabschluss ist einer breiten Öffentlichkeit durch elektronische Datenübermittlung zugänglich. Dass diese Erleichterung des Zugangs zu Daten aus dem Firmenbuch auf elektronischem Weg für „jedermann“ zum (nicht festgestellten) Zeitpunkt der Veröffentlichung des Abschlusses für das Jahr 2003 noch nicht bestanden haben dürfte, schadet dem Argument der „unüberschaubaren“ Anzahl von potentiell Geschädigten nicht: Die Pflicht zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses einschließlich des Bestätigungsvermerks (§ 277 Abs 2 iVm § 279 UGB) ist ebenso unstrittig wie die Veröffentlichung selbst. Zudem führte bereits die (für den vorliegenden Prüfungsfall geltende) Novellierung des HGB durch das FMAG die Möglichkeit ein, Jahresabschlüsse elektronisch einzureichen und sie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen (Dehn aaO 390).

5.5. Soweit es um die Eingrenzung des Kreises geschädigter Gläubiger der geprüften Gesellschaft (zu dem im vorliegenden Fall die Klägerin zählt) geht, unterscheidet sich der Ansatz des Obersten Gerichtshofs in der bereits zitierten Entscheidung 5 Ob 262/01t (Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter) vom Ergebnis her nicht von der Lösung über objektiv‑rechtliche Sorgfaltspflichten, die in der Literatur vertreten wird. In beiden Varianten soll der Abschlussprüfer allen Gläubigern haften, die im Vertrauen auf die Richtigkeit des Jahresabschlusses wirtschaftlich disponieren. Das Argument der „Unüberschaubarkeit“ potentiell Geschädigter gilt für beide Lösungen gleichermaßen.

5.6. Den Abschlussprüfer treffen im Verhältnis zu Dritten auch nicht weitergehende Sorgfaltspflichten als gegenüber der Gesellschaft als seiner Vertragspartnerin, gleich welchem Ansatz der Vorzug gegeben wird:

Bei der Konstruktion des Vertrags mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter werden die dem Vertragspartner gegenüber bestehenden Schutz‑ und Sorgfaltspflichten auf den „mitgeschützten“ Dritten erstreckt, der nicht besser gestellt werden soll als der primär geschützte Vertragspartner selbst. Beim Ansatz über objektiv-rechtliche Sorgfaltspflichten wird die Haftung gegenüber dem Dritten nicht aus dem Prüfvertrag abgeleitet, sondern auf Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber der Allgemeinheit gestützt, die mit gesetzlichen Bestimmungen über Pflichtprüfung bzw Pflichtveröffentlichung begründet werden. Die sich aus der Verpflichtung des Abschussprüfers zur gewissenhaften und unparteiischen Prüfung ergebenden Schutz‑ und Sorgfaltspflichten gegenüber der Allgemeinheit sind aber dieselben, die auch seine Haftung gegenüber der geprüften Gesellschaft determinieren (vgl Karollus aaO 393).

5.7. Weder mit dem Ansatz des Vertrags mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter noch mit jenem über objektiv-rechtliche Sorgfaltspflichten lässt es sich also rechtfertigen, den Dritten schadenersatzrechtlich anders oder sogar besser zu stellen als die geprüfte Gesellschaft selbst. Dann ist es aber nur konsequent, seine Schadenersatzansprüche in jener Frist verjähren zu lassen, die für die Gesellschaft gilt. Diese ist als Vertragspartnerin des Abschlussprüfers letztlich nicht nur zur Zahlung des Honorars verpflichtet, sondern auch ihrerseits zur Einhaltung von Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber ihrem Auftragnehmer: Beide Aspekte kommen im Verhältnis zum „anonymen Dritten“ nicht zum Tragen.

5.8. Dass die Schäden der Gesellschaft andere sind als jene des Dritten, wie die Revisionswerberin zur Rechtfertigung ihres Standpunkts argumentiert, liegt in der Natur der Sache: Unterschiedliche Rechtssubjekte mit unterschiedlichen Rechtsbeziehungen erleiden in der Regel nicht identische Schäden. Diese Tatsache hindert es aber nicht zwingend, ihre Ansprüche derselben Verjährungsregelung zu unterwerfen, wie in Schadensfällen unbestritten sein dürfte, in denen mangels Existenz einer speziellen Verjährungsregelung eben für alle Geschädigten die Bestimmung des § 1489 ABGB gilt.

5.9. Der zuletzt von Graf (aaO 252) betonte Informationsvorsprung des Abschlussprüfers gegenüber dem Dritten überzeugt nicht als Argument dafür, den Dritten verjährungsrechtlich anders zu behandeln als die Gesellschaft. Gerade die Kompetenzen bzw das Fachwissen des Abschlussprüfers iVm den Informationen, die er im Rahmen seiner Prüftätigkeit von der Gesellschaft erhält, rechtfertigen das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Richtigkeit des geprüften und mit dem Bestätigungsvermerk versehenen Jahresabschlusses. Dieses Vertrauen wird als dogmatische Grundlage für die Dritthaftung herangezogen. Dann sollte es nicht zusätzlich noch als Argument gegen die analoge Anwendung des § 275 Abs 5 UGB dienen, um eine für den Dritten angeblich günstigere Verjährungsvorschrift anwenden zu können. Wie zudem schon das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, bedeutet die fünfjährige Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 UGB nicht in jedem Fall eine Verschlechterung der Rechtsposition des Dritten. Werden der Schaden und der Schädiger frühzeitig erkannt, steht dem Geschädigten eine im Vergleich zur dreijährigen Verjährungsfrist des § 1489 erster Fall ABGB längere Frist zur Verfügung, um seine Ansprüche geltend zu machen.

5.10. Durchaus beachtlich ist zwar das von den Gegnern der Analogie (s Graf aaO 251 f; Walter Doralt/Koziol aaO Rz 74) gebrachte Argument des Informationsvorsprungs der Gesellschaft oder (anders formuliert) des Informationsdefizits des Dritten. Die Gesellschaft hat bessere Möglichkeiten, im Prüfbericht nicht berücksichtigte Missstände und damit den Fehler des Abschlussprüfers zu entdecken, als der außenstehende Dritte. Sie hat Einblick in die wirtschaftliche Situation des Unternehmens und verfügt über jene Unterlagen, die sie dem Abschlussprüfer nach § 272 Abs 2 UGB zur Verfügung zu stellen hat (vgl 5 Ob 123/06h). Die Tatsache, dass ihre Organe oder andere für sie handelnde Personen an einer Aufdeckung von Missständen nicht interessiert sein könnten, weil sie sie selbst verursacht haben, lässt sich wohl schwer als Argument gegen das Informationsdefizit des Dritten verwerten.

5.11. Es wird auch nicht verkannt, dass in manchen Konstellationen die hier befürwortete Analogie zu einer Benachteiligung des Dritten im Vergleich zur Gesellschaft führen kann. Sein Schaden ist bereits mit Umschichtung seines Vermögens (hier: Gewährung eines [nicht voll besicherten] Darlehens) eingetreten, die er (so die für die Kausalität essentielle Behauptung) nicht vorgenommen hätte, hätte er die Unrichtigkeit des Jahresabschlusses gekannt (RIS‑Justiz RS0022537 [T12]; vgl RS0022602). Der Schaden der Gesellschaft kann im Vergleich dazu zu einem späteren Zeitpunkt entstehen: beispielsweise in den Fällen, in denen sich ihre wirtschaftliche Situation deshalb verschlechtert, weil es unterlassen wurde, vom Abschlussprüfer nicht entdeckte oder nicht berücksichtigte Missstände zu beseitigen. Allerdings kann ein solcher Schaden auch früher als der eines Dritten entstehen.

5.12. Eine vollkommene Gleichstellung aller durch ein schadenauslösendes Ereignis Geschädigter ist aber auch nicht dadurch zu erreichen, dass für eine Gruppe Geschädigter § 1489 ABGB gilt, für die andere hingegen § 275 Abs 5 UGB. Eine für alle Geschädigten geltende objektive Frist schafft Rechtssicherheit und trägt dem Gedanken Rechnung, dass § 275 UGB die Haftung des Abschlussprüfers einschränken sollte.

6. Ergebnis für den vorliegenden Fall:

Der Schaden der Klägerin ist im Jahr 2004 eingetreten, als sie der in der Folge in Insolvenz verfallenen Gesellschaft ein Darlehen zuzählte. Die für ihre Ansprüche analog geltende fünfjährige Verjährungsfrist des § 275 Abs 5 UGB war zum Zeitpunkt der Einbringung der Klage im Jahr 2011 bereits abgelaufen. Ihre gegen den beklagten Abschlussprüfer erhobenen Ansprüche sind damit verjährt, weshalb die Vorinstanzen die Klage zu Recht abgewiesen haben.

7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 41 iVm § 50 Abs 1 ZPO.

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