OGH 6Ob246/07f

OGH6Ob246/07f7.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Pimmer als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schramm und Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. E. Solé als weitere Richter in der Firmenbuchsache der T***** GmbH mit Sitz in Wien, FN *****, über den Revisionsrekurs des Masseverwalters DI Mag. Michael N*****, Rechtsanwalt in Wien, vertreten durch Stapf Neuhauser Rechtsanwälte OG in Wien, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 11. September 2007, GZ 4 R 103/07g-19, womit der Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 24. Mai 2007, GZ 75 Fr 2853/05m-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Im beim Handelsgericht Wien geführten Firmenbuch ist unter FN ***** die T***** GmbH mit Sitz in Wien eingetragen. Der Stichtag für den Jahresabschluss ist der 31. Dezember. Am 18. 7. 2005 wurde vom Handelsgericht Wien der Konkurs eröffnet; Rechtsanwalt DI Mag. Michael N***** wurde zum Masseverwalter bestellt. Mit Beschluss vom 27. 7. 2005 wurde die Schließung des Unternehmens angeordnet.

Mit Beschluss vom 12. 4. 2007 forderte das Erstgericht den Masseverwalter unter Androhung einer Zwangsstrafe von je EUR 750 auf, die Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre 2003, 2004 und 2005 gemäß § 277 UGB binnen 4 Wochen vorzulegen oder darzutun, dass diese Verpflichtung nicht besteht.

Mit Schreiben vom 18. 4. 2007 teilte der Masseverwalter mit, er sei mangels ausreichender Unterlagen nicht in der Lage, die Jahresabschlüsse der Jahre 2003 bis 2005 zu erstellen. Er habe eine entsprechende Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft erstattet.

Daraufhin verhängte das Erstgericht die angedrohten Zwangsstrafen von je EUR 750 und forderte den Masseverwalter unter Androhung einer weiteren Zwangsstrafe von je EUR 1.500 neuerlich zur Vorlage der drei Jahresabschlüsse auf.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Hinsichtlich der vor Konkurseröffnung abgelaufenen Geschäftsjahre habe der Oberste Gerichtshof erst jüngst erkannt, dass die Konkurseröffnung über das Vermögen einer GmbH nichts an der Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses und seiner Offenlegung ändere sowie dass diese Pflicht den Masseverwalter treffe (6 Ob 154/05y). Für das zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch nicht voll abgelaufene Geschäftsjahr folge das Rekursgericht jenem Teil der Lehre, nach dem die Auflösung der Handelsgesellschaft infolge Konkurseröffnung aufgrund ihrer Vollkaufmannseigenschaft die Buchführungspflicht des Masseverwalters bis zur Löschung unberührt lasse (H. Torggler/U. Torggler in Straube, HGB II2 § 189 Rz 7a mwN).

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage der Offenlegungspflicht für ein zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung noch nicht voll abgelaufenes Geschäftsjahr ausdrückliche höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1. Die behauptete Nichtigkeit liegt nicht vor. Zunächst ist darauf zu verweisen, dass dem - im Firmenbuchverfahren anzuwendenden (§ 15 Abs 1 FBG) - AußStrG 2003 der Begriff der Nichtigkeit fremd ist. Nach § 57 Z 1 AußStrG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben, wenn dadurch der Verfahrensaufwand und die den Parteien erwachsenen Kosten voraussichtlich erheblich verringert werden und die Fassung des Beschlusses so mangelhaft ist, dass dessen Überprüfung nicht mit Sicherheit vorgenommen werden kann, der Beschluss mit sich selbst in Widerspruch steht oder keine Begründung enthält und diesen Mängeln durch eine Berichtigung des Beschlusses nicht abgeholfen werden kann. Selbst wenn ein Begründungsmangel in diesem Sinne vorläge, hätte daher nur dann eine Zurückweisung zu erfolgen, wenn dadurch der Verfahrensaufwand und die den Parteien erwachsenden Kosten erheblich verringert würden (Fucik/Kloiber, AußStrG § 57 Rz 1; Klicka in Rechberger, AußStrG § 57 Rz 1).

Im vorliegenden Fall ist jedoch aus dem Gesamtverfahrenszusammenhang die vom Erstgericht angezogene Rechtsgrundlage für die Verhängung der Zwangsstrafe zweifelsfrei zu entnehmen. Im Übrigen vertrat schon zum alten AußStrG die herrschende Auffassung, dass ein Begründungsmangel nur dann zur Aufhebung der Entscheidung führt, wenn auch aufgrund der Aktenlage die Erwägungen des Erstgerichtes nicht nachvollzogen werden können (SZ 39/1; RZ 1977, 195; G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 15 Rz 161).

2. Bereits in der Entscheidung 6 Ob 25/01x (SZ 74/58 = ZIK 2001, 123 = RdW 2001, 596 = GesRZ 2001, 193 = WBl 2002, 86; dazu Riel/Zehetner, ZIK 2001, 111; Fraberger, ZIK 2002, 38) hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass während des Konkurses einer GmbH die Buchführungs- und Bilanzierungspflichten der Gesellschaft nicht den Geschäftsführer, sondern den Masseverwalter auch für den Zeitraum vor der Konkurseröffnung unabhängig davon treffen, ob das Unternehmen fortgeführt wird. Dabei hat der Oberste Gerichtshof allerdings dahingestellt gelassen, ob während des Konkurses eine handelsrechtliche Offenlegungspflicht besteht.

3. Bereits in mehreren nachfolgenden Entscheidungen hat der Oberste Gerichtshof jedoch ausgesprochen, dass die Konkurseröffnung als solche nichts an der Pflicht zur Aufstellung des Jahresabschlusses und seiner Offenlegung für Geschäftsjahre vor der Konkurseröffnung ändert (6 Ob 152/02z; 6 Ob 154/05y). § 277 UGB dient der Umsetzung des Art 47 der Bilanz-RL (78/660/EWG). Art 47 der Bilanz-RL sieht keine Ausnahmen von der Verpflichtung zur Offenlegung vor, sodass grundsätzlich alle Kapitalgesellschaften verpflichtet sind, den Jahresabschluss offenzulegen.

4. In der bereits zitierten Entscheidung 6 Ob 154/05y hat der Oberste Gerichtshof auch ausgesprochen, dass im Bereich der Rechnungslegung die Zuständigkeit der Geschäftsführer durch diejenige des Masseverwalters verdrängt wird. Insoweit lasse sich der Masseverwalter als gesetzlicher Vertreter der Gesellschaft im Sinne der § 222 Abs 1, § 277 Abs 1 UGB begreifen.

5. Es entspricht völlig herrschender Lehre, dass die Auflösung der Handelsgesellschaft infolge Konkurseröffnung die Buchführungspflicht des Masseverwalters bis zur Löschung unberührt lässt (H. Torggler/U. Torggler in Straube, HGB II2 § 189 Rz 7a; Hopf/Richtsfeld, SWK 1999, W 61f; Zehetner, Genossenschaften 100 FN 348; Fraberger in Bertl/Mandl/Mandl/Ruppe, Insolvenz - Sanierung - Liquidation [1998] 186 ff; Fraberger, Handels- und steuerrechtliche Buchführungspflichten im Konkurs im Wandel der Rechtsprechung, taxlex 2006, 427). Auch der VwGH hat - im Wege der Vorfragenbeurteilung für das Abgabenrecht - bereits im Jahr 2004 für die handelsrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungspflichten ausdrücklich ausgesprochen, dass diese Verpflichtung bis zur Löschung der Gesellschaft im Firmenbuch besteht, auch wenn die Gesellschaft keine Tätigkeit mehr ausführt (VwGH 2000/15/0129; ÖstZB 2004/616). Dies entspricht auch der Rechtslage in Deutschland (vgl Fraberger, taxlex 2006, 427 mwN). Auf die Frage, ob auch außerhalb von Massearmut bei Vorliegen einzelner, von Fraberger (aaO) näher dargelegten Kriterien die Rechnungslegungspflicht für den Zeitraum nach Konkurseröffnung ausnahmsweise wegfallen könnte, ist im vorliegenden Fall nicht einzugehen, weil für das Vorliegen dieser Kriterien keine ausreichenden Anhaltspunkte bestehen.

6. Die gegenteilige Auffassung (vgl etwa Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert, KO §§ 81, 81a Rz 7 sowie Chalupsky/Duursma-Kepplinger in Bartsch/Pollak/Buchegger 4 § 81 KO Rz 61 ff), die eine Verdrängung der handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht durch die konkursrechtlichen Bestimmungen der §§ 121 ff KO annimmt, verkennt den unterschiedlichen Zweck der konkursrechtlichen Rechnungslegungspflicht. Diese dient der Überprüfung der Tätigkeit des Masseverwalters für die am Konkursverfahren Beteiligten, während die handelsrechtlichen Offenlegungsvorschriften der Information der Öffentlichkeit insgesamt einschließlich allfälliger - am Konkursverfahren nicht beteiligter - Neugläubiger dienen. Für eine teleologische Reduktion des eindeutigen Gesetzeswortlauts besteht daher kein Raum.

Wenn die 4. Richtlinie (78/660/EWG) in Art 31 Abs 1 im Zusammenhang mit den Bewertungsgrundsätzen von der „Fortsetzung" der Unternehmenstätigkeit spricht, hat sie dabei bloß den praktischen Regelfall im Auge; ein Umkehrschluss dahingehend, dass bei Einstellung des Betriebes automatisch auch die Bilanzierungspflicht überhaupt entfalle, ist daraus nicht abzuleiten.

7. Bereits in der Entscheidung 6 Ob 154/05y hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass die Pflicht des Masseverwalters zur Rechnungslegung entfallen kann, wenn dies im Einzelfall unmöglich oder unwirtschaftlich bzw untunlich wäre, wobei jedoch die Voraussetzungen dafür vom Masseverwalter darzulegen sind.

Schon bisher ging die Rechtsprechung davon aus, dass die Gerichte trotz der Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitserforschung nicht verpflichtet sind, Erhebungen zu möglichen Hinderungsgründen anzustellen (G. Kodek in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG § 24 Rz 109; RIS-Justiz RS0069653; OLG Wien 28 R 262/03k). Vielmehr liegt es am Organ selbst, schon im Verfahren erster Instanz die der Erfüllung seiner Offenlegungspflicht entgegenstehenden Hindernisse darzutun (OLG Wien 28 R 262/03k). Daran ist jedenfalls für den Fall festzuhalten, dass - wie im vorliegenden Fall - keinerlei geeignete Anhaltspunkte für amtswegige Erhebungen bestehen und sich der Masseverwalter im Verfahren erster Instanz auf die bloße, völlig unsubstantiierte Behauptung beschränkt hat, er sei mangels „ausreichender Unterlagen" nicht in der Lage, die Jahresabschlüsse zu erstellen. Ließe man eine derartige unsubstantiierte und unbescheinigte Behauptung ausreichen, so könnte die - nach dem Gesagten prinzipiell den Masseverwalter treffende - Rechnungslegungspflicht jederzeit unterlaufen werden. Zu einer amtswegigen Beischaffung des Konkursaktes und des Strafaktes, um dort von Amts wegen nach allenfalls möglichen Hinderungsgründen zu forschen, war das Erstgericht nicht verpflichtet, zumal der Revisionsrekurswerber nicht einmal die Geschäftszahlen der entsprechenden Verfahren angegeben hat. Die Vorlage von Kopien der Berichte des Masseverwalters aus dem Konkursverfahren und der Strafanzeige gemeinsam mit dem Revisionsrekurs stellt eine unzulässige und damit unbeachtliche Neuerung dar.

Damit erweist sich der angefochtene Beschluss als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

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