OGH 7Ob135/11w

OGH7Ob135/11w31.8.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Unterhaltssache des Antragstellers L***** T*****, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen den Antragsgegner M***** T*****, vertreten durch Dr. Karl Rümmele und Dr. Birgitt Breinbauer, Rechtsanwälte in Dornbirn, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 3. Mai 2011, GZ 3 R 121/11h-36, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Dornbirn vom 19. November 2010, GZ 8 Pu 14/10w-24, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller ist schuldig, dem Antragsgegner die mit 447,98 EUR (darin enthalten 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner, seinem - etwa zwei Monate nach Stellung des Antrags auf gerichtliche Unterhaltsfestsetzung volljährig gewordenen - Sohn und Antragsteller für die Zeit vom 1. 7. 2008 bis 28. 2. 2010 monatlichen Unterhalt in Höhe von 1.040 EUR und ab 1. 3. 2010 in Höhe von 825 EUR zu bezahlen.

Das vom Antragsteller, der eine monatliche Unterhaltszahlung von 1.160 EUR anstrebt, angerufene Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil vom Höchstgericht noch nicht entschieden worden sei, ob bei einer möglichen Gefährdung existentieller Bedürfnisse (hier Verlust der bisherigen Wohnung) eine Überschreitung der „Luxusgrenze“ zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen diesem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs nicht zulässig, weil keine im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG erhebliche Rechtsfrage zu beantworten ist.

Die Bemessung des Kindesunterhalts ist grundsätzlich stets eine Frage des Einzelfalls. Hat das Rekursgericht nicht erkennbar gesetzliche Bemessungsfaktoren missachtet oder gegen den Willen des Gesetzgebers verstoßen, liegt eine zur Anrufung des Obersten Gerichtshofs erforderliche Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zur Wahrung der Rechtsentwicklung, Rechtssicherheit oder Rechtseinheit im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht vor (RIS-Justiz RS0053263). Nur wenn dem Gericht zweiter Instanz bei Anwendung des richterlichen Ermessens ein aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigierender Fehler unterlaufen wäre, wäre dies als Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzugreifen (vgl RIS-Justiz RS0007204 [T7]). Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu:

Der Antragsgegner erzielt ein überdurchschnittlich hohes Einkommen, welcher Umstand nach ständiger Rechtsprechung dazu veranlasst, die Prozentkomponente bei der Ausmessung des Kindesunterhalts nicht voll auszuschöpfen. Einem unterhaltsberechtigten Kind sind Unterhaltsbeträge zuzusprechen, die zur Deckung seiner - an den Lebensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen orientierten - Lebensbedürfnisse erforderlich sind (RIS-Justiz RS0007138). Zur Vermeidung einer pädagogisch schädlichen Überalimentierung ist in einem solchen Fall eine Angemessenheitsgrenze als „Unterhaltsstopp“ zu setzen (RIS-Justiz RS0047447). Bei überdurchschnittlichem Einkommen des Unterhaltspflichtigen wird diese „Luxusgrenze“ im Allgemeinen im Bereich des Zwei- bis Zweieinhalbfachen des Regelbedarfs angenommen. Wann und zu welchen Voraussetzungen ein „Unterhaltsstopp“ zur Vermeidung einer Überalimentierung anzunehmen ist, stellt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung dar (RIS-Justiz RS0007138 [T16, T17]). Die Ausmittlung der konkreten Unterhaltsbeträge unter Berücksichtigung der „Luxusgrenze“ hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (1 Ob 209/08d ua).

Die Vorinstanzen haben die dem Antragsgegner auferlegte monatliche Unterhaltsleistung unter Anrechnung der Familienbeihilfe mit dem Zweieinhalbfachen des Regelbedarfs ausgemessen. Der Einwand des Revisionsrekurswerbers, damit sei die Bestreitung seiner „existentiellen Bedürfnisse“ gefährdet, bezieht sich offenbar auf die Behauptung, dass für die Wohnung, in der der Antragsteller bei seiner Mutter (und geschiedenen Ehefrau des Antragsgegners) lebt, hohe Kreditrückzahlungen zu leisten seien. Das Rekursgericht vertrat die Auffassung, die Höhe der Kreditrückzahlungen für die ehemalige Ehewohnung könne - anders als beim Ehegattenunterhalt (RIS-Justiz RS0085176 - auf die Bemessung des Kindesunterhalts keine Auswirkungen haben, weshalb sich Feststellungen dazu erübrigten. Diese Ansicht steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung, wonach der Unterhaltsanspruch jedes Kindes auch den Anspruch auf Deckung des Wohnbedarfs umfasst (RIS-Justiz RS0125633) und daher keinen Sonderbedarf darstellt, der sich aus der Berücksichtigung der beim Regelbedarf bewusst außer Acht gelassenen Umstände des Einzelfalls ergibt (RIS-Justiz RS0117791). Eine „Gefährdung existentieller Bedürfnisse“, die eine grundsätzlich mögliche (RIS-Justiz RS0047458) Überschreitung der „Luxusgrenze“ erforderte, ist unter den festgestellten Umständen des vorliegenden Falls nicht zu erkennen.

Schließlich wendet der Revisionsrekurswerber noch ein, es sei unzulässig, eine „Luxusgrenze“ einzuziehen und dann den Unterhaltsanspruch noch durch Anrechnung der Familienbeihilfe weiter zu verkürzen. Dieser nicht weiter begründete Einwand steht im Widerspruch zur Judikatur des Obersten Gerichtshofs, der in ständiger Rechtsprechung entscheidet, dass dem Unterhaltsverpflichteten die verfassungsmäßig gebotene steuerliche Entlastung durch Anrechnung von Transferleistungen, insbesondere der Familienbeihilfe, auch dann zugutekommt, wenn seine Leistungsfähigkeit aufgrund eines infolge Erreichens der Luxusgrenze angenommenen „Unterhaltsstopps“ nicht zur Gänze ausgeschöpft wird (RIS-Justiz RS0117017). Eine fiktive Anhebung der Luxusgrenze, um diese steuerliche Entlastung zu umgehen, ist nicht zulässig (7 Ob 193/02m JBl 2003, 113 uva). Auch in diesem Zusammenhang - und damit insgesamt - zeigt der Revisionsrekurswerber keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf. Sein daher unzulässiges Rechtsmittel ist zurückzuweisen.

Nach ständiger Rechtsprechung ist ab dem Eintritt der Volljährigkeit des unterhaltsberechtigten Kindes die Kostenersatzregelung des § 78 AußStrG anzuwenden (9 Ob 71/06s; vgl RIS-Justiz RS0123811). Nach dieser Gesetzesstelle ist der Antragsteller zu verpflichten, dem Antragsgegner, der auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.

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