OGH 7Ob32/11y

OGH7Ob32/11y16.6.2011

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Antragsteller 1. G***** H*****, geboren am 16. September 1997, und 2. L***** H*****, geboren am 19. Juni 2000, beide *****, beide in Obsorge der Mutter A***** H*****, ebendort, beide vertreten durch Dr. Rafaela Zenz-Zajc, Rechtsanwältin in Mondsee, gegen den Vater (Antragsgegner) Dipl.-Ing. G***** H*****, vertreten durch Sattlegger Dorninger Steiner & Partner, Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 15. Dezember 2010, GZ 21 R 336/10a-30, womit infolge Rekurses des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichts Frankenmarkt vom 9. September 2010, GZ 8 PU 96/09t-26, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Im vorliegenden Unterhaltserhöhungsverfahren verpflichtete das Erstgericht den Vater auf Antrag seiner minderjährigen, anwaltlich vertretenen Kinder unter anderem, einen „Prozesskostenvorschuss“ in Höhe von 3.000 EUR auf das Konto der Antragstellervertreterin zu erlegen.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Vaters Folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts (insoweit) im antragsabweisenden Sinn ab, weil die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Zuerkennung von Vertretungskosten bzw deren Bevorschussung im außerstreitigen Unterhaltserhöhungsverfahren nicht vorlägen.

Es sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle, ob auch dann, wenn österreichische Kinder in einem weit entfernten Land - wie den USA - lebten und deren dortiger Bedarf für ein Unterhaltserhöhungsverfahren eine Rolle spiele, die mögliche Vertretung durch den österreichischen Jugendwohlfahrtsträger die Zuerkennung eines Prozesskostenvorschusses für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt in diesem Verfahren ausschließe.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller wegen Vorliegens einer bereits rechtskräftig entschiedenen „Sache“, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Abgesehen von der Rechtsrüge, die weitere Ausführungen enthält, berufen sich die Rechtsmittelwerber auf die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Vollmachtserteilung an ihre anwaltliche Vertreterin und bringen dazu im Wesentlichen Folgendes vor:„Einer neuerlichen Prüfung der - im Zwischenverfahren über den Sonderbedarf 'Prozesskostenvorschuss' als Vorfrage zu lösenden - Voraussetzungen steht die Rechtskraft des Beschlusses vom 2. 9. 2010 entgegen, mit welchem diese hier Vorfrage - 'Sache' im Sinn des § 56 [Abs 1 3. Fall] AußStrG - rechtskräftig entschieden worden ist“.

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (RIS-Justiz RS0107859) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Rechtliche Beurteilung

Zunächst ist festzuhalten, dass sich der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 3 Ob 223/02v bereits mit der Frage beschäftigt hat, ob die Vollmachtserteilung an einen Rechtsanwalt in einem Unterhaltsverfahren gemäß § 154 Abs 3 ABGB vom Gericht genehmigt werden müsse; das Genehmigungserfordernis wurde verneint:

Die Erteilung der Vollmacht an einen Rechtsanwalt zur Vertretung in einem Unterhaltsverfahren stelle keineswegs eine Maßnahme des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs im Sinn des § 154 Abs 3 ABGB dar. Diese Vertretungshandlung sei unabhängig von einer Zustimmung des unterhaltspflichtigen Elternteils und bedürfe keiner Genehmigung des Gerichts.

Unabhängig davon, ob die Vollmachtserteilung einer Genehmigung des Pflegschaftsgerichts bedurfte, kann aus dieser Genehmigung aber schon deshalb keine (bereits rechtskräftige!) Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der Anwaltskosten abgeleitet werden, weil der Vater vor der Entscheidung im Verfahren über die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung gar nicht gehört wurde. Im Hinblick auf die bereits erfolgte Zuteilung der (alleinigen) Obsorge an die Mutter entspricht auch dies der Rechtsprechung, die den Eltern im Genehmigungsverfahren eine Beteiligtenstellung (jedenfalls) insoweit verweigert, als sie als Vertragspartner des Kindes anzusehen sind (vgl 10 Ob 40/10w; RIS-Justiz RS0006210; RS0006466 [T2]).

Daher ist auch den Rechtsmittelausführungen zur Mangelhaftigkeit des Verfahrens und Aktenwidrigkeit, die sich ebenfalls ausschließlich auf eine Unvereinbarkeit der Rekursentscheidung mit der Rechtskraft des erstgerichtlichen Beschlusses vom 2. 9. 2010 berufen, die Grundlage entzogen.

Gleiches gilt für den daraus abgeleiteten Standpunkt der Rechtsmittelwerber, es liege eine unrichtige rechtliche Beurteilung vor, weil die Voraussetzungen des Sonderbedarfs „Prozesskostenvorschuss“ - in unzulässiger Weise - neuerlich überprüft worden seien, womit das Rekursgericht die „Präjudizialität“ des Beschlusses vom 2. 9. 2010 (und seiner Begründung) für das vorliegende „Parallelverfahren“ übergangen bzw nicht erkannt habe.

Ständiger Rechtsprechung entspricht es auch, dass Prozess- und Anwaltskosten grundsätzlich aus dem laufenden Unterhalt zu decken und daher nicht als gesonderter Vorschuss zuzusprechen sind. Nur wenn sich ein besonderer Unterhaltsbedarf ergibt, den der Unterhaltsberechtigte aus dem laufenden Unterhalt nicht decken kann, hat der Unterhaltspflichtige einen Vorschuss zu leisten, wenn ihm das neben der laufenden Unterhaltszahlung zumutbar ist (RIS-Justiz RS0013486, RS0047386; 4 Ob 42/10w mwN).

Der Oberste Gerichtshof hat zu der hier strittigen Frage bereits in der Entscheidung 6 Ob 183/06i ausführlich Stellung genommen. Demnach lassen sich die Grundsätze der Rechtsprechung dahin zusammenfassen, dass ein Kind die ihm in einem Verfahren außer Streitsachen, das es zur Durchsetzung seiner Unterhaltsansprüche nach § 140 ABGB führt(e), erwachsenden Prozess- und Vertretungskosten grundsätzlich nicht aus dem Titel des Unterhaltssonderbedarfs gegenüber dem Geldunterhaltsschuldner geltend machen kann. Dies wäre nur dann der Fall, wenn in diesem Verfahren aus besonderen Gründen Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Beiziehung eines Rechtsanwalts bestünden, eine anwaltliche Vertretung des Kindes also ausnahmsweise auf Grund der besonderen Schwierigkeit des Falls für notwendig angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0057150 [T1]):

In diesem Zusammenhang ist auch auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu verweisen, wonach ein geltend gemachter Sonderbedarf grundsätzlich nur dann deckungspflichtig ist, wenn er unter anderem durch das Moment der Außergewöhnlichkeit gekennzeichnet ist (RIS-Justiz RS0047539), das heißt wenn besondere Umstände im Einzelfall vorliegen. Auch dieser (allgemeine) Grundsatz spricht gegen die Annahme, Prozess- und Vertretungskosten des Kindes im Verfahren außer Streitsachen müssten - wie die Rechtsmittelwerber (infolge Nichtbeachtung der vom Rekursgericht zutreffend zitierten §§ 212 Abs 2 und 215a ABGB) offenbar meinen - vom Geldunterhaltsschuldner grundsätzlich immer aus dem Titel des Unterhaltssonderbedarfs ersetzt werden; steht doch jedem unterhaltsberechtigten Kind bzw seinem obsorgeberechtigten Elternteil im Hinblick auf § 212 Abs 2 ABGB die Möglichkeit offen, sich bei der Durchsetzung der Unterhaltsansprüche vom Jugendwohlfahrtsträger (JWT) vertreten zu lassen (6 Ob 183/06i mwN, EF-Z 2006/77, 128 [Gitschthaler]).

Der Revisionsrekurs übersieht die zu § 215a zweiter Satz ABGB vorliegende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach die Aufgaben des JWT für im Inland zu besorgende Aufgaben, wenn das ausgewanderte minderjährige Kind österreichischer Staatsbürger ist und im Ausland lebt, weiterhin demjenigen Bundesland zufallen, in dem das Kind seinen letzten Aufenthalt gehabt hat, sodass die Befugnis und die Verpflichtung des zuständigen österreichischen JWT, seine Aufgaben für die beiden im Ausland befindlichen Minderjährigen wahrzunehmen, weiterhin gegeben sind (vgl RIS-Justiz RS0124896, 10 Ob 35/09h).

Von den dargelegten Grundsätzen ausgehend hat das Rekursgericht ausführlich begründet, weshalb auch im vorliegenden (Einzel-)Fall die Vertretung durch den JWT völlig ausreichend erscheint. Diese Beurteilung bedarf keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof.

Mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs daher zurückzuweisen.

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