OGH 6Ob183/06i

OGH6Ob183/06i31.8.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Außerstreitsache des Antragstellers Konstantin K*****, geboren am 6. Mai 1988, *****, vertreten durch Dr. Roland Gabl und andere Rechtsanwälte in Linz, gegen den Antragsgegner Gerhard K*****, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 23. März 2006, GZ 15 R 271/05m-U7, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Traun vom 22. April 2005, GZ 1 P 115/05g-U3, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs nicht zulässig:

Das Rekursgericht hat die Zulassung des (ordentlichen) Revisionsrekurses über Zulassungsvorstellung (§ 63 AußStrG) des Antragstellers damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob bei gegebener Leistungsfähigkeit des Geldunterhaltsschuldners ein Anspruch seines Kindes auf Ersatz der Vertretungskosten aus dem Titel des Sonderbedarfs besteht, die in einem Unterhaltsverfahren des Kindes gegen den Geldunterhaltsschuldner entstanden sind, wenn dieses Verfahren keine Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Natur aufgewiesen habe und sich das Kind auch durch den obsorgeberechtigten Elternteil oder den Jugendwohlfahrtsträger hätte vertreten lassen können.

1. Der Antragsteller hat gemäß § 21 ABGB am 6. 5. 2006 seine Volljährigkeit erreicht. Der zu behandelnde Revisionsrekurs wurde allerdings bereits am 24. 4. 2006 (mittels Telefax) überreicht, sodass der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt noch zutreffend von seiner - damals obsorgeberechtigten - Mutter vertreten wurde. Auch die im Revisionsrekursverfahren strittigen Vertretungskosten fielen dem Antragsteller somit vor Erreichen seiner Volljährigkeit an.

Rechtliche Beurteilung

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (5 Ob 556/93 = EFSlg 73.291; RIS-Justiz RS0047516) können die einem Minderjährigen im Rahmen der Rechtsverfolgung oder -verteidigung erwachsenden Verfahrenskosten an sich einen vom geldunterhaltspflichtigen Elternteil abzudeckenden Sonderbedarf begründen, wenn sie aus den laufenden Unterhaltsleistungen nicht bestritten werden können. Dies gilt auch für die bei der Verfolgung von Unterhaltsansprüchen nach § 140 ABGB erwachsenden notwendigen Vertretungskosten des Kindes (4 Ob 1628/94 = EFSlg 76.496 mwN). Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, dass bei einem im Verfahren außer Streitsachen zu verfolgenden Unterhaltsanspruch die Bezahlung notwendiger Prozess- und Vertretungskosten des Kindes jedenfalls dann nicht Gegenstand eines Unterhaltsanspruchs sein könne, wenn das Verfahren keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer vom Regelfall aus besonderen Gründen abweichenden Beurteilung biete. Er begründete diese Auffassung damit, dass andernfalls der in § 14 Abs 2 Z 2 (gemeint: Z 1) AußStrG RGBl 1854/208 angeordnete Rechtsmittelausschluss (Unzulässigkeit der Überprüfung einer Kostenentscheidung durch den Obersten Gerichtshof) immer dadurch umgangen werden könnte, dass die für die Verfolgung eines bestehenden Unterhaltsanspruchs im Verfahren außer Streitsachen aufgewendeten Prozess- und Vertretungskosten als Unterhaltssonderbedarf geltend gemacht werden (1 Ob 547/95). Einen solchen Rechtsmittelausschluss kennt auch das AußStrG BGBl I 2003/111 in seinem § 62 Abs 2 Z 1. Zu der - vom Rekursgericht als erheblich bezeichneten - Rechtsfrage, ob dem Kind der Ersatz der von ihm im Verfahren außer Streitsachen aufgewendeten Prozess- und Vertretungskosten auch aus dem Titel des Unterhaltssonderbedarfs mit dem Argument verweigert werden könnte, es hätte sich ja auch vom Jugendwohlfahrtsträger vertreten lassen können, nahm der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 357/99k (= EFSlg 92.612) zum Teil Stellung. Auch wenn man grundsätzlich die unentgeltliche Vertretung durch den Jugendwohlfahrtsträger für ausreichend halte, müsste eine anwaltliche Vertretung des Kindes ausnahmsweise doch bei besonderer Schwierigkeit des Falls für notwendig angesehen werden. Dies sei etwa der Fall, wenn die Unterhaltsbemessungsgrundlage von Einkünften des Geldunterhaltsschuldners aus einem im Ausland gelegenen Unternehmen abhängt.

Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur hier zu klärenden Frage lässt sich damit dahin zusammenfassen, dass ein Kind die ihm in einem Verfahren außer Streitsachen, das es zur Durchsetzung seiner Unterhaltsansprüche nach § 140 ABGB führt(e), erwachsenden Prozess- und Vertretungskosten grundsätzlich nicht aus dem Titel des Unterhaltssonderbedarfs gegenüber dem Geldunterhaltsschuldner geltend machen kann. Dies wäre nur dann der Fall, wenn in diesem Verfahren aus besonderen Gründen Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Beiziehung eines Rechtsanwalts bestanden hätten, eine anwaltliche Vertretung des Kindes also ausnahmsweise auf Grund der besonderen Schwierigkeit des Falls für notwendig angesehen werden müsste. Dies entspricht auch dem Standpunkt der Lehre (vgl Gitschthaler, Unterhaltsrecht [2001] Rz 289; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht³ [2004] 22; Neuhauser in Schwimann, ABGB³ [2005] § 140 Rz 38). Zu ergänzen ist noch, dass nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0047539) geltend gemachter Sonderbedarf grundsätzlich nur dann deckungspflichtig ist, wenn er unter anderem durch das Moment der Außergewöhnlichkeit gekennzeichnet ist, das heißt besondere Umstände im Einzelfall vorliegen. Auch dieser (allgemeine) Grundsatz spricht gegen die Annahme, Prozess- und Vertretungskosten des Kindes im Verfahren außer Streitsachen müssten vom Geldunterhaltsschuldner grundsätzlich immer aus dem Titel des Unterhaltssonderbedarfs ersetzt werden. Jedem unterhaltsberechtigten Kind bzw seinem obsorgeberechtigten Elternteil steht ja im Hinblick auf § 212 Abs 2 ABGB die Möglichkeit offen, sich bei der Durchsetzung der Unterhaltsansprüche vom Jugendwohlfahrtsträger vertreten zu lassen.

3. Der (anwaltlich vertretene) Antragsteller hat sich weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Rekurs auf besondere Schwierigkeiten des von ihm geführten Unterhaltsverfahrens gestützt. Soweit er dies nunmehr im Revisionsrekurs tut, ist ihm das Neuerungsverbot entgegen zu halten (7 Ob 82/05t). Eine Durchbrechung desselben aus Gründen des Kindeswohls könnte (im Regelfall) nur in Obsorge- und Besuchsrechtsverfahren erwogen werden; in Unterhaltsverfahren müssten aber schon ganz besondere Umstände vorliegen, die es rechtfertigen könnten, das Neuerungsverbot zu unterlaufen (vgl 4 Ob 135/05i = EFSlg 110.743 ua). Dass im vorliegenden Verfahren solche Umstände gegeben wären, ist nicht ersichtlich.

Darauf, dass sich der Geldunterhaltsschuldner des Antragstellers „seiner Unterhaltspflicht gegenüber völlig gleichgültig verhalten und stets abgewartet [habe], dass er vom Gericht zu Unterhaltszahlungen verpflichtet wird", kommt es nicht an; ebenso wenig auf Billigkeitsüberlegungen oder ein wirtschaftliches Kräfteverhältnis. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bedeutet - entgegen den Ausführungen im Revisionsrekurs - auch nicht, dass „dem Jugendwohlfahrtsträger damit die Fähigkeit abgesprochen würde, bei besonderer Schwierigkeit des Falls die Vertretung des Kindes wahrzunehmen". Dies würde ja schon allein den Wertungen des Gesetzgebers widersprechen, der in § 6 Abs 3 AußStrG den Jugendwohlfahrtsträger ausdrücklich von der Vertretungspflicht durch einen Rechtsanwalt oder Notar in Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof ausnimmt. Es geht vielmehr darum, dass das Sonderbedarf fordernde Kind darzulegen hat, warum ausnahmsweise doch die besondere Schwierigkeit des Falls die Beiziehung eines Rechtsanwalts als notwendig erscheinen ließ.

Und schließlich gehen auch die Hinweise des Antragstellers auf die Kostenersatzregelungen in der Zivilprozessordnung fehl. Der Oberste Gerichtshof hat bereits klargestellt, dass der privatrechtliche Anspruch auf Deckung eines Sonderbedarfs nach Unterhaltsrecht auf einer ganz anderen Grundlage beruht als der öffentlich-rechtliche Kostenersatzanspruch nach den Verfahrensgesetzen (2 Ob 357/99k). Damit war aber der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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