Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Beklagte ist die Ehefrau des DI Gernot M*****, gegen den die Abgabenbehörde am 9. Jänner 1995 einen Sicherstellungsauftrag über 37.332.722,- ATS erließ. Aufgrund dieses Sicherstellungsauftrags wurde auf mehreren im Alleineigentum des Abgabenschuldners stehenden Liegenschaften das Pfandrecht für die Republik Österreich gemäß § 38c GBG vorgemerkt. Von 10. Februar 1995 bis 10. Juni 1996 führte das Finanzamt Baden eine Betriebsprüfung durch, die eine Erhöhung des behaupteten Abgabenrückstands auf insgesamt 71.650.923,- ATS ergab. Mit notariell beglaubigten Übereinkommen je vom 17. Juni 1996 räumte der Abgabenschuldner seiner Ehefrau unentgeltlich auf den Liegenschaften Belastungs- und Veräußerungsverbote ein, die in der Folge verbüchert wurden.
Mit ihrer am 26. Mai 1997 eingebrachten Klage begehrt die klagende Republik Österreich, die Beklagte schuldig zu erkennen, zur Besicherung und Hereinbringung der Abgabenforderung gegen deren Ehemann laut Rückstandsausweis des Finanzamts Baden vom 5. März 1997 über 71.650.923,- ATS die Exekution in die Liegenschaften zu dulden. Die Einräumung dieser Belastungs- und Veräußerungsverbote sei gemäß § 3 Z 1 AnfO anfechtbar, weil sie unentgeltlich innerhalb der letzten zwei Jahre vor Klageeinbringung erfolgt sei; eventualiter sei Anfechtbarkeit nach § 2 Z 3 AnfO gegeben, weil die Vereinbarung und Verbücherung der Veräußerungs- und Belastungsverbote in der offenkundigen Absicht erfolgt sei, das Liegenschaftsvermögen des Abgabenschuldners der Abgabenbehörde zu entziehen.
In ihrer Klagebeantwortung bestritt die Beklagte das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 3 Z 1 und § 2 Z 3 AnfO sowie das Bestehen der Abgabenforderung. Das Gericht werde mangels Präjudizialität des Rückstandsausweises im vorliegenden Verfahren selbstständig zu prüfen haben, ob die Abgabenforderung tatsächlich bestehe. Unter einem stellte die Beklagte einen Antrag auf Unterbrechung des Verfahrens, mit der Begründung, aus prozessökonomischen Gründen sei zur Vermeidung einer unzumutbaren Mehrbelastung das Ergebnis der derzeit anhängigen „Finanzstrafverfahren“ abzuwarten. Mit Beschluss vom 25. Juli 1997 unterbrach das Erstgericht das Anfechtungsverfahren bis zur Erlassung rechtskräftiger Steuerbescheide. Nach Ergehen der rechtskräftigen Berufungsentscheidung der Abgabenbehörde vom 12. Oktober 1998 beantragte die Klägerin mit am 25. Jänner 1999 eingelangtem Schriftsatz die Fortsetzung des Verfahrens. Die Beklagte wendete ein, der Abgabenbescheid der Berufungsbehörde sei in einem Verfahren ergangen, das nicht den Geboten des Art 6 EMRK entsprochen habe. Der Bescheid sei zudem inhaltlich unrichtig, weshalb ihr Ehemann dagegen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben habe. Da es weiterhin unzweckmäßig sei, durch ein Zivilgericht die Frage der Abgabenpflicht parallel zum Verwaltungsverfahren zu prüfen, werde neuerlich die Unterbrechung des Verfahrens beantragt. Mit Beschluss vom 7. Mai 1999 unterbrach das Erstgericht das vorliegende Verfahren zum zweiten Mal, diesmal „bis zur rechtskräftigen Erledigung des vor dem Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens 99/15/0008 bzw bis zur rechtskräftigen Beendigung des Abgabenverfahrens“. Der Unterbrechungsbeschluss enthält den ausdrücklichen Hinweis, dass die Fortsetzung nur über Antrag stattfinde. Die Klägerin hatte gegen beide Unterbrechungen keinen Einwand erhoben. Die (abweisliche) Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 9. November 2004 wurde den Parteienvertretern am 4. Jänner 2005 zugestellt. Am 18. Juli 2005 beantragte die Klägerin die Fortsetzung des Verfahrens. Mit Schriftsatz vom 19. August 2005 hielt die Beklagte ihr Vorbringen aufrecht, die von der Klägerin gegen ihren Ehemann geltend gemachten Ansprüche bestünden dem Grunde nach nicht zu Recht. Im Hinblick darauf, dass ihr Ehemann bei der Finanzbehörde erster Instanz einen Antrag auf Wiederaufnahme betreffend den dem gegenständlichen Verfahren zu Grunde liegenden Steuerbescheid gestellt habe, beantrage sie (zum dritten Mal) die Unterbrechung des Verfahrens. „Im Einvernehmen mit den Streitteilen“ unterbrach das Erstgericht am 26. August 2005 das Verfahren nunmehr bis zur rechtskräftigen Erledigung des Wiederaufnahmsantrags.
Am 5. Jänner 2009 beantragte die Klägerin unter Vorlage einer Kopie der Berufungsentscheidung des UFS Wien vom 27. November 2008 die Fortsetzung des Verfahrens.
Erstmals mit Schriftsatz vom 16. März 2009 erhob die Beklagte den Einwand der nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahrens. Im Hinblick auf die mangelnde Präjudizialität des Rückstandsausweises, des Abgabenbescheids, aber auch des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof sei wesentlich, dass die „Unterbrechungen“ vor allem vom Willen der Klägerin getragen worden seien. Es sei ein dem Ruhen vergleichbares Verfahrensstadium eingetreten; dieses Ruhen habe bereits am 25. Juli 1997 (mit der Vollstreckbarkeit des erstinstanzlichen Abgabenbescheids) begonnen; die erste „wirkliche Fortsetzungswirkung“ habe der Antrag der Klägerin vom 30. Dezember 2008 gehabt. Der dazwischenliegende Zeitraum von nahezu zehn Jahren stelle keine die Verjährungswirkung tangierende gehörige Fortsetzung dar. Der Wiederaufnahmeantrag sei schon aus formellen Gründen nicht in Frage gekommen.
Die Klägerin replizierte, zur Wahrung der Anfechtungsfrist sei sie bereits nach Vorliegen der Vollstreckbarkeit der Abgabenforderung zur Klageeinbringung gezwungen gewesen. Die Frage des Bestehens und der Höhe der Abgabenschuld des Ehemanns der Beklagten sei als präjudizielle Vorfrage im abgabenbehördlichen Verfahren zu entscheiden. Bei Prüfung der Abgabenschuld durch das Gericht entstünde eine unzumutbare Mehrbelastung; zudem habe die Beklagte selbst wiederholt die Unterbrechung beantragt. Zwischenzeitig sei der Abgabenschuldner (im dritten Rechtsgang) auch im gerichtlichen Finanzstrafverfahren rechtskräftig (per 12. Jänner 2009) wegen Abgabenhinterziehung verurteilt worden. Zum Fortsetzungsantrag nach Vorliegen des Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses brachte die Klägerin vor, der Abgabenschuldner habe am 1. Juni 2005 die Wiederaufnahme der bereits rechtskräftig abgeschlossenen Einkommenssteuerverfahren wegen angeblich während des Finanzstrafverfahrens neu hervor gekommener Tatsachen oder Beweismittel mit dem Vorbringen beantragt, diese könnten den gegen ihn bestehenden Abgabenanspruch entkräften. Dieses Wiederaufnahmeverfahren sei mit Zurückweisung und abweisender Berufungsentscheidung am 27. November 2008 rechtskräftig beendet worden.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte unter Bezugnahme auf das Ergebnis seiner Erhebung der Zustelldaten des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofs aus, aus dem zwischen dem Tag der Zustellung (dem 4. Jänner 2005) bis zum Fortsetzungsantrag vom 18. Juli 2005 gelegenen Zeitraum von sechseinhalb Monaten ergebe sich zwingend die Schlussfolgerung, die Klägerin habe das Verfahren nicht gehörig fortgesetzt.
Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies das Verfahren zur ergänzenden Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Aus dem Gesamtverhalten der Klägerin könne nicht geschlossen werden, sie sei an der Erreichung des Prozessziels nicht mehr interessiert. Vielmehr sei ersichtlich, dass sie an der Klärung des Bestands und der Höhe der Abgabenschuld durch die Abgabenbehörden vor allem deshalb Interesse gehabt habe, um das vorliegende Anfechtungsverfahren von tatsächlichen und rechtlichen Problemen zu entlasten. Dass sie ihren Anspruch gerade nach Zustellung des Verwaltungsgerichtshofserkenntnisses hätte aufgeben wollen, sei nicht anzunehmen, weil dieses Verfahren zu ihren Gunsten entschieden worden sei und sie ihren Anspruch zu diesem Zeitpunkt bereits seit acht Jahren verfolgt habe. Auch die (wirtschaftliche) Bedeutung des vorliegenden Verfahrens, mit dem die Klägerin das Ziel verfolge, Abgabenforderungen von umgerechnet 5.207.075,65 EUR durch Exekution in Liegenschaften einbringlich zu machen, spreche für die Richtigkeit dieses Ergebnisses.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil - obwohl ein Einzelfall zu beurteilen sei - es an Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob das begründungslose Zuwarten einer klagenden Partei nach Wegfall des Unterbrechungsgrundes für die Dauer von mehr als einem halben Jahr noch als gehörige Fortsetzung des Verfahrens angenommen werden könne.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen diese Entscheidung gerichtete Rekurs der Beklagten ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 526 Abs 2 ZPO) nicht zulässig.
1. Die für die Verjährungsfristen geltenden Regelungen über die Hemmung und Unterbrechung (§§ 1494 ff ABGB) sind analog auf die Fristen der §§ 2 und 3 AnfO anzuwenden (RIS-Justiz RS0050744; RS0034507).
2. Zu den allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen (§ 8 AnfO) gehört neben der Vollstreckbarkeit auch der Bestand einer materiellrechtlichen Forderung gegen den Schuldner. Der Schutz des Anfechtungsgegners wäre nämlich dann nicht gewährleistet, wenn dieser an die Ergebnisse eines Verfahrens gebunden wäre, an dem er nicht beteiligt war und auf dessen Ergebnis er keinen Einfluss nehmen konnte (1 Ob 627/95). Da Rückstandsausweisen kein Bescheidcharakter zukommt, kam eine Bindung des Erstgerichts in dem Sinn, dass endgültig und bindend über eine Vorfrage abgesprochen wurde, nicht in Betracht (RIS-Justiz RS0037038). An rechtskräftige Bescheide der Verwaltungsbehörde (Abgabenbehörde) sind die Gerichte gebunden (RIS-Justiz RS0036981). War aber ein Dritter am Verwaltungsverfahren (Abgabenverfahren) nicht beteiligt, wird er nur von der Gestaltungs- oder Tatbestandswirkung eines Bescheids erfasst (RIS-Justiz RS0036981 [T18] = 4 Ob 192/06y = SZ 2006/172). Daraus folgt, dass die Einwendung der Beklagten, gegen ihren Ehemann bestünde aufgrund des Rückstandsausweises und der Bescheide der Abgabenbehörde keine materiellrechtliche Forderung, vom Erstgericht zu überprüfen wäre.
3. Wenngleich die Beklagte genau diesen Standpunkt vertrat, beantragte sie dennoch die Unterbrechung des Verfahrens „zur Vermeidung“ einer unzumutbaren und vermeidbaren Mehrbelastung (so schon am 30. Juni 1997, ON 5). Wurde das Verfahren im Hinblick auf das - jedenfalls auch im Interesse der Beklagten gelegene - Zuwarten mit einer kostenintensiven Prozessführung bis zur rechtskräftigen Beendigung des Abgabenverfahrens unterbrochen und leitet die Beklagte ungeachtet dessen mit ihrem Vorbringen über einen „ruhensähnlichen“ Zustand aus der Unterbrechung die nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens ab, verstößt diese Einwendung gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (siehe 9 ObA 207/89). Entgegen der Ansicht der Beklagten hat die Klägerin einen solchen Verstoß auch ausreichend geltend gemacht, indem sie vorbrachte, die Beklagte selbst habe - wiederholt - auf die Unterbrechung des Verfahrens gedrungen.
4. Die bisher in der Rechtsprechung zur nicht gehörigen Fortsetzung vertretenen Grundsätze lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Nicht gehörige Fortsetzung iSd § 1497 ABGB ist nach herrschender Auffassung dann anzunehmen, wenn die Untätigkeit des Klägers ungewöhnlich ist und er damit zum Ausdruck bringt, dass ihm an der Erreichung des Prozessziels nichts gelegen ist (RIS-Justiz RS0034765). Dabei ist nicht nur auf die Dauer der Untätigkeit, sondern vor allem auf die Gründe Bedacht zu nehmen (RIS-Justiz RS0034765 [T7]). Die Gründe müssen im Verhältnis zwischen den Parteien gelegen sein (RIS-Justiz RS0034849 [T1]). Nur eine ungewöhnliche Untätigkeit kann aber dazu führen, dass eine Klage als nicht gehörig fortgeführt gilt. Ob ein längeres Zuwarten mit der Verfolgung eines Anspruchs iSd § 1497 ABGB noch hingenommen werden kann oder ob eine ungewöhnliche Untätigkeit vorliegt, aus der entnommen werden muss, dass es der Partei an dem erforderlichen Ernst zur Erreichung des Prozessziels fehlt, ist grundsätzlich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beantworten, und wirft - von einer krassen Fehlbeurteilung abgesehen - in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage auf (RIS-Justiz RS0034805 [T6, T22, T30]).
Eine derartige Fehlbeurteilung zeigt die Rechtsmittelwerberin nicht auf, ist doch der vorliegende Fall dadurch charakterisiert, dass die Beklagte auf jeden Antrag der Klägerin, das Verfahren fortzusetzen, neue Gründe für eine weitere Unterbrechung vorbrachte, sodass es in dem zum Zeitpunkt der Verjährungseinrede fast zwölf Jahre anhängigen Verfahren bis dahin zu keiner Beweisaufnahme in der Hauptsache kam.
Die bekämpfte Rechtsansicht des Berufungsgerichts ist nach den vorliegenden Umständen jedenfalls gut vertretbar, sodass der Rekurs mangels erheblicher Rechtsfragen zurückzuweisen ist.
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