OGH 10ObS95/10h

OGH10ObS95/10h14.9.2010

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter DI Rudolf Pinter (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Thomas Kallab (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Reinhold S*****, vertreten durch Mairhofer & Gradl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Josef Milchram und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Invaliditätspension, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. April 2010, GZ 12 Rs 36/10s-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 12. Jänner 2010, GZ 8 Cgs 397/08b-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wie folgt zu lauten hat:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, dem Kläger die Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 8. 2008 zu gewähren, besteht dem Grunde nach für den Zeitraum vom 1. 8. 2008 bis 31. 7. 2012 zu Recht.

Der beklagten Partei wird aufgetragen, dem Kläger vom 1. 8. 2008 bis 31. 7. 2012 bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides eine vorläufige Zahlung von 300 EUR monatlich zu erbringen, und zwar die bis zur Zustellung dieses Urteils fälligen Zahlungen binnen 14 Tagen, die Weiteren, jeweils monatlich im Nachhinein am Ersten des Folgemonats.

Das Mehrbegehren, die Invaliditätspension über den 31. 7. 2012 hinaus unbefristet zu gewähren, wird abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger zu Handen seines Vertreters die mit 771,89 EUR (darin enthalten 128,65 EUR USt und 1,80 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, dem Kläger zu Handen seines Vertreters die mit 917,80 EUR (darin enthalten 152,96 EUR USt und 3,60 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 17. 7. 1958 geborene Kläger hat den Beruf des Kellners (nunmehr: Restaurantfachmann) erlernt und die Lehrabschlussprüfung erfolgreich abgelegt. Er hat innerhalb der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag 1. 8. 2008 126 Beitragsmonate der Pflichtversicherung als unselbständig Erwerbstätiger erworben und in dieser Zeit ausschließlich als Kellner gearbeitet. Er verrichtete in den S*****-Bierstuben alle typischen Arbeiten eines Restaurantfachmannes von der Begrüßung der Gäste über die Aufnahme von Bestellungen bis zum Servieren und Kassieren. Er war auch mit Buchhaltungsarbeiten sowie schriftlichen administrativen Arbeiten beschäftigt.

Der Kläger kann noch leichte Arbeiten und bis zu 10 % der Gesamtarbeitszeit auch mittelschwere Arbeiten im Gehen, Stehen oder Sitzen verrichten, wobei gehende und stehende Tätigkeiten nicht über 50 % der täglichen Arbeitszeit ausmachen sollen und nach einer halben Stunde ein Wechsel in eine sitzende Körperhaltung erfolgen soll. Sitzende Tätigkeiten unterliegen keiner zeitlichen Beschränkung und der Kläger kann auch Zeitdruck standhalten. Bei gehenden oder stehenden Tätigkeiten sind hingegen aufgrund einer ataktischen Gangstörung Arbeiten, die über einen durchschnittlichen Zeitdruck hinausgehen, dem Kläger nicht zumutbar. Ausgeschlossen sind weiters unter anderem Arbeiten unter überwiegender Kälte- und Nässeexposition mit Temperaturen unter 15 Grad Celsius. Bei kurzzeitiger Kälteexposition sollte ein entsprechender Kälteschutz der Hände (Handschutz) getragen werden. Ausgeschlossen sind weiters insbesondere auch Arbeiten, die höhere Anforderungen an die intellektuelle Leistungsfähigkeit stellen, sowie Arbeiten mit hohen Anforderungen an die soziale und persönliche Kompetenz hinsichtlich Durchsetzungsvermögen und Regulationsaufwand. Dieser Zustand besteht seit Antragstellung. Eine wesentliche Verbesserung des Gesundheitszustands kann mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.

Restaurantfachmänner sorgen für Tischtücher, Servietten, Besteck und Gläser und beraten die Gäste fachkundig bei der Menü- und Getränkeauswahl. Sie tippen die Bestellung an der Kassa ein, leiten sie an die Küche bzw die Ausschank weiter, nehmen die Speisen und Getränke dann entgegen und servieren sie. Nach Beendigung der Speisenfolgen wird abserviert, die Rechnung ausgestellt und kassiert. Den Schwerpunkt bildet das Servieren der Speisen und Getränke. Weitere Aufgaben sind die Entgegennahme von Tischreservierungen, die Mitwirkung bei der Zusammenstellung der Speise- und Getränkekarte, an der Abrechnung, Kalkulation und Lagerhaltung.

Der Kläger kann den Großteil dieser Aufgaben eines Restaurantfachmannes nicht mehr verrichten, weil Arbeiten im Gehen und Stehen nicht mehr als 50 % der täglichen Arbeitszeit betragen dürfen, die wesentliche Tätigkeit der Bedienung der Gäste aber im Stehen und Gehen zu erfolgen hat. Höhere administrative Tätigkeiten oder Verwaltungstätigkeiten wie beispielsweise die Tätigkeit eines Geschäftsführers oder Buchhaltungstätigkeiten kann der Kläger aufgrund seiner unzureichenden kognitiven Ausstattung nicht ausüben. Ohne Überschreitung des Leistungskalküls ist es ihm aber noch möglich, reine Abrechnungs- und Kassiertätigkeiten in einem Selbstbedienungsrestaurant als Sitzkassier durchzuführen.

Ein Sitzkassier hat im Wesentlichen dieselben Aufgaben wie ein Kassier an der Supermarktkassa, wobei Zusatztätigkeiten wie die Regalbetreuung wegfallen. Preise sind nicht durch Einscannen einzugeben, sondern der Sitzkassier muss die vom Gast gewählten Speisen erkennen, anhand einer Preisliste in die Kassa händisch eingeben und den Betrag kassieren. Für andere Aufgaben aus dem Aufgabenbereich eines Restaurantfachmannes werden Sitzkassiere üblicherweise nicht herangezogen. Die Verwandtschaft zum Beruf des Restaurantfachmannes ist daher sehr gering und lediglich auf das arbeitskulturelle Umfeld, das Kassieren, den Kontakt mit den Gästen und auf allfällige kurze Auskünfte über die angebotenen Speisen und Getränke sowie deren Preis beschränkt. Zu den Aufgaben des Sitzkassiers gehört noch das Ausstellen der Rechnung und die Herausgabe des Wechselgeldes.

Der Kläger könnte ohne Überschreitung seines Leistungskalküls auch noch als Rezeptionist arbeiten. Diese nehmen Reservierungen entgegen, empfangen und verabschieden Gäste, vergeben Zimmer und Zimmerschlüssel, informieren Gäste über Angebote, Veranstaltungen usw und reservieren für sie Tickets usw. Bei der Abreise führen sie die Abrechnung durch.

Bundesweit gibt es jeweils mehr als 100 Arbeitsplätze als Sitzkassier und Rezeptionist.

Das Erstgericht wies ausgehend von diesem wiedergegebenen Sachverhalt das auf Zuerkennung einer (unbefristeten) Invaliditätspension im gesetzlichen Ausmaß ab 1. 8. 2008 gerichtete Klagebegehren ab. Es bejahte in rechtlicher Hinsicht die Verweisbarkeit des Klägers gemäß § 255 Abs 1 ASVG auf die Tätigkeit eines Sitzkassiers. Es bestehe eine ausreichende Verwandtschaft zwischen den Berufen eines Sitzkassiers und Restaurantfachmannes.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Es vertrat die Auffassung, dass eine Verweisung eines gelernten Restaurantfachmannes auf die Tätigkeit eines Rezeptionisten nicht in Betracht komme, teilte aber die Rechtsansicht des Erstgerichts über die Verweisbarkeit des Klägers auf die Tätigkeit eines Sitzkassiers. Die Aufnahme von Bestellungen und das Servieren von Speisen einschließlich der dazu gehörigen Beratung der Gäste gehöre zu den wesentlichen Haupttätigkeiten eines gelernten Restaurantfachmannes, allerdings stelle auch die Verrechnung der Getränke und Speisen, das Abkassieren und die Abrechnung der Tageslosung keine bloß untergeordnete Teiltätigkeit dar. Da letzteres wiederum die Hauptaufgabe eines Sitzkassiers etwa in einem Selbstbedienungsrestaurant sei, sei zumindest ein Teil der Ausbildung zum Restaurantfachmann bei Ausübung der Tätigkeit als Sitzkassier verwertbar. Dafür spreche auch, dass es in größeren Gastronomiebetrieben sogenannte Zahlkellner gebe, die primär für das Abkassieren zuständig seien. Es bestehe also auch nach Ansicht des Berufungsgerichts eine gerade noch hinreichende Nahebeziehung zum bisher ausgeübten Beruf, zumal auch das arbeitskulturelle Umfeld dasselbe sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Berufungsgericht im Ergebnis von den in der Rechtsprechung zur Frage der Verweisbarkeit eines gelernten Facharbeiters auf Teiltätigkeiten seines Berufs entwickelten Grundsätzen abgewichen ist, und auch teilweise berechtigt.

Der Kläger macht in seinen Rechtsmittelausführungen geltend, es liege zur Frage, ob ein Restaurantfachmann auf die Tätigkeit eines Sitzkassiers verwiesen werden könne, keine aktuelle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vor. Im Übrigen sei nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu prüfen, welche Anforderungen derzeit an Sitzkassiere gestellt werden, da sich Berufsbilder im Laufe der Zeit ändern könnten. Es hätte daher näher geprüft werden müssen, ob für die Ausübung der Teiltätigkeiten eines Sitzkassiers jene Kenntnisse und Fähigkeiten in jenem Ausmaß zum Tragen kämen, die von gelernten Restaurantfachmännern erwartet werden. Die Tätigkeit eines Sitzkassiers sei als Hilfsarbeitertätigkeit ohne Notwendigkeit von Fachkenntnissen zu qualifizeren. Die wesentliche Tätigkeit eines Sitzkassiers bestehe darin, dass er Preise in eine Kassa eingebe. Auch zum Erkennen, um welches Getränk oder um welche Speise aus dem vorgegebenen Sortiment es sich handle, bedürfe es keiner besonderen Fachkenntnisse. Das Anforderungsprofil des Sitzkassiers unterscheide sich somit nicht von dem eines sonstigen Kassiers im Supermarkt. Es handle sich daher bei dieser Tätigkeit um keine qualifizierte Tätigkeit, welche den Berufsschutz als gelernter Restaurantfachmann erhalten würde.

Diesen Ausführungen kommt Berechtigung zu.

1. Ein Versicherter, der - wie der Kläger - überwiegend in einem erlernten oder angelernten Beruf tätig war, darf nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs auch auf Teiltätigkeiten seiner Berufsgruppe verwiesen werden, durch die er den bereits erworbenen Berufsschutz nicht verliert. Der Berufschutz geht nicht verloren, wenn in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag nur mehr Teiltätigkeiten des erlernten Berufs ausgeübt werden, sofern diese quantitativ und qualitativ nicht ganz unbedeutend waren. Der in einem erlernten oder angelernten Beruf erworbene Berufschutz bleibt aber, wenn später überwiegend nur Teiltätigkeiten ausgeübt werden, nur dann erhalten, wenn die spätere Tätigkeit in ihrer Gesamtheit noch als Ausübung des erlernten oder angelernten Berufs anzusehen ist. Entscheidend ist somit, ob ein Kernbereich der Ausbildung auch bei Ausübung der Teiltätigkeit verwertet werden muss. Die Ausübung einer Teiltätigkeit, die sich qualitativ nicht hervorhebt und bloß untergeordnet ist, vermag dem gegenüber einen vorher bestehenden Berufschutz nicht aufrecht zu erhalten. Die Frage, ob die Tätigkeiten, die der Versicherte noch im erlernten Beruf verrichtet hat, als quantitativ und qualitativ nicht ganz unbedeutend angesehen werden können, kann nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (vgl RIS-Justiz RS0084497 [T1, T4, T15 und T20], RS0084541 ua). Für die Prüfung dieser Frage ist daher die genaue Feststellung der konkret ausgeübten Tätigkeiten erforderlich (10 ObS 123/99g = RIS-Justiz RS0112425).

1.1 Hinsichtlich der berufschutzerhaltenden Verweisbarkeit eines gelernten Kellners (Restaurantfachmannes) wurde vom Obersten Gerichtshof bereits allgemein ausgesprochen, dass eine Haupttätigkeit des gelernten Kellners (Restaurantfachmannes) das Servieren von Getränken und Speisen ist. Es erhält daher beispielsweise die Tätigkeit eines Kellners (Restaurantfachmannes) in Kaffeehäusern, Konditoreien und Bars, von dem erwartet wird, dass er die angebotenen Speisen und ihre Zubereitung sowie alle Getränke kennen und die Gäste beraten muss, den Berufschutz (10 ObS 163/93 = SSV-NF 7/88; 10 ObS 114/98g; 10 ObS 414/01g). In der Entscheidung 10 ObS 114/98g hat der Oberste Gerichtshof auch die Auffassung vertreten, dass der damalige Kläger seinen Berufschutz als Kellner (Restaurantfachmann) durch das Servieren verschiedenster Getränke und kleinerer Imbisse in einer Club-Diskothek nicht verloren habe. Von einer unqualifizierten Tätigkeit könne nämlich dann nicht gesprochen werden, wenn die weiteren üblicherweise (zum Berufsbild eines Kellners) dazugehörigen Kenntnisse und Fähigkeiten, wie beispielsweise die Vorbereitungsarbeiten, die Gästebetreuung und Gästeberatung, das Aufnehmen der Bestellung, das Ausstellen von Rechnungen und das Kassieren usw aufgrund der Erlernung des Berufs vorhanden und nur infolge der Abhängigkeit vom jeweiligen Arbeitsort im Einzelfall nicht in vollem Umfang gefragt seien.

1.2 Zu der für den Kläger im gegenständlichen Fall nach der Rechtsansicht der Vorinstanzen allein noch in Betracht kommenden Verweisungstätigkeit eines Sitzkassiers hat der Oberste Gerichtshof in den vom Berufungsgericht zitierten Entscheidungen 10 ObS 41/94 (= SSV-NF 8/21), 10 ObS 130/99m und 10 ObS 16/09i die Entscheidungen der Vorinstanzen jeweils auch zur näheren Klärung der Frage, welche beruflichen Anforderungen derzeit an Sitzkassiere in einem Selbstbedienungsrestaurant gestellt werden und wieviele Arbeitsplätze auf dem österreichischen Arbeitsmarkt in diesem Beruf zur Verfügung stehen, aufgehoben. Erst nach Vorliegen entsprechender Feststellungen könne die Frage einer allfälligen Verweisung eines gelernten oder angelernten Kellners (Restaurantfachmannes) auf die Tätigkeit eines Sitzkassiers in einem Selbstbedienungsrestaurant beurteilt werden.

1.3 Im gegenständlichen Fall liegen jedoch bereits ausreichende Feststellungen zur Beurteilung der Frage einer möglichen Verweisbarkeit des Klägers, der aufgrund seines medizinischen Leistungskalküls noch reine Abrechnungs- und Kassiertätigkeiten als Sitzkassier in einem Selbstbedienungsrestaurant verrichten kann, auf diese Tätigkeit vor. Danach hat ein Sitzkassier im Wesentlichen dieselben Aufgaben wie ein Kassier an der Supermarktkassa, wobei Zusatztätigkeiten wie die Regalbetreuung wegfallen. Preise sind nicht durch Einscannen in die Kassa einzugeben, sondern der Sitzkassier muss die vom Gast gewählten Speisen erkennen, anhand einer Preisliste händisch in die Kassa eingeben und den Betrag kassieren. Für andere Aufgaben aus dem Aufgabenbereich eines Restaurantfachmannes werden Sitzkassiere üblicherweise nicht herangezogen. Die Verwandtschaft zum Beruf des Restaurantfachmannes ist daher sehr gering und lediglich auf das arbeitskulturelle Umfeld, das Kassieren, den Kontakt mit den Gästen und auf allfällige kurze Auskünfte über die angebotenen Speisen und Getränke sowie deren Preis beschränkt. Zu den Aufgaben des Sitzkassiers gehört noch das Ausstellen der Rechnung und die Herausgabe des Wechselgeldes.

1.4 Ausgehend von diesen Feststellungen hebt sich nach den zutreffenden Rechtsausführungen des Klägers die für ihn noch in Betracht kommende Verweisungstätigkeit eines Sitzkassiers in einem Selbstbedienungsrestaurant qualitativ von Hilfsarbeiten nicht wesentlich hervor. Die Verweisungstätigkeit eines Sitzkassiers ist vielmehr weitgehend als ungelernte Hilfsarbeitertätigkeit ohne Notwendigkeit von Fachkenntnissen zu qualifizieren. Die wesentliche Tätigkeit eines Sitzkassiers besteht darin, dass er Preise in eine Kassa eingibt. Auch zum Erkennen, um welches Getränk oder um welche Speise aus dem vorgegebenen Sortiment es sich handelt, bedarf es keiner besonderen Fachkenntnisse. Das Anforderungsprofil des Sitzkassiers unterscheidet sich somit nicht wesentlich von dem eines sonstigen Kassiers in einem Supermarkt. Bei dieser Tätigkeit kann nur ein ganz geringer Teil der Kenntnisse und Fähigkeiten eines Restaurantfachmannes nutzbringend verwendet werden. Es handelt sich bei der Tätigkeit eines einfachen Sitzkassiers in einem Selbstbedienungsrestaurant somit um keine qualifizierte Tätigkeit, welche den Berufschutz erhalten würde. Der Kläger kann daher entgegen der Rechtsansicht der Vorinstanzen nicht auf diese Tätigkeit verwiesen werden. Der Verweisungsberuf eines Zahlkellners in einem größeren Gastronomiebetrieb, dessen Stellung in den Augen der Öffentlichkeit auch nach den eigenen Ausführungen der beklagten Partei in ihrer Revisionsbeantwortung einen sozialen Aufstieg im Vergleich zu einem Restaurantfachmann darstellt, ist mit der einfachen Tätigkeit eines Sitzkassiers in einem Selbstbedienungsrestaurant nicht vergleichbar.

2.1 Der Kläger hat somit Anspruch auf Invaliditätspension ab dem Stichtag 1. 8. 2008. Gemäß § 256 Abs 1 ASVG gebührt Invaliditätspension längstens für die Dauer von 24 Monaten ab dem Stichtag. Besteht nach Ablauf der Befristung Invalidität weiter, so ist die Pension jeweils für die Dauer von längstens 24 Monaten weiter zuzuerkennen, sofern die Weitergewährung der Pension spätestens innerhalb von drei Monaten nach deren Wegfall beantragt wurde. Abweichend von Abs 1 ist die Pension ohne zeitliche Befristung zuzuerkennen, wenn aufgrund des körperlichen oder geistigen Zustands dauernde Invalidität anzunehmen ist (§ 256 Abs 2 ASVG). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (vgl 10 ObS 15/08s = SSV-NF 22/17; 10 ObS 242/03s ua) trägt der Pensionswerber die objektive Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen für den - vom Regelfall einer befristeten Pension abweichenden - Zuspruch einer Pension ohne zeitliche Befristung vorliegen. Der Beweis für das Vorliegen der Voraussetzungen für eine unbefristete Pension ist nur erbracht, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststeht, dass die Arbeitsfähigkeit des Pensionswerbers nicht wiederhergestellt werden kann. Dabei kommt es nicht auf den mehr oder minder hohen Grad der Besserungsaussicht an, sondern entscheidend ist vielmehr, dass eine Besserung nicht ausgeschlossen werden kann.

2.2 Da im vorliegenden Fall diese Voraussetzungen für eine unbefristete Zuerkennung der Invaliditätspension (§ 256 Abs 2 ASVG) nicht festgestellt sind, kommt nur der Zuspruch einer befristeten Invaliditätspension in Betracht. Zum Zeitpunkt der gegenständlichen - klagsstattgebenden - Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ist die Zweijahresfrist des § 256 Abs 1 ASVG - gerechnet ab dem Stichtag 1. 8. 2008 - bereits abgelaufen. Da die gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung erster Instanz am 12. 1. 2010 unverändert bestanden, sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung der begehrten Leistung für eine weitere Zweijahresfrist gegeben (vgl 10 ObS 74/09v mwN ua).

2.3 In teilweiser Stattgebung der Revision des Klägers war daher das angefochtene Urteil im Sinne des Zuspruchs einer befristeten Invaliditätspension für insgesamt 48 Monate abzuändern, weshalb der beklagten Partei unter sinngemäßer Anwendung des § 273 Abs 1 ZPO auch die Erbringung einer vorläufigen Zahlung für diesen Zeitraum aufzutragen ist. Das darüber hinausgehende - auf die unbefristete Gewährung der Invaliditätspension gerichtete - Mehrbegehren des Klägers war hingegen abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a und Abs 2 ASGG. Der Tarifansatz für die Revision beträgt ausgehend von einer Kostenbemessungsgrundlage von 3.600 EUR (vgl § 77 Abs 2 ASGG) 193,50 EUR.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte