OGH 10ObS123/99g

OGH10ObS123/99g31.8.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ehmayr und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Elmar A. Peterlunger (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Walter Benesch (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Josef K*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Klein, Wuntschek und Partner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, 1092 Wien, Roßauer Lände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4. Feber 1999, GZ 8 Rs 307/98y-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. Oktober 1998, GZ 37 Cgs 58/98t-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der am 23. 1. 1943 geborene Kläger hat den Beruf eines Schmieds erlernt, jedoch in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag nicht ausgeübt. Tatsächlich war er in diesem Zeitraum ausschließlich als Gleitschalungsmonteur bei der Firma Gleitbau S. tätig, wobei er (nicht näher beschriebene) "Schlosserarbeiten" durchführte. Diese Tätigkeit kann der Kläger unter Berücksichtigung seines körperlichen Leidenszustandes nicht mehr ausüben. Ihm sind nämlich nur noch leichte und drittelzeitig mittelschwere Arbeiten - nicht an exponierten Stellen - zumutbar.

Mit Bescheid der beklagten Pensionsversicherungsanstalt vom 12. 2. 1998 wurde der Antrag des Klägers vom 30. 10. 1997 auf Zuerkennung der Invaliditätspension abgelehnt.

Das Erstgericht wies das dagegen erhobene Klagebegehren ab. Der Kläger könne unter Berücksichtigung seines Leistungskalküls auf die Tätigkeit eines Fertigungsprüfers in metallbe- und -verarbeitenden Betrieben verwiesen werden. Dieser Beruf erfordere eine ähnliche Ausbildung und gleichwertige Kenntnisse wie jener des Schlossers bzw Schmieds. Es existierten jedenfalls 100 Arbeitsplätze für Fertigungsprüfer, auf denen als Arbeitshaltung Sitzen für ein Drittel des Arbeitstages in Betracht komme. Da der Kläger keine Kenntnisse in der Betonmischtechnologie besitze, könne er sich nicht auf einen Berufsschutz als Schalungsbauer berufen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Der Beruf des Schmieds sei mit jenem des Schlossers verwandt, sodaß der Kläger als gelernter Schmied seinen Berufsschutz durch die langjährige qualifizierte Schlossertätigkeit erhalten habe können. Er sei daher als gelernter Schmied/Schlosser auf adäquate berufsschutzerhaltende Tätigkeiten des Metallbereiches, also auf solche eines Fertigungsprüfers in metallbe- und -verarbeitenden Betrieben verweisbar. Einen Lehrberuf "Gleichschalungsmonteur" gebe es nicht; dem Kläger fehlten auch wesentliche Kenntnisse des Lehrberufes Schalungsbauer. Selbst ein als angelernter Schalungsbauer erworbener Berufsschutz könnte einer Verweisung auf die Tätigkeit eines Fertigungsprüfers nicht entgegen stehen, weil der Kläger jedenfalls auch qualifizierte Schlossertätigkeiten verrichtet hat und nach § 255 Abs 1 ASVG bei einer Tätigkeit in mehreren gelernten (angelernten) Berufen eine Verweisung aus jedem dieser Berufe zulässig sei.

Mit der inhaltlich allein auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision beantragt der Kläger die Abänderung im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt. Mit der Mängelrüge werden ausschließlich Feststellungsmängel geltend gemacht, die der Rechtsrüge zuzuordnen sind.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Auszugehen ist davon, daß der Kläger in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag ausschließlich als "Gleitschalungsmonteur" tätig war. Dazu stellte das Erstgericht lediglich fest, daß er als solcher "Schlosserarbeiten" durchgeführt habe. Welche Arbeiten er tatsächlich im Einzelnen ausübte, läßt sich den Feststellungen nicht entnehmen; aus ihnen ergibt sich allerdings, daß er im Hinblick auf das medizinische Leistungskalkül diesen Beruf nicht mehr ausüben kann. Die Frage eines Berufsschutzes läßt sich, wie der Kläger in seiner Revision zutreffend darlegt, mangels jeglicher näherer Feststellungen über die bisher ausgeübte Tätigkeit nicht beantworten. Auch für die Annahme der Vorinstanzen, der Kläger habe durch seine Tätigkeit als Gleichschalungsmonteur den Berufsschutz eines gelernten Schmieds (trotz Nichtausübung dieses Berufs) aufrecht erhalten oder den eines angelernten Schlossers erwerben können, fehlen alle Sachverhaltsgrundlagen. Insoweit erweist sich das Verfahren als ergänzungsbedürftig.

Strittig ist weiters, ob der Kläger bei Aufrechterhaltung oder Neuerwerbung eines Berufsschutzes (vgl SSV-NF 3/119, 4/140, 6/67 ua) auf andere Tätigkeiten verwiesen werden kann.

Ob ein Versicherter, der Berufsschutz als Schlosser genießt, auf die Tätigkeit eines Industriekontrollors oder Fertigungsprüfers verwiesen werden kann, wurde in der bisherigen Rechtsprechung bereits mehrfach untersucht (SSV-NF 3/119, 4/140, 6/67, 11/21, zuletzt 10 ObS 422/97z; ähnlich 10 ObS 17/99v betreffend einen angelernten Rohrleitungsmonteur). Wie der Senat in allen diesen (aufhebenden) Entscheidungen dargelegt hat, ist dabei der Verweisungsrahmen des tatsächlich ausgeübten Berufes zu prüfen. Die Feststellungen reichen jedoch nicht aus, um beurteilen zu können, ob der Kläger als Gleitschalungsmonteur überhaupt qualifizierte Teiltätigkeiten eines Lehrberufes oder eines einem solchen gleichzuhaltenden Berufes ausgeübt hat und ob er auf solche Teiltätigkeiten in Form eines Fertigungsprüfers in metallbe- und -verarbeitenden Betrieben verwiesen werden kann. Daß ein Versicherter, der überwiegend in einem erlernten oder angelernten Beruf tätig war, auch auf Teiltätigkeiten seiner Berufsgruppe verwiesen werden darf, durch die er den bereits erworbenen Berufsschutz nicht verliert, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SSV-NF 3/119, 3/122, 5/40, 7/6 ua). Ob es sich allerdings bei der Verweisungstätigkeit um eine Teiltätigkeit des bisher ausgeübten erlernten oder angelernten Berufes handelt, ist - sofern nicht offenkundig - in jedem Einzelfall besonders zu prüfen. Daher werden - anknüpfend an das in den Entscheidungen SSV-NF 11/21, 10 ObS 422/97z und 10 ObS 17/99v ausgeführte zur Qualifikationsabgrenzung der in der Praxis vorkommenden unterschiedlichen Berufsarten von Industriekontrolloren und Fertigungsprüfern - genaue Feststellungen dazu zu treffen sein, inwieweit in ihnen das allenfalls erforderliche qualifizierte berufliche Wissen eines Gleitschalungsmonteurs oder sonst einer dabei verrichteten qualifizierten Tätigkeit wie etwa die eines Schlossers verwertet werden kann, wobei auch auf die nach den Feststellungen des Erstgerichtes beim Kläger vorhandenen bzw durch zumutbare Nachschulung erlernbaren Kenntnisse in diesem Verweisungsfeld einzugehen sein wird (ebenso 10 ObS 422/97z und 10 ObS 17/99v).

Da diese für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Fragen ungeklärt blieben, waren die Entscheidungen der Vorinstanzen zur Ergänzung des Verfahrens aufzuheben.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.

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