OGH 4Ob66/10z

OGH4Ob66/10z13.7.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sozialdemokratische Partei Österreichs‑Landesorganisation Salzburg, Salzburg, Wartelsteinstraße 1, vertreten durch Dr. Clemens Thiele, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1. Verein J*****, vertreten durch Mag. Marcus ESSL, Rechtsanwalt in Wien, 2. N***** S*****, vertreten durch Mag. Gernot Steier, Rechtsanwalt in Neulengbach, wegen Unterlassung, Widerruf, Urteilsveröffentlichung und 9.000 EUR sA (Streitwert im Sicherungsverfahren 36.000 EUR), über die außerordentlichen Revisionsrekurse der beklagten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 18. Februar 2010, GZ 2 R 19/10t, 20/10i-29, womit infolge der Rekurse der beklagten Parteien die Beschlüsse des Landesgerichts Salzburg vom 14. Mai 2009, GZ 1 Cg 95/09a‑2 und vom 15. Oktober 2009, GZ 1 Cg 95/09a-18, bestätigt wurden, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2010:0040OB00066.10Z.0713.000

 

Spruch:

Beiden Revisionsrekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung nunmehr zu lauten hat:

„Der Antrag, den beklagten Parteien mit einstweiliger Verfügung zur Sicherung des Unterlassungsanspruchs der klagenden Partei aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, von der klagenden Partei hergestellte Fotos, insbesondere das Foto Beil ./A [abgebildet in dieser Entscheidung], in bearbeiteter Form zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder abrufbar zu halten, wenn sie hiezu nicht die Einwilligung der klagenden Partei haben und außerdem deren Namen als Urheberin bzw Lichtbildherstellerin nicht nennen, wird abgewiesen.“

Die klagende Partei hat die Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen endgültig selbst zu tragen.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 10.474,44 EUR (darin 1.745,74 EUR USt) und der zweitbeklagten Partei die mit 8.498,04 EUR (darin 1.416,34 EUR USt) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist eine selbständige Landesorganisation der Sozialdemokratischen Partei Österreichs mit eigener Rechtspersönlichkeit. Ihr Landesgeschäftsführer wurde beauftragt, alle Aufgaben im Zusammenhang mit dem Salzburger Landtagswahlkampf 2009 wahrzunehmen. Die Klägerin ist Auftraggeberin einer für sie im Vorfeld dieser Wahlen durchgeführten Werbekampagne, in der (als Plakat- und Internetwerbung) ua das nachstehend abgebildete Lichtbild (Beil./A) verwendet wurde.

Der erstbeklagte Verein, dessen Vorsitzender der Zweitbeklagte bis 7. 3. 2009 war, hat sich die Aufgabe gestellt, schwangere Frauen zu einem „Ja zu ihrem Kind“ zu ermutigen. Er betreibt eine Website und ist Medieninhaber und Herausgeber einer Postwurfsendung vom 13. 2. 2009, die in Salzburg an etwa 90.000 Haushalte verteilt wurde. Sowohl auf der Website als auch in der Postwurfsendung war die nachstehend abgebildete Grafik (Beilage ./J) sichtbar, die ua rechts unten ein copyright-Zeichen mit dem Namen des erstbeklagten Vereins und rechts oben folgenden Text enthält:

„Seit April 2005 wird auf Burgstallers Anweisung im LKH-Salzburg abgetrieben. 4000 Kinder wurden seither dort getötet. Wählen sie am 1. März nicht die SPÖ mit ihrer Abtreibungspolitik!“.

Sowohl auf der Website als auch in der Postwurfsendung war dieser Grafik ein vom Zweitbeklagten namens des Erstbeklagten unterfertigter Begleittext (Beil ./F) angeschlossen, der ua folgende Textpassagen enthält:

„Liebe Salzburger Mitbürgerin, lieber Salzburger Mitbürger, in wenigen Tagen wird der Salzburger Landtag mit der neuen Landesregierung gewählt. Ich wende mich an Sie, um Sie über dringende Gründe zu informieren gegen die regierende SPÖ zu stimmen. Ein Plakat zeigt LH Burgstaller in einem Kindergarten. die Kindergesichter um sie herum lachen. Aber andere Kinder gleichen Alters erblickten nie das Licht der Welt. Denn auf persönliches Verlangen von LH Burgstaller hat man im April 2005 am LKH-Salzburg eine Abtreibungsstation eingerichtet. 4.000 Kinder starben bisher in dieser Anstalt. […] Unser Verein ist der Sache nachgegangen und hat zusätzliche traurige Details aufgedeckt: Es gibt praktisch keine Beratung. […] Abtreibungen sind nicht „sauber“. […] Schwangere Mütter stehen unter Druck. […] Aus diesen Gründen lege ich Ihnen dringend nahe, bei dieser Landtagswahl einer anderen Partei als der SPÖ Ihre Stimme zu geben. […].“

 

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragte die Klägerin, den Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu unterlassen, von der Klägerin hergestellte Fotos, insbesondere das Foto Beil ./A, in bearbeiteter Form zu vervielfältigen und/oder zu verbreiten und/oder abrufbar zu halten, wenn sie hiezu nicht die Einwilligung der Klägerin haben und außerdem deren Namen als Urheberin bzw Lichtbildherstellerin nicht nennen.

Das Lichtbild Beil ./A sei urheberrechtlich geschützt und von den Beklagten ohne Zustimmung der Klägerin nach Art eines „Cartoons“ bearbeitet und verändert worden. Darüber hinaus maße sich der Erstbeklagte durch den auf der eigenmächtig veränderten Grafik angebrachten Copyright-Vermerk die Urheberschaft als Lichtbildhersteller an und verletze die dem Schutz geistiger Interessen der Klägerin dienende Bestimmungen der §§ 20, 21 UrhG.

Das Erstgericht gab mit Beschluss vom 14. 5. 2009 dem Sicherungsantrag ohne vorherige Anhörung der Beklagten statt. Den gegen diese Entscheidung erhobenen Widersprüchen beider Beklagten gab das Erstgericht mit Beschluss vom 15. 10. 2009 nicht Folge. Es hielt den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt für bescheinigt und führte in rechtlicher Hinsicht aus, das Wahlwerbefoto der Klägerin sei ein geschütztes Lichtbildwerk, das die Beklagten ohne die dazu erforderliche Genehmigung der Klägerin bearbeitet und verändert hätten. Die Klägerin sei zur Verfolgung der ihr eingeräumten Urheberrechte legitimiert.

Das Rekursgericht bestätigte beide Beschlüsse des Erstgerichts und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Es hielt ergänzend für bescheinigt, dass die Fotografin der Klägerin alle Rechte des Lichtbildherstellers bzw Urhebers am von ihr hergestellten Lichtbild Beil ./A inhaltlich, zeitlich und räumlich unbeschränkt eingeräumt hat, dies einschließlich des Rechts, sich als Lichtbildhersteller bzw Urheber zu bezeichnen und des ausschließlichen unbeschränkten Werknutzungsrechts sowie der Befugnisse nach § 21 UrhG. In rechtlicher Hinsicht bejahte das Rekursgericht die Klagelegitimation und führte in der Sache aus, das Foto Beil ./A sei eine geistige Schöpfung und damit ein Lichtbildwerk iSd § 3 Abs 2 UrhG. Es sei damit auch vor unbefugter Bearbeitung geschützt. Die Klägerin sei gemäß § 20 Abs 1 UrhG berechtigt, dass dieses Lichtbildwerk mit der von ihr gewählten Urheberbezeichnung versehen werde. Die von den Beklagten erstellte Grafik Beil ./J sei angesichts ihres Inhalts und Aufbaus nach ihrem Gesamteindruck keine selbständige Neuschöpfung iSd § 5 Abs 2 UrhG, sondern eine Bearbeitung des Lichtbilds Beil ./A. Die Verwertung der Grafik hätte daher der Bewilligung der Klägerin bedurft. Eine Bearbeitung dürfe auch nicht mit einer Urheberbezeichnung versehen werden, die ihr ‑ wie hier - den Anschein eines Originalwerks gebe. Durch Aufnahme in ihre Homepage und durch Beifügung zu ihrer Postwurfsendung sei die Grafik vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht worden, welche Verwertungsrechte dem Urheber vorbehalten seien. Die Eingriffe in das Urheberrecht der Klägerin seien durch das Recht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 EMRK) nicht gerechtfertigt. Die Beklagten seien einerseits keine politischen Gegner der Klägerin und übersähen andererseits, dass die von ihnen erstellte Grafik eine Bearbeitung eines fremden Lichtbilds sei. Jede freie Werknutzung finde ihre Grenze dort, wo sie ideelle Interessen des Urhebers verletze, was durch Kürzungen, Zusätze und andere Änderungen am Werk, an dessen Titel oder an der Urheberbezeichnung geschehen könne; Sinn und Wesen des benutzten Werks dürften in keinem Fall entstellt werden. Der Urheber sei in keinem Fall verpflichtet, eine Bearbeitung seines Werks, wie sie hier vorliege, zu dulden. Die freie Werknutzung umfasse kein Bearbeitungsrecht. Möge auch die Verwendung eines Lichtbilds zwecks Kritik am Rechteinhaber unter dem Aspekt der freien Werknutzung aufgrund von Art 10 EMRK allenfalls gerechtfertigt sein, so gelte dies keinesfalls für eine ideelle Interessen des Urhebers verletzende Bearbeitung seines Werks.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Rechtfertigung eines Urheberrechtseingriffs durch das in Art 10 EMRK geschützte Recht der freien Meinungsäußerung abgewichen ist; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

1.1. Vorauszuschicken ist, dass sich die Klägerin, die sich schon in der Klage als selbstständige Landesorganisation der SPÖ bezeichnet hat, „Landesorganisation Salzburg“ nennt (§ 2 Abs 1 Statuten Beil ./M) und eigene Rechtspersönlichkeit besitzt (§ 2 Abs 3 Statuten). Sie ist daher unter diesem Namen klagelegitimiert.

1.2.1. Der Erstbeklagte macht als Nichtigkeitsgrund in dritter Instanz erstmals geltend, dass der in der Klage als Vertreter der Klägerin genannte Landesgeschäftsführer nicht zur alleinigen Vertretung der Klägerin nach außen befugt sei, weshalb die Prozessvollmacht an den Klagevertreter „zusätzlich von der Landesparteivorsitzenden bzw deren Stellvertreter“ hätte erteilt werden müssen.

1.2.2. Wenn ein Rechtsanwalt als Bevollmächtigter einschreitet, ersetzt die Berufung auf die ihm erteilte Bevollmächtigung deren urkundlichen Nachweis, nicht jedoch die Erteilung einer Vollmacht (RIS-Justiz RS0035830). Aus § 30 Abs 2 ZPO ergibt sich, dass dem Rechtsanwalt grundsätzlich vertraut wird, wenn er ein Vollmachtsverhältnis behauptet. Dieses Vertrauen erstreckt sich im Allgemeinen auch darauf, dass die Bevollmächtigung von einer hiezu befugten Person erteilt wurde. Im Regelfall genügt daher auch bei juristischen Personen der bloße Hinweis auf die erteilte Bevollmächtigung (RIS-Justiz RS0035835). Der erleichterte Vollmachtsnachweis des § 30 Abs 2 ZPO befreit das Gericht zwar nicht von der Prüfung, ob tatsächlich Prozessvollmacht erteilt wurde, wenn sich aus der Aktenlage oder aus Gerichtsnotorietät Zweifel gegen eine solche Vollmachtserteilung ergeben. Es muss sich hier jedoch um konkrete Zweifel handeln. Bestehen solche nicht, dann hat eine Prüfung, ob tatsächlich Bevollmächtigung erteilt wurde, nicht zu erfolgen (RIS-Justiz RS0035833). Die bewusst wahrheitswidrige Berufung auf eine tatsächlich nicht erteilte Bevollmächtigung fällt unter das Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Verletzung von Ehre und Ansehen des Rechtsanwaltsstands (RIS-Justiz RS0035850).

1.2.3. Nach dem Akteninhalt bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vollmacht, auf deren Bestand sich der Klagevertreter berufen hat, deshalb unwirksam sei, weil die Einwilligung der Klägerin in die Vertretung vor Gericht von einer dazu nicht (allein) befugten Person erteilt worden sei. Ein konkretes Sachvorbringen dahin, wer dem Klagevertreter Prozessvollmacht erteilt habe und weshalb diese Bevollmächtigungserklärung nicht wirksam sei, hat der Erstbeklagte nicht erstattet. Für eine amtswegige Prüfung dieser Prozessvoraussetzung besteht daher kein Anlass.

2. In der Sache machen die Beklagten geltend, das Rekursgericht habe verkannt, dass die Grafik der Beklagten als Parodie im politischen Meinungsstreit durch das Recht der freien Meinungsäußerung gerechtfertigt sei; ihre Veröffentlichungen seien als ‑ leicht als solche erkennbare - Parodie der von der Landeshauptfrau im Wahlkampf verwendeten Plakate zulässig.

3. Parodie ist in Österreich kein Terminus der Rechtssprache (Noll, Parodie und Variation, MR 2006, 196, 197 mit ausführlichen Literaturhinweisen in FN 9). Sie ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt und kann urheberrechtlich unter dem Gesichtspunkt der freien Benutzung des parodierten Werks (dazu näher Punkt 4.) und ‑ als Folge einer Interessenabwägung zwischen Urheber und Nutzer - unter dem Aspekt der Kunst- und Meinungsfreiheit (dazu näher Punkt 5.) gerechtfertigt sein.

4.1. Bei der Parodie (griechisch: „Nebengesang“) wird in satirischer, kritischer oder polemischer Absicht ein anderes, als bekannt vorausgesetztes Werk unter Beibehaltung kennzeichnender Formmittel, aber mit gegenteiliger Intention, nachgeahmt (Dreyer in Dreyer/Kotthoff/Meckel, Urheberrecht² § 24 UrhG Rz 20 unter Hinweis auf Brockhaus). Dabei wird nur der Inhalt verändert; die äußere Form bleibt gleich, so dass das Nachgeahmte erkennbar ist.

4.2. Das entscheidende Kriterium von Parodie und Satire ist die inhaltliche oder künstlerische Auseinandersetzung mit bestimmten Aussagen und Eigenheiten des parodierten Werks (Loewenheim in Schricker, Urheberrecht³ § 24 Rz 22).

4.3. Einerseits verlangt die antithematische Behandlung der Parodie die gezielte Übernahme und Verfremdung wesentlicher Merkmale des parodierten Werks, so dass eine Beeinträchtigung, wenn nicht gar eine Entstellung, in der Regel zu bejahen ist. Andererseits erfährt der Leser, Hörer oder Betrachter, dass die Parodie gerade nicht vom Urheber des parodierten Werks stammt, sondern der Meinungs- und Äußerungsfreiheit des Parodisten entspringt. Deshalb sind seine Interessen höher zu bewerten als in anderen Fällen einer Beeinträchtigung; immer vorausgesetzt, dass im Einzelfall eine antithematische Behandlung vorliegt und als solche auch vom Publikum verstanden wird (Schulze in Dreier/Schulze, UrhG³ § 14 Rz 24 mwN).

4.4. Da die Parodie nicht in den Katalog der freien Werknutzung aufgenommen ist, kann sie gesetzessystematisch nur zulässig sein, wenn es sich bei ihr um eine Neuschöpfung gemäß § 5 Abs 2 UrhG handelt (Ciresa, UrhG § 5 Rz 57; Noll aaO 198). Ist eine Parodie als freie Bearbeitung anzusehen, werden die Rechte an dem parodierten Werk nicht berührt, und es ist auch kein Hinweis auf den Originalurheber erforderlich (Walter, Österreichisches Urheberrecht I 537; in diesem Sinne auch Dittrich, Zur urheberrechtlichen Beurteilung der Parodie, RfR 1993, 25, 26; Dillenz/Gutman, UrhG² § 5 Rz 11).

4.5. Ob überhaupt eine Parodie vorliegt, hängt im Einzelfall davon ab, ob das neue Werk trotz starker Anlehnung an Inhalt und Form des parodierten Werks doch eine ausreichend individuell schöpferische und selbständig geistig-künstlerische Leistung ist, in der die Züge des benutzten Werks eindeutig hinter den neuen, den parodistischen, zurücktreten. Das neue Werk muss gegenüber dem vorbestehenden Werk einen solchen Grad von Selbständigkeit und Eigenart aufweisen, dass von einer abhängigen Nachschöpfung nicht gesprochen werden kann (Noll aaO 199 mwN zur Rechtsprechung des BGH).

4.6. Für die Zulässigkeit einer Parodie ist grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen. Eine parodistische Zielsetzung darf kein Freibrief für unfreie Entlehnungen sein (Loewenheim aaO § 24 Rz 24). Nicht der Spaß auf Kosten anderer, sondern die eigene ernsthafte Aussage soll ermöglicht sein (Schulze aaO § 24 Rz 25 mwN).

4.7. Parodie kann mit verschiedenen Mitteln (Sprache, Bild etc) zum Ausdruck kommen. Wird das Foto einer Person technisch verändert, muss die Manipulation erkennbar sein, sonst wird gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht verstoßen (Schulze aaO § 24 Rz 25 mwN).

5.1. Parodien stehen auch unter dem besonderen Schutz von Art 17a StGG (Kunstfreiheit) und von Art 10 EMRK (Meinungsfreiheit).

5.2. Die Freiheit der Meinungsäußerung ist das Recht, eigene und andere Ideen und Informationen mitzuteilen, ohne daran durch den Staat gehindert zu werden. Die besondere Bedeutung dieses garantierten Rechts zeigt sich in der öffentlichen Diskussion über politische Fragen und Kritik von und an Politikern. Der Europäische Gerichtshof hat zu Recht betont, dass die Freiheit der politischen Diskussion das Herzstück einer demokratischen Gesellschaft ist und dass bei kritischen Äußerungen gegenüber Politikern die Grenzen zulässiger Kritik weiter sind (Meyer‑Ladewig, EMRK² Art 10 Rz 11f, 30 mN).

5.3. Ist der Grundrechtsberechtigte ein Politiker, hat das regelmäßig eine genauere Kontrolle der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs zur Folge. Unter Politiker werden in diesem Sinne nicht nur Mandatsträger verstanden, sondern auch Interessenvertreter, wie zB Funktionäre von Gewerkschaften, aber auch von Vereinen, die sich allgemeinen politischen Zielsetzungen verschrieben haben. Entscheidend ist die Teilnahme an der politischen Debatte (Grabenwarter, EMRK4 280 mN). Das Schutzrecht erfasst auch politische und kommerzielle Werbung; die Kommunikationsform kann in Äußerungen durch Wort, Schrift, Bild oder sonstige Symbole bestehen (Grabenwarter, EMRK4 268 mN).

5.4. Im Zusammenhang mit Parodien ist im Zweifel den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten großzügig der Vorrang zu geben; sie finden ihre Grenze aber etwa dort, wo die Parodie nur als Deckmantel für die wirtschaftliche Ausbeutung des Originals benutzt wird und wo die Parodie die Nachfrage nach dem Original nachhaltig stört (Noll aaO 200 mwN).

5.5. Der Oberste Gerichtshof hat schon wiederholt erkannt, dass dem urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch das durch Art 10 EMRK geschützte Recht der freien Meinungsäußerung entgegenstehen kann (vgl die Darstellung und kritische Würdigung der neuen Rechtsprechung von Kucsko-Stadlmayer in Kucsko, urheber.recht 664 ff). Ob dies der Fall ist, ist durch eine Abwägung der vom Urheber oder seinem Werknutzungsberechtigten verfolgten Interessen mit dem Recht der freien Meinungsäußerung zu beurteilen (RIS-Justiz RS0115377).

5.6. Bei unwahren Tatsachenbehauptungen oder bei Werturteilen, basierend auf unwahren Tatsachenbehauptungen, gibt es kein Recht auf freie Meinungsäußerung (RIS-Justiz RS0107915). Das Recht auf freie Meinungsäußerung kann eine Herabsetzung des politischen Gegners durch unwahre Tatsachenbehauptungen, mit denen er eines verwerflichen Verhaltens bezichtigt wird, nicht rechtfertigen (RIS-Justiz RS0032201). Bei Äußerungen von Politikern über den Gegner können unter Umständen auch massiv in die Ehre des Gegners eingreifende Werturteile noch zulässig sein. Diese bedürfen aber eines rechtfertigenden wahren Sachverhalts als Basis der pointiert zum Ausdruck gebrachten Kritik (RIS-Justiz RS0032201 [T5]).

5.7. Die bei der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Kriterien lassen sich wie folgt zusammenfassen (Kucsko-Stadlmayer aaO 672): Das Verhalten fällt in den Schutzbereich von Art 13 StGG bzw Art 10 EMRK, und es handelt sich nicht um unwahre, ehrenrührige Tatsachenbehauptungen; die wirtschaftlichen Interessen des Urhebers werden nicht ausgehöhlt; die normale Auswertung des Werks wird nicht beeinträchtigt; die berechtigten Interessen des Urhebers werden nicht ungebührlich verletzt; das Grundrecht der freien Meinungsäußerung kann ohne Eingriff in das Urheber- oder Leistungsschutzrecht nicht oder nur unzulänglich ausgeübt werden.

5.8. Die zur Rechtfertigung eines Eingriffs im Einzelfall führenden Umstände hat derjenige zu behaupten und zu beweisen, der sich auf das Recht der freien Meinungsäußerung beruft. Er muss behaupten und beweisen, dass er in die Urheber- und Verwertungsrechte nicht über das im zu beurteilenden Fall erforderliche Ausmaß eingegriffen hat und die für den beabsichtigten Zweck unumgängliche Nutzung der Werke nicht anders hätte erreichen können (vgl RIS-Justiz RS0115377 [T9]).

5.9. Gegenstand der Entscheidung 4 Ob 194/01k war die Verwendung des Lichtbilds der Spitzenkandidatin der Freiheitlichen Partei im Wiener Landtagswahlkampf 2001 auf den Homepages der Beklagten zum Zweck der kritischen Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner im Zuge dieses Wahlkampfs (zur Herstellung parodistischer e-mails im grafischen Erscheinungsbild von Plakaten der Freiheitlichen Partei, aber mit persiflierenden Slogans). Die Verwendung wurde dort für zulässig erachtet und ausgesprochen, dass die Klägerin als Werknutzungsberechtigte einer Plakatgrafik und Inhaberin der Leistungsschutzrechte am Lichtbild in einer politischen Auseinandersetzung Eingriffe in ihre Rechte dann hinnehmen muss, wenn dafür ein ausreichender Rechtfertigungsgrund vorliegt (was dort mit der freien Werknutzung für den politischen Gegner in der politischen Auseinandersetzung des Wahlkampfs aufgrund Art 10 EMRK zu bejahen war).

5.10. Im Fall 4 Ob 2247/96m (= MR 1997, 26 ‑ Ich werde dafür sorgen) wurden Plakate der SPÖ in dem - zu dieser Zeit noch laufenden - Nationalratswahlkampf 1995 nachgeahmt. Der abgebildete Kläger war mit seinem auf § 78 UrhG gestützten Unterlassungsbegehren nicht erfolgreich. Der Senat führte dort aus: „Als Spitzenkandidat einer wahlwerbenden Partei muss sich der Kläger eine Kritik seiner Wahlkampfaussagen gefallen lassen, auch wenn sie, um besonders einprägsam zu sein, seinen Wahlkampfstil nachahmt und seine Aussagen persifliert. Die Grenzen zulässiger politischer Kritik werden dadurch nicht überschritten; die Bildveröffentlichung verletzt die berechtigten Interessen des Klägers nicht.“

6.1. Nach den zuvor dargestellten Grundsätzen sind die den Beklagten zur Last gelegten Eingriffe in Urheber- und Leistungsschutzrechte zweifach gerechtfertigt, nämlich einerseits als parodistische freie Bearbeitung einer Wahlkampfwerbung der Klägerin, andererseits durch das Recht auf freie Meinungsäußerung:

6.2. Die Beklagten haben mit der angegriffenen Grafik den Wahlkampfstil der Klägerin in einer für die angesprochenen Verkehrskreise erkennbaren Form durch deutliche Bezugnahme auf ein Wahlplakat parodistisch nachgeahmt, indem sie die in der Wahlwerbung verwendeten Aussagen der Klägerin antithematisch behandelt und mit Hilfe dieses Gestaltungsmittels ihre eigenen Aussagen in einer politischen Debatte zur Geltung gebracht haben. Die Grafik weist vor allem durch die Verfremdung des als Vorlage dienenden Lichtbilds zu einer Zeichnung und den neu aufgenommenen Text ausreichende schöpferische Züge auf, um als individuelle und selbständige geistige Leistung und damit freie Bearbeitung des Vorbilds (§ 5 Abs 2 UrhG) angesehen werden zu können.

6.3.1. Der in der Grafik mitgeteilte Tatsachenkern ist nicht unwahr oder ehrenrührig; der Klägerin oder ihrer Spitzenkandidatin wird damit auch keine Gesetzesverletzung vorgeworfen. Die verbale Gleichsetzung von Abtreibung mit Tötung ist eine pointiert zum Ausdruck gebrachte Kritik, deren Werturteil auf einem wahren Sachverhalt beruht, weshalb sie nach der Rechtsprechung des EGMR als wertende Äußerung im politischen Meinungsstreit von und gegen Politiker zulässig ist (6 Ob 284/00h und 6 Ob 238/02x je mwN).

6.3.2. Die Abbildung höhlt auch weder die wirtschaftlichen Interessen des Urhebers aus, noch beeinträchtigt sie die normale Auswertung des als Vorbild dienenden Lichtbilds. Selbst wenn man die Grafik nicht als freie Bearbeitung beurteilen wollte, wäre ihre Veröffentlichung daher durch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gedeckt, das ohne Eingriff in das Urheber- oder Leistungsschutzrecht nicht oder nur unzulänglich in der gewählten Form einer parodistischen Anspielung ausgeübt werden könnte. Dass die Einwilligung der Klägerin nicht zu erreichen gewesen wäre, gesteht die Revisionsrekursbeantwortung selbst zu. Es spielt auch keine Rolle, dass der Erstbeklagte kein Wahlwerber ist; es genügt, dass sich die Beklagten im Rahmen der öffentlichen Diskussion über die politische Frage des Schwangerschaftsabbruchs in einem Landeskrankenhaus geäußert haben.

7. Dem Sicherungsbegehren kann daher kein Erfolg beschieden sein. Auf die im Rechtsmittel angesprochene Frage der Aktivlegitimation kommt es damit nicht weiter an.

8.1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 393 Abs 1 EO iVm § 41 Abs 1 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 Abs 1 ZPO.

8.2. Die Bemessungsgrundlage im Sicherungsverfahren beträgt 36.000 EUR.

8.3. Die Beklagten stehen weder zwei Personen gegenüber, noch vertritt ihr jeweiliger Anwalt in dieser Rechtssache mehr als eine Person, weshalb ihnen kein Streitgenossenzuschlag gebührt (§ 15 RATG). Der Widerspruch gegen das Protokoll ist nach TP 2 I 1. lit e RATG zu honorieren.

8.4. Die in Schrifttum und Rechtsprechung unterschiedlich beantwortete Frage, ob im Einwendungverfahren nach § 54 Abs 1a ZPO im Obsiegensfall Kostenersatz gebührt (vgl dazu 7 Ob 34/10s), kann hier offen bleiben. Die Einwendungen des Klagevertreters gemäß § 54 Abs 1a ZPO gegen die im Sicherungsverfahren von den Beklagten verzeichneten Kosten (ON 16) führen ungeachtete ihrer inhaltlichen Berechtigung schon deshalb zu keiner Ersatzpflicht der Beklagten für diesen Schriftsatz, weil die genannte Bestimmung sowohl nach ihrem Wortlaut, als auch nach den Materialien (RV 113 BlgNR 24. GP  31) ausschließlich das gemäß § 193 ZPO am Schluss der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz zu übergebende Kostenverzeichnis betrifft. Damit sind von der Regelung sämtliche anderen Konstellationen ausgeschlossen, in denen eine Partei während des Verfahrens erster Instanz Kosten verzeichnet. Für eine analoge Anwendung besteht auch aus verfahrensökonomischer Sicht kein Anlass, weil in anderen als vom Gesetz genannten Fällen regelmäßig nur leicht überschaubare einzelne Verfahrenshandlungen oder -abschnitte kostenrechtlich beurteilt werden, und ein Einwendungsverfahren überdies verfahrensverzögernd wirken würde (so auch Höllwerth, Einwendungen gegen die Kosten - § 54 Abs 1a ZPO, ÖJZ 2009, 743, 744).

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