OGH 4Ob194/01k

OGH4Ob194/01k12.9.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei m***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Mag. Huberta Gheneff-Fürst, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien

1. S*****, Landesorganisation W*****, 2. S*****, beide vertreten durch Dr. Kostelka-Reimer & Dr. Fassl Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Unterlassung, 50.000 S und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 700.000 S), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Rekursgericht vom 2. Juli 2001, GZ 1 R 116/01p-10, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs der klagenden Partei wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

In der Entscheidung MR 1997, 26 = ÖBl 1997, 138 - Ich werde dafür sorgen hat der erkennende Senat im Zusammenhang mit einer Bildveröffentlichung des Spitzenkandidaten der SPÖ im Wahlkampf zusammen mit einem persiflierenden Begleittext durch den politischen Gegner einen Verstoß gegen § 78 UrhG (auch unter dem Aspekt des Art 10 MRK) verneint. Die beanstandete Einschaltung wurde dort in einem Monatsmagazin veröffentlicht, von dem bekannt ist, dass es der SPÖ nicht nahesteht; auch dort war der Kläger allgemein bekannt und das veröffentlichte Bildnis in keiner Weise entstellend. Jeder auch noch so flüchtige Betrachter müsse nämlich - so wurde dort ausgeführt - erkennen, dass die Einschaltung kein Inserat der SPÖ gewesen sei, sondern dass damit die sozialdemokratische Wahlkampagne persifliert worden sei. Da der Begleittext demnach nicht als Aussage des Klägers verstanden werden könne, sei dem Kläger auch keine politische Auffassung unterstellt worden, die er nicht teile oder sogar ablehne und bekämpfe. Im Zusammenhang mit Artikeln und Lichtbildern, die durch ihre Aufnahme in eine Homepage vervielfältigt und verbreitet worden sind, hat der erkennende Senat erst jüngst mit ausführlicher Begründung ausgesprochen, dass einem urheberrechtlichen Unterlassungsanspruch das durch Art 10 EMRK geschützte Recht auf freie Meinungsäußerung entgegenstehen kann (4 Ob 127/01g vom 12. 6.

2001). Eine freie Werknutzung darf aber nicht dazu führen, dass der

wirtschaftliche Wert des Werks in einer ins Gewicht fallenden Weise

ausgehöhlt wird (SZ 55/110 = ÖBl 1983, 25 = Schulze 90 = UFITA 96

[1983] 355 = GRURInt 1983, 311 - Max Merkel; 4 Ob 127/01g).

Die angefochtene Entscheidung hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung, wenn sie die Verwendung des Lichtbilds der Spitzenkandidatin der Freiheitlichen Partei im Wiener Landtagswahlkampf 2001 auf den Homepages der Beklagten zum Zweck der kritischen Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner im Zuge dieses Wahlkampfs (zur Herstellung parodistischer e-mails im grafischen Erscheinungsbild von Plakaten der Freiheitlichen Partei, aber mit persiflierenden Slogans) für zulässig erachtet. Eine durch Sachentscheidung zu berichtigende Fehlbeurteilung im Einzelfall liegt nicht vor.

In diesem Zusammenhang ist es ohne Bedeutung, dass die Klägerin als Werknutzungsberechtigte der Plakatgrafik und Inhaberin der Leistungsschutzrechte am Lichtbild selbst nicht unmittelbar an der politischen Auseinandersetzung beteiligt war; entscheidend ist allein, ob für den Eingriff in ihre Rechte ein ausreichender Rechtfertigungsgrund vorliegt (was hier mit der freien Werknutzung für den politischen Gegner in der politischen Auseinandersetzung des Wahlkampfs aufgrund Art 10 EMRK zu bejahen ist). Dass durch die (auf das Internet beschränkte) Verbreitung des Lichtbilds dessen wirtschaftlicher Wert beträchtlich vermindert worden wäre, ist nicht zu erkennen.

Ein Widerspruch zur Entscheidung JBl 1992, 246 = EvBl 1992/50 = MR

1992, 19 = ÖBl 1992, 49 - Schweinchen-Karikatur liegt nicht vor: Dort

war ein Eingriff in die Ehre gegenüber der Freiheit der Kunst abzuwägen.

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