Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden im Umfang der Anfechtung (Ausspruch über das Nichtzurechtbestehen des Klagebegehrens mit 14.440,19 EUR brutto sA) sowie im Kostenpunkt aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin war vom 1. 5. 2007 bis 2. 1. 2008 als kaufmännische Angestellte beim Beklagten in dessen Handelsagentur beschäftigt. Etwa ab dem Jahr 2002 bestand zwischen beiden eine private Beziehung, wobei die Streitteile jeweils über eigene Wohnungen verfügten und sich immer wieder gelegentlich in der einen oder anderen Wohnung gemeinsam aufhielten. Am 19. 10. 2007 kam es wegen der Beziehung des Beklagten zu einer anderen Frau in London zu einer massiven Auseinandersetzung zwischen den Streitteilen. Dieser Streit wurde bereinigt; bis Dezember 2007 kam es wieder zu privaten Treffen der Streitteile. Mit SMS vom 18. 12. 2007 teilte der Beklagte der Klägerin mit, dass er sich mit seiner Freundin in England ausgesöhnt habe. Dies führte zu einem totalen psychischen Zusammenbruch der Klägerin, die sich ab 18. 12. 2007 in psychotherapeutische Behandlung begab. Am 20. 12. 2007 wurde eine akute Belastungsreaktion diagnostiziert und der Klägerin nahegelegt, die weitere Kontaktaufnahme mit dem Beklagten zu unterbinden. Während des Krankenstands der Klägerin entspann sich ein E-Mail- und SMS-Verkehr zwischen den Streitteilen über die Arbeitsverrichtung der Klägerin. Mit Schreiben vom 2. 1. 2008 erklärte sie die Auflösung des Dienstverhältnisses aus gesundheitlichen Gründen.
Die Klägerin begehrte 11.117,41 EUR brutto an Kündigungsentschädigung, 3.322,78 EUR brutto an Urlaubsersatzleistung für 17,5 Arbeitstage und 279 EUR netto für ein beschädigtes Handy. Nach Auflösung der Lebensgemeinschaft habe sie der Beklagte auch im Rahmen des Dienstverhältnisses erheblich unter Druck gesetzt. Aufgrund der psychischen Belastung habe sich ihr gesundheitlicher Zustand zunehmend verschlechtert, weshalb sie am 2. 1. 2008 ihren berechtigten vorzeitigen Austritt erklärt habe. Der Beklagte sei nicht in der Lage gewesen, die privaten Probleme von der beruflichen Zusammenarbeit zu trennen.
Der Beklagte entgegnete, dass zur Klägerin lediglich eine sexuelle Beziehung mit wechselnder Intensität bestanden habe. Im Rahmen des Dienstverhältnisses habe er sie niemals unter Druck gesetzt. Tatsächlich sei sie unberechtigt aus dem Dienstverhältnis ausgetreten. Da sie das Firmenfahrzeug bis 15. 2. 2008 nicht zurückgestellt habe, mache er die Kosten für die Nutzung als Gegenforderung geltend.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Gegen Ende des Jahres 2007 habe sich bei der Klägerin eine gesundheitliche Störung entwickelt, deren Ursachen auch in der beruflichen Beziehung zum Beklagten bestanden haben. Da die Fortsetzung des Dienstverhältnisses sicherlich eine Gesundheitsschädigung bewirkt hätte, sei der von der Klägerin in Anspruch genommene Austrittsgrund verwirklicht. Die Gegenforderung habe der Beklagte niemals präzisiert.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge und sprach aus, dass das Klagebegehren mit 14.440,19 EUR brutto sA nicht zu Recht bestehe; die ordentliche Revision sei nicht zulässig. In rechtlicher Hinsicht vertrat es die Ansicht, dass es sich bei der diagnostizierten akuten Belastungsreaktion, der auch kein Krankheitswert zukomme, um keinen Dauerzustand handle. Außerdem habe die Klägerin den psychischen Zusammenbruch nach Erhalt der Mitteilung über die Aussöhnung des Beklagten mit seiner Freundin in England erlitten.
Gegen die Abweisung von 14.440,19 EUR brutto sA richtet sich die Revision der Klägerin, mit der sie den Zuspruch des gesamten geltend gemachten Betrags anstrebt. Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Beklagte, die Revision zurückzuweisen, in eventu dieser nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig, weil zur Frage des - vom Berufungsgericht verneinten - Kausalzusammenhangs zwischen der Arbeitsleistung und der Gesundheitsgefährdung der Klägerin im Fall der Unmöglichkeit der Zuordnung der Gründe zum Privat- oder Arbeitsbereich keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt. Die Revision ist im Sinn des in jedem Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags auch berechtigt.
1. Die von der Klägerin behauptete Aktenwidrigkeit ist nicht relevant. Aufgrund der besonderen, durch die gleichzeitige persönliche Beziehung zwischen den Streitteilen bedingte Konstellation kommt dem vom Berufungsgericht unternommenen Versuch der Zuordnung der Gründe für den psychischen Zusammenbruch der Klägerin am 18. 12. 2007, den das Berufungsgericht offenbar als punktuelles Ereignis wertet, keine entscheidende Bedeutung zu. Auch die vom Berufungsgericht diskutierte Frage, ob der diagnostizierten akuten Belastungsreaktion oder nur einer posttraumatischen Belastungsstörung Krankheitswert beigemessen werden kann, ist letztlich nicht entscheidend.
Soweit die Klägerin Widersprüche zur Aussage der Zeugin Mag. D***** oder zum Ambulanzbericht Beil ./A behauptet, bezieht sie sich auf die Beweiswürdigung. Dazu ist darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof nicht Tatsacheninstanz ist, weshalb die Beweiswürdigung von ihm nicht überprüft werden kann (RIS-Justiz RS0043371; RS0042903).
2.1 Zur Beurteilung der maßgeblichen Rechtsfrage, ob die bei der Klägerin diagnostizierte psychische Belastungsreaktion im Hinblick auf den weiteren beruflichen Kontakt zum Beklagten eine dauerhafte Gesundheitsgefährdung bedeutet hätte, reicht die Tatsachengrundlage nicht aus. Die Schlussfolgerung des Erstgerichts im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung, dass die Fortsetzung des Dienstverhältnisses sicherlich eine Gesundheitsgefährdung bewirkt hätte, lässt sich nicht auf eine Tatsachengrundlage zurückführen und in ihrem zeitlichen Ausmaß auch nicht quantifizieren. Das Gleiche gilt für die Überlegungen des Berufungsgerichts zur WHO-Klassifikation einer akuten Belastungsreaktion. Aufgrund dieser unzulässigen Schlussfolgerungen der Vorinstanzen zur Bedeutung und zu den Auswirkungen des psychischen Gesundheitszustands der Klägerin wurden erforderliche Feststellungen nicht getroffen.
2.2 Der Austrittsgrund der (dauerhaften) Gesundheitsgefährdung ist nach der Rechtsprechung verwirklicht, wenn durch die Fortsetzung der bisherigen Tätigkeit für den Dienstnehmer eine aktuelle Gefahr für seine Gesundheit besteht und ihm aus diesem Grund die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Maßgeblich ist somit die Prognose, zukünftig das Arbeitsverhältnis nicht ohne Gesundheitsgefährdung fortsetzen zu können (Friedrich in Marhold/Burgstaller/Preyer, AngG § 26 Rz 5 und 10 mwN).
Zwischen der Dienstleistung und der Gesundheitsgefährdung muss ein kausaler Zusammenhang bestehen. Im Allgemeinen wird eine Grenze dort gezogen, wo die Gründe für die Gesundheitsgefährdung vorwiegend im privaten Umfeld des Dienstnehmers zu finden sind und der Bezug zur Dienstleistung gar nicht oder nur in sehr geringem Umfang gegeben ist. Nach der Rechtsprechung können aber auch die Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz (zB Mobbing: 8 ObA 2285/96d) oder das Arbeitsklima (zB degradierende Verschlechterung der Arbeitsbedingungen: 9 ObA 47/88) eine zum Austritt berechtigende Gesundheitsbeeinträchtigung bewirken (Friedrich aaO Rz 12 ff mwN). In diesem Sinn ist es ebenso denkbar, dass eine konkrete psychische Belastungssituation für den Dienstnehmer am Arbeitsplatz, der nicht durch geeignete Maßnahmen begegnet werden kann, einen vorzeitigen Austritt rechtfertigt. Eine solche Belastungssituation kann etwa auch aus einem Zerwürfnis der Beteiligten entstehen, das darauf zurückzuführen ist, dass - etwa aufgrund intensiver persönlicher Beziehungen zwischen Dienstgeber und Dienstnehmer - der Arbeits- und Privatbereich ineinander übergehen und diese Bereiche auch durch eine entsprechende Gestaltung der Arbeitssituation nicht voneinander abgetrennt werden können.
Aufgrund der räumlichen Nähe der Streitteile während der Erbringung der Arbeitsleistungen durch die Klägerin haben sich die persönlichen Konfliktsituationen unweigerlich auf den Arbeitsplatz erstreckt. Die psychische Belastung für die Klägerin bezog sich auf das Zusammentreffen mit dem Beklagten und damit ebenso auf die Arbeitssituation. Der Beklagte kann sich daher nicht auf einen mangelnden Zusammenhang zwischen der Gesundheitsgefährdung der Klägerin und der Dienstverrichtung berufen.
2.3 Die grundsätzlich bestehende Aufklärungspflicht des Dienstnehmers über die gesundheitsgefährdende Belastung ist nach der Rechtsprechung dann nicht mehr gegeben, wenn er annehmen kann, dass dem Arbeitgeber diese Umstände bekannt sind, weiters wenn die Verweisung auf einen anderen Arbeitsplatz im Rahmen des Arbeitsvertrags nach den gegebenen Umständen nicht in Betracht kommt (9 ObA 38/87; 9 ObA 175/89) oder wenn die gesundheitsgefährdende Belastung des Arbeitnehmers im Arbeitsklima gelegen ist (9 ObA 192/90; 9 ObA 196/97g).
Auf die Verletzung der Aufklärungspflicht kann sich der Beklagte nicht erfolgreich berufen, weil ihm die psychische Belastung der Klägerin bekannt sein musste und die Ursache dafür im - bei Fortsetzung der Arbeit unvermeidbaren - Kontakt zu ihm bestand.
2.4 Der zu beurteilende Austrittsgrund nach § 26 Z 1 zweiter Fall AngG erfordert eine dauerhafte Gesundheitsgefährdung des Dienstnehmers, sodass nach den Umständen des Falles eine Fortsetzung seines Dienstverhältnisses nicht mehr zumutbar ist (vgl RIS-Justiz RS0028723; RS0060144; 9 ObA 23/07h). Die Gesundheitsgefährdung ist dann als dauernd anzusehen, wenn die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nach objektivem Maßstab in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist, wobei von der Rechtsprechung als Richtlinie die Frist von 26 Wochen nach § 139 Abs 1 ASVG herangezogen wird (9 ObA 163/93; 9 ObA 209/00a; Friedrich aaO Rz 27 ff).
Das Vorliegen einer dauerhaften Gesundheitsgefährdung für die Klägerin kann aufgrund der ermittelten Tatsachengrundlage nicht abschließend beurteilt werden. Dafür ist zu klären, ob die bei der Klägerin diagnostizierte psychische Belastungsreaktion bei Vornahme einer Psychotherapie im dargestellten zeitlichen Ausmaß hätte geheilt werden können und ob im Fall der Wiederaufnahme der Arbeit der Klägerin beim Beklagten im Hinblick auf den weiteren beruflichen Kontakt ein Wiederaufleben der psychischen Störung bzw eine Verschlechterung des psychischen Zustands zu befürchten gewesen wäre. Bei diesen Fragen handelt es sich um Sachverständigenfragen. Das Gericht ist - auch von Amts wegen (§§ 183 Abs 1 Z 4 und 363 Abs 2 ZPO) - ohne weiteres berechtigt, sich im Wege des Sachverständigenbeweises Klarheit über die Gesundheitsgefährdung des Dienstnehmers zu verschaffen (Friedrich aaO Rz 30).
3. Soweit sich die Klägerin - als weiteren Austrittsgrund - auf Tätlichkeiten, Bedrohungen und Beschimpfungen durch den Beklagten beruft, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Auseinandersetzung vom 19. 10. 2007 die Streitigkeiten (zunächst) bereinigt wurden und die Streitteile bis Dezember 2007 wieder privat miteinander verkehrten. Auf die Erteilung von Arbeitsaufträgen während des Krankenstands (ab 18. 12. 2007) hat sich die Klägerin nicht als Austrittsgrund berufen.
In Stattgebung der Revision waren die Entscheidungen im Umfang der Anfechtung und zur Klärung der noch offenen Fragen aufzuheben. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG.
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