OGH 2Ob8/10f

OGH2Ob8/10f17.2.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Nikolaos M*****, vertreten durch Mag. Lothar Korn, Rechtsanwalt in Linz, gegen die Antragsgegnerin Sandra M*****, vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner Anwaltssocietät in Linz, wegen Vollstreckung der angeordneten Rückführung des mj Evangelos M*****, über den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 30. November 2009, GZ 15 R 417/09p-77, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Linz vom 9. Oktober 2009, GZ 6 PS 304/09z-67, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden abgeändert, sodass der Beschluss insgesamt zu lauten hat:

„Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt, das entführte (zurückgehaltene) Kind Evangelos M*****, der Antragsgegnerin oder jeder anderen Person, bei der sich das Kind aufhält, unter Beiziehung eines Kinderpsychologen abzunehmen und es dem um Unterstützung ersuchten Jugendwohlfahrtsträger zum Zweck der umgehenden Rückführung des Kindes in das Staatsgebiet von Griechenland zu übergeben. Der Jugendwohlfahrtsträger wird ersucht, das Einvernehmen mit der griechischen Jugendwohlfahrtsbehörde herzustellen. Die Beiziehung von Organen des öffentlichen Sicherheitsdiensts bleibt dem Gerichtsvollzieher vorbehalten.

Alle damit nicht im Einklang stehenden Anträge der Parteien werden abgewiesen."

Ein Kostenersatz findet nicht statt.

Text

Begründung

Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind Eltern des am ***** geborenen Evangelos (im Folgenden auch „Minderjähriger" oder „Kind"). Die Streitteile heirateten am 19. 8. 2005 kirchlich in Thira, was am 22. 8. 2005 vom dortigen Standesamt beurkundet wurde und als zivile Eheschließung gilt. Der Vater ist griechischer Staatsbürger, die Mutter ist österreichische Staatsbürgerin. Evangelos ist Doppelstaatsbürger Griechenlands und Österreichs. Die Mutter lebte mit ihrem Sohn aus erster Ehe namens Simon, geboren 1997, und mit Evangelos bis Weihnachten 2007 in der Ehewohnung in K*****, Santorin, Griechenland. Nach einem Aufenthalt der Familie in Österreich um Weihnachten 2007 kehrte die Mutter nicht, wie gemeinsam geplant gewesen war, am 4. 1. 2008 mit den beiden Kindern nach Santorin zurück, sondern lebt seither mit ihnen in Österreich. Die Ehe der Streitteile ist seit 29. 5. 2009 rechtskräftig geschieden. Derzeit kommt beiden Eltern das Sorgerecht zu.

Über den Antrag des Vaters auf Rückführung des Kindes nach dem Haager Kindesentführungsübereinkommen (Übereinkommen über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25. 10. 1980, BGBl 1980/512; im folgenden „HKÜ" bezeichnet) ordnete der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 16. 7. 2009 die sofortige Rückgabe des Kindes in das Staatsgebiet von Griechenland an. Das Mehrbegehren des Vaters, das Kind an seinen üblichen Aufenthaltsort in K*****, Santorin, zurückzubringen, wurde abgewiesen (2 Ob 103/09z).

Zum bisher feststehenden Sachverhalt und zum bisherigen Verfahrensgang wird auf die zitierte oberstgerichtliche Entscheidung verwiesen.

Nach deren Zustellung beantragte die Mutter die sofortige Aufschiebung bzw Aussetzung des Vollzugs der oberstgerichtlichen Entscheidung und weiters, nach Durchführung des Verfahrens deren Vollzug unbefristet abzulehnen. Sie brachte vor, seit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs seien neue Umstände eingetreten, die bei Vollstreckung das Wohl des Kindes und des mj Simon beeinträchtigten. Eine Vollstreckung könne erst stattfinden, wenn die Voraussetzungen des Art 11 Abs 4 EuEheVO erfüllt wären, also geeignete Maßnahmen zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung getroffen würden.

Der Vater beantragte den sofortigen Vollzug der oberstgerichtlichen Entscheidung durch sofortige Abnahme des Reisepasses der Mutter, in dem der Minderjährige eingetragen sei, die unverzügliche Entziehung der der Mutter über das Kind zustehenden Obsorge und deren Übertragung in den Bereich des Amtes für Jugend und Familie bis zur Rückführung des Kindes nach Griechenland, die Zurückweisung des Antrags der Mutter auf Aussetzung bzw Ablehnung des Vollzugs der Rückgabeanordnung und den Auftrag an das Amt für Jugend und Familie unter Anordnung der Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Bereich der Kinderpsychologie auf möglichst schonende Rückführung des Kindes nach Griechenland; in eventu wurde beantragt, dem Vater aufzutragen, den Minderjährigen zu einem bestimmten Zeitpunkt in Österreich abzuholen und nach Griechenland zurückzubringen und dort den griechischen Jugendwohlfahrtsbehörden bis zur einstweiligen Entscheidung des griechischen Pflegschaftsgerichts über die einstweilige Obsorge zu übergeben und jedenfalls der Mutter die Kosten für die Rückführung des Kindes nach Griechenland aufzutragen.

Nach Einvernahme der Mutter beantragte diese, dem Vater als Bedingung für die Durchführung der Rückgabe des Kindes verschiedene Verpflichtungen aufzuerlegen.

Das Erstgericht sprach Folgendes aus:

1. Der Antragsteller ist verpflichtet bis spätestens vier Monate ab Rechtskraft dieses Beschlusses 15.300 EUR an die Antragsgegnerin (offener Unterhalt für Evangelos, pauschalierter Unterhaltsvorschuss für ein Jahr für die Antragsgegnerin und für Evangelos) zu bezahlen und die Überweisung des Betrags dem Bezirksgericht Linz nachzuweisen.

2. Der Antragsteller ist verpflichtet, binnen vier Monaten ab Rechtskraft dieses Beschlusses dem Bezirksgericht Linz eine Erklärung in griechischer Sprache und beglaubigter deutscher Übersetzung vorzulegen, die vor dem griechischen Gericht, das für die Obsorgeentscheidung für das Kind zuständig ist, mit folgendem Inhalt abzugeben ist:

„Ich verpflichte mich, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Obsorge für den Sohn Evangelos

a) diesen in der Pflege und Erziehung der Mutter zu belassen, und

b) keinen Antrag auf Entziehung der Obsorge für Evangelos auf mich oder andere Personen zu stellen, und

c) eine etwaige in der Zwischenzeit ergangene Obsorgeentscheidung oder Entscheidung, dass die Pflege und Erziehung einer anderen Person als der Mutter zukommt, nicht durchzusetzen."

3. Die Antragsgegnerin ist verpflichtet, dem Bezirksgericht Linz binnen vier Wochen ab Nachweis der Erfüllung der Verpflichtungen des Antragstellers zu Punkt 1. und 2. unter Vorlage von Flugbuchungen die bevorstehende Rückkehr von Evangelos nachzuweisen.

4. Ab dem Nachweis der Erfüllung der Punkte 1. und 2. durch den Antragsteller gegenüber dem Bezirksgericht Linz ist die Mutter verpflichtet, mit Evangelos spätestens elf Wochen später nach Griechenland zurückzukehren.

5. Für den Fall der Nichterfüllung von Punkt 3. und 4. durch die Antragsgegnerin wird dieser eine Ordnungsstrafe von 2.000 EUR und Ordnungshaft von zwei Wochen angedroht.

6. Kommt die Antragsgegnerin der Verpflichtung gemäß Punkt 4. nicht nach, so ist sie und jede andere Person, bei der sich Evangelos aufhält, verpflichtet, Evangelos an den Antragsteller oder eine von diesem bestimmte Person zum Zwecke der Rückführung nach Griechenland herauszugeben.

7. Der Gerichtsvollzieher wird beauftragt und ermächtigt, Evangelos der Antragsgegnerin oder jeder anderen Person, bei der sich das Kind aufhält, wegzunehmen und es Vertretern der Jugendwohlfahrtsbehörde zum Zweck der umgehenden Übergabe an den Antragsteller oder einer von ihm bestimmten Person zu übergeben.

8. Der Gerichtsvollzieher wird zur Hinzuziehung polizeilicher Vollzugsorgane, Vertretern der Jugendwohlfahrtsbehörde, des psychiatrischen Notfalldienstes und eines Kinderpsychologen ermächtigt.

9. Die Entscheidung wird erst mit Rechtskraft wirksam und vollstreckbar.

10. Die Anträge der Antragsgegnerin,

a) den Vollzug der Entscheidung an den Obersten Gerichtshof vom 16. 7. 2009 sofort aufzuschieben bzw auszusetzen,

b) nach Durchführung des Verfahrens den Vollzug der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 16. 7. 2009 unbefristet abzulehnen, werden abgewiesen.

11. Die Anträge des Antragstellers

a) die Rückführung von Evangelos werde unverzüglich in die Wege geleitet, und zwar unter sofortiger Abnahme des Reisepasses der Kindesmutter, in dem der Minderjährige eingetragen ist, um eine weitere Verbringung des Kindes zu verhindern,

b) unverzüglich der Mutter die Obsorge über Evangelos zu entziehen und dessen Obsorge in den Bereich des Amtes für Jugend und Familie bis zur Rückführung des Kindes nach Griechenland zu überstellen,

c) den Antrag der Mutter auf Aussetzung des Vollzugs der Entscheidung vom Obersten Gerichtshof vom 16. 7. 2009 zurückzuweisen sowie die Ablehnung der Durchführung des Verfahrens nach Vollzug der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 16. 7. 2009 mangels gesetzlicher Grundlage,

d) dem für den derzeitigen Wohnort von Evangelos zuständigen Amt für Jugend und Familie unter Anordnung der Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Bereich der Kinderpsychologie aufzutragen, die möglichst schonende Rückführung des Kindes nach Griechenland zu bewerkstelligen und jeweils binnen 14 Tagen Bericht zu erstatten,

in eventu

e) dem Vater aufzutragen, Evangelos zu einem bestimmten Zeitpunkt in Österreich abzuholen und ihn auf eigene Kosten von Österreich nach Griechenland zurückzubringen und dort den griechischen Jugendwohlfahrtsbehörden zu übergeben, dies bis zur einstweiligen Entscheidung des griechischen Pflegschaftsgerichts über die einstweilige Obsorge,

f) der Mutter die Kosten für die Rückführung des Kindes nach Griechenland aufzutragen,

g) beide Kinder, nämlich Evangelos und Simon aus der tatsächlichen Obsorge der Mutter zu entfernen,

werden abgewiesen.

12. Sollte der Antragsteller die Verpflichtungen nach Punkt 1. und 2. nicht binnen vier Wochen ab Rechtskraft dieses Beschlusses erfüllen und dem Bezirksgericht Linz nachweisen, wird von der Fortsetzung der Durchsetzung der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 16. 7. 2009 abgesehen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, aus Art 11 Abs 4 der VO (EG) Nr 2201/2003 des Rates vom 27. 11. 2003 (in der Folge als „EuEheVO" bezeichnet) ergebe sich, dass Gerichte angehalten seien, angemessene Vorkehrungen zu treffen, damit eine Schädigung des Kindes bei der Rückführung möglichst gering gehalten und die Gefahr eines Schadens bei einer Gewaltanwendung im Vollstreckungsverfahren verhindert werde. Die im griechischen Familienrecht verankerte Absicherung der finanziellen Existenzgrundlage im Voraus für Mutter und Kind durch den Vater sei zumindest für ein Jahr zuzüglich der Zahlung des offenen Unterhaltsrückstands für das Kind dazu ebenso notwendig wie eine von ihm offiziell vor einem griechischen Gericht abgegebene Garantie, das Kind in Pflege und Erziehung der Mutter bis zur rechtskräftigen Obsorgeentscheidung eines griechischen Gerichts zu belassen. In einer Frist von einem Jahr sei es der Mutter einerseits zumutbar, in einem Gerichtsverfahren ihren Unterhaltsanspruch gegen den Antragsteller zu klären, andererseits ausreichend Griechisch zu lernen, damit sie als Krankenschwester, ein in der EU gesuchter Beruf, in Griechenland eine Arbeit finde. Ausgehend vom festgesetzten Kinderunterhalt und dem Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin in Griechenland, sei von einer Unterhaltspflicht des Vaters gegenüber der Mutter von monatlich 600 EUR auszugehen. Daraus errechne sich ein Unterhaltsbedarf von 7.200 EUR für 12 Monate.

Die Spruchpunkte 5 bis 8 gründeten sich auf die §§ 110, 79 Abs 2 AußStrG. Die Anträge der Mutter auf sofortige Aufschiebung, Aussetzung, Ablehnung, Nichtdurchführung des Vollzugs entbehrten einer rechtlichen Grundlage. Den aus Spruchpunkt 11. a), b) und d) bis g) ersichtlichen Anträgen des Vaters fehle die sachliche Grundlage. Der mj Halbbruder des Kindes sei rechtlich nicht am HKÜ-Verfahren beteiligt.

Das von beiden Seiten angerufene Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters teilweise, dem Rekurs der Mutter zur Gänze Folge. Es bestätigte den erstinstanzlichen Beschluss in seinem Spruchpunkt 11. b), hob die Spruchpunkte 1. bis 6. und 12. ersatzlos auf und hob die Spruchpunkte 7., 8., 10., 11. a) , 11. c), 11. d) und 11. f) auf und trug in diesem Umfang dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

In rechtlicher Hinsicht führte das Rekursgericht aus, das HKÜ selbst enthalte keine näheren Bestimmungen zum Vollzug von Rückgabeanordnungen. Der Vollzug von Ausfolgungsbeschlüssen aufgrund des HKÜ habe dabei nach innerstaatlichem Recht - allerdings mit den sich aus der Zielsetzung des Übereinkommens ergebenden Modifikationen - zu erfolgen (RIS-Justiz RS0007272; 4 Ob 2288/96s mwN). Die Durchsetzung bzw Vollziehung einer Rückgabeentscheidung habe analog § 110 AußStrG zu erfolgen (Schütz in Burgstaller/Neumayr, Internationales Zivilverfahrensrecht, Art 45 HKÜ Rz 22 aE; Maurer/Schrott/Schütz, AußStrG § 110 Rz 10). Insofern enthalte auch das Bundesgesetz vom 9. 6. 1988 zur Durchführung des HKÜ, BGBl 1988/513 idgF, keine Sonderregelungen. Dessen § 5 Abs 4 ebenso wie § 110 Abs 4 AußStrG sähen vor, dass das Gericht bei der Durchführung der Rückgabe bzw bei der Durchsetzung den Jugendwohlfahrtsträger um Mitwirkung bzw Unterstützung ersuchen könne.

Der Vollzug der Rückgabeentscheidung habe nicht nach den Regeln der EO, sondern nach § 110 AußStrG zu erfolgen (RIS-Justiz RS0007272 zu § 19 AußStrG 1854; Deixler-Hübner in Rechberger, AußStrG § 110 Rz 1; Maurer/Schrott/Schütz aaO Rz 1). Die Verfahrenseinleitung erfolge dabei über Antrag oder von Amts wegen, wobei dem Gericht die Zwangsmittel nach § 79 Abs 2 AußStrG zur Verfügung stünden, das Gericht habe also von Amts wegen das jeweils angemessene Zwangsmittel anzuordnen, wobei Verweise, Ermahnungen, Geldstrafen oder Beugehaft in Betracht kämen. Auch die Anwendung von unmittelbarem Zwang, also letztlich die physische Abnahme des Kindes, sei zur Durchsetzung der Rückgabeentscheidung als ultima ratio möglich; dabei solle bei der Entfernung des Minderjährigen aus seinem bisherigen Lebensbereich durch Kindesabnahme, da dies einen sehr massiven Eingriff in dessen persönliche Sphäre bedeute, äußerst behutsam vorgegangen werden. Auch die Vollstreckung habe unter Berücksichtigung des Kindeswohls und unter Bedachtnahme auf die Vorschläge des Antragstellers zu erfolgen. Dabei könne der Jugendwohlfahrtsträger oder die Jugendgerichtshilfe um Unterstützung bei den Vollstreckungsmaßnahmen ersucht werden, wobei diese Unterstützung dadurch erfolgen könne, dass eine vorübergehende Betreuung des Minderjährigen angeordnet werde (Deixler-Hübner aaO § 110 Rz 2 und 4; Maurer/Schrott/Schütz aaO § 110 Rz 4 ff). Auch nach § 5 Abs 4 des Bundesgesetzes vom 9. 8. 1988 zur Durchführung des HKÜ mit dem dort vorgesehenen Ersuchen des Gerichts an den Jugendwohlfahrtsträger bei der Durchführung der Rückgabe mitzuwirken, solle die Betreuung des Kindes durch geschulte Fachkräfte sichergestellt werden, da im Fall einer Kindesabnahme das Kind nicht immer sogleich in das jeweilige ausländische Staatsgebiet rückgeführt werden könne.

§ 110 Abs 3 AußStrG sehe weiters vor, dass das Gericht von der Fortsetzung der Durchführung über Antrag oder von Amts wegen nur dann absehen könne, wenn und solange die Fortsetzung des (Vollstreckungs-)Verfahrens das Kindeswohl gefährde (Deixler-Hübner aaO § 110 Rz 3; RIS-Justiz RS0008614). Das konkrete Kindeswohl sei also auch noch bei der Durchführung der Vollstreckung aufgrund einer rechtskräftigen Rückgabeentscheidung nach dem HKÜ zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0106455). Der Oberste Gerichtshof verweise dabei in seiner Entscheidung 4 Ob 2288/96s darauf, dass eine Verweigerung des Vollzugs einer Kindesabnahme im Interesse des Kindeswohls aber im Hinblick auf das Ziel des HKÜ, Kindesentführungen ganz allgemein zu unterbinden, nur in Frage komme, wenn die Rückgabe mit der schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind verbunden sei oder das Kind auf andere Weise in eine unzumutbare Lage gebracht würde. Weiters vertrete der Oberste Gerichtshof in dieser Entscheidung die Auffassung, dass nicht aus generalpräventiven Gründen zum Schutz des (abstrakten) Kindeswohls zur Verhinderung des Eindrucks, Kindesentführungen würden sich doch lohnen, die schwerwiegende konkrete Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für ein Kind herbeigeführt werden dürfe. Dieser Auffassung sei jedenfalls insofern der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte beigetreten, als dieser in seinem Urteil vom 24. 4. 2003 (Sylvester gegen Österreich) befunden habe, dass ein Wechsel in den maßgeblichen Umständen ausnahmsweise den Nichtvollzug eines rechtskräftigen Rückgabebeschlusses rechtfertigen könne, die Änderung der maßgeblichen Umstände jedoch nicht durch die Unterlassung des Staats herbeigeführt worden sei, alle Maßnahmen zu treffen, die vernünftigerweise erwartet hätten werden können, um den Vollzug des Rückgabebeschlusses zu erleichtern. Bei der Prüfung, ob die Nichtvollstreckung einer Gerichtsentscheidung auf eine mangelnde Achtung des Familienlebens hinauslaufe, müsse eine faire Abwägung der Interessen aller Beteiligten sowie des allgemeinen Interesses an der Sicherstellung der Erhaltung des Grundsatzes der Vorherrschaft des Rechts vorgenommen werden (ÖJZ 2004/5 [MRK]; Schütz aaO § 45 HKÜ Rz 23 aE). Aus diesen Entscheidungen sei somit abzuleiten, dass auch bei Durchsetzung der Rückgabeentscheidung bei Änderung der relevanten Umstände, die nicht auf Verschulden des Staats oder seiner Behörden beruhten, der Vollzug bei konkreter schwerwiegender Kindeswohlgefährdung unterbleiben könne. Dies decke sich auch mit § 110 Abs 3 AußStrG.

Allerdings könne bei der Durchführung der Kindesabnahme aufgrund einer rechtskräftigen Rückgabeentscheidung nur auf neue Umstände Bedacht genommen werden, die also zwischen der Anordnung der Rückführung und den Vollstreckungsmaßnahmen eingetreten und für das Kindeswohl von Bedeutung seien. Im Vollstreckungsverfahren könne der Rückgabepflichtige unterlassene Einwendungen aus dem Titelverfahren nicht nachholen. Die in einem Schnellverfahren getroffene Rückgabeentscheidung nach dem HKÜ könne nicht jedes Mal dann neu aufgerollt werden, wenn derjenige, der sich der Rückgabe widersetze, neue Tatsachen behaupte. Im Interesse des Kindeswohls sei somit auf Änderungen nur dann Rücksicht zu nehmen, wenn sich diese erst nach der Fassung des angefochtenen Beschlusses ergeben hätten; nur insoweit gelte kein Neuerungsverbot (RIS-Justiz RS0106454; RS0007272; 4 Ob 2378/96a).

Das Titel- bzw Hauptverfahren könne daher im Zuge des Vollstreckungsverfahrens nicht mehr aufgerollt werden und es könne nicht neuerlich das Vorliegen angemessener Vorkehrungen zum Schutz des Kindes im Sinn von Art 11 Abs 4 EuEheVO als Teil des Hauptverfahrens geprüft werden, wobei es bei Vorliegen eines Rückführungshindernisses iSd Art 13 Abs 1 lit b HKÜ und Fehlen nachgewiesener Vorkehrungen ohnedies zur Abweisung des Rückgabeantrags im Hauptverfahren hätte kommen müssen.

Im Vollstreckungsverfahren könne lediglich in Ausnahmefällen dann ein Vollzug unterbleiben, wenn nach der Anordnung der Rückführung und vor Anordnung von Vollstreckungsmaßnahmen neue Umstände eingetreten seien, die bei der Anordnung von Vollstreckungsmaßnahmen zu einer schwerwiegenden Kindeswohlgefährdung führen würden und nicht durch die in § 110 Abs 4 AußStrG vorgesehenen Unterstützungsmaßnahmen verhindert werden könnten.

Die Durchsetzung der Rückgabeentscheidung könne auch nicht von gerichtlich angeordneten Bedingungen oder Aufträgen an den zurückgelassenen Elternteil abhängig gemacht werden. Weder § 110 AußStrG noch das Bundesgesetz vom 9. 6. 1988 zur Durchführung des HKÜ noch § 79 AußStrG über anzuwendende Zwangsmittel böten dafür eine Rechtsgrundlage.

Die vom Erstgericht in den Punkten 1. und 2. des erstinstanzlichen Beschlusses getroffenen Anordnungen könnten mangels Rechtsgrundlage dem zurückgelassenen Elternteil im Vollstreckungsverfahren nicht auferlegt werden. Ebenso scheide entsprechend der oberstgerichtlichen Rückgabeentscheidung eine unter Androhung von Zwangsstrafen ausgesprochene Verpflichtung der Mutter, das Kind bei der Rückkehr zu begleiten, mangels Rechtsgrundlage aus.

Der im Rekurs der Mutter vorgetragene Umstand, bei ihrer Rückkehr nach Griechenland drohe ihr aufgrund einer Strafanzeige des Vaters die Verhaftung, sei von ihr bereits im Titelverfahren geltend gemacht worden und somit keine Neuerung. Durch die von der Mutter behaupteten Drohungen des Vaters in den Telefonaten vom 17. und 18. 9. 2009 seien aber sehr wohl Änderungen der Umstände seit der oberstgerichtlichen Rückgabeentscheidung eingetreten, die eine Überprüfung dahingehend erforderlich machten, ob dadurch eine schwerwiegende Kindeswohlgefährdung des Minderjährigen zu gewärtigen sei. Da auch nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs die Rückgabe des Kindes an seinen vormaligen Aufenthaltsort in Santorin das Kind in eine nach Art 13 Abs 1 lit b HKÜ unzumutbare Lage brächte, bedürften die angeblichen Drohungen des Vaters bezüglich einer Mitnahme des Minderjährigen nach Santorin - wozu er nach derzeitigem Stand im Hinblick auf die bestehende gemeinsame Obsorge auch berechtigt wäre - einer Überprüfung bzw entsprechender Erhebungen, um das Vorliegen der behaupteten Kindeswohlgefährdung abschließend beurteilen zu können. Das Erstgericht werde durch ergänzende Erhebungen, etwa Einvernahme der Parteien, zu klären und festzustellen haben, ob der Vater die dargestellten Äußerungen getätigt und tatsächlich ein Verbringen des Kindes in den väterlichen Aufenthaltsbereich angekündigt habe und welche Auswirkungen dies auf das Kindeswohl bedeute. Das Wohl des mj Simon könne nicht völlig ausgeklammert werden, da dessen Wohl auch Auswirkungen auf das Wohl des Kindes habe. Nach den Feststellungen im Hauptverfahren würde eine Trennung des Kindes von seinem Halbbruder das Kindeswohl beeinträchtigen. Auch aufgrund des Antrags bzw der Anregung des Antragstellers sei nunmehr auch ein Pflegschaftsverfahren bezüglich des Halbbruders des Kindes im Zusammenhang mit richterlichen Anordnungen für den Fall einer Rückkehr der Antragsgegnerin mit dem Kind nach Griechenland anhängig. Erhebungen zum Verfahrensstand des beim Bezirksgericht Traun anhängigen Pflegschaftsverfahrens bezüglich des Halbbruders seien notwendig, insbesonders ob Maßnahmen bezüglich eines (teilweisen) Obsorgeentzugs betreffend Pflege und Erziehung (Aufenthalt) beabsichtigt seien bzw bereits getroffen worden seien.

Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs gegen den abändernden Teil seiner Entscheidung (ersatzlose Aufhebung einzelner Spruchpunkte) zu, da keine höchstgerichtliche Rechtsprechung einerseits zur Anwendung des § 110 AußStrG im Zusammenhang mit der Vollstreckung von Rückgabeentscheidungen nach dem HKÜ vorliege, andererseits zur Frage, ob überhaupt bzw im Zuge der Vollstreckung einer Rückgabeentscheidung vom Gericht selbst nach Art 11 Abs 4 EuEheVO Vorkehrungen angeordnet werden könnten.

Das Rekursgericht ließ auch bezüglich des Aufhebungsbeschlusses den Revisionsrekurs gemäß § 64 AußStrG zu, da zur Frage der Zulässigkeit der Erstattung neuen Vorbringens bei Eintreten von Änderungen nach Beschlussfassung über eine Rückgabe und zur Frage der Berücksichtigung des Kindeswohls im Vollstreckungsverfahren seit den Entscheidungen 4 Ob 2288/96s und 4 Ob 2378/96a keine aktuelle oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Mutter wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung insoweit, als die Spruchpunkte 1. und 2. des erstgerichtlichen Beschlusses ersatzlos aufgehoben, die Spruchpunkte 7., 8. und 10. zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung aufgehoben wurden. Sie begehrt die Anberaumung einer mündlichen Revisionsrekursverhandlung, die Wiederherstellung der Spruchpunkte 1. und 2., die ersatzlose Aufhebung der Spruchpunkte 7. und 8. jeweils des erstinstanzlichen Beschlusses sowie weiters, den Vollzug der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom 16. 7. 2009 sofort ohne Bedingungen abzulehnen bzw aufzuschieben bzw auszusetzen.

Der Vater beantragt in der Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs mangels Vorliegens der Voraussetzungen gemäß § 62 Abs 1 AußStrG als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben. Weiters beantragt er, die rekursgerichtliche Entscheidung dahingehend abzuändern, dass das Kind vorläufig unter die Obhut des zuständigen Amtes für Jugend und Familie zur Vorbereitung der Rückführung nach Griechenland gestellt werde.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.

Die Revisionsrekurswerberin bringt zusammengefasst vor, der Umstand, dass es der Vater in der Hand habe, sie - aufgrund einer einstweiligen Verfügung - „ins Gefängnis werfen zu lassen", und auch willens sei, dies zu tun, sei ein neuer Umstand, der auch im Vollzugsverfahren zu berücksichtigen sei. Wenn die Abnahme zu prüfen sei, müsste das Gericht neuerliche Erhebungen pflegen, zB ein Gutachten einholen, ob eine zwangsweise Trennung von der Mutter überhaupt und unter welchen Umständen möglich sei, ohne das Kindeswohl nachhaltig und massiv zu gefährden. Die Anordnung der Herausgabe des Kindes an den Vater oder an eine von diesem zu benennende Person, an den Gerichtsvollzieher oder wen immer, schlicht die Anordnung der Abnahme und Trennung von der Mutter, könne nicht rechtens sein. Das Beharren des Vaters auf Rückführung sei angesichts seiner Nichtleistung eines Unterhalts und des Nichtanerkennens der rechtskräftigen Ehescheidung sittenwidrig.

Hiezu wurde erwogen:

1. Allgemeine Ausführungen:

Zunächst wird auf die zutreffenden allgemeinen Rechtsausführungen des Rekursgerichts und die von diesem genannten Belegstellen verwiesen (vgl § 71 Abs 3 Satz 2 AußStrG). Hinzuzufügen ist nur Folgendes:

Auch Nademleinsky/Neumayr, Internationales Familienrecht Rz 09.19 lehren, das HKÜ enthalte keine näheren Bestimmungen über die Art, in der die Rückführung des Kindes nach Art 12 anzuordnen ist. In Betracht komme die Rückführung durch den Antragsteller selbst, den Entführer oder auch Dritte (3 Ob 89/05t). Die Wahl (der Mittel) bleibe somit dem Gericht überlassen (§ 110 AußStrG). Letztlich sei auch eine Abnahme mit Zwang, äußerst behutsam und womöglich unter Mithilfe des Jugendwohlfahrtsträgers, möglich (1 Ob 648/92).

Gemäß § 111a AußStrG idF des FamRÄG 2009 (BGBl I 2009/75) sind die Bestimmungen des Siebenten Abschnitts des II. Hauptstücks des AußStrG sinngemäß auch auf Verfahren nach dem HKÜ anzuwenden. Nach § 207e AußStrG idF des FamRÄG 2009 tritt § 111a AußStrG mit 1. Jänner 2010 in Kraft und ist dann anzuwenden, wenn der Antrag nach dem 31. Dezember 2009 bei Gericht eingelangt ist. Da dies hier nicht der Fall ist, ist § 111a AußStrG und somit der Siebente Abschnitt des II. Hauptstücks des AußStrG noch nicht (unmittelbar) anzuwenden. Dennoch ist nicht zu beanstanden, dass das Rekursgericht § 110 AußStrG analog auch schon im vorliegenden Fall angewendet hat (vgl IA 673/A 24. GP 34: „klarstellende Funktion").

2. Dem Revisionsrekurs im Besonderen ist Folgendes entgegenzuhalten:

Soweit die Rechtsmittelwerberin die Unterlassung neuerlicher Erhebungen, zB der Einholung eines Gutachtens, als Verfahrensmangel rügt, hat bereits das Rekursgericht einen derartigen Verfahrensmangel verneint und ausgeführt, das damit in Zusammenhang stehende Vorbringen der Antragsgegnerin zeige keine neuen Umstände auf (vgl RIS-Justiz RS0030748 [T2, T4, T5]).

Die drohende Verhaftung der Mutter in Griechenland war schon - wie bereits das Rekursgericht ausgeführt hat - Thema im Titelverfahren. Überdies steht eine die Verhaftung der Mutter anordnende einstweilige Verfügung nicht fest.

Auf die übrigen in erster Instanz behaupteten Neuerungen seit der Entscheidung des Senats im Titelverfahren kommt die Mutter im Revisionsrekurs nicht mehr zurück. Auch solche Umstände waren in zumindest ähnlicher Form bereits Gegenstand des Titelverfahrens.

Im Übrigen ist auf Folgendes hinzuweisen: Griechenland ist - wie Österreich - ein demokratischer Rechtsstaat, in dem es dem Vater nicht möglich ist, nach Willkür und ohne Anstrengung entsprechender behördlicher bzw gerichtlicher Verfahren jemanden „ins Gefängnis werfen zu lassen" oder sonst in seine Gewalt zu bringen. Es sei in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass nach der vom Vater im Titelverfahren vorgelegten (übersetzten, fotokopierten) Entscheidung des griechischen Landgerichts Naxos vom 23. 12. 2008 dieses Gericht den Antrag des Vaters auf Übertragung des vorläufigen (alleinigen) Sorgerechts für das Kind unter Hinweis auf das Alter des Kindes und die Eignung der Mutter zur Ausübung des Sorgerechts abgewiesen hat. Weiters regelte danach das griechische Gericht das Umgangsrecht (Besuchsrecht) des Vaters mit dem Kind; dies setzt im Zusammenhalt mit der vom griechischen Gericht ebenfalls - unzuständigerweise - ausgesprochenen Rückführungsanordnung voraus, dass das griechische Gericht offenbar davon ausging, das Kind werde nicht in den Haushalt des Antragstellers zurückkehren, sondern in der Obhut der Mutter bleiben (vgl 2 Ob 103/09z). Ein griechisches Gericht ist somit keineswegs ein willfähriges Werkzeug des Vaters. Die Anwendung des HKÜ setzt vielmehr wechselseitiges Vertrauen in andere Rechtsordnungen und Institutionen voraus. Zu bedenken ist auch, dass das Abkommen nicht nur die Rückführung nach Österreich, sondern auch aus Österreich entführter Kinder betrifft, weshalb eine einseitige Sichtweise zu vermeiden ist.

Da somit keine nur in besonderen Ausnahmefällen (vgl auch § 110 Abs 3 AußStrG) maßgeblichen neuen Umstände nach der Entscheidung im Titelverfahren festgestellt oder vorgebracht wurden, bestand schon deshalb kein Anlass, die Rückführung des Kindes von den im erstinstanzlichen Beschluss gesetzten Bedingungen abhängig zu machen.

Da das HKÜ die Rückführung eines entführten (zurückgehaltenen) Kindes nicht von Unterhaltszahlungen des zurückgebliebenen Elternteils an das Kind oder von der Akzeptanz einer gerichtlichen Entscheidung über die Ehescheidung der Eltern durch den zurückgebliebenen Elternteil abhängig macht, ist der Ansicht der Mutter, das Begehren des Vaters sei sittenwidrig, der Boden entzogen.

3. Zu den getroffenen Anordnungen:

In Verfahren, die auch von Amts wegen eingeleitet werden können, ist nach § 36 Abs 4 AußStrG das Gericht nicht an die Parteienanträge gebunden. Ebenso ist gemäß § 70 Abs 1 AußStrG der Oberste Gerichtshof in Verfahren, die auch von Amts wegen eingeleitet werden können, nicht an das Revisionsrekursbegehren gebunden, sondern kann den angefochtenen Beschluss auch zu Ungunsten der anfechtenden Partei abändern.

In diesem Sinn bleibt die Wahl der Mittel der Rückführung - wie ausgeführt - dem Gericht überlassen und kann der Oberste Gerichtshof ohne Bindung an die Anträge der Revisionsrekurswerberin auch zu deren Ungunsten selbständig und umfassend über die Vollstreckung entscheiden.

Nach § 110 Abs 4 AußStrG kann das Gericht, wenn es das Wohl des betroffenen Minderjährigen verlangt, bei der Durchsetzung der gerichtlichen oder gerichtlich genehmigten Regelung der Obsorge den Jugendwohlfahrtsträger oder die Jugendgerichtshilfe um Unterstützung, insbesondere um die vorübergehende Betreuung des Minderjährigen, ersuchen. Unmittelbarer Zwang zur Durchsetzung der gerichtlichen Regelung darf jedoch ausschließlich durch Gerichtsorgane ausgeübt werden; diese können die Organe des öffentlichen Sicherheitsdiensts beiziehen.

Eine Unterstützung durch den Jugendwohlfahrtsträger iSd § 110 Abs 4 erster Satz ist im vorliegenden Fall unerlässlich.

Der Auftrag des Erstgerichts in Spruchpunkt 7., dass die Übergabe des Kindes an Vertreter der Jugendwohlfahrtsbehörde zum Zweck der umgehenden Übergabe an den Vater oder eine von ihm bestimmte Person geschehen soll, steht mit den Ausführungen des Senats im Titelverfahren im Widerspruch. Dort hat der Senat ausgesprochen, dass auch im Fall, dass die Mutter das Kind in den väterlichen Lebensbereich begleitet und in weiterer Folge dort bleibt, aufgrund der dadurch zu erwartenden psychischen Belastung der Mutter und des äußerst gespannten Verhältnisses der Eltern von schwerwiegender Gefahr eines körperlichen oder seelischen Schadens für das Kind bzw einer für das Kind unzumutbaren Lage iSd Art 13 Abs 1 lit b HKÜ auszugehen wäre. Gerade deshalb hat der Oberste Gerichtshof im Titelverfahren das Mehrbegehren des Vaters, das Kind an seinen üblichen Aufenthaltsort in K*****, Santorin, also de facto in den Haushalt des Vaters, zurückzubringen, abgewiesen.

Die Beiziehung eines Kinderpsychologen ist im Interesse des Kindes geboten, was auch der Vater selbst beantragt hat. Um eine für das entführte (zurückgehaltene) Kind möglichst schonende Rückführung nach Griechenland zu gewährleisten, ist die Herstellung eines Einvernehmens des österreichischen mit dem griechischen Jugendwohlfahrtsträger zweckmäßig. Die mögliche Beiziehung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdiensts durch den Gerichtsvollzieher entspricht § 110 Abs 4 letzter Halbsatz AußStrG.

4. Zum Antrag auf Anberaumung einer Revisionsrekursverhandlung:

Da in den Bestimmungen über den Revisionsrekurs eine Revisionsrekursverhandlung nicht vorgesehen ist, ist gemäß § 71 Abs 4 AußStrG dessen § 52 Abs 1 auf das Revisionsrekursverfahren sinngemäß anzuwenden. Danach ist eine mündliche Rekursverhandlung vom Rekursgericht durchzuführen, wenn es eine solche für erforderlich erachtet. Da der Oberste Gerichtshof gemäß § 66 AußStrG auch in Außerstreitsachen nicht Tatsacheninstanz ist, ist für Beweiswiederholungen oder -ergänzungen, wozu eine mündliche Verhandlung notwendig wäre, im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof kein Platz (vgl Klicka in Rechberger, AußStrG § 71 Rz 4). Eine Revisionsrekursverhandlung ist auch nach Art 6 MRK nicht geboten (RIS-Justiz RS0043689 [T1,T4]).

5. Kosten:

Die Kostenentscheidung gründet sich auf Art 26 Abs 4 des HKÜ (vgl 1 Ob 648/92). Danach ist Kostenersatz nur für den obsiegenden Antragsteller vorgesehen, „soweit angezeigt". Wie schon im Titelverfahren hält der Senat eine Kostenersatzpflicht der Mutter für nicht angezeigt.

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