OGH 7Ob119/09i

OGH7Ob119/09i30.9.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Peter R*****, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, wegen Verpflichtung zur Ausschreibung (Streitwert 3.592 EUR), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 8. April 2009, GZ 53 R 6/09b-5, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Salzburg vom 24. November 2008, GZ 31 C 915/08m-2, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Einleitung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung

Der Kläger bringt in der zunächst gegen den Minister für Unterricht und Kunst gerichteten Klage vor, der Vertrag des bisherigen kaufmännischen Geschäftsführers (vgl FN 184066k) der Bundestheater-Holding GmbH sei ohne Ausschreibung nach § 2 Stellenbesetzungsgesetz um drei Jahre verlängert worden. Der Beklagte sei schuldig zu erkennen, die Position des Geschäftsführers der Bundestheater-Holding GmbH nach den Bestimmungen des Stellenbesetzungsgesetzes spätestens bis zum 29. 3. 2009 öffentlich auszuschreiben. In eventu begehrt der Kläger die Feststellung der Verpflichtung des Beklagten, die Position des Geschäftsführers nach den Bestimmungen des Stellenbesetzungsgesetzes auszuschreiben. Dass das Stellenbesetzungsgesetz nicht eingehalten worden sei, berühre die Rechtssphäre des Klägers unmittelbar und äußere Wirkung dadurch, dass es ihm verwehrt sei, sich im Rahmen einer Ausschreibung zu bewerben.

Das Erstgericht wies die Klage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Bei den Bestimmungen, auf die die Klage gestützt sei, handle es sich um solche, deren Vollzug der Verwaltung und nicht der Gerichtsbarkeit zugewiesen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und berichtigte die Parteienbezeichnung. Die Republik sei als Träger von Rechten und Pflichten ein einheitliches Rechtssubjekt, ohne Rücksicht auf die Gliederung in einzelne Ressorts oder Ämter. Der Kläger wolle die Ausschreibung nach den Bestimmungen des Stellenbesetzungsgesetzes gegen die Republik Österreich durchsetzen. Ein solcher Anspruch sei schon begrifflich keine bürgerliche Rechtssache. Im Sinn der Unterwerfungstheorie (Subjektionstheorie) stünden sich hier keine gleichberechtigten Rechtssubjekte gegenüber.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands im Hinblick auf die Bedeutung der Angelegenheit für den Kläger 4.000 EUR, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Rechtsfrage fehle, ob die Einhaltung einer öffentlichen Ausschreibung nach dem Stellenbesetzungsgesetz im Zivilrechtsweg durchsetzbar sei.

Dagegen richtet sich der zu Protokoll gegebene Revisionsrekurs des Klägers mit einem Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig. Nach § 520 Abs 1 letzter Satz ZPO können beim Bezirksgericht Rekurse von Parteien, die nicht durch einen Anwalt vertreten sind, auch mündlich zu Protokoll angebracht werden, wenn nicht schon im erstinstanzlichen Verfahren - wie hier wegen eines Streitwerts von unter 4.000 EUR gemäß § 27 Abs 1 ZPO - die Vertretung durch Rechtsanwälte geboten war. Schriftliche Rekurse müssen mit der Unterschrift eines Rechtsanwalts versehen sein. Unter Rekurs „beim Bezirksgericht" sind alle Rekurse zu verstehen, die beim Bezirksgericht zu erheben sind. Darunter fallen auch Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz im bezirksgerichtlichen Verfahren (1 Ob 698/88). Der weitere Begriff des Rekurses umfasst den engeren Begriff des Revisionsrekurses (Zechner in Fasching/Konecny2, § 520 ZPO Rn 1 iVm Vor §§ 514 ff ZPO Rz 17). Unter § 520 Abs 1 ZPO fallen daher auch Revisionsrekurse gegen Beschlüsse des Rekursgerichts (Zechner aaO, § 520 ZPO Rz 4; Zib in Fasching/Konecny2, § 27 ZPO 56; Kodek in Rechberger3, § 520 ZPO Rz 1). Der Kläger konnte daher wirksam den Revisionsrekurs zu Protokoll geben. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

Für die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs sind ausschließlich die Klagsbehauptungen maßgeblich (RIS-Justiz RS0005869). Entscheidend ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist. Ohne Einfluss ist hingegen, was der Beklagte einwendet oder ob der behauptete Anspruch begründet ist. Es kommt nur darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (RIS-Justiz RS0045584). Für die Frage, ob der Streitgegenstand nach privatrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen ist, ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens entscheidend, es muss aber auch die Natur des geltend gemachten Anspruchs berücksichtigt werden (RIS-Justiz RS0045539).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kommt es für die Abgrenzung des Gebiets der Privatwirtschaftsverwaltung von dem der Hoheitsverwaltung auf die Motive und den Zweck der Tätigkeit nicht an, entscheidend ist vielmehr, welche rechtstechnischen Mittel die Gesetzgebung zur Verwirklichung der zu erfüllenden Aufgaben bereitstellt. Hat der Gesetzgeber den Verwaltungsträger mit keinen Zwangsbefugnissen ausgestattet, so liegt keine Hoheitsverwaltung, sondern Privatwirtschaftsverwaltung vor (VfGH 3. 3. 2001, KI-2/99 ua, Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 29 mwN; Korinek/Holoubek, Grundlagen staatlicher Privatwirtschaftsverwaltung 10 f).

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof 2001/12/0134 vertrat das Bundeskanzleramt die Auffassung, der Bund handle bei der Ausschreibung einer Geschäftsführungsfunktion (Geschäftsführer der Volksoper Wien GmbH) wie jeder andere private Eigentümer einer Gesellschaft, jedoch mit der Einschränkung, dass er die Ausschreibungsregelungen (des damals in Geltung gestandenen Ausschreibungsgesetzes BGBl 521/1982) zu befolgen habe. Der Verwaltungsgerichtshof führte dort aus, dass die Anwendung der Verwaltungsverfahrensgesetze auf dem Gebiet der Privatwirtschaftsverwaltung von vornherein nicht in Betracht komme und das AVG samt den Bestimmungen über die Akteneinsicht auf das Ausschreibungsverfahren daher keine Anwendung finden könne (VwGH 13. 9. 2001, 2001/12/0134).

Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung muss einen oder mehrere Geschäftsführer haben. Die Bestellung erfolgt durch Beschluss der Gesellschafter (§ 15 Abs 1 GmbHG). Bei der Bestellung eines Geschäftsführers durch die Gesellschafter handelt es sich ganz ohne Zweifel um einen privatrechtlichen Vorgang. Diesem hat bei bestimmten Unternehmen mit Bundesbeteiligung ein Ausschreibungsverfahren zur Ermittlung eines geeigneten Kanditaten vorauszugehen. Zu prüfen ist, ob auch die der Bestellung vorgelagerte Ausschreibung als privatrechtlicher Vorgang zu beurteilen ist. Dazu kann auf vergleichbare Konstellationen zurückgegriffen werden.

Der Verfassungsgerichtshof hat zum Vorschlagsrecht der Ärztekammern zur Vergabe von Kassenverträgen an die einzelnen Ärzte ausgesprochen, dass dieses ein dem Privatrecht zuzuzählender Akt ist (B 2121/98). Auch der Oberste Gerichtshof hat, der einhelligen Lehre dazu folgend, bereits judiziert, dass die Vertragsarztauswahl dem Privatrecht zuzurechnen ist (7 Ob 299/00x mwN) und dass Streitigkeiten um die Kassenarztauswahl und -zulassung mangels angeordneter verwaltungsbehördlicher Sonderkompetenz vor den ordentlichen Gerichten im Zivilrechtsweg auszutragen sind (7 Ob 299/00x; RIS-Justiz RS0115620).

Werden - wie hier im Stellenbesetzungsgesetz - bestimmte Verhaltenspflichten des Bundes geregelt, sind dies Selbstbindungsgesetze. Selbstbindende Normen im Bereich der Privatwirtschaftsverwaltung sind ein Katalog von Verhaltenspflichten für die öffentliche Hand, von denen im Fall öffentlicher Bekanntgabe oder allgemeiner Zugänglichkeit jedermann weiß, dass die Verwaltungsorgane diese Verpflichtungen einzuhalten haben (RIS-Justiz RS0110159). Bei Missachtung dieser Selbstbindungsnormen kommt es zur Verletzung des Gleichbehandlungsgebots/Diskriminierungsverbots, werden doch Interessenten, die auf die gesetzeskonforme Ausschreibung vertrauen dürfen, daran gehindert, sich rechtzeitig zu bewerben. Die Ausschreibung dient dem Schutz des Bewerbers (zu den vergleichbare Interessen schützenden Vergabegesetzen: 1 Ob 239/02g). Die sogenannte „Fiskalgeltung der Grundrechte" für Gebietskörperschaften ist allgemein anerkannt. Darunter versteht man, dass der Staat und die anderen Gebietskörperschaften auch dann an die Grundrechte gebunden sind, wenn sie nicht hoheitlich, sondern in der Rechtsform des Privatrechts handeln, handeln sie doch nur im öffentlichen Interesse (7 Ob 299/00x mwN; zu den Vergabegesetzen: RIS-Justiz RS0030349). Die von Gebietskörperschaften im Rahmen der Privatwirtschaft gesetzten Eingriffe in Grundrechte können Grundlage für zivilrechtliche Ansprüche sein.

Legt man diese Erwägungen zugrunde, ist der vorhin zitierten Auffassung des Bundeskanzleramts, dass der Bund bei der Ausschreibung wie jeder andere private Eigentümer einer Gesellschaft handle, zu folgen. Durch die Ausschreibung vor dem ohne Zweifel privatrechtlichen Bestellungsakt soll nur sichergestellt werden, dass der am besten geeignete Kandidat auf die Bewerbung aufmerksam wird, sich bewirbt und in der Folge ausgewählt werden kann. Die Bestellung eines Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung und die allenfalls nötige, vorgelagerte Ausschreibung dieser Stelle nach dem Stellenbesetzungsgesetz ist daher dem Privatrecht zuzuordnen.

Die Gerichtsbarkeit in bürgerlichen Rechtssachen wird, soweit dieselbe nicht durch besondere Gesetze an andere Behörden oder Organe verwiesen ist, durch die ordentlichen Gerichte ausgeübt (§ 1 JN). Weder das Stellenbesetzungsgesetz noch das Bundestheaterorganisationsgesetz (im Gegensatz etwa zum Bundesvergabegesetz) sehen konkrete Rechtsfolgen bei Verletzung einer Ausschreibungsverpflichtung vor. Sie setzen auch keine Kompetenz für die Regelung allfälliger Streitigkeiten fest. Mangels angeordneter verwaltungsbehördlicher Sonderkompetenz sind daher Streitigkeiten im Zusammenhang mit behaupteten Verletzungen von Ausschreibungspflichten nach dem Stellenbesetzungsgesetz/Bundestheaterorganisationsgesetz vor den ordentlichen Gerichten im Zivilrechtsweg auszutragen.

Dementsprechend sind die angefochtenen Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und es ist dem Erstgericht die Durchführung des gesetzlichen Verfahrens aufzutragen. Nicht geprüft werden kann vom Obersten Gerichtshof im vorliegenden Verfahrensstadium, ob eine Verletzung einer Ausschreibungspflicht vorliegt und ob daraus die geltend gemachten Ansprüche abgeleitet werden könnten. Es ist nämlich - wie bereits ausgeführt wurde - bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs ohne Bedeutung, ob die geltend gemachten Ansprüche zu Recht bestehen oder nicht.

Die Kostenentscheidung entfällt, da keine Kosten verzeichnet wurden.

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