OGH 1Ob239/02g

OGH1Ob239/02g1.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*****, vertreten durch Dr. Frank Riel, Dr. Wolfgang Grohmann und Dr. Josef Cudlin, Rechtsanwälte in Krems, wider die beklagte Partei Stadt Wien, vertreten durch die Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft Dr. Stöhr, Rechtsanwälte in Wien, und den auf Seiten der beklagten Partei beigetretenen Nebenintervenienten Arch. Dipl. Ing. Bernhard E*****, vertreten durch Dr. Johann W. Kazda, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 18.168,21 sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Juni 2002, GZ 15 R 38/02x-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 11. Dezember 2001, GZ 19 Cg 44/01g-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie als

Zwischenurteil

zu lauten haben:

"Der wegen Nichtberücksichtigung als Bestbieter auf Grund der von der beklagten Partei veranstalteten Ausschreibung betreffend die Generalsanierung der Schule ***** Art der Arbeiten: Beschichtungen auf Holz und Metall, Anstriche auf Mauerwerk, Putz und Beton, Auftragskennzahl ***** eingeklagte Schadenersatzanspruch der klagenden Partei besteht dem Grunde nach zu Recht.

Die Kostenentscheidung wird dem Endurteil vorbehalten."

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger beteiligte sich an der von der Beklagten veranstalteten Ausschreibung der Beschichtungs- und Anstreicherarbeiten im Zuge der Generalsanierung einer Wiener Schule. Er legte am 19. 4. 2001 ein Angebot im Gesamtbetrag von ATS 2,239.312,32. Obwohl er mit diesem Angebot Billigstbieter war, erteilte die Beklagte, für die der Nebenintervenient die Ausschreibung durchführte, den Zuschlag einem anderen Unternehmen, dessen Angebotspreis ATS 2,239.635,36, somit um ATS 323,04 mehr als jener des Klägers, betrug. Das Gesamtvolumen des Bauvorhabens belief sich auf ATS 35,995.007.

Nach den der Ausschreibung zugrunde liegenden "Allgemeinen Bestimmungen" hatte der Bieter (Auftragnehmer) unter anderem "die ihm übergebenen Unterlagen unverzüglich eingehend zu prüfen und die bei Anwendung außergewöhnlicher Sorgfalt erkennbaren Mängel, Widersprüche, unvollständigen Leistungsbeschreibungen sowie Bedenken gegen die vorgesehene Art der Ausführung ... dem Auftraggeber unverzüglich schriftlich mitzuteilen". Auch hatte sich der Bieter "vor Angebotserstellung an Ort und Stelle von Lage, Beschaffenheit und Zustand der Baustelle von den örtlichen Gegebenheiten ... und vom Umfang der zu erbringenden Leistungen zu überzeugen".

Gemäß Punkt "00.02015 Z Vorbehalte" behielt sich der Auftraggeber das Recht vor "a) Positionen oder Teile des Leistungsverzeichnisses mengenmäßig zu verändern, b) Positionen nicht ausführen zu lassen." In diesen Fällen trat bei Verringerung der tatsächlichen Abrechnungsmengen keine Änderung der Einheitspreise ein und es konnten vom Auftragnehmer oder Anbieter keine Ansprüche wegen Erhöhung des Einheitspreises oder Verdienstentgang abgeleitet werden.

Punkt "00.02090 Z Ermittlung des Bestbieters" lautet wie folgt:

"Die Vergabe der Leistungen erfolgt nach dem Bestbieterprinzip (Zuschlag dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot), wobei folgende Zuschlagskriterien in der nachstehenden Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung herangezogen werden:

1. Preis (Gewichtung: 100 %)".

Die Ausschreibungsbedingungen legten weiters fest, dass das Vergabeverfahren nach der Ö-NORM A 2050 - modifiziert durch Ergänzungen und Änderungen der Beklagten - erfolge.

Das Leistungsverzeichnis enthielt eine Auflistung der einzelnen durchzuführenden Arbeiten samt Massenangaben. Letztere beruhten auf Berechnungen von Mitarbeitern des Nebenintervenienten. Während sich die zu sanierenden (Wand-)Flächen betreffende Positionen nicht mehr verändern konnten, musste das Ausmaß der zu spachtelnden Flächen geschätzt werden, weil das genaue Arbeitsausmaß erst nach Vorarbeiten wie etwa dem Abscheren verlässlich ermittelt werden konnte. Mitarbeiter des Nebenintervenienten schätzten, dass eine Fläche von 684,50 m2, das entspricht 5 oder 6 % der zu sanierenden Flächen, zu spachteln sein werde. Dieses Flächenmaß stellte die Untergrenze im Rahmen einer möglichen Bandbreite dar.

Dementsprechend wies die Leistungsposition "46.0505 C Spachteln, Putz f. Dispersion" 685,50 m2 aus. Der Kläger setzte in seinem Angebot den Einheitspreis für diese Leistungsposition mit ATS 50/m2 an, woraus sich ein Gesamtpreis für diese Position von ATS 34.275 ergab. Im Angebot des sodann mit den Arbeiten beauftragten Unternehmens lautete der Einheitspreis dieser Leistungsposition ATS 21/m2, wodurch sich deren Gesamtpreis mit ATS 14.395,50 errechnete.

Nach Angebotsöffnung unterzogen die Mitarbeiter des Nebenintervenienten die Angebote des Klägers und des schließlich beauftragten Unternehmens im Hinblick auf die geringe Differenz im Gesamtpreis einer näheren Überprüfung. Dabei wurde das Augenmerk besonders auf die veränderbare Position "Spachteln" gerichtet. Die Mitarbeiter des Nebenintervenienten gingen davon aus, dass sich das Ausmaß der zu spachtelnden Fläche "jedenfalls erhöhen" würde. Bereits ab einer Flächenvergrößerung von rund 12 m2 hätte sich sodann das Angebot des zweiten Unternehmens als günstiger erwiesen. Ein Mitarbeiter des Nebenintervenienten erhob, dass der Kläger anlässlich einer Ausschreibung von Maler- und Anstreicherarbeiten bei der Sanierung eines Spitals im Jahr 2000 die Position "Spachteln, Putz für Dispersion" bei einer Fläche von 21.100 m2 ebenfalls zum Einheitspreis von ATS 50 angeboten hatte. Er ging daher davon aus, dass der Kläger auch bei einer größeren Mengenangabe die Spachtelarbeiten zum selben Einheitspreis angeboten hätte.

Mit seiner am 31. 7. 2001 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte der Kläger, die Beklagte zur Zahlung des Betrags von ATS 250.000 sA schuldig zu erkennen. In der Ausschreibung sei der Preis als einziges Zuschlagskriterium festgelegt worden. Der Kläger habe daher als Bestbieter Anspruch auf Zuschlag des Gewerks gehabt. Durch die rechtswidrige Vorgangsweise der Beklagten sei ihm die mit der Ausführung des Auftrags verbundene Gewinnspanne in Höhe des Klagsbetrags entgangen.

Die Beklagte wendete ein, sie habe sich in der Ausschreibung das Recht vorbehalten, Positionen oder Teile des Leistungsverzeichnisses mengenmäßig zu verändern oder einzelne Positionen nicht ausführen zu lassen. Der Kläger habe erkennen können, dass die bei der Position "Spachteln" angegebene Fläche an der Untergrenze einer möglichen Bandbreite gelegen sei und überschritten werden könnte. Schon bei einer nur geringfügigen Erhöhung des Ausmaßes dieser Position wäre das Angebot des Klägers weniger günstig gewesen als jenes des schließlich beauftragten Unternehmens. Als Bestbieter sei jener Anbieter festzustellen gewesen, der unter Einbeziehung des Falles einer Erhöhung der Massen, insbesondere jener der Position "Spachteln", das preislich günstigste Angebot gelegt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, die Klagsführung sei grundsätzlich zulässig, weil das Volumen des Bauvorhabens unterhalb der Schwellenwerte des Wiener Landesvergabegesetzes sowie des Bundesvergabegesetzes liege, sodass Schadenersatzansprüche unmittelbar vor den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden könnten. Es könne nicht im Belieben der Beklagten stehen, die in der Ausschreibung enthaltenen Massenangaben nach Angebotslegung abzuändern und damit eine Änderung der Reihung der Angebote herbeizuführen. Auch habe dem Kläger eine Massenänderung der Position "Spachteln" bei gehöriger Aufmerksamkeit zwar als möglich, aber nicht unbedingt als geboten erscheinen müssen. Dennoch sei das Begehren des Klägers auf Schadenersatz nicht berechtigt, weil die Beklagte einerseits nur eine geringfügige fachlich berechtigte Modifikation des Angebots vorgenommen und andererseits nachgewiesen habe, dass ihr keine schuldhafte Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes vorzuwerfen sei, weil sachlich nachvollziehbare Überlegungen zur Erteilung des Zuschlags geführt hätten. Auch seien die Interessen des Auftraggebers im Zusammenhang mit der neuerlichen Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens mit den Interessen der Bieter an der Durchführung eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens gegeneinander abzuwägen.

Das Gericht zweiter Instanz bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es entspreche nunmehr gesicherter Rechtsprechung, dass der zu Unrecht übergangene Bieter vom Ausschreibenden den entgangenen Gewinn verlangen könne. Der Auftraggeber hafte für die Einhaltung der von ihm selbst geschaffenen Regeln auf das Erfüllungsinteresse. Die Einhaltung der Vergabebestimmungen diene insbesondere auch dem Schutz der Bieter vor unlauterer Vorgangsweise bei der Vergabe. Der Bieter dürfe auf ihre Einhaltung durch Organe der öffentlichen Hand vertrauen. Die Verletzung solcher "Selbstbindungsnormen" sowie die Missachtung des Gleichbehandlungsgebots könnten somit die Verpflichtung des Rechtsträgers zum Schadenersatz zur Folge haben.

Wie in der - hier mit Modifikationen anzuwendenden - ÖNORM A 2050 verlangt, habe die Beklagte in ihrer Ausschreibung die von ihr vorgesehenen Zuschlagskriterien angegeben und festgelegt, dass dem Preis ausschließliche Bedeutung zukomme. Die Gesamtpreise der "beiden Bestbieter" seien marginal voneinander abgewichen. Ausschlaggebend für die Entscheidung der Beklagten sei nach einer vertieften Angebotsprüfung durch ihren Architekten der unterschiedliche Preis in der Leistungsposition "Spachteln" gewesen. Das Ausmaß der zu spachtelnden Fläche sei schwer abschätzbar und - auch für den Kläger erkennbar - an der Untergrenze der hiefür in Betracht kommenden Bandbreite ausgeschrieben worden. Die Beklagte habe im Sinne sparsamer Verwendung öffentlicher Mittel bei dieser Sachlage den durchaus wahrscheinlichen - und in der Folge auch tatsächlich eingetretenen - Fall in ihre Erwägungen einbeziehen müssen, dass sich das Ausmaß der zu spachtelnden Fläche im Zuge der Bauausführung nicht unwesentlich erhöhen werde. Eine derartige Entwicklung wäre auch für den fachkundigen Kläger bei Besichtigung der Baustelle vor Angebotserstellung vorhersehbar gewesen, sodass er seine Preiskalkulation und -gestaltung darauf habe einrichten können. Bei dieser Gesamtbetrachtung könne der Beklagten eine unsachliche oder willkürliche Vorgangsweise nicht vorgeworfen werden, "wenn sie eine realistische und bei der konkreten Leistungsposition auch unvermeidbare Abweichung der in der Ausschreibung angeführten Mengenangabe während des Baus mitberücksichtigt" habe. "Allenfalls" könne der Beklagten vorgeworfen werden, die diesbezügliche Mengenangabe in der Ausschreibung zu niedrig angesetzt oder eine Nachtragsausschreibung mit einer alternativen höheren Mengenangabe unterlassen zu haben. Dass dies zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis geführt hätte, stehe jedoch gerade nicht fest. Der Zuspruch des entgangenen Gewinns setze jedenfalls voraus, dass der Kläger "im Falle zutreffender Mengenangaben tatsächlich Bestbieter gewesen wäre". Dies ergebe sich daraus, dass der Beweis des Kausalzusammenhangs zwischen dem rechtswidrigen Verhalten und dem eingetretenen Schaden grundsätzlich dem Geschädigten obliege. Auch könne "hier schon deshalb nicht prima facie auf die Bestbietereigenschaft des Klägers im Falle einer den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechenden Mengenangabe der zu spachtelnden Fläche" geschlossen werden, weil dieser anlässlich einer anderen Ausschreibung selbst bei einem größeren Flächenausmaß "denselben" Einheitspreis geboten habe. Es stehe daher ein rechtswidriges Verhalten der Beklagten, jedenfalls aber der Kausalzusammenhang zwischen einem allfälligen Ausschreibungsmangel und dem vom Kläger behaupteten Schaden nicht fest. Damit fehle es an einer für das erhobene Schadenersatzbegehren unabdingbaren Voraussetzung.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist berechtigt.

In dem - hier nach der dafür maßgeblichen Rechtslage (§ 6 Abs 1 BVergG 1997; § 1 Abs 1 Z 2 WLVergG) - vergabegesetzlich nicht geregelten Bereich unterhalb der Schwellenwerte bedarf es der zuvor erfolgten Feststellung einer Rechtswidrigkeit durch das Bundesvergabeamt bzw den Vergabekontrollsenat nicht. Vor den ordentlichen Gerichten können Schadenersatzansprüche übergangener Bieter auch nach Erteilung des Zuschlags durchgesetzt werden (SZ 73/55).

Die Einhaltung der Vergabebestimmungen dient auch und vor allem dem Schutz der Bieter vor unlauterer Vorgangsweise bei der Vergabe. Diese Bestimmungen geben den Organen der öffentlichen Hand Verhaltenspflichten auf, auf deren Beachtung die Bieter vertrauen dürfen. Die Verletzung solcher "Selbstbindungsnormen" sowie die Missachtung des Gleichbehandlungsgebots, das aus dem Gleichheitssatz abzuleiten ist und gleichermaßen auch die Privatwirtschaftsverwaltung der Rechtsträger beherrscht, können deshalb im vorvertraglichen Raum nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo bei Vorliegen eines gemäß § 1298 ABGB zu vermutenden Organverschuldens die Verpflichtung des Rechtsträgers zum Schadenersatz zur Folge haben. Seit der Entscheidung SZ 67/182 ist es ständige Rechtsprechung, dass auch das positive Vertragsinteresse, also das Erfüllungsintereresse, zuerkannt werden könne, wenn der Vertrag ohne die Pflichtverletzung zustande gekommen wäre. Ähnlich wie bei "Vorhandverträgen", die eine dem Vorvertrag vergleichbare vertragliche Bindung schaffen, könne auch bei Ausschreibungen die Annahme einer solchen Bindung gerechtfertigt sein. Diese Bindung bilde eine tragfähige Grundlage für den Anspruch auf Ersatz des Erfüllungsinteresses jenes Bieters, der bei Öffnung der Angebote Bestbieter gewesen sei (SZ 73/55; 1 Ob 110/02m mwH).

Die Beklagte hat in ihrer Ausschreibung zwar festgelegt, die Vergabe der Leistungen erfolge nach dem "Bestbieterprinzip (Zuschlag dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot)", hat jedoch als einziges Zuschlagskriterium den Preis mit einer Gewichtung von 100 % genannt. Damit scheint zwar die Ausschreibung im Ergebnis in Widerspruch zu dem im § 53 BVergG 1997 normierten Bestbieterprinzip zu stehen, doch wurde die Reduzierung der Zuschlagskriterien auf den niedrigsten Preis bereits unter dem Regime dieses Gesetzes dann als zulässig erachtet, wenn die Ausschreibung des Auftraggebers die Leistung und ihre Spezifikationen so exakt beschreibt, dass bei der Ausführung ein klarer und eindeutiger, dem Stand der Technik entsprechender Qualitätsstandard zu erwarten ist (VKS Stmk, RPA 2001, 33 mit zust Glosse Edlinger). Das - hier noch nicht anzuwendende - BVergG 2002 sieht in seinem § 67 Abs 3 vor, dass der Auftraggeber auch das Billigstbieterprinzip wählen kann, sofern der Qualitätsstandard der Leistung in der Bekanntmachung oder in den Ausschreibungsunterlagen klar und eindeutig definiert ist, sodass die Festlegungen in der Ausschreibung qualitativ gleichwertige Angebote sicherstellen. Nach dem Ausschussbericht zu § 99 BVergG (abgedruckt in König/Reichel-Holzer, BVergG 2002, 297) hat das Österreichische Normungsinstitut in authentischer Interpretation der auch der hier strittigen Ausschreibung zugrunde liegenden ÖNORM A 2050 festgestellt, "dass unter bestimmten Voraussetzungen (wenn in der Ausschreibung ausreichende Festlegungen getroffen wurden, die gleichwertige Angebote sicherstellen), der Preis als einziges Zuschlagskriterium nicht dem Bestbieterprinzip widerspricht". Dem Bestbieterprinzip entspreche eine Ausschreibung, in der nur der Preis als einziges Zuschlagskriterium angegeben ist, ausschließlich dann, "wenn nur gleichwertige Leistungen anzubieten seien und gleichzeitig sichergestellt sei, dass die angebotenen Leistungen zB gleiche Qualität, gleiche Lebensdauer, aber auch gleiche Erhaltungs- und Betriebskosten haben". Es hat daher viel für sich, dass auch nach dem hier anzuwendenden BVergG 1997 angesichts der qualitativ wohl als standardisiert anzusehenden ausgeschriebenen Leistungen der niedrigste Preis als einziges Zuschlagskriterium gewählt werden durfte. Dies muss aber nicht abschließend geklärt werden, weil - wie bereits erörtert - der Schwellenwert der in Geltung gestandenen Vergabegesetze nicht erreicht wurde und nach den EG-Vergaberichtlinien grundsätzlich die Wahlmöglichkeit zwischen dem "Niedrigstpreisangebot" und dem "technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot" besteht (vgl Gölles, Das neue Bundesvergabegesetz - Grundsätze des Vergabeverfahrens, WBl 1997, 456; Stempkowski, Berücksichtigung sozialer Belange bei der Vergabe öffentlicher Aufträge, RPA 2001, 193).

Dass das gewählte Zuschlagskriterium nach der Art der zu erbringenden Leistung eine Gleichbehandlung der Bieter verhindert habe, wurde weder vorgebracht, noch ist Derartiges sonst im Verfahren hervorgekommen.

Die Beklagte, die somit zulässigerweise den niedrigsten Preis als ausschließliches Zuschlagskriterium definiert hat, hat sich unter anderem darauf berufen, sie habe dem Kläger deshalb den Zuschlag nicht erteilt, weil eine vertiefte Angebotsprüfung der Position "Spachteln" ergeben habe, dass eine nach dem Lauf des Baugeschehens durchaus mögliche, bloß geringfügige Überschreitung der in der Ausschreibung genannten Fläche bereits dazu geführt hätte, dass das Angebot des zweitgereihten Unternehmens insgesamt niedriger gewesen wäre. Gemäß 7.3.6 der ÖNORM A 2050 (Ausgabe: 2000-03-01) sind Angebote, die für die Wahl des Zuschlags in Frage kommen, einer vertieften Angebotsprüfung zu unterziehen, wenn sie auf Grund von Erfahrungswerten a) einen zu hohen oder zu niedrigen Gesamtpreis aufweisen, b) zu hohe oder zu niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen aufweisen oder c) nach Prüfung gemäß 7.3.4.4 begründete Zweifel an der Angemessenheit von Preisen entstehen lassen. Eine vertiefte Angebotsprüfung ist somit dann vorzunehmen, wenn entweder der Gesamtpreis oder Einheitspreise zu hoch oder zu niedrig sind oder Zweifel an der Angemessenheit der Preise bestehen. Es geht also in erster Linie darum, ob die angesetzten Preise nach den jeweiligen Kalkulationserwägungen plausibel erklärt werden können. Das Ergebnis der vertieften Angebotsprüfung fließt in die Angebotswertung ein, nimmt aber deren Ergebnis nicht vorweg (Kropik, Die Wertung von kalkulatorischen Kosten im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung von Bauleistungen, ZVB 2001/35; Oberndorfer/Schwarz, Preisangemessenheit bei öffentlichen Bauaufträgen, ZVB 2001/60). Die Unplausibilität des Angebots kann bei der Vergabeentscheidung ein Kriterium für die Bestbieterermittlung sein: Bei annähernd gleichem Gesamtpreis wird ein plausibles Angebot eher den Zuschlag erhalten als ein unplausibles, geringfügig niedrigeres. Steht hingegen die Best- oder Billigstbieterqualität außer Zweifel, so kann sich die Angebotsprüfung im Prinzip nicht anmaßen, die Kalkulation des Anbieters korrigieren zu wollen (Rummel, Zivilrechtliche Probleme des Vergaberechts, ÖZW 1999, 1).

Dass in diesem Sinn relevante Gründe für die Vornahme einer vertieften Angebotsprüfung wegen mangelnder Plausibilität des bei der Position "Spachteln" eingesetzten Preises gegeben gewesen wären, hat die Beklagte indes gar nicht behauptet. Vielmehr kann aus ihrem Vorbringen, der Kläger wäre bei auch nur geringfügiger Überschreitung der zu spachtelnden Fläche nicht mehr Billigstbieter gewesen, abgeleitet werden, dass sie in Wahrheit bestrebt war, den in der Ausschreibung offenkundig zu niedrig gewählten Mengenansatz für diese Position nachträglich zu korrigieren. Auch der Grundsatz der Sparsamkeit der Verwaltung rechtfertigt jedoch die nachträgliche Neubewertung der ausgeschriebenen Arbeiten nicht, wurde doch damit einseitig in die Angebotsinhalte eingegriffen und so die Reihung der Angebotssummen verändert. Allein schon der Umstand, dass der Ausschreibende durch diese Vorgangsweise Einfluss auf die Reihung der Angebote gewänne, begründet schon einen Verstoß gegen die Vergabegrundsätze (SZ 71/133). Das vom Ausschreibenden zu beachtende Gleichbehandlungsgebot verbietet es ihm, nachträglich in den kalkulatorischen Zusammenhang der Einzelpositionen der Angebote der Bieter einzugreifen (JBl 2002, 385).

Dieser Argumentation kann die Beklagte auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, der Kläger habe auf Grund seiner Fachkenntnis vorhersehen können, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine größere Fläche zu spachteln sein werde. Der Europäische Gerichtshof hat bereits zur Richtlinie 71/305 EWG des Rates vom 26. Juli 1971 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge ausgesprochen, der öffentliche Auftraggeber müsse die für jede Ausschreibung geltenden Kriterien und Bedingungen in angemessener Weise bekanntmachen (EuGHSlg 1988, 4635, "Beentjes"). In seinem Erkenntnis vom 12. 12. 2002, C-470/99 , fügte dieser Gerichtshof zur Nachfolgerichtlinie 93/37 EWG des Rates vom 14. Juni 1993 zur Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Bauaufträge unter Verweisung auf das vorher genannte Erkenntnis hinzu. Der Grundsatz der Gleichbehandlung, der den Vergaberichtlinien zugrunde liege, schließe die Verpflichtung zur Transparenz, die es ermöglichen solle, die Beachtung dieses Grundsatzes zu überprüfen, ein. Diese dem öffentlichen Auftraggeber aufgegebene Verpflichtung bezwecke, den Bietinteressenten noch vor der Vorbereitung ihrer Angebote die Zuschlagskriterien, denen diese Angebote entsprechen müssen, und deren relative Bedeutung bekanntzumachen, um so die Beachtung der Grundsätze der Gleichbehandlung der Bieter und der Transparenz zu gewährleisten. Im gleichen Sinn argumentierte der Gerichtshof in den Rechtssachen C-513/99 und C-19/00 , indem er dort ausführte, ein Zuschlagskriterium, das einem öffentlichen Auftraggeber bei der Vergabe des Auftrags an einen Bieter die uneingeschränkte Entscheidungsfreiheit einräume, sei mit der (oben später zitierten) Richtlinie unvereinbar. Die Zuschlagskriterien seien vielmehr in den Verdingungsunterlagen oder in der Bekanntmachung so zu fassen, dass sie von allen durchschnittlich fachkundigen Bietern bei Anwendung der üblichen Sorgfalt in gleicher Weise ausgelegt werden könnten. Die Entscheidung C-19/00 hatte einen insoweit vergleichbaren Fall zum Gegenstand, als auch dort die beiden für den Zuschlag in Frage kommenden Angebote vom Gesamtpreis her annähernd gleich waren. Dort erachtete es der Europäische Gerichtshof als zulässig, dass ein öffentlicher Auftraggeber, der sich dafür entschieden hat, den Zuschlag dem wirtschaftlich günstigsten Angebot zu erteilen, jenes Angebot auswählt, dessen Endkosten nach dem Gutachten eines Sachverständigen vermutlich die niedrigsten sind, sofern die Gleichbehandlung der Bieter gewahrt ist, was voraussetzt, dass die Transparenz und die Objektivität des Verfahrens gewährleistet sind, insbesondere dass dieses Zuschlagskriterium in der Bekanntmachung oder in den Verdingungsunterlagen klar benannt ist und dass das Sachverständigengutachten in allen wesentlichen Punkten auf objektive Faktoren gestützt ist, die in der fachlichen Praxis als für die vorgenommene Beurteilung maßgeblich und geeignet betrachtet werden (siehe auch Pachner, EuGH 18. 10. 2001, C-19/00 , ZVB 2002/6).

Im Lichte dieser Entscheidung kann es somit dem Auftraggeber zwar nicht verwehrt werden, auch die vermutliche Endabrechnungssumme als Zuschlagskriterium zu bewerten - wie dies die Beklagte im Ergebnis getan hat -, doch muss dieses Kriterium in solchen Fällen in der Ausschreibung, die zudem dann nicht ausschließlich auf das Billigstangebot abstellen kann, ausdrücklich genannt sein. Davon kann aber bei der hier zu beurteilenden, von der Beklagten veranstalteten Ausschreibung keine Rede sein. Der bloße Hinweis auf die fachliche Erfahrung der teilnehmenden Unternehmer entspricht weder dem Gebot der Transparenz noch damit dem der Gleichbehandlung.

Entgegen der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht ist auch die Kausalität des rechtswidrigen Verhaltens der Beklagten für den vom Kläger behaupteten Schaden ohne weiteres zu bejahen, steht doch fest, dass ihm bei Einhaltung der in dieser Entscheidung dargelegten Vergabegrundsätze der Zuschlag zu erteilen gewesen wäre. Auf die Frage, ob er im Fall einer anders gestalteten Ausschreibung ebenfalls Bestbieter gewesen wäre, kommt es nicht an.

Der Revision ist Folge zu geben. Über das dem Grunde nach spruchreife Klagebegehren ist gemäß § 393 Abs 1 ZPO mit Zwischenurteil zu entscheiden.

Die Kostenentscheidung ist gemäß §§ 393 Abs 4, 52 Abs 2 ZPO der Endentscheidung vorzubehalten.

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