OGH 5Ob279/08b

OGH5Ob279/08b27.1.2009

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Veith, Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1.) Dr. Peter L*, 2.) Petra L*, beide vertreten durch Mag. Dr. Karlheinz Klema, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Antragsgegner 1.) Ilse H*, vertreten durch Dr. Fritz Wintersberger, Mag. Thomas Nitsch und Dr. Sacha Pajor, Rechtsanwälte in Mödling, 2.) Dr. Adalbert S*, 3.) Dr. Michaela S*, 4.) Franz‑Michael H*, 5.) DI Gertrud S*, 6.) Mag. Stefan S*, 7.) DI Dieter M*, 8.) Dr. Maria‑Theresia L*, 9.) MMag. Ewgeni H*, 10.) Werner H*, 11.) Brigitta H*, 12.) Anton W*, 13.) Michael W*, 14.) Helga W*, 15.) Dr. Rupert K*, 16.) Christine Z*, 17.) Erna S*, 18.) DI Michael E*, 19.) Eva E*, 20.) Johann R*, 21.) Ingrid R*, 22.) Mag. Regina E*, 23.) Dr. Krista S*, 24.) Werner K*, 25.) Elisabeth F*, 26.) Richard F*, alle *, wegen § 52 Abs 1 Z 2 und 3 WEG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erstantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. September 2008, GZ 39 R 265/08x‑18, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2009:E89870

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

 

 

Begründung:

 

Das Rekursgericht ersetzte die allein fehlende Zustimmung der Erstantragsgegnerin zur Durchführung einer Baumaßnahme, mit der die im Wohnungseigentum der Antragsteller stehenden Wohnungen top Nr 5 und 6 durch eine gemeinsame, vorversetzte Wohnungseingangstür verbunden werden. Dazu wurden bestimmte Auflagen zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Gestaltung des Stiegenhauses erteilt und ausgesprochen, dass die Arbeiten so durchzuführen seien, dass eine Wiederherstellung des ursprünglichen Zustands möglich ist.

Gleichzeitig wurde eine Benützungsregelung dahin getroffen, dass die Antragsteller den in Anspruch genommenen (1 ½ m2 großen) Gangteil ausschließlich zu benützen berechtigt seien und die Bezahlung eines einmaligen Pauschalbetrags zur Abgeltung angeordnet.

Das Rekursgericht verneinte zwar, dass die angestrebte Maßnahme der Übung des Verkehrs entspreche, billigte allerdings den Antragstellern ein wichtiges familiär bedingtes Interesse an der Schaffung einer einzigen Wohnungseingangstür zu. Keineswegs stehe bloß eine Steigerung der Lebensqualität oder des Werts der Wohnungen im Vordergrund, sondern das eminente Interesse einer vierköpfigen Familie mit minderjährigen Kindern, nicht zwei getrennte Wohnungen, sondern eine einheitliche Wohneinheit zu bewohnen. Die Beseitigung einer Gangnische in der Größe von 1,5 m2 bewirke keine ins Gewicht fallende Beeinträchtigung der übrigen Wohnungseigentümer.

In Anbetracht der Geringfügigkeit der Nutzungszuwendung eines allgemeinen Teils der Liegenschaft an die Antragsteller und des zu erwartenden verwaltungstechnischen Aufwands bei Vorschreibung eines monatlichen Benützungsentgelts setzte das Rekursgericht einen einmaligen Pauschalbetrag von 4.000 EUR fest.

 

Rechtliche Beurteilung

Diese Beurteilung durch das Rekursgericht steht in Einklang mit höchstgerichtlicher Rechtsprechung. Selbst bei fehlender Verkehrsüblichkeit einer Änderung kann sie durch das wichtige Interesse eines Wohnungseigentümers daran legitimiert sein (vgl 5 Ob 24/08b = wobl 2008/94 [Call] = immolex 2008/104 [Edelbauer]), wobei eine Abwägung der Interessen des Änderungswilligen gegenüber den Interessen der nicht zustimmenden Miteigentümer nicht stattzufinden hat (vgl 5 Ob 53/88 = wobl 1990/27 = MietSlg 41.458/22; 5 Ob 2334/96p = MietSlg 49.497 ua).

Das für die Genehmigungsfähigkeit einer Änderung des Wohnungseigentumsobjekts unter Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft erforderliche „wichtige Interesse" muss über das selbstverständliche Interesse jedes Eigentümers an einer Wohnungsvergrößerung oder Wertsteigerung seines Objekts hinausgehen; bloße Zweckmäßigkeitserwägungen genügen für die Annahme eines wichtigen Interesses in der Regel nicht (vgl RIS‑Justiz RS0083341). So hat der erkennende Senat jüngst den familiär bedingten Wunsch eines Wohnungseigentümers, seine Terrasse unter Inanspruchnahme allgemeiner Teile zu verglasen, als wichtiges Interesse im Sinn des § 16 Abs 2 Z 2 WEG beurteilt (vgl 5 Ob 47/06g = wobl 2006/96 [zust Call]).

Soweit die Revisionsrekurswerberin damit argumentiert, die vorliegende Entscheidung weiche von höchstgerichtlicher Rechtsprechung, insbesondere 5 Ob 2334/96p und 5 Ob 5/01y ab, ist ihr Folgendes entgegenzuhalten:

In der erstgenannten Entscheidung ging es zwar wie hier um das Vorversetzen einer Wohnungseingangstür unter Inanspruchnahme eines geringfügigen Gangteils, doch wurde das Änderungsbegehren deshalb abgewiesen, weil der Antragsteller überhaupt kein Vorbringen zum Vorliegen seines wichtigen Interesse erstattet hatte. Der der Entscheidung 5 Ob 5/01y zugrundeliegende Sachverhalt ist mit dem gegenständlichen schon wegen des Ausmaßes des Eingriffs in allgemeine Teile nicht vergleichbar, ging es doch um die Errichtung einer Terrasse bzw eines Balkons für ein Dienstzimmer eines Nachtdienste verrichtenden Apothekers.

In der Rechtsprechung wurde die Zusammenlegung von Wohnungen abgelehnt, wenn unterschiedliche Wohnungseigentümer vorhanden waren (5 Ob 57/93), die zusammenzulegenden Objekte in verschiedenen Häusern mit verschiedenen Eigentümern lagen (5 Ob 81/89) oder die zusammenzulegenden Objekte teils im Wohnungseigentum, teils im schlichten Miteigentum standen (vgl 5 Ob 38/08m).

Im vorliegenden Fall war in die Überlegungen noch einzubeziehen, dass nur eine geringe Inanspruchnahme allgemeiner Teile der Liegenschaft angestrebt wird (vgl 5 Ob 22/80 = MietSlg 32.486; 5 Ob 261/99i = MietSlg 52.540; 5 Ob 47/06g = wobl 2006/96 [Call]), die überdies nicht auf Dauer konzipiert, weil nur von einer Benützungsregelung getragen ist, und daher keine Eigentumsverschiebung zum Gegenstand hat.

Wenn daher das Rekursgericht den familiär bedingten Wunsch der Wohnungseigentümer, ihre beiden Wohnungen durch Vorversetzen einer gemeinsamen Wohnungseingangstür zu vereinigen, als wichtiges Interesse im Sinn des § 16 Abs 2 Z 2 WEG gewertet hat, liegt darin jedenfalls keine grobe, die Rechtssicherheit in Frage stellende Fehlbeurteilung vor, die vom Obersten Gerichtshof zu korrigieren wäre (vgl 5 Ob 212/01i).

Dasselbe gilt für die gerichtliche Benützungsregelung hinsichtlich des 1 ½ m² großen allgemeinen Gangteils. Auch dabei handelt es sich um eine von Billigkeitserwägungen getragene Ermessensentscheidung, die von den Umständen des konkreten, oben beschriebenen Einzelfalls abhängt und daher nur bei grober Fehlbeurteilung korrekturbedürftig wäre (vgl RIS‑Justiz RS0101498).

Entgegen der Ansicht des Revisionsrekurses wurde der von den Antragstellern angebotene Pauschalbetrag von 4.000 EUR als pauschales Benützungsentgelt festgesetzt, nicht aber bei der Interessenabwägung des § 16 Abs 2 WEG berücksichtigt.

Weil die Antragsteller keine Vergrößerung ihres Wohnungseigentumsobjekts um die 1 ½ m2 Gangfläche anstrebten, sondern dafür nur eine Benützungsregelung, also das Recht einen bestimmten Gangteil allein zu benützen, begehrten, ist der Vorwurf der Revisionsrekurswerberin, es komme dadurch unzulässigerweise zu Substanzänderungen, unberechtigt.

Insgesamt liegen daher Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG nicht vor.

Das hatte zur Zurückweisung des außerordentlichen Rechtsmittels der Erstantragsgegnerin zu führen.

 

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