Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung
Die Antragstellerin ist Mieterin eines Geschäftslokales in dem dem Antragsgegner gehörigen Haus Wien 8., Lange Gasse 18, sowie eines daran angrenzenden Lagerraumes im Nebenhaus, Lange Gasse 16, das im Eigentum der NÖ B*** Versicherungs-AG steht. Da sie die Absicht hat, einen Mauerdurchbruch vom Geschäftslokal in das Nachbarhaus herstellen zu lassen und der Antragsgegner seine Zustimmung zu dieser Veränderung des Mietgegenstandes und die dazu erforderliche Unterfertigung des Baubewilligungsantrages verweigerte, stellte sie bei der Schlichtungsstelle des Magistrates der Stadt Wien den Antrag, den Antragsgegner schuldig zu erkennen, der Durchführung des geplanten Mauerdurchbruches unter Einbau einer Türe (entsprechend einem dem Antrag angeschlossenen Plan) zuzustimmen und die zur Erlangung der notwendigen baubehördlichen Bewilligung erforderlichen Unterschriften zu leisten. Der Antragsgegner sprach sich gegen den Antrag aus, weil die beabsichtigte Veränderung des Mietobjektes eine Gefahr für die Sicherheit von Personen und Sachen und darüber hinaus auch eine Schädigung des Hauses darstelle.
Der Antragsgegner gab sich mit der im Sinne des Antrages ergangenen Entscheidung der Schlichtungsstelle nicht zufrieden und rief rechtzeitig das Gericht an (§ 40 Abs 1 MRG). Vor Gericht ergänzte die Antragstellerin ihr Vorbringen im wesentlichen noch dahin, daß die beabsichtigte Veränderung keine Schädigung des Hauses bewirke, eine erhebliche Verbesserung des Bestandgegenstandes darstelle und dem derzeitigen Stand der Technik, der Übung des Verkehrs sowie einem wichtigen Interesse der Antragstellerin entspreche. Eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Vermieters oder anderer Mieter sei nicht zu besorgen. Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner zur Zustimmung zu dem beantragten Durchbruch der Feuermauer zwischen den beiden Häusern und zur Leistung der für die baubehördliche Bewilligung der Änderungen erforderlichen Unterschriften, wobei es die Antragstellerin - entsprechend ihrem vor der Schlichtungsstelle gemachten Anbot - verpflichtete, bei Zurückstellung des Mietobjektes gemäß § 9 Abs 3 MRG den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Es ging abgesehen von dem bereits wiedergegebenen Sachverhalt noch von folgenden Annahmen aus:
Die beabsichtigte Verbindung der beiden Lokale entspricht dem derzeitigen Stand der Technik, der Übung des Verkehrs und einem wichtigen Interesse des Hauptmieters. Bei ordnungsgemäßer Ausführung der Arbeiten ist eine Schädigung des Hauses auszuschließen. Die Eigentümerin des Hauses Lange Gasse 16 ist mit dem Mauerdurchbruch für den Fall einverstanden, daß ihr "die Statik für die Arbeiten", die baubehördliche Genehmigung und die schriftliche Verpflichtungserklärung der Antragstellerin, nach Beendigung des Mietverhältnisses den ursprünglichen Zustand der Feuermauer auf ihre Kosten wieder herzustellen, vorgelegt würden.
Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß sämtliche Voraussetzungen des § 9 Abs 1 MRG gegeben seien. Unerheblich sei, daß durch die Veränderungen des Mietgegenstandes auch ein Mietgegenstand auf einer benachbarten Liegenschaft betroffen werde; es sei nicht Aufgabe des Antragsgegners, auch die Interessen des Eigentümers des Nachbarhauses wahrzunehmen. Da durch den Durchbruch zum Nachbarhaus der Betrieb der Antragstellerin gefördert werde, sei ein wichtiges Interesse der Antragstellerin zu bejahen. Eine Gefahr für die Sicherheit von Personen durch erhöhte Einbruchsgefahr im Hause des Antragsgegners könne ausgeschlossen werden. Eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Vermieters oder eines anderen Mieters sei nicht zu besorgen.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem vom Antragsgegner erhobenen Rekurs Folge und änderte den Sachbeschluß des Erstgerichtes dahin ab, daß es den Antrag zur Gänze abwies. Das Rekursgericht meinte, dem Rekurswerber zunächst darin nicht beipflichten zu können, daß es bei Veränderungen (Verbesserungen) eines Mietgegenstandes im Rahmen des § 9 MRG nur darauf ankomme, daß der Mietgegenstand - objektiv gesehen - eine Verbesserung erfahre, sodaß die mangelnde Zustimmung des Hauseigentümers dann nicht zu ersetzen sei, wenn die geplante Änderung lediglich für den Mieter - subjektiv gesehen - eine Verbesserung mit sich bringe. Handle es sich nämlich nicht um eine der in § 9 Abs 2 MRG taxativ aufgezählten Maßnahmen, bei denen die Verkehrsüblichkeit und das dringende Interesse des Mieters unwiderleglich vermutet würden, so sei zu prüfen, ob die geplante Veränderung die Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Z 1 bis 7 MRG erfüllten; für die Prüfung der "objektiven Verbesserung" des Mietgegenstandes bleibe daher kein Raum. Dies ergäbe sich bereits aus der nach § 9 Abs 3 MRG gegebenen Möglichkeit, die Pflicht zur Wiederherstellung des früheren Zustandes aufzuerlegen, sodaß es auf eine "objektive Verbesserung" nicht ankomme.
Mit Recht wende sich der Rekurswerber aber gegen die Ansicht des Erstgerichtes, durch die Veränderung sei keine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Vermieters zu besorgen. Das Erstgericht habe das Vorliegen dieser Voraussetzung lediglich im Zusammenhang mit einer Gefahr für die Sicherheit von Personen oder Sachen (§ 9 Abs 1 Z 7 MRG) geprüft und dabei übersehen, daß ein wichtiges Interesse unabhängig von der mit der Änderung allenfalls verbundenen Gefahrensituation zu prüfen wäre. Auszugehen sei zunächst davon, daß die Antragstellerin Vertragspartner verschiedener Hauseigentümer sei und ihre Mietverträge unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen unterworfen seien. Wenngleich der Antragstellerin die Wiederherstellungspflicht iS des § 9 Abs 3 MRG für den Fall der Rückstellung des Mietgegenstandes auferlegt worden sei, so müsse doch gleichzeitig beachtet werden, daß diese Wiederherstellungspflicht die Antragstellerin nur hinsichtlich des gegenständlichen, im Hause des Antragsgegners befindlichen Objektes treffen könne; eine solche Verpflichtung bestehe jedoch nicht im Falle der Beendigung des Mietverhältnisses im Nachbarhaus und es könnte eine solche Verpflichtung der Antragstellerin vom Antragsgegner nicht wirksam auferlegt werden (5 Ob 84/87 - nunmehr veröffentlicht in MietSlg 39.260 und WoBl 1988/18 -). Infolge der Gefahr der Neuvermietung des im Nachbarhaus befindlichen Bestandgegenstandes an eine dritte Person sei daher eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Antragsgegners evident. Bei der Frage, ob der geplante Durchbruch der Feuermauer der Übung des Verkehrs entspräche (§ 9 Abs 1 Z 2 MRG), handle es sich um eine Rechtsfrage, mit der sich das Erstgericht nicht auseinandergesetzt, deren Bejahung sie vielmehr kritiklos aus der Stellungnahme der MA 25 im Schlichtungsakt übernommen habe. Der Übung des Verkehrs entspräche im Falle der Vermietung eines Geschäftslokales vor allem die zur Modernisierung und Assanierung des Lokales und zum reibungslosen Ablauf des Geschäftsbetriebes dienenden Maßnahmen. Daß der Mauerdurchbruch für den Geschäftsbetrieb der Antragstellerin Vorteile mit sich brächte und eine solche Vorgangsweise im Wirtschaftsleben in vereinzelten Fällen auch vorkommen möge, bedeute noch nicht, daß es sich dabei um eine Übung des Verkehrs handle. Der Durchbruch einer Feuermauer zu dem einem anderem Eigentümer des Hauses gehörenden Haus stelle sich vielmehr als ein so schwerwiegender Eingriff in das Eigentumsrecht des Antragsgegners und in die Bausubstanz des Hauses dar, daß von einer Übung des Verkehrs nicht die Rede sein könne. Mangels Vorliegens sämtlicher Voraussetzungen für die Ersetzung der Zustimmung zu der geplanten Änderung habe dem Rekurs Folge gegeben werden müssen.
Gegen diesen abändernden Sachbeschluß des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag, den rekursgerichtlichen Beschluß im Sinne der Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Antragsgegner beantragte in seiner Rechtsmittelgegenschrift, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt. In ihrer Rechtsrüge hält die Revisionsrekurswerberin an ihrem Standpunkt fest, durch die von ihr geplante Veränderung des Mietgegenstandes sei die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen des Antragsgegners nicht zu besorgen, diese Veränderung entspräche auch der Übung des Verkehrs.
Insoweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang den vom Rekursgericht aus der für den Antragsgegner gegebenen mangelnden Durchsetzbarkeit der Verpflichtung zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes im Nachbarhaus abgeleiteten Bedenken entgegenzuhalten versucht, daß sowohl der Vermieter des Nachbarhauses als auch dessen neuer Mieter unter den gegebenen Umständen selbst ein eminentes Interesse an der Verschließung des Mauerdurchbruches haben würde, übersieht sie, daß es sich bei dieser Annahme doch nur um eine Vermutung handelt, die das von ihr auch zugestandene rechtliche Unvermögen des Antragsgegners nicht aufzuwiegen und daher auch nicht die Besorgnis einer Interessenbeeinträchtigung des Antragsgegners auszuschließen vermag. In der vom Rekursgericht in diesem Zusammenhang mit Recht zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes MietSlg 39.260 wurde weiters auch ausgesprochen, daß die Zusammenlegung von in Nachbarobjekten befindlichen Mietgegenständen geführten Unternehmen (derselben Branche) im Wirtschaftsleben wohl vorkommen möge, dies aber nicht der Übung des Verkehrs entspreche. Gleiches gilt aber auch für den vorliegenden Fall, in dem ein Unternehmer seinen Betrieb in Bestandobjekten benachbarter Häuser führt und beide Mietgegenstände im Wege der Herstellung eines Feuermauerdurchbruches zu einer Raumeinheit zusammenlegen möchte. Durch den hier verwendeten unbestimmten Gesetzesbegriff soll eine standardgemäße Ausstattung von Wohnungen und Geschäftsräumen gesichert werden (vgl Faistenberger-Barta-Call, Rz 21 zu der vergleichbaren Bestimmung des § 13 WEG). Einer Standardanhebung dienen wohl - wie das Rekursgericht zutreffend erkannte - Maßnahmen zur Modernisierung und Assanierung eines Geschäftslokales (vgl Würth-Zingher, Miet- und WohnR19 Rz 11 zu § 9 MRG), es kann jedoch nicht gesagt werden, es entspräche dem heutigen Standard, daß die zu ein und demselben Unternehmen gehörigen Betriebsräumlichkeiten sich in benachbarten, durch eine Feuermauer getrennten, verschiedenen Personen gehörenden, allenfalls auch verschiedenes Geschoßniveau aufweisenden Häusern befinden und deren Verbindung durch Herstellung eines Durchbruches in der die Häuser trennenden Feuermauer, also durch einen vom Rekursgericht mit Recht als schwerwiegend bezeichneten Eingriff in die Bausubstanz des Hauses und das Eigentumsrecht des Liegenschaftseigentümers, nachträglich geschaffen wird. Der Oberste Gerichtshof billigt daher die vom Rekursgericht vertretene Ansicht, daß unter den gegebenen Umständen nicht alle in § 9 Abs 1 MRG geforderten Voraussetzungen gegeben sind, die aber erforderlich wären, um den vom der Antragstellerin behaupteten Duldungs- bzw. Leistungsanspruch gegen den Antragsgegner als gegeben annehmen zu können.
Dem Revisionsrekurs konnte somit kein Erfolg beschieden sein. Kosten des Revisionsrekursverfahrens wurden nicht verzeichnet.
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