OGH 4Ob224/08g

OGH4Ob224/08g20.1.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Hans Peter H*****, vertreten durch Dr. Michael Krüger Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei „Ö*****"-***** GmbH, *****, vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 36.000 EUR), Beseitigung (Streitwert 4.000 EUR), Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), Zahlung (6.000 EUR sA) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 4.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 3. September 2008, GZ 5 R 142/08a-14, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1.1. Der Bedeutungsinhalt von Äußerungen richtet sich nach dem Gesamtzusammenhang und dem dadurch vermittelten Gesamteindruck, den ein redlicher Mitteilungsempfänger gewinnt (4 Ob 6/93 = MR 1993, 101 - Rechnungshofpräsident mwN; 4 Ob 228/03p = RdW 2004, 405; RIS-Justiz RS0079395 [T3]). Gelegentlich wird in diesem Zusammenhang auch vom Verständnis eines „unbefangenen Durchschnittslesers" gesprochen (RIS-Justiz RS0031883; 4 Ob 105/06d; 4 Ob 60/08i).

1.2. Der Gesamteindruck ist aber nicht gleichbedeutend mit dem Gesamtinhalt der Ankündigung, da der Gesamteindruck durch einzelne Teile der Ankündigung, die als Blickfang besonders herausgestellt sind, bereits entscheidend geprägt werden kann (vgl RIS-Justiz RS0078542).

1.3. Ist der Sinngehalt einer beanstandeten Behauptung nach dem Verständnis des unbefangenen Durchschnittsbetrachters in einer bestimmten Richtung klar, so kommt schon aus diesem Grund die Anwendung der sogenannten „Unklarheitenregel" nicht mehr in Betracht (Koppensteiner, Wettbewerbsrecht³ § 24 Rz 23; Aicher in Aicher, Das Recht der Werbung 247 f; Rummel in Koziol, Haftpflichtrecht² II 283 f; 4 Ob 1072/94; 4 Ob 262/01k; RIS-Justiz RS0085169).

1.4. Das Berufungsgericht hat diese Rechtsprechung in vertretbarer Weise auf den Einzelfall angewendet, wenn es die mit einer Bildnisveröffentlichung des Klägers verbundene Wortberichterstattung „Milliardär als Schwarzfahrer. Bau-Tycoon [...] wurde in der U-Bahn ertappt" auf der Titelseite der Zeitung der Beklagten - auch unter Berücksichtigung eines Artikels im Blattinneren zu diesem Vorfall - als unwahr und deshalb berechtigte Interessen des Abgebildeten verletzend beurteilt hat, weil der Kläger eine gültige Jahreskarte besitze, diese aber bei einer Kontrolle nicht habe vorweisen können.

1.5. Im Übrigen berührt es keine erhebliche Rechtsfrage, welchen Eindruck der angesprochene Leserkreis von einer Wortberichterstattung gewinnt (vgl RIS-Justiz RS0053112).

2.1. Die vom Berufungsgericht gebilligte Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung auf der Titelseite entspricht dem Grundsatz, dass das Urteil - dem Talionsprinzip entsprechend - in der Regel in jener Form und Aufmachung zu publizieren ist, in der auch die beanstandete Ankündigung veröffentlicht worden ist (RIS-Justiz RS0079737 [T23]; RS0079607).

2.2. Die Rechtsmittelwerberin verweist auf § 34 Abs 4 MedienG, wonach bei in einem periodischen Medium begangenen Medieninhaltsdelikten die Urteilsveröffentlichung „in sinngemäßer Anwendung des § 13 MedienG" zu erfolgen habe; nach § 13 Abs 4 MedienG genüge bei einer Tatsachenmitteilung eine Verweisung auf die Gegendarstellung im Blattinneren.

2.3.1. Dem ist entgegenzuhalten, dass im Schrifttum sogar für den Bereich des MedienG selbst die Anwendbarkeit des § 13 Abs 4 MedienG für Urteilsveröffentlichungen nach diesem Gesetz als „kaum handhabbar" beurteilt wird, weil die Veröffentlichung eines Urteils über ein in einer Schlagzeile begangenes Medieninhaltsdelikt zwangsläufig erheblich mehr Platz beanspruchen wird als die seinerzeitige Schlagzeile (Polley in Berka/Höhne/Noll/Polley, MedienG² § 34 Rz 30).

2.3.2. Darüber hinaus sind zwar Wertungen des Medienrechts dort, wo der gleiche Sachverhalt geregelt wird, bei der Auslegung des UrhG zu berücksichtigen (vgl RIS-Justiz RS0074824 zu § 78 UrhG). Eine von der Beklagten angestrebte allgemeine „Harmonisierung" der Normen des UrhG und des MedienG (hier: deren Urteilsveröffentlichungsvorschriften) ist aber angesichts der unterschiedlichen Regelungssachverhalte (MedienG: Veröffentlichung von Gegendarstellung oder nachträglicher Mitteilung als Folge eines Medieninhaltsdelikts; UrhG: Urteilsveröffentlichung als Folge einer Persönlichkeitsverletzung) und der daraus resultierenden unterschiedlichen Wertungen nicht in Betracht zu ziehen:

Während § 13 Abs 4 MedienG auf die Erreichung eines gleichen Veröffentlichungswerts abzielt, kommt es im Rahmen des § 85 Abs 1 UrhG auf ein angemessenes Verhältnis der Veröffentlichung zur Wirkung der Rechtsverletzung (vgl 4 Ob 9/88 = ÖBl 1988, 159 - 6 aus 45 mwN = RIS-Justiz RS0079737 [T4]) sowie darauf an, die beteiligten Verkehrskreise über die wahre Sachlage aufzuklären (vgl RIS-Justiz RS0079820).

2.3. Ob und in welchem Umfang eine Veröffentlichung des Urteils nach den Umständen des Falls zur Aufklärung des Publikums geboten ist, begründet im Übrigen keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0042967).

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