OGH 3Ob157/08x

OGH3Ob157/08x3.10.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna L*****, vertreten durch Dr. Peter Rosenthal, Rechtsanwalt in Salzburg als Verfahrenshelfer, wider die beklagten Parteien 1.) V***** reg. GenmbH, *****, vertreten durch Dr. Erich Greger und Dr. Günther Auer, Rechtsanwälte in Oberndorf, und 2.) Karl L*****, wegen Unzulässigkeit der Exekution (§ 37 EO), infolge „außerordentlicher" Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 30. April 2008, GZ 53 R 119/08v-23, womit das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 20. Dezember 2007, GZ 31 C 473/07k-18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Das Erstgericht bewilligte der erstbeklagten Partei aufgrund des vollstreckbaren Zahlungsbefehls des Landesgerichts Salzburg vom 22. April 2003, GZ 12 Cg 70/03x-2, wider den Zweitbeklagten die Exekution durch Zwangsversteigerung der im Eigentum des Zweitbeklagten stehenden näher bestimmten Liegenschaftshälfte. Der zweite Hälfteanteil dieser Liegenschaft steht im Eigentum der Klägerin, die das auf der Liegenschaft errichtete Haus bewohnt.

Die Klägerin erhielt den bereits genannten Hälfteanteil des Zweitbeklagten an der Liegenschaft gemäß § 90 Abs 1 EheG mit rechtskräftigem Beschluss vom 13. Juni 2005, GZ 43 C 47/02v-36 des Erstgerichts, übertragen. Die grundbücherliche Durchführung dieses Beschlusses unterblieb bislang.

Die Klägerin begehrte gegenüber beiden beklagten Parteien, die Zwangsversteigerung des Liegenschaftshälfteanteils des Zweitbeklagten für unzulässig zu erklären, weil diese Liegenschaftshälfte „schon lange nicht mehr im Eigentum des Verpflichteten = Zweitbeklagten, sondern im Alleineigentum der Klägerin stünde". Die erstbeklagte Partei habe den Exekutionsantrag wider besseres Wissen und rechtsmissbräuchlich lediglich aus dem Grund eingebracht, um die Klägerin „um ihr berechtigtes Eigentum und ihr dringendes Wohnbedürfnis" an der ehemaligen Ehewohnung zu bringen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab; das Berufungsgericht bestätigte die Klageabweisung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. Im Hinblick auf den Einheitswert der Liegenschaft von 38.516,60 EUR sei der Entscheidungsgegenstand jedenfalls mit mehr als 20.000 EUR zu bewerten.

Mit „außerordentlicher" Revision strebt die Klägerin die Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne vollständiger Klagestattgebung an.

Die Vorlage des Aktes erweist sich als verfrüht.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 500 Abs 2 Z 1 ZPO hat das Berufungsgericht in seinem Urteil eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands vorzunehmen, wenn dieser nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht. Der Oberste Gerichtshof ist an die Bewertung grundsätzlich gebunden; er kann den Bewertungsausspruch nur dahin überprüfen, ob zwingende Bewertungsvorschriften verletzt wurden (stRsp RIS-Justiz RS0042450), eine offenkundige Unter- oder Überbewertung vorliegt oder eine Bewertung überhaupt hätte unterbleiben müssen (1 Ob 244/06y; 10 Ob 60/06f).

Wonach sich der Wert des Streitgegenstands bei der Exszindierungsklage nach § 37 EO richtet, wird in Rechtsprechung und Lehre nicht einheitlich beantwortet.

Die überwiegende Lehre (Burgstaller/Holzner in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 37 Rz 156 und 158; Mayr in Rechberger³ § 57 JN Rz 4; Gitschthaler in Fasching/Konecny² § 56 JN Rz 18; Heller/Berger/Stix EO4 475; Rechberger/Simotta, Exekutionsverfahren² Rz 378, je mwN) sieht für den Wert des Streitgegenstands der Exszindierungsklage allein den Wert der exszindierten Sache als maßgeblich an. Auf die Höhe der betriebenen Forderung komme es allein schon deshalb nicht an, weil unter Streitgegenstand grundsätzlich nur jene Frage verstanden werden könne, über welche die Parteien des Verfahrens streiten. Der Rechtsschutzanspruch des Klägers einer Exszindierungsklage könne daher nur in der Herbeiführung eines Urteils liegen, durch das die in der vorliegenden oder drohenden Zwangsvollstreckung - soweit sie fremde Sachen ergreife - enthaltene Sicherstellung des Beklagten aufgehoben werde. Dieses Interesse des Klägers an der Freigabe der gepfändeten Sache decke sich aber mit dem Wert der Sache und nicht mit jenem der betriebenen Forderung (Gitschthaler aaO mwN).

Dieser Auffassung ist der Oberste Gerichtshof in einigen Entscheidungen unter Berufung auf die genannten Lehrmeinungen gefolgt (3 Ob 71-75/84; 3 Ob 26/86; 3 Ob 36/94; 3 Ob 320/02h = SZ 2003/134; vgl auch RIS-Justiz RS0107702); allein maßgeblich sei der Wert der vom Kläger beanspruchten Exekutionsobjekte.

Demgegenüber vertritt Jakusch (in Angst, EO2 § 37 Rz 60) unter ausdrücklicher Ablehnung der oben erwähnten Lehrmeinungen, dass sich der Wert der Exszindierungsklage, wenn sie sich gegen eine Exekution zur Hereinbringung oder Sicherstellung einer Geldforderung richte, in Anwendung des § 57 JN nach dem Wert der exszindierten Sache bestimme, wenn diese unter dem Betrag der betriebenen Forderung liege, ansonsten nach dem Wert des betriebenen Anspruchs. Im Exszindierungsprozess gehe es nicht um die „Freigabe eines fremden Objekts", sondern um die Unzulässigerklärung einer bestimmten Exekution. Die Freigabe des Exekutionsobjekts sei nur die Folge der Einstellung der Exekution, die aufgrund eines stattgebenden Urteils zu erfolgen habe. Primär werde der Streitwert daher durch den Wert des betriebenen Anspruchs in der bekämpften Exekution bestimmt. Nur wenn der Wert der exszindierten Sache darunter liege, könne der Streitwert in der Geldexekution zufolge § 57 JN diesen Wert nicht übersteigen.

Die überwiegende Rechtsprechung (3 Ob 67/67; 3 Ob 25/90; 3 Ob 119/97i = NZ 1999/58 uva; RIS-Justiz RS0001178, RS0107701) wendet unter Berufung auf JB 242 (= GlUNF 7662) § 57 JN an und hält fest, dass sich der Streitwert bei einer Exszindierungsklage nach der Höhe der Forderung als auch nach dem Wert der gepfändeten Sache richte, jedoch mit folgender Einschränkung: Wenn einer der beiden Beträge niedriger sei, kommt es auf diesen an. Daran hält der erkennende Senat im Hinblick auf die überzeugende Argumentation von Jakusch fest. Ausgehend vom Ziel der Exszindierungsklage, eine bestimmte, das absolute Recht des Klägers missachtende Exekution für unzulässig erklären zu lassen, ist primär der betriebene Anspruch wertbestimmend, allerdings begrenzt durch das allenfalls geringere Interesse an der von der Exekution erfassten Sache des Klägers. Die oben dargestellte gegenteilige Auffassung ist ausdrücklich abzulehnen.

Da keine Rede davon sein kann, dass der Wert der in Exekution gezogenen Liegenschaftshälfte (Einheitswert der Gesamtliegenschaft 38.516,60 EUR) niedriger wäre als die betriebene Forderung von 7.000 EUR sA, ist deren Wert maßgebend und der Bewertungsausspruch des Berufungsgerichts (20.000 EUR übersteigend) gesetzwidrig (bei Exekution zur Hereinbringung einer Geldforderung bedarf es im Hinblick auf die Maßgeblichkeit der betriebenen Forderung, begrenzt durch den allenfalls geringeren Wert der gepfändeten Sache des klagenden Dritten keiner Bewertung des Streit-/Entscheidungsgegenstands, RIS-Justiz RS0001206) und daher unbeachtlich.

Beim gegebenen Streitwert von 7.000 EUR ist ungeachtet der Bezeichnung des Rechtsmittels als außerordentliche Revision und ungeachtet des an den Obersten Gerichtshof gerichteten Antrags der Revisionswerberin, die Revision für zulässig zu erachten, eine Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs noch nicht gegeben. Bei einem vermögensrechtlichen Streitgegenstand an Geld oder Geldeswert bis zu 20.000 EUR ist aufgrund der Rechtslage nach der WGN 1997 (BGBl I 1997/140) gegen ein Berufungsurteil, in dem die Revision für nicht zulässig erklärt wurde, keine außerordentliche Revision zulässig (§ 502 Abs 3 ZPO), sondern es ist lediglich im Wege des Abänderungsantrags nach § 508 Abs 1 ZPO beim Berufungsgericht Abhilfe zu suchen. Die Vorlage der „außerordentlichen" Revision der Klägerin direkt an den Obersten Gerichtshof widerspricht dieser Rechtslage. Eine Entscheidungskompetenz des Obersten Gerichtshofs ist im derzeitigen Verfahrensstadium nicht gegeben. Dies gilt auch, wenn wie hier das Rechtsmittel als „außerordentliches" bezeichnet wird (RIS-Justiz RS0109620) und wenn der Rechtsmittelwerber im Schriftsatz nicht im Sinn des § 508 Abs 1 ZPO den Antrag auf Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs gestellt hat, weil dieser (allfällige) Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist (zuletzt etwa 3 Ob 182/07x).

Das Erstgericht wird daher das nicht jedenfalls unzulässige Rechtsmittel der Klägerin gemäß § 507 Abs 2 ZPO dem Berufungsgericht vorzulegen haben. Ob der Rechtsmittelschriftsatz den Erfordernissen des § 508 Abs 1 ZPO entspricht oder ob er einer Verbesserung bedarf, bleibt der Beurteilung der Vorinstanzen vorbehalten (3 Ob 182/07x mwN).

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