OGH 5Ob138/08t

OGH5Ob138/08t26.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** Alexander M*****, vertreten durch Dr. Konrad Faulhaber, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Maria R*****, vertreten durch Dr. Gerhard Renner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Löschung von Reallasten (Streitwert 7.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 5.250 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 27. September 2007, GZ 37 R 198/07b‑50, womit das Urteil des Bezirksgerichts Fünfhaus vom 13. März 2007, GZ 9 C 619/04s‑44, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie einschließlich ihrer rechtskräftigen Teile lauten:

„Die grundbücherlichen Eintragungen betreffend die zugunsten der der beklagten Partei gehörenden Liegenschaftsanteile

B‑LNR 19, 23/639 Anteile

B‑LNR 20, 23/639 Anteile

B‑LNR 21, 43/639 Anteile

B‑LNR 22, 40/639 Anteile

B‑LNR 23, 37/639 Anteile

B‑LNR 24, 40/639 Anteile

B‑LNR 25, 40/639 Anteile

B‑LNR 26, 24/639 Anteile,

jeweils der EZ 1010 Grundbuch 01302 Fünfhaus, bestehend aus dem Grundstück .687 Baufläche (Gebäude) und Baufläche (befestigt), zu C‑LNR 8a und zu C‑LNR 10a eingetragenen Bestandrechte, zu C‑LNR 9a eingetragene Vorauszahlung des Mietzinses von 192.000 S, 10 % MWSt, ds 19.200 S für die Zeit bis 31. 03. 2022 und zu C‑LNR 11a eingetragene Vorauszahlung des Mietzinses von 263.880 S, 10 % MWSt, ds 26.388 S für die Zeit bis 31. 03. 2022 sind als unwirksam zu löschen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 1.061,23 EUR (darin enthalten 176,87 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen deren mit 983,36 EUR (darin enthalten 66,65 EUR USt und 584 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger begehrte die Einwilligung der Beklagten in die Löschung der im Grundbuch zu Gunsten der Beklagten eingetragenen Reallasten an den in seinem Eigentum stehenden Anteilen an einer Liegenschaft in Wien. Der Beklagten sei gemäß den Mietverträgen vom 22. 4. 1993 das verbücherte Mietrecht für die Wohnungen Top Nr 7, 8, 9, 10 und 11 eingeräumt worden, ebenso betreffe die verbücherte Mietzinsvorauszahlung nur diese Wohnungen. Die im Wohnungseigentum des Klägers stehenden Wohnungen seien von den Mietverträgen oder Mietzinsvorauszahlungen der Beklagten nicht betroffen, die grundbücherlichen Eintragungen der Reallast (Bestandrecht) auf den Anteilen des Klägers C‑LNR 8, 9, 10 und 11 seien daher zu Unrecht erfolgt.

Die Beklagte wendete ein, dass ihr die Rechte im Jahr 1993 durch die damalige Alleineigentümerin eingeräumt worden seien. Die Wohnungseigentumsbegründung im Jahr 1998 könne ihre Rechte nicht einschränken. Die Beklagte anerkannte schließlich die Löschungsverpflichtung betreffend C‑LNR 8, da ihr Bestandrecht betreffend Top 7 und 8 aufgelöst worden sei.

Das Erstgericht gab der Klage im Umfang des Anerkenntnisses der Beklagten statt und wies sie im Übrigen ab. Gemäß § 61 GBG könne der durch eine Einverleibung in seinen bücherlichen Rechten Verletzte die Einverleibung aus dem Grund der Ungültigkeit im Prozessweg bestreiten und die Wiederherstellung des vorigen bücherlichen Standes begehren. Eine derartige Löschungsklage sei stets auf Unwirksamerklärung und Löschung der bekämpften bücherlichen Eintragung und nicht auf Einwilligung in die Einverleibung der Löschung zu richten. Ein einverleibtes Bestandrecht hafte am ganzen Grundbuchkörper, auch wenn es sich nur auf bestimmte Teile beziehe; es könne daher an ideellen Teilen nicht begründet werden. Richtig sei, dass wegen der besonderen Konstruktion des Wohnungseigentums das Mietrecht an der Eigentumswohnung auf den mit dem Wohnungseigentum verbundenen Mindestanteilen einverleibt werden könne. Bei nachträglicher Begründung von Wohnungseigentum - hier im Jahr 1998 - hafte weiterhin die gesamte Liegenschaft dem Berechtigten zur Sicherung seines Bestandrechts. Die Begründung von Wohnungseigentum ändere nichts am Umfang der Sachhaftung. Die Löschung des Bestandrechts hinsichtlich jener Mindestanteile, an denen dieses nicht ausgeübt werden könne, komme nur mit Zustimmung des Bestandsberechtigten in Frage.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sei gesicherte Judikatur, dass grundsätzlich die Einverleibung von Bestandrechten auf ideellen Liegenschaftsanteilen unzulässig sei. Diese allgemeine Regel müsse nur im Fall des Wohnungseigentums dem Grundsatz des § 1 WEG weichen. Ein von einem Wohnungseigentümer als Vermieter abgeschlossener Mietvertrag könne an seinem Miteigentumsanteil verbüchert werden. Im vorliegenden Fall seien die Bestandrechte zu Gunsten der Beklagten zu einem Zeitpunkt verbüchert worden, als noch kein Wohnungseigentum an der Liegenschaft begründet gewesen sei. Die Einverleibung der Bestandrechte sei daher an der gesamten Liegenschaft vorgenommen worden, obwohl die Beklagte „physisch nur an insgesamt fünf Wohnungen Bestandrechte erworben" habe. Der Oberste Gerichtshof habe bereits zu 7 Ob 350/97i ausgesprochen, dass zur Sicherung eines auf der gesamten Liegenschaft begründeten Wohnrechts nach Begründung von Wohnungseigentum weiterhin die gesamte im Miteigentum stehende Liegenschaft hafte, also auch die Teile, an denen die Dienstbarkeit nicht ausgeübt werden könne. Es stelle zwar eine Dienstbarkeit ein dingliches Recht dar, während die Eintragung von Bestandrechten im Grundbuch kein dingliches Recht begründe, sondern bloß der Publizität von Mietverträgen diene; allerdings habe das Bestandrecht in seiner praktischen Auswirkung Ähnlichkeiten mit der Dienstbarkeit des Wohnungsrechts, weshalb die vom Obersten Gerichtshof zu 7 Ob 350/97i dargelegten Grundsätze auch auf den gegenständlichen Fall anzuwenden seien. Das bedeute, dass die seinerzeit auf der gesamten Liegenschaft eingetragenen Bestandrechte der Beklagten auch weiterhin ohne ihre Zustimmung nicht gelöscht werden könnten, da ihre Bestandrechte ja weiterhin aufrecht seien.

Den Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht mit fehlender oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, ob die zu 7 Ob 350/97i ausgesprochenen Grundsätze hinsichtlich der Verbücherung einer Dienstbarkeit auch für ein verbüchertes Bestandrecht anwendbar seien.

Der Kläger beantragt in seiner Revision, dem Klagebegehren stattzugeben.

Die Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, dem gegnerischen Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht angegebenen Grund zulässig, sie ist auch berechtigt.

Der Revisionswerber argumentiert, dass § 4 WEG einen gesetzlichen Vertragsübergang auf den konkreten Wohnungseigentümer, dem die Wohnung zugeschrieben worden sei, normiere. Die „flankierenden Maßnahmen" der Abs 2 und 3 des § 4 WEG würden allfällige Nachteile der Mieter hintanhalten. Die Beklagte könne etwa ihre mietrechtlichen Ansprüche, die sich auf die allgemeinen Teile der Liegenschaft bezögen, auch gegen die Eigentümergemeinschaft geltend machen, also nicht gegen den einzelnen sonstigen Wohnungseigentümer. Sie habe daher für jeden erdenklichen Anspruchsfall aus dem Mietvertrag einerseits den konkreten Wohnungseigentümer, andererseits für allgemeine liegenschaftsbezogene Ansprüche die Eigentümergemeinschaft als Schuldner. Daraus folge, dass nicht berührtes Wohnungseigentum vom verbücherten, fremden, Mietrecht freizustellen sei. Die analoge Anwendung der vom Berufungsgericht zitierten Judikatur zu den Servituten auf verbüchertes Mietrecht sei nicht sachangemessen, sondern bedeute eine erhebliche Beeinträchtigung der Verwertung des Eigentums des Klägers, weil jeder Käufer verunsichert sein müsse.

Der Senat hat dazu erwogen:

1. Das Bestandrecht an einer Liegenschaft ist ein verbücherungsfähiges Recht (§ 1095 ABGB, § 9 GBG). Eine Einverleibung auf ideellen Miteigentumsanteilen ist grundsätzlich unzulässig (RIS‑Justiz RS0020721). Die Beschränkung auf ein Grundstück ist zwar möglich (5 Ob 243/03a = RIS‑Justiz RS0118470), doch belastet das Bestandrecht den gesamten Grundbuchskörper (Iro in KBB2 § 1095 Rz 1). Das gilt genauso bei Einräumung eines Wohnrechts (RIS‑Justiz RS0018224).

2. Aufgrund seiner ausschließlichen Verfügungsberechtigung über das Wohnungseigentumsobjekt kann allerdings ein Wohnungseigentümer auf seinem Mindestanteil ein Bestandrecht eintragen lassen (Rassi in Kodek GBG [2007] § 3 Rz 60; Binder in Schwimann, ABGB³ V § 1095 Rz 2), ebenso wie Servituten (RIS‑Justiz RS0011520; RS0082754).

3. Nach dem WEG 1975 führte die Begründung von Wohnungseigentum an einem vermieteten Objekt nicht zu einem gesetzlichen Vertragsübergang auf den Wohnungseigentümer als Einzelrechtsnachfolger der bisherigen Eigentümer. Dem Mieter standen weiterhin alle Mit- und Wohnungseigentümer als Träger der ihm gegenüber zu erfüllenden Vertragspflichten gegenüber. Ihm hafteten alle als Vermieter für Ansprüche aus dem Mietverhältnis (5 Ob 208/00z = RIS‑Justiz RS0106931; 5 Ob 147/01f; RS0021201; 5 Ob 3/05k = wobl 2005/82). Hintergrund dieser Ansicht, einen gesetzlichen Vertragsübergang des Bestandvertrags auf den nunmehrigen Wohnungseigentümer als Einzelrechtsnachfolger abzulehnen, war, dass dem Mieter eine Verschlechterung seiner Rechtsposition erspart werden sollte (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 4 WEG Rz 3 mwN; ders, Wirkung der Wohnungseigentumsbegründung auf ein bestehendes Mietverhältnis [§ 4 WEG 2002], wobl 2002, 123).

4. Im Gegensatz zur alten Rechtslage ordnet § 4 Abs 1 WEG 2002 einen gesetzlichen Vertragsübergang auf den Wohnungseigentümer mit der Begründung von Wohnungseigentum an dem vermieteten Objekt an (Vonkilch in Hausmann/Vonkilch aaO Rz 6 und 7; Würth/Zingher/Kovanyi § 4 WEG Rz 4; Palten, Wohnungseigentumsrecht³ Rz 35; Dirnbacher WEG idF WRN 2006, 67). Die wesentliche Konsequenz dieses Vertragsübergangs ist, dass ab seinem Eintritt für die Geltendmachung sämtlicher aus dem Mietverhältnis resultierender Ansprüche (vorbehaltlich der Sonderregelungen der Abs 2 und 3 leg cit) ausschließlich der einzelne Wohnungseigentümer als neuer Vertragspartner aktiv- und passivlegitimiert ist (Vonkilch aaO Rz 9; Würth/Zingher aaO; Palten aaO; Dirnbacher aaO). Ziel dieser Neuregelung war es, Rechtsklarheit zu schaffen und Abgrenzungsprobleme im Verhältnis zwischen den Parteien des Mietvertrags zu vermeiden (ErlRV 989 BlgNR 21. GP 38)

5. § 4 WEG 2002 enthält in seinen Abs 2 und 3 flankierende Maßnahmen zur zusätzlichen Absicherung von „Altmietern" (Würth in Rummel3 § 4 WEG Rz 2):

6. Abs 2 leg cit bietet dem „Altmieter" eine Ausfallsbürgschaft der Eigentümergemeinschaft für jene Geldansprüche aus dem Mietverhältnis, die noch aus der Zeit vor der Wohnungseigentumsbegründung stammen. Nach Abs 3 leg cit kann der Hauptmieter des Wohnungseigentumsobjekts mietrechtliche Ansprüche, die sich auf die allgemeinen Teile der Liegenschaft oder auf die Liegenschaft als Gesamtheit beziehen, ungeachtet der Rechtsstellung des Wohnungseigentümers als Vermieter auch gegen die Eigentümergemeinschaft geltend machen. Der Mieter ist berechtigt, derartige unter Abs 3 fallende Ansprüche nach seiner Wahl nur gegen seinen Vertragspartner, nur gegen die Eigentümergemeinschaft oder gegen beide geltend zu machen.

7. Anwendungsfälle des Abs 2 leg cit sind der in den ErlRV 989 BlgNR 21. GP 39 als Beispiel genannte Investitionsanspruch nach § 10 MRG sowie Ansprüche auf Ausfolgung einer erlegten Kaution bzw einer noch nicht verbrauchten Mietzinsvorauszahlung nach Vertragsbeendigung bzw Rückstellung sowie Mieteransprüche nach § 8 Abs 3 MRG und § 18c Abs 2 MRG (Würth/Zingher/Kovanyi aaO Rz 6).

8. Als Beispiele für die in Abs 3 leg cit geregelten mietrechtlichen Ansprüche nennen die zitierten Materialien auf S 39 die Verpflichtung des Vermieters zur Erhaltung des Hauses sowie die in § 4 MRG oder in den §§ 20 und 21 MRG geregelten Vermieterpflichten. Der Altmieter kann daher zB Rechnungslegungsansprüche iSd §§ 20 und 21 MRG auch gegen die Eigentümergemeinschaft geltend machen.

9. Mit diesen Regelungen sollte nach den bereits zitierten Materialien (38 f) eine Schlechterstellung des (Alt‑)Mieters, dem nach der Begründung von Wohnungseigentum nur mehr ein Vertragspartner gegenübersteht, verhindert werden.

10. Die mit § 4 Abs 2 WEG 2002 geschaffene Lösung erhält dem Mieter seinen Haftungsfonds für Geldansprüche (Vonkilch aaO Rz 10; Dirnbacher aaO 69), auch wenn sie - als Ausfallshaftung konstruiert - den Mieter zwingt, zunächst gegen seinen Vermieter vorzugehen und bei Erfolglosigkeit der Exekution gegen seinen Vertragspartner einen Titel gegen die Eigentümergemeinschaft zu erwirken, um diesen nach § 18 Abs 3 WEG 2002 nur in die Rücklage oder in die von den Wohnungseigentümern geschuldeten Zahlungen für Aufwendungen vollstrecken zu lassen (Dirnbacher aaO).

11. Während § 4 Abs 2 WEG 2002 sich auf Geldansprüche bezieht, soll Abs 3 leg cit jene Ansprüche des Mieters erfassen, deren unmittelbare Erfüllung dem Wohnungseigentümer und Vermieter mangels eigenen Verfügungsrechts nicht oder nicht unmittelbar möglich ist, wie etwa die Erhaltung allgemeiner Teile der Liegenschaft (Palten aaO Rz 35; vgl Dirnbacher aaO 70 f).

12. § 4 WEG ist aufgrund der Übergangsvorschrift des § 56 Abs 5 WEG 2002 auch dann anzuwenden, wenn (wie hier) die Wohnungseigentumsbegründung vor dem 1. 7. 2002 erfolgte und das Verfahren nach dem 30. 6. 2002 eingeleitet wurde (5 Ob 3/05k; RIS‑Justiz RS0120286). Dies hat im vorliegenden Fall die Konsequenz, dass die Hauptmietverträge der Beklagten nur auf die jeweiligen Wohnungseigentümer der vermieteten Wohnungen, nicht aber auf den Kläger übergegangen sind. Zu überprüfen sind daher die Auswirkungen des Vertragsübergangs auf die verbücherten Bestandrechte; eine Frage, welche in den Materialien zum WEG 2002 nicht explizit beantwortet wird und auch in der Judikatur noch nicht behandelt wurde.

13. Der Oberste Gerichtshof hat in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 7 Ob 350/97i = SZ 71/48 für die Dienstbarkeit der Wohnung (Wohnungsrecht) die Frage, ob die nach Verbücherung der Belastung erfolgte Begründung von Wohnungseigentum an der belasteten Liegenschaft etwas am Umfang der Sachhaftung ändere, verneint. Hafte eine Dienstbarkeit der Wohnung bereits auf der ganzen Sache, dann ändere die Begründung von Wohnungseigentum nichts am Umfang der Sachhaftung. Eine Löschung der Dienstbarkeit hinsichtlich jener Mindestanteile, an denen sie nicht ausgeübt werden könne, komme nur mit Zustimmung des Servitutsberechtigten in Frage; deren Verweigerung könne nicht als Schikane gewertet werden. Diese Entscheidung basiert allerdings auf der Rechtslage vor dem WEG 2002.

14. Ähnlich hat der Oberste Gerichtshof jüngst (5 Ob 156/07p) die Frage entschieden, ob § 3 Abs 2 LiegTeilG auf verbücherte Bestandrechte anzuwenden ist. Nach der zitierten Bestimmung entfällt bei Grunddienstbarkeiten, die auf bestimmte räumliche Grenzen beschränkt sind, die Eintragung in der neuen Einlage, wenn sich diese Lasten nicht auf das abzuschreibende Trennstück beziehen. In der genannten Entscheidung wurde ausgesprochen, dass es bei Bestandrechten, bei denen Ersatzansprüche für Aufwendungen in Betracht kämen, nicht angehe, ohne Zustimmung des Berechtigten den Befriedigungsfonds zu schmälern. Trotz der grundsätzlichen Zulässigkeit einer Vereinbarung, wonach sich das Bestandrecht nur auf ein einzelnes Grundstück (bzw einem bestimmten Teil desselben) beziehe, ergebe sich daraus noch nicht, dass der Bestandnehmer damit wirksam auf die ihm anfänglich zustehende Haftung, wie sie sich aus den §§ 150, 227 EO ergebe (Anspruch auf Entschädigung aus dem Erlös des ganzen Grundbuchskörpers), verzichte. § 3 Abs 2 LiegTeilG sei daher auf verbücherte Bestandrechte nicht anzuwenden, selbst wenn der bücherlichen Einverleibung eine räumliche Beschränkung auf einen Teil der gesamten Liegenschaft zu entnehmen sei.

15. Diese Kriterien können aber nach Auffassung des erkennenden Senats für das Schicksal von verbücherten Bestandrechten bei nachträglicher Begründung von Wohnungseigentum nicht herangezogen werden.

16. Die Wirkung der bücherlichen Einverleibung eines Bestandvertrags besteht primär in der Bindung des späteren Erwerbers einer Liegenschaft an den Bestandvertrag, dh an die Bestandzeit (Binder aaO Rz 12, Würth aaO § 1095 Rz 1; RIS‑Justiz RS0020428 [T1], wobei nach jüngerer Judikatur des Obersten Gerichtshofs (5 Ob 90/06f) nunmehr auch die Verbücherung eines unbefristeten Bestandvertrags zulässig ist, wenn eine Einschränkung der Kündigungsmöglichkeit des Bestandgebers vereinbart wurde.

17. Der Erwerber erhält bei verbücherten Bestandrechten durch den Eigentumswechsel nach Veräußerung per se kein außerordentliches Kündigungsrecht iSd § 1120 Satz 1 ABGB (5 Ob 382/97f = RIS‑Justiz RS0020428 [T2]; Binder aaO, § 1120 ABGB Rz 41). Ein Kündigungsrecht steht aufgrund der gesetzlichen Vertragsübernahme iSd § 4 Abs 1 WEG 2002 als Gestaltungsrecht nur mehr dem jeweiligen Eigentümer des vermieteten Wohnungseigentumsobjekts zu, was ein Argument für die Löschung des verbücherten Bestandrechts auf den nicht vom Vertragsübergang betroffenen Mindestanteilen darstellt. Die Eintragung des Bestandrechts (auch) auf diesen Anteilen nützt dem Mieter nämlich bei deren Veräußerung nichts mehr, soweit es das (eingeschränkte) Kündigungsrecht betrifft.

18. Bei einer zwangsweisen gerichtlichen Veräußerung ist das verbücherte Bestandrecht iSd § 1121 ABGB und § 150 Abs 3 EO wie eine Servitut zu behandeln (5 Ob 157/07k; RIS‑Justiz RS0024839 [T1]). Nach § 150 Abs 1 EO sind Servituten, denen der Vorrang vor dem Befriedigungsrecht eines betreibenden Gläubigers oder einem eingetragenen Pfandrecht zukommt, vom Ersteher ohne Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen. Der Bestandvertrag ist vom Ersteher ohne besondere Auflösungsbefugnis zu übernehmen (Binder aaO § 1121 ABGB Rz 9; Iro in KBB² § 1121 Rz 1 f). Dem Bestandnehmer steht der Ersteher als Einzelrechtsnachfolger gegenüber, der die Rechte und Pflichten aus dem Bestandvertrag zu erfüllen hat.

19. Ist das Bestandrecht nachrangig, muss es der Ersteher nur unter Anrechnung auf das Meistbot übernehmen (3 Ob 95/07b = RIS‑Justiz RS0122434). Findet es im Meistbot keine Deckung, so steht dem Erwerber das außerordentliche Kündigungsrecht iSd § 1121 ABGB zu (7 Ob 585/81; 5 Ob 156/07p; Binder aaO; Würth in Rummel³ § 1121 ABGB Rz 2). Nach § 227 EO tritt dann an die Stelle des verbücherten Bestandrechts ein Entschädigungsanspruch des Bestandnehmers (5 Ob 156/07p; Angst/Jakusch/Mohr, EO 14 § 227 EO E 2 f).

20. Aus diesen exekutionsrechtlichen Bestimmungen über das Schicksal des verbücherten Bestandrechts bei Versteigerung einer mit Bestandrechten belasteten Liegenschaft lassen sich für den „Altmieter" bei nachträglicher Begründung von Wohnungseigentum keine besonderen Nachteile ableiten, die mit der Löschung des Bestandrechts auf den nicht vom Vertragsübergang nach § 4 Abs 1 WEG 2002 erfasstenWohnungseigentumsobjekten verbunden wären.

21. WirdjenesWohnungseigentumsobjektversteigert,das „in der Realität" mit dem Bestandrecht belastet ist, so bleibt dem Bestandnehmer je nach Rang und Deckung im Meistbot entweder dasBestandrechterhaltenoder es steht ihm ein Entschädigungsanspruch zu. Ist ein anderes Wohnungseigentumsobjekt in Exekution gezogen, kommt die Übernahme des auch auf diesen Anteilen verbücherten Bestandvertrags in der Realität nicht in Betracht. Der Bestandvertrag bezieht sich ja jeweils auf ein bestimmtes (wohnungseigentumstaugliches) Objekt, hier auf mehrere Wohnungen. Nach den vertraglichen Bestimmungen hatte(n) der/die Vermieter dem Bestandnehmer dieses Objekt zur Nutzung zu überlassen. Ebensowenig ist ein Vorteil des Bestandgebers in Form einer Entschädigungszahlung nach § 227 EO realistisch, weil ein auf diesen Anteilen nicht „real existierendes" Bestandrecht im Exekutionsverfahren nicht mit einem bestimmten Betrag bewertet werden kann.Eine Verringerung des Haftungsfonds zu Lasten des Bestandnehmers ist damit entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu befürchten.

22. Diese Erwägungen führen zu folgendem Ergebnis: Bei nachträglicher Begründung von Wohnungseigentum ist das bisher auf der gesamten Liegenschaft eingetragene Bestandrecht auf jene Wohnungseigentumsobjekte zu beschränken, die nach § 4 WEG 2002 vom Vertragsübergang auf den jeweiligen Wohnungseigentümer erfasst sind.

23. Die anfänglich zu Recht auf der ganzen Liegenschaft erfolgte, jetzt aber materiellrechtlich unrichtige Eintragung des Bestandrechts auf sämtlichen Mindestanteilen (auch jenen des Klägers) berechtigt den Kläger, auf Einwilligung des Beklagten in die Löschung zu klagen (unechte Löschungsklage - vgl 1 Ob 244/68 = NZ 1970, 28 ua). Mit der Löschungsanordnung, wie sie von den Vorinstanzen im rechtskräftig gewordenen Teil ihrer Entscheidungen formuliert wurde, wird diesem Rechtsschutzziel entsprochen, sodass sie beibehalten werden kann.

24. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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