OGH 2Ob115/07m

OGH2Ob115/07m28.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. Sabine H*****, vertreten durch Dr. Hubert Köllensperger und Mag. Wolfgang Stockinger, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei Josef E***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Johannes Buchmayr, Rechtsanwalt in Linz, wegen Ausstellung einer Rechnung (Streitwert: 12.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 20. März 2007, GZ 3 R 217/06m-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 30. Juni 2006, GZ 5 Cg 281/05a-9, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 10. August 2006, GZ 5 Cg 281/05a-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 749,70 EUR (darin 124,95 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Nach den maßgeblichen Feststellungen der Vorinstanzen erwarben die Klägerin und ihr Lebensgefährte von der beklagten Partei mit notariellem „Kaufvertrag (Bauträgervertrag)" vom 22. 10. 2003 je zur Hälfte eine Liegenschaft in T*****. Gleichzeitig erteilten sie der beklagten Partei den im Vertragstext näher umschriebenen Bauauftrag zur Errichtung eines Wohnhauses. In Punkt V des Vertrags wurde für das Grundstück samt Reihenhaus ein Kaufpreis „inklusive Umsatzsteuer" von 238.541,58 EUR vereinbart. Die Klägerin hatte den Geschäftsführer der beklagten Partei anlässlich der Vertragsgespräche darauf hingewiesen, dass sie das Objekt teilweise auch betrieblich nutzen wolle. Seit ihrem Einzug in das fertiggestellte Haus nutzt sie dieses im Ausmaß von etwa 30 bis 33 % für unternehmerische Zwecke. Nachdem sie die beklagte Partei mehrmals vergeblich zur Rechnungslegung aufgefordert hatte, begehrte die Klägerin mit der am 6. 12. 2005 beim Erstgericht eingelangten Klage die Verpflichtung der beklagten Partei zur Ausstellung einer den Bestimmungen des § 11 UStG entsprechenden Rechnung über das Rechtsgeschäft, „die insbesondere den auf das vereinbarte Entgelt entfallenden Umsatzsteuerbetrag enthält." Sie benötige die Rechnung, um den Vorsteuerabzug zu ermöglichen.

Die Vorinstanzen gaben dem Klagebegehren statt. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige, und die ordentliche Revision zulässig sei. Zur Begründung des Zulassungsausspruchs führte es aus, es fehle noch an höchstgerichtlicher Rechtsprechung zum zivilrechtlichen Gehalt des § 11 Abs 1 UStG seit dessen Änderung durch das zweite Abgabenänderungsgesetz 2002, BGBl I 2002/132.

Rechtliche Beurteilung

Die von der beklagten Partei gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen dem gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Der Oberste Gerichtshof vertrat bereits zu § 11 Abs 1 UStG 1972 in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass die sich aus dieser Bestimmung für den liefernden Unternehmer ergebende Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung zivilrechtlichen Charakter hat und daher im ordentlichen Rechtsweg durchzusetzen ist (SZ 48/140; SZ 52/101; SZ 55/87; 1 Ob 22/86; 2 Ob 524/90; 6 Ob 4/97z uva). Nach Übernahme der Regelung in das UStG 1994 wurde diese Rechtsprechung unverändert fortgeführt (vgl 1 Ob 153/03m; 6 Ob 159/07m; RIS-Justiz RS0045702; Stoll, Rechnungsausstellung und Vorsteuerabzug [2004] 15, 78; Ruppe, Umsatzsteuergesetz3 [2005] § 11 Rz 14; Bürgler in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz [2006] § 11 Rz 9).

In der ursprünglichen Fassung des § 11 Abs 1 UStG 1994 war vorgesehen, dass der Unternehmer, der steuerpflichtige Lieferungen oder steuerpflichtige sonstige Leistungen ausführt, zur Ausstellung einer Rechnung mit gesondertem Ausweis der Umsatzsteuer berechtigt und, soweit er die Umsätze an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausführt, auf Verlangen des anderen verpflichtet ist. Mit dem zweiten Abgabenänderungsgesetz 2002, BGBl I 2002/132, wurde ua die Einschränkung auf steuerpflichtige Umsätze beseitigt. Dies hatte zur Folge, dass sich die Verpflichtung zur Rechnungsausstellung seither auch auf steuerfreie Umsätze erstreckt (vgl dazu Ruppe aaO § 11 Rz 11 und 13; Bürgler aaO § 11 Rz 2). Auf die Steuerbefreiung ist in der Rechnung hinzuweisen (§ 11 Abs 1 Z 5 UStG). Diese Änderung trat mit 1. 1. 2003 in Kraft und ist auf alle Umsätze und sonstige Sachverhalte anzuwenden, die nach dem 31. 12. 2002 ausgeführt wurden bzw sich ereigneten (§ 28 Abs 21 UStG).

Seit Inkrafttreten des Abgabenänderungsgesetzes 2003, BGBl I 2003/134, am 1. 1. 2004 ist überdies ein auf die Ausstellung einer Rechnung gerichtetes Verlangen des Leistungsempfängers nicht mehr erforderlich. Der Unternehmer hat nunmehr selbst zu beurteilen, ob eine solche Verpflichtung besteht (Ruppe aaO § 11 Rz 12 f). Im steuerrechtlichen Schrifttum wird die geänderte Rechtslage von einigen Autoren dahin kommentiert, dass die Verpflichtung des (liefernden bzw leistenden) Unternehmers nun nicht mehr als rein zivilrechtliche zu begreifen sei; korrespondiere mit der Verpflichtung kein Interesse des Leistungsempfängers, sei die Verpflichtung bloß abgabenrechtlicher Natur (Ruppe aaO § 11 Rz 13; ebenso Stoll aaO 13 FN 18; ohne diese Differenzierung hingegen Bürgler aaO § 11 Rz 3; vgl auch Kodex USt-RlKomm [2008] § 11 Rz 1545).

Weiterführende Erwägungen zu diesem Thema können im vorliegenden Fall auf sich beruhen. Die Klägerin begehrt die Ausstellung einer Rechnung mit Ausweis des auf das Entgelt für das erworbene Reihenhaus entfallenden Steuerbetrags (§ 11 Abs 1 Z 5 und 6 UStG) und begründet ihr Rechtsschutzinteresse mit der Ermöglichung des Vorsteuerabzugs. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die (unveränderte) zivilrechtliche Natur eines derartigen Anspruchs bejaht. Diese wird von der beklagten Partei in ihrem Rechtsmittel auch gar nicht in Frage gestellt. Wendet sich ein Rechtsmittelwerber aber nicht gegen die den Zulässigkeitsausspruch begründende Rechtsansicht des Berufungsgerichts, so wäre die Revision nur dann zulässig, wenn er in seinem Rechtsmittel zumindest eine für die Entscheidung präjudizielle (andere) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung releviert (vgl 2 Ob 202/05b mwN; RIS-Justiz RS0102059). Diese Voraussetzung trifft auf das Rechtsmittel der beklagten Partei jedoch nicht zu:

Die Entscheidung, wer die Ausstellung einer Rechnung mit Steuerausweis verlangen kann und wer zu dieser Ausstellung verpflichtet ist, hat, soweit dies von der Beantwortung steuerrechtlicher Fragen abhängt, ausschließlich nach steuerrechtlichen Gesichtspunkten unter Beachtung einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise zu erfolgen (SZ 55/87; SZ 59/140; 2 Ob 524/90; RIS-Justiz RS0045702). Der beklagten Partei ist daher grundsätzlich darin beizupflichten, dass das Gericht in einem Rechtsstreit über die Verpflichtung zur Ausstellung einer Rechnung die dort auftretenden strittigen steuerrechtlichen Vorfragen zu lösen hat (vgl SZ 55/87; 1 Ob 153/03m; Ruppe aaO § 11 Rz 14/5; Stoll aaO 79), der Oberste Gerichtshof mangels einer Leitfunktion in Steuersachen allerdings nur, wenn den Vorinstanzen eine grobe Fehlbeurteilung unterlaufen ist (RIS-Justiz RS0113455); eine solche ist hier nicht zu erkennen.

Begehrt der Kläger die Ausstellung einer Rechnung mit Ausweis der Umsatzsteuer, so kann als abgabenrechtliche Vorfrage auch die Prüfung der Umsatzsteuerpflicht der empfangenen Leistung erforderlich sein (Stoll aaO 18).

Umsätze von Grundstücken im Sinne des § 2 GrEStG sind gemäß § 6 Abs 1 Z 9 lit a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Wird ein bebautes Grundstück geliefert, ist die Lieferung zur Gänze umsatzsteuerfrei, der Kaufpreis unterliegt insgesamt der Grunderwerbssteuer (Ruppe aaO § 6 Rz 225; Kanduth-Kristen in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz [2006] § 6 Rz 276). Wird ein unbebautes Grundstück geliefert und vom Grundstückskäufer an den Lieferer auch der Auftrag zur Errichtung eines Bauwerks auf dem Grundstück erteilt, so ist zu unterscheiden, ob insgesamt die (steuerfreie) Lieferung eines bebauten Grundstücks vorliegt oder ob von zwei getrennten Leistungen, nämlich einer (steuerfreien) Lieferung des unbebauten Grundstücks und einer (steuerpflichtigen) Werklieferung des Gebäudes auszugehen ist. Maßgeblich für diese Differenzierung ist, wem nach dem wirklichen Gehalt und der tatsächlichen Durchführung die Bauherreneigenschaft zukommt (Ruppe aaO § 6 Rz 226 ff; Kanduth-Kristen aaO § 6 Rz 277; je mwN). In der abgabenrechtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs wurde eine Reihe von Kriterien aufgestellt, die bei der Lösung des sogenannten „Bauherrenproblems" zu beachten sind (vgl die Nachweise bei Ruppe aaO § 6 Rz 229 f und Kanduth-Kristen aaO § 6 Rz 278 ff; zuletzt etwa VwGH 13. 5. 2003 Zl 99/15/0238). Auch der Oberste Gerichtshof hat bereits den Einzelfallcharakter dieser nach dem Gesamtbild aller Umstände vorzunehmenden Beurteilung betont, wobei dem Parteiwillen, der Vertragsgestaltung und dem Vertragszweck besondere Bedeutung beizumessen sei (SZ 55/87; 8 Ob 501/95; RIS-Justiz RS0038219).

Im vorliegenden Fall haben sich die Vorinstanzen zur Prüfung der Bauherreneigenschaft der Klägerin als steuerrechtliche Vorfrage aber im Ergebnis zu Recht nicht veranlasst gesehen. Die beklagte Partei vernachlässigt bei ihrer gegenteiligen Argumentation, dass sie den Einwand, die erbrachte Leistung sei steuerfrei, in erster Instanz ausschließlich auf die ihrer Meinung nach fehlende Unternehmereigenschaft der Klägerin gegründet und auch nur in diesem Zusammenhang das (insoweit jedenfalls verfehlte) Vorbringen erstattet hat, nicht zur Umsatzsteuer optiert zu haben (AS 6). Auf die Steuerbefreiung des Umsatzes nach § 6 Abs 1 Z 9 lit a UStG hat sich die beklagte Partei hingegen weder ausdrücklich noch inhaltlich berufen und insbesondere zum „Bauherrenproblem" keinerlei Tatsachenbehauptungen aufgestellt. Ihr Begehren nach ergänzenden Feststellungen zu diesem Thema scheitert daher schon am Neuerungsverbot.

Es begründet auch keine erhebliche Rechtsfrage, ob dem Berufungsgericht die Prüfung der Vorfrage schon anhand der großteils überschießenden Feststellungen des Erstgerichts möglich gewesen wäre; dürfen doch überschießende Feststellungen nur dann berücksichtigt werden, wenn sie sich im Rahmen des geltend gemachten Klagegrunds oder der erhobenen Einwendungen halten, was jeweils nach den Umständen des konkreten Einzelfalls zu beurteilen ist (2 Ob 123/06m mwN; 2 Ob 274/06t).

Beruht aber schon die Bejahung der gesetzlichen Verpflichtung der beklagten Partei zur Ausstellung einer den Erfordernissen des § 11 Abs 1 UStG entsprechenden Rechnung auf einer zumindest im Ergebnis vertretbaren Rechtsansicht des Berufungsgerichts, ist es nicht mehr von entscheidender Relevanz, ob sich eine solche Verpflichtung (als vertragliche Nebenpflicht) im Wege der Auslegung auch aus dem Vertragstext ableiten lässt.

Auf ihre in erster Instanz erhobenen Einwände, der Klägerin mangle es an der Unternehmereigenschaft und an der aktiven Klagslegitimation, kommt die beklagte Partei in ihrem Rechtsmittel nicht mehr zurück. Die Revisionsausführungen der beklagten Partei werfen somit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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