OGH 7Ob80/07a

OGH7Ob80/07a18.4.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Huber als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing. Peter H*****, vertreten durch Dr. Albert Heiss, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Dr. Herbert Sch*****, wegen EUR 83.168,-- sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 15. Februar 2007, GZ 3 R 132/06b-39, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Gegenstand des Verfahrens bildet die Rückforderung einer vom Kläger behaupteten Überzahlung, die er dem Beklagten laut Pauschalhonorarvereinbarung vom 18. 4. 2002 für die Vertretung (Verteidigung) des damals in Untersuchungshaft genommenen Sohnes des Klägers in einem landesgerichtlichen Schöffenverfahren wegen mehrerer Vermögensdelikte geleistet hat. Von dem laut dieser Vereinbarung bezahlten Honorar in Höhe von EUR 113.372,09 würden EUR 83.163,-- sA wegen Sittenwidrigkeit und Wucher (§ 879 ABGB) sowie arglistiger Täuschung zurückverlangt. Während das Erstgericht dem Klagebegehren stattgab, wurde dieses vom Berufungsgericht - verbunden mit dem Ausspruch, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei - abgewiesen.

In der hiegegen erhobenen außerordentlichen Revision werden keine erheblichen Rechtsfragen mit der Wertigkeit des § 502 Abs 1 ZPO releviert.

Rechtliche Beurteilung

1.) Die geltend gemachten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit (§ 503 Z 2 ZPO) und Aktenwidrigkeit (§ 503 Z 3 ZPO) liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 dritter Satz ZPO). Eine Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes wegen Unterlassung einer Beweiswiederholung oder -ergänzung durch das Berufungsgericht setzt voraus, dass es die Beweise anders als das Erstgericht würdigte (RIS-Justiz RS0043187). Davon kann hier schon deshalb keine Rede sein, weil das Berufungsgericht - aus rechtlichen Erwägungen - die Beweisrüge des Beklagten (also des Gegners des nunmehrigen Rechtsmittelwerbers!) ausdrücklich unbehandelt ließ und damit bloß Tatsachen, die schon der bisher erörterten Rechtslage zugrundelagen, rechtlich anders (hier speziell zur „Vertrauensseligkeit" des Klägers im Lichte des § 879 ABGB) wertete als das Erstgericht, worin auch keine Verletzung des § 182a ZPO liegt (7 Ob 181/04z). Selbst wenn das Berufungsgericht relevante erstgerichtliche Feststellungen in der Folge bei seiner rechtlichen Beurteilung nicht berücksichtigt hätte, wäre dies keine Aktenwidrigkeit (6 Ob 722/80; RIS-Justiz RS0043240 [T1]). Das Erstgericht, von dem nach Auffassung des Rechtsmittelwerbers das Berufungsgericht abgewichen sein soll, hat auch nicht festgestellt, dass der Beklagte bloß 24 Ordner durchsucht hat (während das Berufungsgericht von 200 Ordnern ausging), sondern dass bloß in ca 24 von 200 Ordnern Hinweise und Belege, welche die Unschuld des Sohnes des Klägers und Angeklagten im Schöffenverfahren beweisen hätten können, „auftauchen hätten können". Dass der beklagte Rechtsanwalt als Strafverteidiger zum Herausfinden, welche diese 24 Ordner sind, nicht alle pflichtgemäß sichten hätte müssen, vermag nicht einmal der Revisionswerber ernsthaft zu behaupten. Auch daraus lässt sich keine Aktenwidrigkeit ableiten.

2.) Auf den Anfechtungsgrund der laesio enormis wurde das Klagebegehren bis Schluss der Verhandlung erster Instanz nie gestützt; Anfechtungsgründe waren von Beginn an stets und ausschließlich Sittenwidrigkeit und Wucher gemäß § 879 ABGB sowie arglistige Täuschung; die im späteren Verfahren monierte Leistungsbeurteilung des Pauschalhonorars nach den Angemessenheitskriterien des § 1152 ABGB ist nicht deckungsgleich mit dem rechtsgestaltenden Anfechtungsrecht der Schadloshaltung wegen Verkürzung über die Hälfte (§ 934 ABGB; P. Bydlinski in KBB, ABGB Rz 5 zu § 934; Koziol/Welser II13 93 f). Die erstmalige Geltendmachung auch von laesio enormis im Rechtsmittelverfahren verstößt damit gegen das Neuerungsverbot (§§ 482, 504 Abs 2 ZPO). Insoweit ist der Oberste Gerichtshof daher an die vom Kläger selbst vorgenommene Beschränkung seiner Klagegründe gebunden (RIS-Justiz RS0041570). Auch daraus kann daher keine erhebliche Rechtsfrage abgeleitet werden.

3.) Für eine arglistige Täuschung liegt, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kein eine solche indizierendes Tatsachensubstrat vor. Der diesbezügliche Vorwurf in der Klage, der Beklagte habe dem Kläger durch die Behauptung, durch die Übernahme der Strafverteidigung „für sonstige anwaltliche Tätigkeiten keine Zeit mehr zu haben bzw keine [sonstigen] Mandate mehr übernehmen zu können ... falsche Tatsachen vorgespiegelt", ist nämlich feststellungsmäßig - entgegen den Ausführungen in der Revision - nicht untermauert: Die diesbezügliche Äußerung des Beklagten gegenüber dem Kläger, seine Kanzlei werde auf Grund des Prozesses (gegen den Sohn des Klägers) „für Monate hin blockiert" sein, ist nämlich klarerweise ex ante und nicht ex post (aus der in der Revision in den Vordergrund gerückten späteren geständigen Verantwortung des Genannten samt Reduzierung des Strafverfahrens auf nur eine Instanz) zu beleuchten; danach waren aber dem Angeklagten eine Vielzahl massiver und komplexer Vermögensdelikte anklagemäßig vorgeworfen worden, hinsichtlich derer sich dieser erst „während einer Pause in der Hauptverhandlung" am 4. 12. 2002 über Anraten des Beklagten (zur Erwirkung einer auch tatsächlich erreichten Strafmilderung samt späterer Enthaftung) schuldig bekannte. Auch aus der Chronologie der dem HV-Akt zu entnehmenden und vom Erstgericht festgestellten Vertretungsleistungen des Beklagten ergibt sich unschwer eine vielmonatige Befassung mit der Causa, sodass - insgesamt und alle Umstände mitberücksichtigend - die Annahme des Berufungsgerichtes, der Beklagte habe den Kläger nicht vorsätzlich durch Vorspiegelung falscher Tatsachen (Koziol/Welser I13 166 f; Bollenberger in KBB, aaO Rz 2 zu § 874) zur Unterfertigung der Pauschalhonorarvereinbarung bewogen, keineswegs eine „eklatante Falschbeurteilung und krasse Überschreitung des Ermessensspielraumes des Berufungsgerichtes" darstellt.

4.) In der vom Rechtsmittelwerber in gleich scharfer Diktion („eklatante Fehlentscheidung", „Verkennung der Rechtslage") gerügte Verneinung der Nichtigkeitsvoraussetzungen nach § 879 ABGB ist vorauszuschicken, dass Pauschalhonorarvereinbarungen im anwaltlichen Vertretungsrecht grundsätzlich zulässig sind (Thiery, Die Pauschalhonorarvereinbarung, AnwBl 2006, 431; 2 Ob 587/94 = AnwBl 1998, 56; 7 Ob 250/05y).

Für die Annahme eines Wuchergeschäftes (samt Nichtigkeitssanktion) sind drei kumulative und zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses zu beurteilende (Bollenberger, aaO Rz 19 zu § 879; Koziol/Welser I13 177

f) Voraussetzungen erforderlich: Auffallendes Missverhältnis zwischen Wert und Leistung/Gegenleistung; der durch das Geschäft Begünstigte muss dieses Missverhältnis gekannt haben; es müssen bei dem durch das Geschäft Benachteiligten gewisse Verhältnisse und Eigenschaften vorhanden gewesen sein, die ihn hinderten, seine Interessen gehörig zu wahren. Wenn nur eine dieser Voraussetzungen fehlt, unterliegt ein Rechtsgeschäft nicht der Beurteilung als eines wucherischen (RIS-Justiz RS0016864). Die vom Rechtsmittelwerber fast ausschließlich nur auf die erste Voraussetzung des Missverhältnisses fokussierten Ausführungen müssen daher schon daran scheitern. Auch von einer Zwangslage des Klägers, wie sie in Schrifttum (Bollenberger, aaO Rz 20) und Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0104125) umschrieben wird, kann nach den maßgeblichen Feststellungen nicht ausgegangen werden.

Auch gegen die Verneinung einer sonstigen Sittenwidrigkeit - deren Beurteilung grundsätzlich eine solche mit Einzelfallcharakter ohne Rechtsfragenqualität im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO ist (RIS-Justiz RS0042881) - durch das Berufungsgericht bestehen keine Bedenken im Sinne einer krassen Fehlbeurteilung: Es entspricht nämlich ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung, dass für die Annahme der Sittenwidrigkeit im Sinne des § 879 ABGB das Vorliegen einer Standeswidrigkeit nicht ausreicht (RIS-Justiz RS0038374; zuletzt - ebenfalls im Zusammenhang mit einem Rechtsanwaltshonorar - 6 Ob 34/04z = MietSlg 56.097); selbst die standeswidrige Vereinbarung eines zu hohen Honorars durch einen Rechtsanwalt (RIS-Justiz RS0055881) muss also nicht sittenwidrig sein und die Nichtigkeit zur Folge haben (RIS-Justiz RS0038770; 6 Ob 34/04z). Der Hinweis im Rechtsmittel auf das gegen den Beklagten bei seiner Rechtsanwaltskammer behängende Disziplinarverfahren geht daher fehl.

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