Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 1.881,72 EUR (darin 313,62 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger litt seit seinem 6. Lebensjahr an der Zuckerkrankheit. Wegen seiner verminderten Sehkraft war er in den Jahren 1984 bis 1989 in fachärztlicher Behandlung bei einem Augenarzt in Schwaz. Nach einer Verschlechterung seines Sehvermögens im Oktober 1989 wurde der Kläger von einem Arzt an der Universitätsklinik in Innsbruck untersucht, der an beiden Augen auf eine proliferative diabetische Retinopathie zurückzuführende Glaskörperblutungen feststellte. Trotz der bis März 1990 durchgeführten Laserbehandlung kam es zu einem Fortschreiten der Retinopathie. Wegen der Gefahr einer kompletten Netzhautabhebung wurden an beiden Augen je drei Operationen durchgeführt. Über deren Risken wurde der Kläger nicht aufgeklärt. Trotz der Operationen betrug das Sehvermögen des Klägers am rechten Auge nur 1/35 bei stabiler Netzhautsituation, am linken Auge war nur mehr eine Lichtempfindung bei totaler Netzhautabhebung gegeben. Nach mehreren in der Folge in Deutschland durchgeführten Operationen konnte am rechten Auge eine Sehschärfe von 0,6 herbeigeführt werden, das linke Auge blieb erblindet. Das Auftreten von Netzhautdefekten mit Verlust des Sehvermögens ist bei der Operation einer proliferativen Retinopathie ein häufiges Risiko. Ein Behandlungsfehler des österreichischen Operateurs lag nicht vor. Bei Aufklärung über die Operationsrisken hätte sich der Kläger nicht operieren lassen. In diesem Fall wären die Netzhautplatten bis ins Zentrum des Sehens weiter gewachsen. Am Ende des Prozesses wäre die Erblindung gestanden. Der Kläger leitete am 19. 5. und am 6. 8. 1992, vertreten durch einen Rechtsanwalt, zwei Schiedsverfahren bei der Schiedsstelle der Ärztekammer für Tirol ein. Der Beklagte war damals Konzipient des Rechtsanwalts und übernahm ab 20. 11. 1992 als selbständiger Rechtsanwalt die Vertretung des Klägers. Der Kläger relevierte in seinen Anträgen an die Schiedsstelle, dass er vom Augenarzt in Schwaz nicht über die Natur der Augenerkrankung aufgeklärt worden sei und machte Behandlungs- und Aufklärungsfehler der Universitätsklinik geltend. Der Beklagte holte von der stellvertretenden Direktorin der Krankenanstalt eine vermeintlich für das Land Tirol abgegebene Erklärung ein, dass auf die Einrede der Verjährung bis drei Monate nach Abschluss des anhängigen Schiedsverfahrens verzichtet werde. Tatsächlich war die Rechtsträgerschaft für das Landeskrankenhaus aber schon vom Land auf eine am 3. 12. 1990 gegründete Gesellschaft mbH (mit dem Land als Gesellschafter) übergegangen, mit der das Land vereinbart hatte, dass Schadenersatzasprüche von Patienten gegen das Land nicht auf die Gesellschaft mbH übergingen. Die Direktorin war zur Abgabe der Erklärung, auf die Einrede der Verjährung zu verzichten, für das Land nicht (mehr) bevollmächtigt. Im ersten Schiedsverfahren wurde ein Fehlverhalten des Arztes aus Schwaz verneint. Der Beklagte kündigte das Vollmachtsverhältnis mit dem Kläger am 28. 6. 1994 auf. Am 8. 3. 1996 wurde im zweiten Schiedsverfahren abschließend festgestellt, dass kein Behandlungsfehler, wohl aber eine Verletzung der Aufklärungspflicht des Arztes der Universitätsklinik festzustellen sei.
Mit der am 5. 6. 1996 zu 15 Cg 117/96z des Landesgerichtes Innsbruck eingebrachten Schadenersatzklage begehrte der Kläger von den drei Beklagten (der Gesellschaft mbH, dem Land Tirol und dem operierenden Augenarzt der Universitätsklinik) zur ungeteilten Hand die Zahlung von 5,642.760 S und die Feststellung der Haftung aller Beklagten für künftige Schäden. Mit Teilzwischenurteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck wurde dem Grunde nach das Zahlungsbegehren gegenüber der erstbeklagten Gesellschaft mbH als zu Recht bestehend erkannt, die Klagebegehren gegen das zweitbeklagte Land und den Arzt aber wegen Verjährung abgewiesen. Hinsichtlich des Feststellungsbegehrens gegen die im Vorprozess erstbeklagte GmbH wurde das erstinstanzliche Urteil zur Verfahrensergänzung aufgehoben. Der Oberste Gerichtshof wies die gegen die Klageabweisungen gerichteten Revisionen des Klägers und des als Nebenintervenient beigetretenen Beklagten mit der Entscheidung vom 3. 4. 2001, 4 Ob 59/01g (= SZ 74/63), zurück und gab der Revision und dem Rekurs der Erstbeklagten nicht Folge. Im fortgesetzten Verfahren schlossen der Kläger und die in diesem Vorprozess als einzige beklagte Partei verbliebene Gesellschaft mbH am 8. 10. 2002 nach vorheriger Ausdehnung des Zahlungsbegehrens auf letztlich 632.145,96 EUR folgenden Vergleich:
"1) Die beklagte Partei verpflichtet sich, der klagenden Partei binnen 14 Tagen nach Rechtskraft des Vergleiches den Betrag von EUR 436.037,-- zu bezahlen.
2) Die beklagte Partei erklärt, vom Kostentitel im Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 14. 11. 2000 keinen Gebrauch zu machen.
3) Festgehalten wird, dass mit der Erfüllung dieses Vergleiches sämtliche wechselseitigen Ansprüche, darunter auch allfällige künftige Ansprüche des Klägers abgegolten sind, was auch für allfällige Kostenforderungen gilt.
4) Dieser Vergleich wird rechtswirksam, wenn er nicht von einer der Streitteile bis zum 30. 10. 2002 (maßgeblich ist das Datum der inländischen Postaufgabe) in schriftlicher Form widerrufen wird.
5) Die klagende und die beklagte Partei erklären, an diesen Vergleich auch ohne Unterfertigung eines in Vollschrift aufgenommenen Vergleichstextes gebunden sein zu wollen; sie beantragen jedoch die Übermittlung einer Protokollabschrift und - für den Fall des Vergleiches - die Übermittlung einer Vergleichsausfertigung."
Mit der vorliegenden am 30. 10. 1996 eingebrachten Klage begehrt der Kläger zuletzt die Zahlung von 82.799,82 EUR an Schadenersatz und stellte zwei Begehren auf Feststellung der Haftung des Beklagten für alle entstandenen und künftigen Schäden aus der Unterlassung der gerichtlichen Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen den Arzt aus Schwaz sowie aus dem vom Beklagten verschuldeten Eintritt der Verjährung. Ohne Verjährung hätte nach Abschluss des Vergleichs mit der im Vorprozess Erstbeklagten das Verfahren fortgesetzt und gegen die beiden anderen Beklagten ein besseres Ergebnis erzielt werden können. Der beklagte Anwalt hafte für den Differenzbetrag. Er habe es unterlassen, vor Klageeinbringung die Ansprüche des Klägers fällig zu stellen. Aus der nicht rechtzeitigen Geltendmachung der Ersatzansprüche an Verdienstentgang, Aufwandsentschädigungen, Schmerzengeld, Verunstaltungs- entschädigung, Hausbau, Wohnungsumbau, Besuchskosten, Zusatzaufwand und Pflegekosten resultiere bei einem Zinssatz von 6 % ein Zinsenschaden bis 14. 6. 1996 in der Höhe von 53.086,99 EUR. Aufgrund der gesundheitlichen Situation des Klägers sei davon auszugehen, dass eine Erblindung, wie sie nunmehr vorliegt, nicht bereits nach 10 bis 12 Jahren, sondern frühestens 20 Jahre nach der Operation eingetreten wäre. Dem Kläger stünden für diesen Zeitraum Schadenersatzansprüche zu, die noch nicht konkretisiert werden könnten. Dies gelte auch für die Schadenersatzansprüche gegenüber dem Augenarzt aus Schwaz, der es unterlassen habe, den Kläger mit "weit getropfter Pupille" zu untersuchen. Nur so hätte die entsprechende Risikokonstellation erkannt werden können. Die schriftliche Erklärung des Klägers vom 15. 3. 1994 (über die anwaltliche Belehrung und dass der Kläger gegen den Augenarzt aus Schwaz nicht vorgehen wolle) sei wegen des in seiner Sehfähigkeit stark beeinträchtigten Klägers nichtig. Sie hätte der Notariatsaktsform bedurft.
Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klagebegehren. Im Vorprozess sei die unbeschränkte Haftung der GmbH für die Schäden des Klägers festgestellt worden. Der Vertreter der beklagten Parteien habe im Vorprozess auf die Geltendmachung von Kosten gegen den Kläger vorbehaltlos verzichtet. Wenn der Kläger nunmehr Prozesskosten von 29.712,83 EUR fordere, sei ihm dieser Prozesskostenschaden nicht erwachsen. Zum Zinsenschaden für den Zeitraum 5. 4. 1990 bis 14. 6. 1996 wegen verspäteter Fälligstellung von Schadenersatzansprüchen sei zu entgegnen, dass selbst der Rechtsvertreter des Klägers (nach Beendigung des Vollmachtsverhältnisses mit dem Beklagten) noch 1999 keine Kenntnis über die tatsächliche Schadenshöhe gehabt habe. Der Verdienstentgang sei erst fünf Jahre nach Klageeinbringung konkretisiert worden. Wenn der Kläger allerdings Kenntnis von der Höhe seines Schadens gehabt habe, hätte er statt einer Feststellungsklage die Leistungsklage einbringen müssen. Durch den Vergleich mit der Gesellschaft mbH im Vorprozess seien auch allfällige künftige Ansprüche des Klägers abgegolten worden. Die Nichtgeltendmachung von Ansprüchen gegen den Augenarzt aus Schwaz habe der Kläger nach ausführlicher und richtiger Aufklärung durch den Beklagten über die Chancen und Risken einer Klageführung selbst gewollt.
Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Von seinen Feststellungen (S 31 bis 57 in ON 81) ist für die Behandlung der Revision als wesentlich nur Folgendes hervorzuheben:
Die ärztliche Behandlung und die Operationen waren nicht fehlerhaft. Ohne Operation hätte sich das Sehvermögen spätestens bis zum Jahr 2000 auf das Stadium verschlechtert, wie es derzeit gegeben ist. Am 15. 3. 1994 unterschrieb der Kläger eine Erklärung, dass er von seinem Vertreter (dem Beklagten) über das negative Ergebnis des Schiedsverfahrens und über die (drohende) Verjährung der Ansprüche gegenüber dem Arzt aus Schwaz belehrt worden sei und dass er den Gerichtsweg gegen diesen Arzt nicht beschreiten wolle. Es solle das die Universtitätsklinik betreffende Schiedsverfahren abgewartet werden, um dann allenfalls gegen die Universitätsklinik vorzugehen (Beil 6). Zum Zeitpunkt der Fertigung dieser Erklärung lag keine Erblindung des Klägers vor.
Zu den Umständen der Vergleichsgespräche im Vorprozess: Ob der Kläger im Rahmen der Vergleichsgespräche von seinen Forderungen Abstriche gemacht hat, damit von Seiten der Beklagten vom Kostentitel kein Gebrauch gemacht wird, kann nicht festgestellt werden. Der Vergleich war ein Gesamtpaket, in dem ohne Berücksichtigung des Prozessstandpunktes sämtliche Forderungen eingeflossen sind, dies, obwohl es Positionen gegeben hat, denen von Seiten der Beklagten im Verfahren 15 Cg 117/96z LG Innsbruck keine Berechtigung zugesprochen worden war, so zB was die Notverkäufe und die Forderungen in Bezug auf den Hausbau betrifft.
Im Zusammenhang mit dem Vergleichsabschluss kann nicht festgestellt werden, dass eine Exekutionsführung auf die klägerische Liegenschaft unmittelbar bevorstand, wohl aber haben der Kläger und seine Frau befürchtet, dass sie ihr Liegenschaftseigentum verlieren könnten, weshalb neben dem schlechten Gesundheitszustand der Frau des Klägers auch dieser Umstand Motiv für den Vergleichsabschluss gewesen ist. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass dem Kläger zum Zeitpunkt der Einbringung seines Antrages an die Ärztekammer am 11. 8. 1992 der anspruchsbegründende Sachverhalt umfassend bekannt gewesen sei, sodass ab diesem Zeitpunkt die Verjährungsfrist für die Schadenersatzansprüche zu laufen begonnen habe. Damit sei die Verjährungsfrist gegenüber dem Land Tirol und dem Arzt der Klinik am 28. 6. 1994, dem Datum der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses des Beklagten, noch offen gewesen. Erst zum Zeitpunkt der fast zwei Jahre nach Vollmachtsauflösung eingebrachten Klage zu 15 Cg 117/96 sei die Verjährungsfrist abgelaufen gewesen. Der Beklagte müsse daher auch nicht die Prozesskosten ersetzen, zu denen der Kläger verurteilt worden sei, weil es die Entscheidung des nachfolgenden Rechtsvertreters des Klägers gewesen sei, auch das Land Tirol und den Arzt der Universitätsklinik zu klagen. Was den geltend gemachten Zinsenschaden anlange, sei dieser verjährt, weil der Kläger den behaupteten Zinsenschaden schon in der Klage geltend machen hätte können, er aber lediglich ein Feststellungsbegehren gestellt habe. Der beklagte Anwalt habe den Verjährungseinwand erhoben, weil er von seinem Haftpflichtversicherer dazu aufgefordert worden sei. Er habe zwar mit dem Verjährungseinwand gegen Standesvorschriften verstoßen, ein Tatbestand des § 879 Abs 2 ZPO liege aber nicht vor. Schließlich habe der Kläger einen Vergleich mit der Gesellschaft mbH abgeschlossen. Dieser Vergleich könne nicht zu Lasten des Beklagten gehen. Das auf mangelhafte Aufklärung und fehlerhafter Untersuchung gestützte Feststellungsbegehren betreffend den Augenarzt aus Schwaz sei wegen der erfolgten Belehrung durch den Beklagten und der entsprechenden Erklärung des Klägers darüber nicht berechtigt. Der Kläger sei nicht blind gewesen, sodass seine schriftliche Erklärung nicht notariatsaktspflichtig gewesen sei.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es beurteilte den vom Erstgericht festgestelten Sachverhalt im Wesentlichen wie folgt:
Der Rechtsanwalt hafte aufgrund des Bevollmächtigungsvertrages für die sachgemäße Vertretung seines Klienten. Er habe alles vorzukehren, um die Rechte seines Klienten zu schützen und alles zu vermeiden, was seine Rechtsposition gefährden könnte. Handeln unter Zugrundelegung einer vertretbaren Rechtsansicht bedeute jedoch keine Verletzung der gebotenen Sorgfalt. Grundsätzlich hafte ein Rechtsanwalt, wenn er den Anspruch seines Mandanten erst nach Verjährung geltend mache und deshalb der Anspruch scheitere. Es treffe aber den Geschädigten die Beweislast für den Kausalzusammenhang zwischen dem eingetretenen Schaden und dem Verhalten des Rechtsanwalts. Bei Unterlassungen sei die Kausalität dann zu verneinen, wenn derselbe Nachteil auch bei pflichtgemäßem Tun entstanden wäre. Der Geschädigte habe den Nachweis zu erbringen, dass überwiegende Gründe dafür vorliegen, dass der Schaden durch das Verhalten des Beklagten herbeigeführt worden sei. Die vom Kläger geltend gemachten Prozesskosten von 29.712,83 EUR seien kein schon erwachsener Prozesskostenschaden, weil im Vergleich der Vertreter der Kostengläubiger ausdrücklich erklärt habe, vom Kostentitel keinen Gebrauch zu machen. Der Kläger habe auch keinen Nachweis erbracht, dass sich die Gesellschaft mbH bei Aufrechterhaltung des Kostentitels (des Landes und des Arztes der Universitätsklinik) zu einem entsprechend höheren Vergleichsbetrag verpflichtet hätte. Der vom Kläger geltend gemachte Zinsenschaden für die Zeit vom 5. 4. 1990 bis 14. 6. 1996 sei verjährt. Der Kläger habe erstmals am 17. 7. 2001 die Feststellung der Haftung des Beklagten für diesen Zinsenschaden begehrt und mit Schriftsatz vom 8. 1. 2003 das Feststellungsbegehren in ein Leistungsbegehren umgewandelt. Es wäre dem Kläger aber durchaus möglich gewesen, den Zinsenschaden spätestens mit der am 30. 10. 1996 eingebrachten Klage geltend zu machen. Entgegen den Berufungsbehauptungen habe das Eventualbegehren auf Zahlung von 7,863.000 S nicht die gegenständliche Zinsenforderung umfasst. Gleiches gelte für die gestellten Feststellungsbegehren. Der Einwand des Klägers, die Verjährungseinrede des Beklagten sei gemäß § 179 ZPO verfristet, sei nicht nachvollziehbar. Im übrigen habe das Erstgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass ein allfälliger Verstoß gegen die Standesvorschriften der Rechtsanwälte nichts an der Beachtlichkeit der Verjährungseinrede eines Rechtsanwalts im zivilgerichtlichen Verfahren ändere.
Entgegen der Ansicht des Erstgerichtes seien die aus der Unterlassung der rechtzeitigen gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen gegen das Land Tirol und den Arzt der Universitätsklinik relevierten Ansprüche nicht deshalb unberechtigt, weil zum Zeitpunkt der Vollmachtskündigung des Beklagten am 28. 6. 1994 die Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen gewesen sei. Die Ausführungen des Obersten Gerichtshofs in der Vorentscheidung 4 Ob 59/01g (SZ 74/63) seien dahin zu verstehen, dass der Kläger spätestens zu jenem Zeitpunkt, als er sich an die Schiedsstelle der Ärztekammer gewandt habe, Kenntnis vom anspruchsbegründenden Sachverhalt gehabt habe. Die Verjährungsfrist müsse schon zu einem früheren Zeitpunkt zu laufen begonnen haben, weil der Kläger bereits zum Zeitpunkt seiner Kontaktaufnahme zu einem deutschen Arzt im Jahr 1990 konkrete Kenntnis über den Sachverhalt der mangelnden Aufklärung über die Risken der in Aussicht genommenen Operation gehabt habe. Die dreijährige Verjährungsfrist zur Geltendmachung der Ansprüche gegen das Land Tirol und den Arzt der Universitätsklinik sei daher am 28. 6. 1994 bereits abgelaufen gewesen. Ungeachtet dessen könne der Kläger nicht gegen den Beklagten vorgehen, weil ihm kein Schaden entstanden sei. Im Vorverfahren sei nämlich die Haftung der Gesellschaft mbH für den dem Kläger durch die unterlassene Aufklärung über die typischen Operationsrisken entstandene Schaden bejaht worden. Selbst im Fall einer Solidarschuldnerschaft hätte der Kläger keinen weiterreichenden Schadenersatz erlangen können, als er mit dem Vergleich auch erlangt habe. Die Motive auf Seiten des Klägers für den Vergleichsabschluss (schwierige finanzielle Verhältnisse und gesundheitliche Situation der Ehefrau) würden an der prozessbeendenden Wirkung nichts ändern. Mit dem Vergleichsbetrag von 6 Mio S (436.037 EUR) sei eine Schadloshaltung für alle Schäden aus der Behandlung durch den Arzt der Universitätsklinik erfolgt. Der Kläger habe den Beweis, dass ihm durch die nicht rechtzeitige gerichtliche Geltendmachung seiner Schadenersatzansprüche ein Schaden entstanden sei, nicht erbracht. Hinzu komme noch, dass auch ohne die ärztlichen Behandlungen und Operationen die Sehschärfe des Klägers sich bis zum Jahr 1999 so verschlechtert hätte, wie es dem tatsächlich eingetretenen Zustand entspreche. Schließlich hafte der Beklagte auch nicht für Nachteile aus der Unterlassung der Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen gegen den Augenarzt aus Schwaz. Aufgrund der Ergebnisse des Schiedsverfahrens der Ärztekammer wäre ein gerichtliches Vorgehen mit erheblichem Prozessrisiko verbunden gewesen. Der Beklagte habe darüber belehrt und die vom Kläger unterfertigte Erklärung veranlasst. Bei dieser handle es sich um eine Beweisurkunde, die nicht notariatsaktspflichtig sei. Die Rechtsansicht des Beklagten über das Prozessrisiko sei vertretbar gewesen.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil die Rechtsfrage, ob der Abschluss eines Vergleichs mit einem von mehreren Haftpflichtigen über denselben Anspruch zur Verneinung des Feststellungsinteresses gegenüber dem verbliebenen Haftpflichtigen führe, eine erhebliche Rechtsfrage sei. Mit seiner Revision beantragt der Kläger die Abänderung dahin, dass den Klagebegehren stattgegeben werde, hilfsweise die Aufhebung zur Verfahrensergänzung.
Der Beklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.
1. Das Berufungsgericht hat im Einklang mit der oberstgerichtlichen Judikatur ausgeführt, dass den Geschädigten die Beweislast für den eingetretenen Schaden und den Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und dem dem Rechtsanwalt vorgeworfenen Verhalten trifft und dass die Haftung zu verneinen ist, wenn der Nachteil des Klienten auch bei pflichtgemäßem Handeln eingetreten wäre (RIS-Justiz RS0106890; RS0022700; 6 Ob 226/97x; 10 Ob 61/91m uva). Selbst wenn bei der Prozessvorbereitung dem Beklagten Nachlässigkeiten bei der Feststellung des Rechtsträgers des Krankenhauses und der Aufklärung seines Mandanten anzulasten sind und auch der Eintritt der Verjährung gegenüber dem Land und dem Arzt der Universtitätsklinik auf Sorgfaltsverletzungen des Anwalts zurückzuführen sind, ist die Frage zu stellen, ob der nach dem Vergleichsabschluss im Vorprozess nunmehr geltend gemachte Differenzschaden auf dieses Fehlverhalten des Rechtsanwalts zurückgeführt werden kann. Das Berufungsgericht hat den Eintritt eines Schadens im Sinne einer fehlenden Kausalität aber zutreffend verneint:
2. Der infolge Verjährung der Ansprüche gegen das Land und den Arzt der Universitätsklinik eingetretene Wegfall von Haftpflichtigen hat sich im Vermögen des Klägers nicht nachteilig ausgewirkt, weil er im Vorprozess gegen die vom Land ausgegliederte Gesellschaft mbH dem Grunde nach voll obsiegte und danach einen Vergleich abgeschlossen hat. Da die Vergleichssumme bezahlt und nicht behauptet wurde, dass bei der Gesellschaft mbH eine Gefährdung der Einbringlichkeit zu befürchten gewesen wäre, ist mangels jeglicher Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der Kläger bei Fortsetzung des Vorverfahrens (also ohne Vergleichsabschluss) auch den behaupteten, über der Vergleichssumme liegenden höheren Schadenersatz durchsetzen hätte können. Seine Rechtsposition wurde durch den Eintritt der Verjährung vermögensrechtlich nur dahin verschlechtert, dass er nicht Exekutionstitel gegen mehrere zur ungeteilten Hand haftende Mitschuldner erwirken konnte. Für den Eintritt des nun eingeklagten Differenzschadens ist nicht der vom Beklagten verschuldete Verjährungseintritt, sondern der Vergleichsabschluss kausal, den der Kläger auch nur mit in seiner Sphäre liegenden Umständen begründete. Dass das Land oder der Arzt (für den Fall, dass die Ansprüche gegen sie nicht verjährt gewesen wären) sich zu einer höheren Vergleichssumme bereit gefunden hätten, wurde vom Kläger nicht behauptet. Nur dann und im schon angeführten Fall der fehlenden Einbringlichkeit seiner Forderungen gegenüber der Gesellschaft mbH wäre der vom Kläger zu beweisende Kausalzusammenhang zu bejahen.
3. Diese Erwägungen gelten auch für den Teilanspruch auf Ersatz der Prozesskosten von 29.712,83 S:
Die beiden gegen den Kläger im Vorprozess Obsiegenden haben Exekutionstitel über ihre Kostenersatzansprüche. Sie waren beim Vergleichsabschluss des Vorprozesses am 8. 10. 2002 nicht mehr Prozessparteien. Die Auslegung des Vergleichstextes nach dem objektiven Sinn und Zweck des Vergleichs (§ 914 ABGB) führt zum Ergebnis, dass eine vermögensrechtliche Schlechterstellung des Klägers auf die von ihm relevierten Anwaltsfehler nicht zurückzuführen ist. Wenn der Beklagtenvertreter im Vorprozess nicht ausdrücklich den Vergleich auch im Namen des Landes und des Arztes, sondern nur namens der verbliebenen Prozesspartei - der Gesellschaft mbH - abschloss, die Kostengläubiger also im Sinne der Revisionsausführungen durch die Erklärung des Beklagtenvertreters ("vom Kostentitel" ... "keinen Gebrauch zu machen") nicht gebunden worden sein sollten, muss diese Erklärung der Gesellschaft mbH (P 2. des Vergleichs) im Zusammenhang mit der weiteren Feststellung im Punkt 3. des Vergleichs, dass sämtliche wechselseitigen Ansprüche und auch die künftigen Ansprüche des Klägers abgegolten werden sollten und im Zusammenhang mit der weiteren von den Vorinstanzen getroffenen Feststellung, dass es sich bei dem Vergleich um ein "Gesamtpaket" handelte, als eine Schad- und Klagloshaltung des Klägers durch die Gesellschaft mbH qualifiziert werden. Dies ergibt sich einerseits schon daraus, dass die Gesellschaft mbH rechtsgeschäftlich nicht über die formell fremden Kostentitel verfügen konnte, anderseits aber aus der gesellschaftsrechtlichen und wirtschaftlichen Verflechtung der Gesellschaft mit einem der Kostengläubiger (dem Land). Auch in dessen Interesse erfolgte die vergleichsweise Regelung unter Einschluss des Kostenverzichtes. Die Annahme einer bloß unverbindlichen Verwendungszusage der GmbH, dass die Kostenersatzforderungen der beiden anderen im Vorprozess beklagten Parteien nicht betrieben werde, käme ansonsten geradezu einer missbräuchlichen Täuschungshandlung gleich. Punkt 2. des Vergleichs ist demnach als Garantieerklärung zu qualifizieren. Ein im Vermögen des Klägers eingetretener Schaden könnte demnach wiederum nur unter der Voraussetzung eingetreten sein, dass sich das Land nicht an die Erklärung der von ihr ausgegliederten Gesellschaft mbH gebunden erachtet, seine Kostenforderung also exekutiv betreibt und dass bei der Gesellschaft mbH eine Schadloshaltung nicht erreicht werden kann. Auf einen solchen völlig hypothetischen Sachverhalt hat sich der Kläger im Verfahren erster Instanz aber nicht berufen. Wenn er erstmals in der Berufung die beschränkte Haftung einer Gesellschaft mbH (die Gesellschafter haften gemäß § 61 Abs 1 GmbHG nur mit ihren Stammeinlagen) ins Treffen führt, ist ihm das Neuerungsverbot und überdies der Umstand entgegenzuhalten, dass hier nach den festgestellten besonderen Umständen (Ausgliederung einer Gesellschaft mbH durch das Land, womit die Rechtsträgereigenschaft eines Krankenhauses wechselte) durchaus auch eine Durchgriffshaftung auf den GmbH-Gesellschafter (das Land) gedacht werden könnte, sodass es jedenfalls in der Behauptungslast des Klägers lag, im Verfahren erster Instanz einen entsprechenden Sachverhalt vorzutragen.
4. Zu den wegen Verjährung abgewiesenen Zinsenschäden ist auf die zutreffenden Erwägungen des Berufungsgerichtes zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Revision vermag nicht darzulegen, warum dem Kläger die Stellung eines Leistungsbegehrens erst am 8. 1. 2003 und nicht schon bei der Klageeinbringung im Jahr 1996 möglich gewesen sein sollte. Der Revisionswerber geht selbst davon aus, dass er "das Zinsenbegehren (vorerst nur in Form eines Feststellungsbegehrens)" erst mit dem Schriftsatz vom 13. 7. 2001 präzisiert hat, also keineswegs schon mit dem zunächst nur in eventu gestellten pauschalen Leistungsbegehren.
5. Zum Einwand, die Erhebung der Einrede der Verjährung durch einen Rechtsanwalt sei standeswidrig und damit aber auch nichtig im Sinne des § 879 ABGB, ist Folgendes auszuführen:
Der Revisionswerber stützt sich auf die Standesvorschrift (§ 3 RL-BA), dass Einwendungen eines Anwalts gegen eine Forderung nicht die Ehre und das Ansehen des Rechtsanwaltsstandes beeinträchtigen dürften. Für die Annahme der Sittenwidrigkeit oder Nichtigkeit im Sinne des § 879 ABGB ist das Vorliegen einer Standeswidrigkeit aber noch nicht ausreichend (RIS-Justiz RS0038374). Selbst die standeswidrige Vereinbarung eines zu hohen Honorars durch einen Rechtsanwalt muss nicht sittenwidrig sein und die Nichtigkeit zur Folge haben (RS0038770). Ordnet das Gesetz nicht ausdrücklich an, dass ihm widersprechende Geschäfte nichtig sein sollen, so ist entscheidend, ob der Verbotszweck die Ungültigkeit verlangt oder ob sich die verletzte Norm mit der Verhängung anderer Rechtsfolgen, etwa mit einer Bestrafung, begnügt. In der Regel sind Rechtsgeschäfte gültig, wenn sich das Verbot nur an einen der beiden Vertragspartner richtet (RS0016840). Der Revisionswerber erkennt selbst, dass die von ihm ins Treffen geführte Standesregel dem Schutz des Ansehens des Rechtsanwaltsstandes und nicht dem Schutz des Geschäftspartners oder Gegners des Rechtsanwalts dient. Um die von einem Rechtsanwalt erhobene Einrede der Verjährung als sittenwidrig beurteilen zu önnen, bedürfte es zusätzlicher Umstände, die der Revisionswerber aber nicht aufzuzeigen vermag. Der von ihm ins Treffen geführte Fall eines (arglistigen) Schuldners, der seinen Gläubiger von der Klageerhebung solange abhält, bis Verjährung eingetreten ist, ist mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, weil hier von einem Verstoß gegen Treu und Glauben schon deshalb nicht die Rede sein kann, weil der Beklagte nach den unbekämpft gebliebenen Feststellungen den Verjährungseinwand erst über Veranlassung seines Haftpflichtversicherers erhoben hat, sodass aus diesem Grund sogar fraglich ist, ob der Verjährungseinwand des Rechtsanwalts den Standesregeln widerspricht.
6. Auch zum Thema der Verletzung der anwaltlichen Aufklärungspflicht im Zusammenhang mit der unterbliebenen Prozessführung gegen den zuerst behandelnden Augenarzt in Schwaz ist auf die Ausführungen des Berufungsgerichtes zu verweisen. Die Revision geht bei ihrer Behauptung, bei der schriftlichen Urkunde über die Belehrung des Klägers durch den Rechtsanwalt handle sich wegen der Blindheit des Klägers um ein notariatsaktspflichtiges Rechtsgeschäft, nicht vom festgestellten Sachverhalt aus und ficht unzulässig die Beweiswürdigung der Vorinstanzen an.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.
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