OGH 6Ob306/05a

OGH6Ob306/05a15.2.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ. Doz. Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Mag. Dr. Dirk Just, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Viktor F*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Wiedner, Rechtsanwalt in Wien, wegen Auftrags zur Übergabe einer Liegenschaft, infolge des Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 25. August 2005, GZ 23 R 43/05v-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Schwechat vom 12. Jänner 2005, GZ 3 C 1146/04m-9, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 300,10 EUR (davon 50,02 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Beklagte betreibt ein Gärtnereiunternehmen, eine Baumschule und das Gewerbe der Gartengestaltung. Mit Pachtvertrag vom 13. 10. 2003 nahm er ein benachbartes, 19.297 m² großes, im Eigentum der klagenden Partei stehendes Grundstück in Bestand. Er verpflichtete sich, die „Fläche aufgrund moderner Erkenntnisse der Gartenbautechnik selber zu bewirtschaften". Vereinbart wurde, dass der auf die Dauer eines Jahres abgeschlossene Vertrag am 31. 12. 2004 endet. Mündliche Zusatzvereinbarungen hätten keine Gültigkeit (Pachtvertrag Beil ./F). Schon vor 2003 hatten der Rechtsvorgänger des Beklagten (dessen Vater) sowie in der Folge er selbst mit einer Reihe von befristeten Pachtverträgen (Kettenverträgen) das Grundstück von der klagenden Partei in Bestand genommen gehabt.

Am 1. 10. 2004 beantragte die klagende Partei die Erlassung eines Übergabsauftrags zum 31. 12. 2004.

Der Beklagte erhob gegen den Übergabsauftrag Einwendungen dahin, dass die Verträge als Mietverträge zu qualifizieren seien. Mit Zustimmung der klagenden Partei sei auf dem Grundstück eine Halle errichtet worden. Das Superädifikat führe zur Anwendung der Bestimmungen des MRG.

Die klagende Partei bestritt, von der Errichtung der Halle überhaupt Kenntnis gehabt zu haben. Wegen der vereinbarten Betriebspflicht liege ein Pachtverhältnis vor. Bei einer Bauverhandlung seien die von der Baubehörde nicht genehmigten „Schwarzbauten" (eine Stahlbeton-Halle, zwei Stahlblech-Container und zwei Gartengerätehäuschen) vorgefunden worden.

Der Beklagte erwiderte, dass seit der ersten Bestandnahme im Jahr 1969 kein landwirtschaftlicher Betrieb übergeben worden sei und dass das Bestandobjekt nicht im Rahmen eines der Landwirtschaft zuzurechnenden Betriebs benützt werde.

Das Erstgericht erklärte den Übergabsauftrag für rechtswirksam. Es stellte für die Zeit ab 1984 eine Kette von Pachtverträgen sowie den Inhalt des am 13. 10. 2003 geschlossenen Vertrags fest. Bei der Bauverhandlung am 10. 11. 2004 sei die Existenz der von der Baubehörde nicht genehmigten Baulichkeiten festgestellt worden, nämlich einer Stahlbetonhalle im Ausmaß von 20 x 11 m mit einer Pultdachkonstruktion bestehend aus Welleternit. Die Halle diene als Lagerfläche für diverse gärtnerische Geräte sowie für kleinere Reparaturarbeiten. Weiters befänden sich auf dem Grundstück zwei Stahlblechcontainer im Ausmaß von je 6 x 2,50 m mit einer Höhe von ca 2,5 m. Auch diese Container würden für Lagerzwecke genutzt. Ein Nebengebäude sei als Holzriegelkonstruktion ausgeführt und mit einem anschließenden Flugdach versehen. Auch dort würden Materialien gelagert. Weiters befänden sich auf der Liegenschaft ein Flugdach und ein Gartengerätehäuschen sowie vier offensichtlich fahruntüchtige Fahrzeuge. Die Baulichkeiten hätten jedenfalls schon vor dem 13. 10. 2003 bestanden. Ob die klagende Partei der Errichtung zugestimmt hat, konnte das Erstgericht nicht feststellen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass es bei der Abgrenzung von Miete und Pacht nicht auf die Bezeichnung im Vertrag selbst ankomme. Maßgebend sei die Zweckbestimmung der Sache. Die vereinbarte Bewirtschaftungspflicht sei keine „leere Formel". Die Vertragsbestimmung, im Falle von Missernten den Pachtzins nicht zu reduzieren, spreche für das Vorliegen eines Pachtvertrags. Die Errichtung von Baulichkeiten ändere nichts an der Qualifizierung als Pachtvertrag, weil sie „durchwegs nur als Nebengebäude zu betrachten" seien, die zur Bewirtschaftung des Grundstückes dienten. Im Vordergrund stünde die Fruchtziehung aus der Liegenschaft. Das MRG sei daher nicht anzuwenden. Im Hinblick auf den vereinbarten Endigungszeitpunkt 31. 12. 2004 begehre die klagende Partei die Übergabe des Grundstücks zu Recht.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und hob das erstinstanzliche Urteil zur Verfahrensergänzung auf. Es bejahte den gerügten Verfahrensmangel infolge Unterlassung der Vernehmung der beantragten Zeugen zum Thema der Art der Superädifikate sowie darüber, ob zwischen den Parteien die Errichtung von Superädifikaten vereinbart worden sei. Erst nach Einvernahme der Zeugen könne geklärt werden, ob der Beklagte mit Zustimmung der klagenden Partei die Superädifikate errichtet habe und welche Bedeutung den Baulichkeiten im Rahmen des Gärtnereibetriebes zukomme. Bei der Bestandgabe einer Liegenschaft zum Zweck der Errichtung eines Superädifikats komme es (nur dann) zu keiner analogen Anwendung des MRG, wenn die Superädifikate keine „Geschäftsräume" im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs seien oder wenn die auf dem gemieteten Grundstück vom Mieter errichteten Räumlichkeiten in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung gegenüber der geschäftlichen Verwendung des unbebauten Grundstücks gänzlich in den Hintergrund träten.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob der Errichtung einer Lagerhalle und von Flugdächern sowie dem Abstellen zweier Container zu Lagerzwecken eine derartige wirtschaftliche Bedeutung zukomme, dass eine Geschäftsraummiete iSd § 1 MRG bejaht werden könne. Mit ihrem Rekurs beantragt die klagende Partei die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Der Beklagte beantragt, den Rekurs als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise, dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Rekurswerberin releviert vornehmlich die festgestellte Vertragsbestimmung, dass mündliche Zusatzvereinbarungen keine Gültigkeit hätten, sodass sich die vom Berufungsgericht aufgetragene Ergänzung des Beweisverfahrens zum Thema einer Zustimmung der klagenden Partei zur Errichtung eines Superädifikats erübrige. Dem ist entgegenzuhalten, dass Parteien zwar nicht einseitig, wohl aber einverständlich von einem vereinbarten Formvorbehalt abgehen können (RIS-Justiz RS0038673). Im Übrigen wurde zumindest die vom Erstgericht übergangene Zeugin Brigitta F***** nicht nur zum Thema einer Vereinbarung der Prozessparteien über das Superädifikat, sondern auch zum Vorbringen geführt, dass die schon 1982 errichtet gewesene Halle für die klagende Partei aufgrund direkter Sichtverbindung von ihrem Verwaltungsgebäude aus sichtbar gewesen sei (ON 7), die klagende Partei also bei Abschluss der einzelnen Verträge darüber Kenntnis gehabt habe, dass sich auf dem Grundstück Baulichkeiten befinden. Dass ein solcher Sachverhalt für die Frage einer (schlüssigen) Zustimmung entscheidungswesentlichen Einfluss haben kann, liegt auf der Hand und wird nicht dadurch obsolet, dass im schriftlichen Bestandvertrag vom 13. 10. 2003 die Existenz der Baulichkeit nicht erwähnt wird.

2. Die Rekurswerberin vermag keine rechtliche Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts in der Frage der Abgrenzung von Mietverträgen und Pachtverträgen aufzuzeigen:

a) Für diese Abgrenzung ist jeweils eine Vielzahl von Kriterien maßgeblich. Unmaßgeblich ist jedenfalls die Bezeichnung des Bestandvertrags durch die Vertragsparteien. Auch eine vereinbarte Betriebspflicht des Bestandnehmers ist noch nicht allein dafür ausschlaggebend, das Bestandverhältnis als Pachtverhältnis zu qualifizieren. Superädifikate, die auf vermieteten Grundstücken vertragsgemäß zu Wohn- oder Geschäftszwecken errichtet werden, sind als Räume anzusehen, die ohne die Miete des Grundstücks nicht Bestand haben können. Die ständige oberstgerichtliche Rechtsprechung wendet daher auf die Miete von Grundstücken zur Errichtung eines Wohn- oder eines Geschäftsraums das MRG analog an (RIS-Justiz RS0020986; RS0069454; RS0069261; RS0066883; 6 Ob 88/05t mwN unter ausführlicher Ablehnung von im jüngeren Schrifttum vertretenen, gegenteiligen Ansichten). Den Bestimmungen des MRG unterliegt der Bestandvertrag über ein Grundstück, auf dem sich mit Zustimmung des Grundeigentümers ein vom Vorbestandnehmer errichtetes Superädifikat befindet, das nach dem Willen der Vertragsparteien der geschäftlichen Betätigung des Mieters dienen soll (RIS-Justiz RS0069261).

b) Nicht dem MRG unterliegende Flächenmiete liegt vor, wenn im Vergleich zur Fläche den Räumlichkeiten keine selbständige Bedeutung, sondern nur Hilfsfunktion zukommt (RIS-Justiz RS0069423). Anwendbar ist das MRG, wenn die Baulichkeit der (größeren) Freifläche gleichwertig ist (6 Ob 173/05t) oder die Grundfläche als Nebensache zur bestehenden oder zu errichtenden Baulichkeit aufzufassen ist (RIS-Justiz RS0069482).

c) Für die Abgrenzung Miete - Pacht kommt es auf die Zweckbestimmung bei Vertragsabschluss an (RIS-Justiz RS0020261; RS0066884), also auf die Absicht der Parteien (RIS-Justiz RS0017762), die auch schlüssig geäußert werden kann.

Von diesen Rechtsgrundsätzen ist das Berufungsgericht entgegen den Rekursausführungen keineswegs abgewichen. Wenn es den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt für ergänzungsbedürftig hielt, kann dem der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten.

3. Im fortzusetzenden Verfahren wird allerdings im Rahmen der rechtlichen Überprüfung nach allen Richtungen (RIS-Justiz RS0043352) ein weiterer bislang nicht behandelter Punkt mit den Parteien zu erörtern sein:

Denkbar wäre eine rechtliche Qualifizierung des Sachverhalts nach den Vorschriften des Landpachtgesetzes (LPG). Diese gelten gemäß § 1 Abs 1 dieses Gesetzes unter anderem für Grundstücke, die gemeinsam mit Wirtschaftsräumen vorwiegend zur landwirtschaftlichen Nutzung verpachtet werden. Entscheidend ist, ob die Verpachtung zur landwirtschaftlichen Nutzung die Hauptsache bildet (für eine Friedhofsgärtnerei: 10 Ob 147/97h). Zu diesem Thema hat sich bislang nur der Beklagte kursorisch dahin geäußert, dass er „überwiegend gewerblich im Bereich der Gartengestaltung tätig" sei und den Bestandgegenstand nicht im Rahmen eines der Landwirtschaft zuzurechnenden Betriebs benütze. Die im Pachtvertrag vereinbarte Bewirtschaftungspflicht stellt auf die „Erkenntnisse der Gartenbautechnik" ab. Zu diesem Thema bedarf es - schon zur Vermeidung einer unzulässigen Überraschungsentscheidung (RIS-Justiz RS0037300; § 182a ZPO) - einer ergänzenden Erörterung mit den Parteien.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte obsiegte im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Rekurses.

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