Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Antrag der klagenden und gefährdeten Partei auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung des Inhalts, die beklagte und gefährdende Partei sei verpflichtet, die klagende und gefährdete Partei wie im Rahmen eines Vollzeitbühnendienstverhältnisses an den für die Gruppentänzer im Dienstplan vorgeschriebenen Trainingseinheiten - gewöhnlich täglich von Montag bis Samstag 10.00 bis 11.15 Uhr - aktiv teilnehmen zu lassen, abgewiesen wird.
Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, der beklagten und gefährdenden Partei die mit EUR 333,12 (darin EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens und die mit EUR 399,74 (darin EUR 66,62 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die klagende und gefährdete Partei hat den in erster Instanz für die einstweilige Verfügung verzeichneten Aufwandersatz und ihre Kosten des Rechtsmittelverfahrens endgültig selbst zu tragen.
Text
Begründung
Die klagende und gefährdete Partei (im Folgenden Kläger) war ab 23. 3. 1993 auf Grund einer Kette von jährlich mit dem Österreichischen Bundestheaterverband jeweils für den Zeitraum vom 1. 9. bis zum 31.
8. des Folgejahrs abgeschlossenen Bühnendienstverträgen als Gruppentänzer der Wiener Staatsoper tätig. Mit dem Bundestheaterorganisationsgesetz (BThOG), BGBl I 1998/108, wurden die Bundestheater neu organisiert. Zur Führung des Betriebs der Staatsoper wurde die gefährdende und beklagte Partei (im Folgenden Beklagte) gegründet (§ 3 Abs 1 Z 3 BThOG). Die Gesamtrechtsnachfolge durch die Beklagte erfolgte per 1. 9. 1999 (§ 5 BThOG; FN 184018s HG Wien). Der Kläger wurde damit zum Arbeitnehmer der Beklagten (§ 18 Abs 1 BThOG). Sein Arbeitsverhältnis unterlag dem Schauspielergesetz (SchSpG), BGBl 1922/441, sowie dem Kollektivvertrag für die Ballettmitglieder der Österreichischen Bundestheater (Bundestheater-Ballettkollektivvertrag; im Folgenden KollV) vom 15. 10. 1991. Zumindest ab 2002 erfolgte während des stets auf ein Jahr befristeten Bühnendienstvertrags jeweils eine Nichtverlängerungserklärung der Beklagten gemäß KollV. In der Folge wurde jeweils für das kommende Spieljahr wieder ein neuer befristeter Bühnendienstvertrag abgeschlossen. Der letzte zwischen den Parteien schriftlich abgeschlossene Bühnendienstvertrag bezog sich auf das Spieljahr vom 1. 9. 2004 bis zum 31. 8. 2005. Die letzte Nichtverlängerungserklärung der Beklagten stammte vom 13. 9. 2004. Der auf das Bühnendienstverhältnis des Klägers anzuwendende KollV lautet auszugweise wie folgt:
„§ 7 Bühnendienstvertrag
(1) Bühnendienstverträge sind schriftlich abzuschließen. Sie werden mit Unterfertigung durch den Dienstnehmer, den Direktor und den Generalsekretär rechtswirksam.
(2) - (3) ....
§ 9 Dauer und Endigung des Vertragsverhältnisses Vertragsverhältnisse der im § 7 bezeichneten Art enden durch:
- 1. Beendigung gemäß den Bestimmungen des Schauspielergesetzes,
- 2. Erklärung der Nichtverlängerung,
- 3. - 5. ....
§ 10 Erklärung der Nichtverlängerung
(1) Ein für mindestens ein Spieljahr (1. September bis 31. August) eingegangener Bühnendienstvertrag verlängert sich zu den bisherigen Bestimmungen (§ 7 Abs 2), falls nicht das Mitglied bis spätestens 31. Jänner des Jahres, in dem der Vertrag endet, eine Erklärung der Nichtverlängerung seitens des Dienstgebers erhält.
(2) War das Mitglied durch mehr als fünf aufeinander folgende Jahre in einem Ballett der Bundestheater beschäftigt, so muss eine derartige Verständigung seitens des Dienstgebers, um mit Ablauf der laufenden Spielzeit wirksam zu sein, spätestens am 31. Oktober dieser Spielzeit, war das Mitglied jedoch durch mehr als zehn aufeinander folgende Jahre in einem Ballett der Bundestheater beschäftigt, spätestens bis zum 15. September dieser Spielzeit abgegeben werden. Zeiten, in denen das Mitglied Karenzurlaub gemäß § 27 Abs 1 in Anspruch genommen hat, sind auf die Beschäftigungsdauer nicht anrechenbar.
(3) - (4) ....
§ 11. Schutzbestimmungen bei Soloverträgen
(1) - (2) ....
(3) Die Verpflichtung des Dienstgebers nach Abs 1 besteht nicht mehr, wenn das Mitglied einen Anspruch auf Alterspension gegenüber einem gesetzlichen Sozialversicherungsträger geltend machen kann. Gleiches gilt für Mitglieder, die Anspruch auf Ruhe(Versorgungs)genuss aus einem pensionsversicherungsfreien Dienstverhältnis erworben haben.
§ 12. Schutzbestimmungen bei Gruppenverträgen
(1) Bei einem Inhaber eines Gruppenvertrages, der 120 Bezugsmonate aufweist, darf der Dienstgeber eine Verständigung gemäß § 10 Abs 1 und 2 nur abgeben, wenn die Weiterverwendung des Mitgliedes aus Gründen, die in der Person des Mitgliedes gelegen sind, vom Standpunkt der Betriebsführung als nachteilig anzusehen ist; darüber ist in jedem Fall zuvor ein Gutachten einer Kommission einzuholen.
(2) Die Kommission hat aus drei vom Generalsekretär des Österreichischen Bundestheaterverbandes zu bestellenden Vertretern des Österreichischen Bundestheaterverbandes, aus drei Vertretern des Betriebsrates und aus dem Leiter der Sektion II des Bundeskanzleramtes bzw einem von ihm entsandten Vertreter als Vorsitzenden zu bestehen. ....
(3) Der Dienstgeber ist an das Gutachten der Kommission nicht gebunden, jedoch verpflichtet, es bei seiner Entscheidung zu berücksichtigen.
(4) § 11 Abs 3 gilt sinngemäß.
§ 13. Fristenlauf
(1) Die in den § 11 und 12 vorgesehenen Fristen beginnen mit dem ersten für mindestens eine Spielzeit (zwölf Monate) abgeschlossenen Bühnendienstvertrag des Mitgliedes zu laufen.
(2) Mehrere unmittelbar aufeinander folgende kürzere Bühnendienstverträge von insgesamt mindestens zwölfmonatiger Dauer sind einem Bühnendienstvertrag im Sinne des Abs 1 gleichzuhalten.
(3) Der Eintritt der Schutzwirkungen gemäß § 11 Abs 1 und 12 Abs 1 kann bei Mitgliedern, die dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz unterliegen, um jeweils 1 Jahr ausgesetzt werden, sofern dies vom Mitglied beantragt wird und der Betriebsrat dem zustimmt.
(4) Endet das Dienstverhältnis durch Kündigung oder Nichtverlängerungserklärung seitens des Dienstgebers, durch einverständliche Auflösung oder durch Zeitablauf, so wird der Fortlauf der Frist gehemmt.
(5) ....
§ 14. Soloverträge
Soloverträge sind solche mit Tänzern, denen grundsätzlich solistische Aufgaben übertragen werden. § 8 Abs 4 bleibt unberührt.
§ 15. Gruppenverträge
(1) Gruppenverträge sind solche mit den dem § 14 nicht unterliegenden Mitgliedern der Ballettensembles der Bundestheater.
(2) ....
§ 31. Training
(1) Der Dienstgeber ist verpflichtet, nach Maßgabe seiner betrieblichen Möglichkeiten mindestens an 5 Tagen in der Woche ab 10.00 Uhr Training anzusetzen. Die Dauer eines Trainings darf 45 Minuten nicht unterschreiten.
(2) ....
(3) Das Mitglied ist zur Teilnahme am Training verpflichtet."
Mit der ersten am 9. 11. 2005 eingebrachten Klage (13 Cga 203/05z) begehrt der Kläger von der Beklagten nach Einschränkung die Zahlung des Gehalts von EUR 7.433,10 brutto abzüglich EUR 489,45 netto sA für die Monate September bis November 2005. Ungeachtet der Nichtverlängerungserklärung der Beklagten sei auch für die Saison 2005/2006 von einem aufrechten Bühnendienstverhältnis zwischen den Parteien auszugehen. Das Gesamtverhalten der Beklagten habe nur den Zweck gehabt, den Eintritt des vom KollV vorgesehenen Schutzes vor der Nichtverlängerungserklärung zu verhindern. Die Handlungen der Beklagten seien daher sittenwidrig und nichtig.
Die Beklagte bestritt dieses Klagebegehren und beantragte dessen Abweisung. Zufolge rechtzeitiger und wirksamer Nichtverlängerungserklärung der Beklagten vom 13. 9. 2004 bestehe zwischen den Parteien kein aufrechtes Arbeitsverhältnis über den 31. 8. 2005 hinaus. Ein sittenwidriges oder nichtiges Verhalten der Beklagten liege nicht vor. Sie habe nur das im KollV vorgesehene Prozedere eingehalten.
Mit seiner zweiten am 31. 3. 2006 eingebrachten Klage (22 Cga 58/06v) begehrt der Kläger die Verpflichtung der Beklagten, ihn im Ausmaß einer Vollzeitbeschäftigung sowohl am Training aktiv teilnehmen zu lassen als auch bei Vorstellungen in Rollen als Gruppentänzer sowie als gehobener Statist zu besetzen und einzusetzen sowie am Besetzungszettel dem billigen Bühnengebrauch gemäß anzuführen. Auf Grund der Androhung der Beklagten, keinen weiteren Bühnendienstvertrag mehr abzuschließen, habe der Kläger auf das Bundestheaterpensionssystem verzichtet, sodass sein Bühnendienstverhältnis seit dem Jahr 2003 dem ASVG unterliege. Weiters habe er beantragt, den Nichtverlängerungsschutz gemäß § 13 Abs 3 KollV auszusetzen. Diesem Antrag habe der Betriebsrat routinemäßig zugestimmt, um dem Kläger eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen. Das „einzeln betrachtet" rechtlich unbedenkliche Handeln des Dienstgebers ziele in seiner Gesamtwirkung darauf ab, die Schutzwirkungen des § 12 KollV nie eintreten zu lassen. Weder der Austritt des Klägers aus dem Bundestheaterpensionssystem noch der Antrag auf Aussetzung der Schutzwirkung des KollV seien freiwillig erfolgt. Die Erklärungen seien vom Kläger nur unter wirtschaftlichem Druck abgegeben worden, um ein aufrechtes Bühnendienstverhältnis zu behalten. Einseitige vom Arbeitnehmer nicht beeinflussbare Gestaltungsmöglichkeiten seien wegen grober Verletzung rechtlich geschützter Interessen des Arbeitnehmers sittenwidrig, wenn der betroffene Rechtsanspruch Entgeltcharakter besitze. Auf Grund der sittenwidrigen Vorgangsweise der Beklagten sei von einem aufrechten Bühnendienstverhältnis auszugehen. Gemäß § 21 SchSpG habe er Anspruch auf eine angemessene Beschäftigung als Gruppentänzer und in der gehobenen Statisterie sowie auf Teilnahme am Gruppentraining. Auf Grund fehlenden Trainings und fehlender Auftritte könne der Kläger das notwendige künstlerische und körperliche Niveau nicht aufrecht erhalten. Insbesondere das Gruppentraining sei für das gemeinsame künstlerische Verständnis, die gemeinsame exakte Koordination und den einheitlichen Ausdruck unerlässlich. Fehlendes Training bis zur rechtskräftigen Erledigung des gegenständlichen Verfahrens führe zu einer dauerhaften Nichteinsetzbarkeit des Klägers im Bereich des Bühnendienstvertrags. Ihm drohe daher ein unwiederbringlicher Schaden; adäquater Geldersatz sei nicht möglich. Es werde deshalb die einstweilige Verfügung beantragt, dass die Beklagte verpflichtet sei, den Kläger an den für die Gruppentänzer im Dienstplan vorgeschriebenen Trainingseinheiten aktiv teilnehmen zu lassen. Die Beklagte bestritt sowohl das Klagebegehren als auch die begehrte einstweilige Verfügung und beantragte deren Abweisung. Das Arbeitsverhältnis sei zum 31. 8. 2005 beendet worden. Danach bestehe kein gesondertes Recht mehr auf Teilnahme am Training. Die einstweilige Verfügung sei daher schon mangels Anspruchs des Klägers abzuweisen. Dem Kläger, der seit Juni 2005 an keinem Training der Beklagten teilgenommen habe, drohe auch kein unwiederbringlicher Schaden. Es gebe auch außerhalb der Beklagten zahlreiche Trainingsmöglichkeiten, um die tänzerischen Fähigkeiten aufrecht zu erhalten.
Das Erstgericht erließ die vom Kläger beantragte einstweilige Verfügung und nahm neben dem bereits eingangs wiedergegebenen Sachverhalt noch folgende Tatsachen als bescheinigt an:
Der Kläger verzichtete mit Erklärung vom 4. 8. 2003 auf die Anwartschaft auf Ruhegenuss nach dem Bundestheaterpensionsgesetz (BThPG), BGBl 1958/159. Am 22. 9. 2003 gab er die weitere Erklärung ab, auf die Schutzwirkung des § 12 KollV für die Zeit vom 1. 9. 2004 bis 31. 8. 2005 zu verzichten.
Nach dem Auslaufen des Bühnendienstvertrags per 31. 8. 2005 bezog der Kläger zunächst Arbeitslosengeld und sodann Notstandshilfe. Bis auf einige Einsätze als Statist im Zeitraum September 2005 bis Jänner 2006 bei einigen Produktionen der Staatsoper, die nicht die Qualifikation des Klägers als Balletttänzer erforderten und jeweils gesondert honoriert wurden, ging der Kläger keiner Beschäftigung mehr nach.
Ein professioneller Tänzer kann einen Teil des Trainings („an der Stange") behelfsweise auch zu Hause absolvieren; in Fitnessstudios kann die allgemeine körperliche Leistungsfähigkeit erhalten werden. Daneben ist es aber unerlässlich, auch Sprünge zu trainieren und das „Training im freien Raum" zu absolvieren. Beides ist nur unter der Anleitung eines professionellen Coachs möglich. Außerhalb des Bereichs der Beklagten werden diese Trainingsmöglichkeiten in Wien und Umgebung nicht angeboten. Gelegentlich lässt die Beklagte professionelle Tänzer über deren Ersuchen für ein bis zwei Wochen als Gäste mittrainieren. Der Kläger hat die Beklagte vor der Beantragung der einstweiligen Verfügung nicht ersucht, am Training teilnehmen zu dürfen. Ob ein Tänzer nach längerer Pause bei Wiederaufnahme des Trainings wieder die ursprüngliche Form erreichen kann, hängt von der jeweiligen Konstitution des Betroffenen ab; ob dies auch noch nach einer Pause von mehr als acht Monaten möglich ist, wurde vom Erstgericht offen gelassen.
Rechtlich führte das Erstgericht aus, dass die Unabdingbarkeit eines arbeitsrechtlichen Entgeltanspruchs dessen Unverzichtbarkeit auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus bewirke, solange sich der Arbeitnehmer noch in einer Drucksituation befinde. Dies gelte um so mehr bei der Monopolstellung der Beklagten in Österreich. Ob zwischen den Parteien ein unabdingbarer Entgeltanspruch bestanden habe, werde erst im Hauptverfahren und im Verfahren 13 Cga 203/05z zu klären sein. Den Erklärungen des Klägers vom 4. 8. und 22. 9. 2003 sei jedenfalls kein Äquivalent gegenübergestanden. Die Verzichtserklärung des Klägers sei einzig und allein darauf hinausgelaufen, der Beklagten eine leichtere Beendigung zu ermöglichen. Ein Recht des Arbeitnehmers auf Beschäftigung werde insbesondere dort angenommen, wo mit der Beschäftigung die Erhaltung eines gewissen „Marktwerts" verbunden sei. Um so mehr müsse dieses Recht hier angenommen werden, wo im Provisorialverfahren gegenüber dem Recht auf Beschäftigung ohnehin nur ein Minus, nämlich ein Recht auf Teilnahme am Training, verlangt werde. Beim Kläger bestehe die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens, weil bei längerer Absenz vom professionellen Training die Wiedererlangung des Niveaus eines Tänzers in einem Spitzeninstitut wie der Beklagten praktisch aussichtslos sei. Dem gegenüber drohe der Beklagten aus der Teilnahme des Klägers am Training kein ins Gewicht fallender Nachteil. Im Anschluss an die Erlassung der einstweiligen Verfügung verband das Erstgericht mit Beschluss vom 19. 4. 2006 die beiden Arbeitsrechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung. Führend ist der Akt 13 Cga 203/05z.
Das Rekursgericht gab dem gegen die einstweilige Verfügung erhobenen Rekurs der Beklagten nicht Folge. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es mit der Begründung zu, dass es sich um eine Rechtsfrage von „grundsätzlicher Bedeutung" handle. Es verneinte die von der Beklagten gerügte Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, übernahm den vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen Sachverhalt und billigte dessen rechtliche Beurteilung. Der Anspruch des Klägers sei zu bejahen, weil nach dem bescheinigten Sachverhalt ein Kontrahierungszwang der Beklagten bestehe. Ein solcher bestehe nicht nur bei der Abgabe von Bedarfsgütern des täglichen Lebens, sondern auch dort, wo die Ausnützung einer Monopolstellung gegen die guten Sitten verstoße. Im Übrigen sei dem Erstgericht beizupflichten, dass die Wiedererlangung einer Spitzenposition im Tanzsport nach einem mehrmonatigen Trainingsausfall nur mit erheblicher Anstrengung möglich, aber nicht gesichert sei. Da nur die Beklagte professionelle Trainingsmöglichkeiten wie das Training von Sprüngen und das "Training im freien Raum" anbiete, sei ihre Pflicht, den Kläger am Training teilnehmen zu lassen, zu bejahen, und zwar auch dann, wenn der Dienstvertrag nach Auffassung der Beklagten schon beendet sei. Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die einstweilige Verfügung aufzuheben.
Der Kläger beantragt, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Beklagten ist zulässig und berechtigt. Die vom Kläger begehrte einstweilige Verfügung auf Zulassung zum Training hält sich im Rahmen des eingeklagten Hauptanspruchs (22 Cga 58/06v). Nach § 381 EO können zur Sicherung "anderer Ansprüche" (als Geldforderungen) einstweilige Verfügungen erlassen werden, wenn andernfalls zu besorgen ist, dass sonst die gerichtliche Verfolgung oder Verwirklichung des fraglichen Anspruchs, insbesondere durch eine Veränderung des bestehenden Zustands, vereitelt oder erheblich erschwert werden würde (Z 1) oder wenn derartige Verfügungen zur Verhütung drohender Gewalt oder zur Abwendung eines drohenden unwiederbringlichen Schadens nötig erscheinen (Z 2). Nach § 389 Abs 1 EO hat die gefährdete Partei ua die diesen Antrag begründenden Tatsachen im Einzelnen wahrheitsgemäß darzulegen. Im Zusammenhang mit § 390 Abs 1 EO ergibt sich daraus, dass die Voraussetzungen des zu sichernden Anspruchs behauptet und bescheinigt werden müssen (3 Ob 262/05h ua). Die einstweilige Verfügung ist daher nicht nur von der Bescheinigung der ohne ihre Erlassung drohenden Gefahr (Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung, § 381 Rz 4 ff; RIS-Justiz RS0005175 ua), sondern immer dann, wenn (wie hier) der Anspruch strittig ist, auch von der Bescheinigung des Anspruchs abhängig (Zechner aaO § 389 Rz 1; RIS-Justiz RS0005381 ua). Die Vorinstanzen übergehen, dass der Kläger mit seinen beiden Klagen nicht den Abschluss eines Arbeitsvertrags begehrt, sondern vielmehr - ein noch immer aufrechtes Arbeitsverhältnis behauptend - auf Erfüllung der Pflichten der Beklagten aus diesem Arbeitsvertrag sowohl in Bezug auf das Entgelt (13 Cga 203/05z) als auch in Bezug auf die Zulassung zum Training und die Besetzung in Rollen klagt (22 Cga 58/06v). Die Überlegungen des Berufungsgerichts zum Kontrahierungszwang, dh zu einer Pflicht der Beklagten, mit dem Kläger erst einen Arbeitsvertrag abzuschließen, gehen am Begehren des Klägers und seinen erstinstanzlichen Behauptungen vorbei. Denn während der Kläger von einem aufrechten Arbeitsverhältnis ausgeht, auf das er seine Entgeltansprüche (13 Cga 203/05z) und die Besetzung in Rollen gründet (22 Cga 58/06v), setzt der Kontrahierungszwang als Pflicht zum Vertragsabschluss (vgl RIS-Justiz RS0016762 ua) voraus, dass noch kein Vertrag besteht. Auf den Kontrahierungszwang braucht daher ebenso wenig wie auf die darauf bezüglichen Überlegungen zur angeblichen „Monopolstellung" der Beklagten eingegangen zu werden. Die Beurteilung der vom Kläger begehrten einstweiligen Verfügung verlangt auch keine besondere Erörterung des „Rechts auf Beschäftigung" bzw des vom Erstgericht als „Minus" angesehenen „Rechts auf Training". Auch hier gilt, dass der Kläger ein Recht auf Training nicht aus dem bloßen Umstand ableitet, dass er als professioneller Tänzer nach einer geeigneten Trainingsmöglichkeit sucht, die er nur bei der Beklagten zu finden glaubt, sondern daraus, dass ihn die Beklagte trotz aufrechten Arbeitsverhältnisses vom Training ausschließt. Überlegungen, ob die Beklagte allein auf Grund ihrer angeblichen „Monopolstellung" jeden - auch ohne mit ihm in einem Vertragsverhältnis zu stehen - mittrainieren lassen muss, brauchen hier nicht geprüft werden; derartiges hat nicht einmal der Kläger behauptet. Das in den Vorentscheidungen und Rechtsmittelschriftsätzen ausführlich erörterte „Recht auf Beschäftigung" muss im vorliegenden Fall auch nicht erst hergeleitet werden (vgl dazu Strasser, Das Recht des Dienstnehmers auf Beschäftigung, ÖJZ 1954, 60; Kapfer, SchSpG § 21 Anm 21 f; Schwarz in FS Floretta, Die Beschäftigungspflicht im Arbeitsverhältnis 415;
Resch, Anmerkungen zur arbeitsrechtlichen Beschäftigungspflicht, DRdA 1991, 424; Löschnigg, Arbeitsrecht10 248 f; Pfeil in Schwimann, ABGB³ § 1153 Rz 36; 9 ObA 2263/96a; 8 ObA 202/02t, DRdA 2003/47 [Mazal];
RIS-Justiz RS0106178 ua); es ist ohnehin in § 21 SchSpG normiert. Hinsichtlich des Trainings bestimmt der bereits zitierte § 31 KollV ausdrücklich, dass der Dienstgeber verpflichtet ist, nach Maßgabe seiner betrieblichen Möglichkeiten mindestens an fünf Tagen in der Woche ein Training anzusetzen.
Bei der vorliegenden einstweiligen Verfügung geht es somit primär um die Frage, ob zwischen dem Kläger und der Beklagten noch ein aufrechtes Bühnendienstverhältnis iSd § 1 SchSpG (vgl 9 ObA 144/93 ua) besteht. Einigkeit herrscht zwischen den Parteien darüber, dass sich der letzte schriftliche Bühnendienstvertrag auf das Spieljahr vom 1. 9. 2004 bis zum 31. 8. 2005 bezog und dass die Beklagte am 13. 9. 2004 eine Nichtverlängerungserklärung abgab. Dass hingegen auch noch ab dem 1. 9. 2005 ein Arbeitsverhältnis besteht, wird von der Beklagten bestritten und ist daher vom Kläger zu bescheinigen. Vereinzelte gesondert honorierte Einsätze des Klägers als Statist, während er bereits Arbeitslosengeld bzw Notstandshilfe bezog, können dabei außer Betracht bleiben; hieraus leitet auch der Kläger in der Revisionsrekursbeantwortung kein aufrechtes Arbeitsverhältnis mehr ab.
Da die Beklagte wie erwähnt am 13. 9. 2004 in Bezug auf das laufende befristete Arbeitsverhältnis (1. 9. 2004 bis 31. 8. 2005) eine Nichtverlängerungserklärung abgab und zwischen den Parteien kein neuer Bühnendienstvertrag mehr abgeschlossen wurde, könnte von einem aufrechten Arbeitsverhältnis nach dem 31. 8. 2005 nur dann ausgegangen werden, wenn es nicht zuvor wirksam beendet wurde. Nach den hier anzuwendenden KollV-Bestimmungen genügt auf Grund des Antrags des Klägers gemäß § 13 Abs 3 KollV, den Eintritt der Schutzwirkungen gemäß § 12 Abs 1 KollV um ein Jahr auszusetzen (dem der Betriebsrat der Beklagten unstrittig zustimmte), für die Beendigung des auf ein Spieljahr abgeschlossenen Bühnendienstvertrags der Zeitablauf in Verbindung mit einer vom Arbeitgeber rechtzeitig abgegebenen Nichtverlängerungserklärung. Bei letzterer handelt es sich um keine Kündigung, sondern um die Ablehnung des Abschlusses eines neuen Dienstvertrags nach Ablauf der Befristung (8 ObA 99/03x; RIS-Justiz RS0063980 ua). Bei den genannten „Schutzwirkungen" geht es darum, dass beim Inhaber eines Gruppenvertrags, der 120 Bezugsmonate aufweist, der Dienstgeber eine Nichtverlängerungserklärung gemäß § 10 KollV nur abgeben darf, wenn die Weiterverwendung des Mitglieds aus Gründen, die in der Person des Mitglieds gelegen sind, vom Standpunkt der Betriebsführung als nachteilig anzusehen ist, worüber zuvor ein (nicht bindendes) Gutachten einer Kommission einzuholen ist (§ 12 KollV).
Die Voraussetzungen - rechtzeitige Nichtverlängerungserklärung und Zeitablauf - liegen hier vor. Der Kläger stützt nun die von ihm begehrte einstweilige Verfügung auf Zulassung zum Training darauf, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sittenwidrig gewesen sei, sodass von seinem aufrechten Bestand auszugehen sei. Der Kläger habe die Bezug habenden Erklärungen nicht freiwillig abgegeben, weil er unter wirtschaftlichem Druck gestanden sei. Es sei ihm nur darum gegangen, das Bühnendienstverhältnis aufrecht zu erhalten. Das „einzeln betrachtet" rechtlich unbedenkliche Handeln des Dienstgebers ziele in seiner Gesamtwirkung darauf ab, die Schutzwirkungen des § 12 KollV nie eintreten zu lassen.
Wer Sittenwidrigkeit behauptet, hat die tatsächlichen Umstände, aus denen im Einzelfall die Nichtigkeit abzuleiten ist, zu behaupten und im Bestreitungsfall zu beweisen (9 ObA 125/05f; RIS-Justiz RS0016441
ua) bzw im Fall der einstweiligen Verfügung zu bescheinigen. Eine sittenwidrige Kündigung kann nach der Rechtsprechung nur dann angenommen werden, wenn der Arbeitgeber von seinem Kündigungsrecht aus gänzlich unsachlichen und insbesondere aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes zu missbilligenden Motiven, Gebrauch gemacht hat. Dass eine Kündigung für den betroffenen Arbeitnehmer eine soziale Härte darstellt, macht sie noch nicht sittenwidrig (9 ObA 262/02y; RIS-Justiz RS0016680 ua). Diese Rechtssätze sind sinngemäß auf die hier vorliegende Beendigung des Bühnendienstverhältnisses des Klägers anzuwenden. Dabei spielt es für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit keine Rolle, dass die Nichtverlängerungserklärung wie schon erwähnt keine Kündigung ist; hier geht es nur um die Bewertung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
Vor dem Hintergrund der vorstehenden Rechtssätze zeigt sich, dass der Kläger keine unsachlichen oder zu missbilligenden Motive der Beklagten in Bezug auf die Beendigung an sich behauptet, sondern die Sittenwidrigkeit vor allem in den Begleitumständen sieht. Unstrittig wollte die Beklagte das Arbeitsverhältnis beenden; an dieser Absicht bestand auch für den Kläger nicht der geringste Zweifel. Dass der Kläger schon die bloße Ankündigung der Beklagten, dass kein neuer Bühnendienstvertrag mehr geschlossen werde, in wirtschaftlicher Hinsicht als „Drohung" empfand, ist aus seiner Sicht zwar im Ergebnis nachvollziehbar, macht aber weder die Beendigungsabsicht noch die Beendigung selbst sittenwidrig (vgl auch RIS-Justiz RS0113653). Die Beklagte entsprach mit ihrer Ankündigung nur der in § 10 KollV vorgesehenen Verpflichtung des Arbeitgebers, rechtzeitig eine Nichtverlängerungserklärung abzugeben. Diese soll den Arbeitnehmer vor einem überraschenden schlichten Zeitablauf bewahren. Dass die Beklagte das im KollV vorgesehene „Prozedere" einhielt, um die geplante Beendigung herbeizuführen, kann ihr nicht als Sittenwidrigkeit vorgeworfen werden. Nach dem Vorbringen unternahm nun der Kläger verschiedene Anstrengungen, um die von der Beklagten angekündigte Beendigung abzuwenden. So wechselte er vom BThPG- in das ASVG-System und beantragte - mit Zustimmung des Betriebsrats (unstrittig) - die Aussetzung der Schutzwirkungen des § 12 Abs 1 KollV. Der Kläger war insoweit auch erfolgreich; die Beklagte schloss nämlich mit ihm zwei neue Bühnendienstverträge ab. Dass sie dabei dem Kläger weitere Zusagen gemacht, diese in der Folge aber nicht eingehalten hätte, wird vom Kläger nicht behauptet. Der vom Kläger hervorgehobene Wechsel des Pensionssystems hatte nach der Lage des Vorbringens keine selbständige Bedeutung; der Kläger brachte sich damit nur in die Position („Mitglieder, die dem ASVG unterliegen"), um gemäß § 13 Abs 3 KollV eine Aussetzung der Schutzwirkungen des § 12 Abs 1 KollV beantragen zu können. Er behauptete auch nicht, dass sich die Beklagte irgendeinen unrechtmäßigen finanziellen Vorteil verschaffen oder den Kläger schädigen wollte. Der Austritt des Klägers aus dem Bundestheaterpensionssystem kann hier aber letztlich dahingestellt bleiben, denn Ansprüche daraus sind nicht Gegenstand der einstweiligen Verfügung. Die Bedeutung der Aussetzung der Schutzwirkungen des § 12 Abs 1 KollV schwächte der Kläger überdies selbst mit dem Hinweis ab, dass das vor der Nichtverlängerungserklärung einzuholende Gutachten für die Beklagte ohnehin nicht bindend gewesen wäre.
Die Zulässigkeit befristeter Arbeitsverhältnisse steht nicht in Frage (vgl schon § 1158 Abs 1 ABGB, § 19 Abs 1 AngG ua); sie stellen im Bereich des SchSpG - gemäß den Bedürfnissen der Theaterpraxis (Schwarz/Berger/Veigl/Pernegger, Darstellende Berufe 6.4) im Hinblick auf das Abwechslungsbedürfnis des Publikums sowie die Notwendigkeit, dass das Theaterunternehmen bei der Besetzung der Rollen flexibel agieren kann (Schwarz, Historische Entwicklung und aktueller Stand des Schauspielerrechts 119) - sogar den Regelfall dar (§ 29 Abs 3 SchSpG). Die Zulässigkeit der Aneinanderreihung befristeter, jeweils auf das Spieljahr abstellender Bühnendienstverträge (vgl 8 ObA 99/03x) ist hier ebenfalls nicht weiter strittig; der Kläger will nur möglichst lange wie bisher weitermachen.
Auch die Beendigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses durch Zeitablauf ist nicht per se sittenwidrig, sondern die vom Gesetz vorgesehene Beendigungsform (vgl § 1158 Abs 1 ABGB, § 19 Abs 1 AngG, §29 Abs 1 SchSpG; Löschnigg, Bestandschutz und befristetes Dienstverhältnis, DRdA 1980, 17 [18] ua). Im Anwendungsbereich des gegenständlichen KollV kommt nur noch dazu, dass der AG rechtzeitig die Erklärung der Nichtverlängerung (§ 9 Z 2 KollV) abgeben muss; andernfalls kommt es zu einer Verlängerung des Bühnendienstvertrags (§ 10 KollV). Letztlich stellt sich aber in jedem vergleichbaren Fall die Situation, dass einmal das letzte befristete Bühnendienstverhältnis gekommen ist, das eben - wie es dem befristeten Arbeitsverhältnis immanent ist - ausläuft, ohne dass daran ein neuer Vertrag anschließt. Der Hinweis des Erstgerichts, dass einseitige vom Arbeitnehmer nicht beeinflussbare Gestaltungsmöglichkeiten des Arbeitgebers wegen grober Verletzung rechtlich geschützter Interessen des Arbeitnehmers sittenwidrig sein können, wenn der betroffene Rechtsanspruch Entgeltcharakter besitzt (9 ObA 15/97i), ist zwar richtig; die zitierte Entscheidung bezieht sich aber auf einen gänzlich anders gelagerten Fall (Widerruf einer Pensionsanwartschaft durch den Arbeitgeber), aus dem für den Standpunkt des Klägers nichts zu gewinnen ist.
Da der Kläger somit nichts vorbrachte und bescheinigte, was die Annahme tragen könnte, dass „auf Grund der sittenwidrigen Vorgangsweise der Beklagten" von einem aufrechten Bühnendienstverhältnis auszugehen ist, ist dem Revisionsrekurs der Beklagten Folge zu geben und der Antrag des Klägers auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abzuweisen. Der völlige Mangel der Anspruchsbescheinigung kann auch nicht durch eine Sicherheitsleistung nach § 390 Abs 1 EO ersetzt werden (Zechner aaO § 389 Rz 1 und § 390 Rz 4; 9 Ob 213/98h; RIS-Justiz RS0005694 ua).
Wird der Sicherungsantrag abgewiesen, so sind dem Gegner der gefährdeten Partei die Kosten der notwendigen Rechtsverteidigung gemäß den §§ 78, 402 EO, §§ 41, 52 Abs 1 ZPO bereits im Provisorialverfahren zu ersetzen (Zechner aaO § 393 Rz 2; RIS-Justiz RS0002397 ua), soweit sie von den Kosten des Hauptverfahrens abgrenzbar sind (Obermaier, Kostenhandbuch Rz 365 ua). Dies trifft hier auf die Kosten des Rekurs- und des Revisionsrekursverfahrens zu, nicht jedoch auf die von der Beklagten verzeichneten erstinstanzlichen Kosten; sie dienten auch dem Hauptverfahren. Die Bemessungsgrundlage für die einstweilige Verfügung beträgt nicht wie von der Beklagten verzeichnet EUR 21.800, sondern lediglich EUR 5.000. Der Pauschalgebühr nach TP 3 GGG unterliegen nur Revisionsverfahren und Verfahren über Rekurse nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO. Der Kläger hat den in erster Instanz für die einstweilige Verfügung verzeichneten Aufwandersatz und die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gemäß den § 402 EO, §§ 40, 50 ZPO endgültig selbst zu tragen.
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