OGH 3Ob152/06h

OGH3Ob152/06h13.9.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Prückner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Walter K*****, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller ua Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die verpflichtete Partei Daniela K*****, wegen 126.538,56 EUR s.A., infolge Revisionsrekurses der verpflichteten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 2. Mai 2006, GZ 4 R 142/06w-78, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Silz vom 14. März 2006, GZ 5 E 350/04a-73, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die verpflichtete Partei hat ihre Kosten im Verfahren über die Aufschiebung des Exekutionsverfahrens selbst zu tragen. Die Kosten der betreibenden Partei für die Urkundenvorlage (Vorlage eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs) werden mit 145,62 EUR (darin 24,27 EUR USt) als weitere Exekutionskosten bestimmt.

Text

Begründung

In der Versteigerungstagsatzung vom 2. August 2005 (ON 33) wurde die Liegenschaft der Verpflichteten mit dem Wohnhaus (ein geschlossener Hof) dem Betreibenden als Ersteher um das Meistbot von 991.000 EUR zugeschlagen. Am 2. November 2005 fasste das Erstgericht den Beschluss über die Zuschlagserteilung (ON 42). Ein dagegen erhobener Rekurs der Verpflichteten blieb erfolglos (Rekursentscheidung ON 50). Die Bezirksgrundverkehrskommission erteilte der Zuschlagserteilung am 10. Oktober 2005 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung (ON 41). Eine dagegen erhobene Berufung der Verpflichteten wurde von der Landes-Grundverkehrskommission mit Bescheid vom 10. Februar 2006 mangels Beschwer zurückgewiesen (ON 60).

Am 18. Jänner 2006 hatte das Erstgericht ausgehend von der rechtskräftigen Zuschlagserteilung die zwangsweise Räumung und die Übergabe der Liegenschaft an den Ersteher bewilligt (ON 51). Ein dagegen erhobener Rekurs der Verpflichteten blieb erfolglos (ON 63). Gegen die Zurückweisung ihrer Berufung durch die Landes-Grundverkehrskommission brachte die Verpflichtete beim Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde gemäß Art 144 B-VG beim Verfassungsgerichtshof ein, welcher der Beschwerde mit Beschluss vom 13. März 2006 aufschiebende Wirkung zuerkannte (zu ON 74). Mit der beim Erstgericht zu AZ 2 C 17/06f eingebrachten Klage begehrt die Verpflichtete unter Hinweis auf die §§ 35 und 36 EO die Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen über die Zuschlagserteilung (ON 42 und 50) und die Feststellung, dass das Exekutionsverfahren unzulässig sei. Sie begründete ihr Begehren im Wesentlichen damit, dass wegen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Verfassungsgerichtshofsbeschwerde keine rechtskräftige grundverkehrsbehördliche Genehmigung der Zuschlagserteilung und demgemäß kein rechtskräftiger Zuschlag vorliege. Gestützt auf diesen Sachverhalt, der „jedenfalls ein Grund zur Wiederaufnahme des Verfahrens" sei, stellte die Verpflichtete einen Aufschiebungsantrag. Das Erstgericht gab dem Aufschiebungsantrag statt und schob das Verfahren bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Beschwerde der Verpflichteten gegen den Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission vom 10. Februar 2006 auf. Infolge Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 85 Abs 3 VfGG sei iS der Entscheidung 3 Ob 11/96 die Rechtslage so zu beurteilen, als wäre der angefochtene Bescheid nicht ergangen. Dies bedeute, dass hier noch kein rechtskräftiger Bescheid der Grundverkehrskommission vorliege und dass die Erteilung des Zuschlags an den Ersteher im Nachhinein betrachtet zu Unrecht erfolgt sei.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Betreibenden statt und wies den Aufschiebungsantrag ab. Den Gerichten sei die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsverfahrens über die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt. Die Einbringung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof ändere nichts daran, dass zwischenzeitlich ein rechtskräftiger Zuschlag vorliege und dass der Betreibende als Ersteher Eigentümer der Liegenschaft sei. Die Entscheidung 3 Ob 11/96 habe einen anders gelagerten Fall betroffen. Dort sei noch kein rechtskräftiger Zuschlag vorgelegen. Eine Wiederaufnahmsklage sei im Exekutionsverfahren unzulässig (3 Ob 1/01w). Der Aufschiebungsantrag sei daher abzuweisen. Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Mit ihrem Revisionsrekurs beantragt die Verpflichtete die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses.

Rechtliche Beurteilung

I. Der Revisionsrekurs ist wegen Wegfalls der Beschwer als unzulässig zurückzuweisen:

Mit dem vom Betreibenden dem Obersten Gerichtshof vorgelegten Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom 12. Juni 2006 Zl. B 361/06-20 wurde die Beschwerde der Verpflichteten als unbegründet abgewiesen, sodass sie sich wegen der ohnehin de facto erfolgten Aufschiebung des Exekutionsverfahrens bis zum beantragten Zeitpunkt durch die Rekursentscheidung nicht mehr für beschwert erachten kann. Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Rechtsmittelgerichts, theoretisch gewordene Rechtsfragen zu lösen (stRsp SZ 61/6 u.v.a.; RIS-Justiz RS0002495).

II. Hier ist allerdings die allfällige Berechtigung des Aufschiebungsantrags im Hinblick auf die Kostenbestimmung des § 50 Abs 2 ZPO iVm § 78 EO hypothetisch zu prüfen.

Die Rekurswerberin stützte ihren Aufschiebungsantrag auf die eingebrachte Klage gemäß den §§ 35 und 36 EO, die im Wesentlichen mit der vom Verfassungsgerichtshof zuerkannten aufschiebenden Wirkung der Verfassungsgerichtshofsbeschwerde begründet wurde. Diese Beschwerde führe nach der oberstgerichtlichen Rechtsprechung zu einem „Schwebezustand, der erst durch die Entscheidung des VfGH beendet werde. Der Bescheid über die grundverkehrsbehördliche Genehmigung entfalte noch keine Rechtswirkungen, sodass die Exekution aufzuschieben sei. Die Aufschiebung sei auch wegen der Einbringung einer Wiederaufnahmsklage zu bewilligen. Dazu ist Folgendes auszuführen:

1. Ob die von der Rekurswerberin zitierte oberstgerichtliche Judikatur (3 Ob 11/96 = SZ 69/9; 3 Ob 171/99i; 3 Ob 172/94 = SZ 67/144; 4 Ob 264/05k) ihren Standpunkt trägt, muss hier im Einzelnen nicht untersucht werden. Jedenfalls spricht die Entscheidung 3 Ob 172/94 = SZ 67/144 gegen die Ansicht, die Zuschlagserteilung sei nicht rechtskräftig geworden. In der zitierten Entscheidung wurde zwar ausgeführt, dass die Behörden (und Gerichte) aufgrund der aufschiebenden Wirkung der Verfassungsgerichtshofsbeschwerde gegen den Bescheid der Landes-Grundverkehrsbehörde die Rechtslage so zu beurteilen hätten, als wäre der Bescheid nicht ergangen. Dies hindere aber nicht die Einverleibung des Eigentumsrechts des Erstehers aufgrund eines bereits früher rechtskräftig gewordenen Zuschlags. Ob Letzteres auch für die zwangsweise Räumung der Liegenschaft (§ 156 EO iVm § 349 EO) gilt, kann hier dahingestellt bleiben, weil es um die Frage der Aufschiebung auch dieser Räumungsexekution aufgrund der Verfassungsgerichtshofsbeschwerde geht. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts über die Rechtskraft der Zuschlagserteilung ist jedenfalls durch oberstgerichtliche Rsp gedeckt. Selbst einer allfälligen Nichtigkeit des Zuschlags steht die Rechtskraft entgegen (RIS-Justiz RS0003128).

Grundsätzlich wurde aber schon ausgesprochen, dass die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Verfassungsgerichtshofsbeschwerde grundsätzlich einen Aufschiebungsgrund für das Exekutionsverfahren darstellen kann (3 Ob 11/96).

2. Damit ist aber für den Standpunkt der Rekurswerberin noch nichts gewonnen, weil jede Exekutionsaufschiebung zwingend zu unterbleiben hat, wenn die Fortführung der Exekution nicht mit der Gefahr eines unersetzlichen oder schwer zu ersetzenden Vermögensnachteils verbunden ist (§ 44 Abs 1 EO). Dazu hat die Verpflichtete im gesamten bisherigen Zwischenverfahren über die Aufschiebung der Exekution nichts vorgebracht. Die Aufschiebungswerberin hätte - abgesehen vom Fall der Offenkundigkeit - den drohenden Nachteil konkret behaupten und bescheinigen müssen (3 Ob 237/04f; RIS-Justiz RS0001619). Bei der nur Wohnräume betreffenden Räumungsexekution ging die Rsp bislang zwar von offenkundigen Vermögensnachteilen iSd § 44 Abs 1 EO wegen anzunehmenden dringenden Wohnbedürfnisses aus. Eine solche drohende Gefahr ist aber bei aus mehreren Wohnobjekten bestehenden Exekutionsobjekten und insbesondere - wie hier - bei einem aus einem landwirtschaftlichen Unternehmen mit zahlreichen Grundstücken bestehenden Exekutionsobjekt nicht offenkundig, sodass es entsprechender Behauptungen der Aufschiebungswerberin bedurft hätte (vgl dazu 3 Ob 63/04t = JBl 2005, 108). Grundsätzlich ist der Nachteil, das Exekutionsobjekt vorübergehend nicht benützen zu können (hier bis zu einer Rückabwicklung im Fall eines Erfolgs der Verfassungsgerichtshofsbeschwerde) kein Nachteil, der nicht mit Geldersatz ausgeglichen werden könnte. Der hypothetische Nachvollzug der Aufschiebungsvoraussetzungen führt daher hier dazu, dass die Abweisung des Aufschiebungsantrags durch das Rekursgericht im Ergebnis eine richtige Sachentscheidung war, der Verpflichteten also kein Kostenersatz zusteht.

3. Auf eine Wiederaufnahmsklage als Aufschiebungsgrund kann sich die Verpflichtete schon deshalb nicht berufen, weil sie eine solche Klage nicht eingebracht hat. Im Übrigen sind Wiederaufnahmsklagen im Exekutionsverfahren unzulässig. Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach eine Analogie zu den Bestimmungen der ZPO (§§ 530 ff) abgelehnt (3 Ob 1/01w mwN).

Die Entscheidung über die Kosten der betreibenden Partei für die Urkundenvorlage beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO iVm § 78 EO. Die Urkundenvorlage erfolgte im Rahmen des Revisionsrekursverfahrens.

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