OGH 3Ob11/96

OGH3Ob11/9624.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Hofmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst, Dr.Graf, Dr.Pimmer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei O***** reg.Gen.m.b.H., ***** vertreten durch Dr.Philipp Gruber und Dr.Bruno Bedevilla, Rechtsanwälte in Lienz, wider die verpflichtete Partei Eleonore S*****, vertreten durch Dr.Peter Gradischnig, Rechtsanwalt in Villach, wegen S 833.599,27 sA, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Erstehers Klaus K*****, vertreten durch Dr.Axel Fuith, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 26. September 1995, GZ 1 R 506, 507/95-82, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Lienz vom 2.August 1995, GZ E 2954/93-73, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben; der angefochtene Beschluß des Rekursgerichtes wird in seinem Punkt I. dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes in seinem Punkt 1.) wieder hergestellt wird.

Die betreibende Partei ist schuldig, dem Ersteher die mit S 34.605,-

(darin enthalten S 5.767,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekurses binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Liegenschaft EZ 71 GB ***** wurde dem Revisionsrekurswerber Klaus K***** um das Meistbot von S 5,800.000,- mit Beschluß vom 17.8.1994 mit dem Vorbehalt des § 19 Abs 1 TirGVG zugeschlagen.

Die Bezirkshauptmannschaft Lienz als Grundverkehrsbehörde versagte mit Bescheid vom 18.11.1994 diesem Rechtserwerb die Zustimmung. Die Landes- Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung wies mit Bescheid vom 12.6.1995 die vom Ersteher dagegen erhobene Berufung als unbegründet zurück; gegen diesen Bescheid ist keine weitere Berufung zulässig.

Mit Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom 27.7.1995, B 2094/95-6 wurde dem Antrag des Erstehers, seiner Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gemäß § 85 Abs 2 VfGG Folge gegeben, weil dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Auf Antrag des Erstehers setzte das Erstgericht den neuerlich anberaumten Versteigerungstermin ab und schob das Versteigerungsverfahren bis zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über diese Beschwerde auf. Das Erstgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, eine Exekutionsaufschiebung habe dann stattzufinden, wenn der Verfassungsgerichtshof der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt habe. Die Aufschiebung sei auch gerechtfertigt, weil die Fortsetzung des Verfahrens und Durchführung der erneuten Versteigerung für den Ersteher mit unverhältnismäßigen Nachteilen verbunden wäre.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß infolge Rekurses des betreibenden Gläubigers teilweise dahin ab, daß die Aufschiebung davon abhängig gemacht wurde, daß der Ersteher eine Sicherheitsleistung von S 200.000 erlegt; es ließ den (ordentlichen) Revisionsrekurs nicht zu, weil es sich auf eine einheitliche teilweise höchstgerichtliche Judikatur und eine klare Gesetzeslage habe stützen können.

Das Rekursgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof bilde nur dann einen Aufschiebungsgrund, wenn ihr dieser aufschiebende Wirkung nach § 85 Abs 2 VfGG zuerkennt. In einem solchen Fall habe das Gericht die Exekution auf Antrag einer Partei aufzuschieben, ohne daß die sonstigen Aufschiebungsvoraussetzungen, insbesondere des § 44 EO, vorliegen müssen. In einem solchen Fall seien sonstige Aufschiebungsvoraussetzungen nicht mehr zu prüfen, weil ein solcher Beschluß des Verfassungsgerichtshofes auch das Exekutionsgericht binde. Allerdings seien gemäß § 524 Abs 1 ZPO (im angefochtenen Beschluß offenbar irrtümlich "EO") gleichzeitig mit der Verfügung der Hemmung die erforderlichen Sicherungsmaßregeln anzuordnen, wobei bei der Prüfung der Notwendigkeit einer solcher Maßnahme auf die einen ähnlichen Regelungszweck verfolgende Bestimmung des § 44 Abs 2 Z 3 EO zurückgegriffen werden müsse, wonach die Exekution von einer entsprechenden Sicherheitsleistung des Antragstellers abhängig zu machen sei, wenn die Aufschiebung der Exekution die Befriedigung des betreibenden Gläubigers zu gefährden geeignet sei. Allein der Umstand, daß die Versteigerung einige Monate später stattfinden würde, bedeute eine Gefährdung des betreibenden Gläubigers. Eine Sicherheitsleistung sei auch dann erforderlich, wenn die betriebene Forderung pfandrechtlich sichergestellt sei. Die Sicherheitsleistung werde zu dem Zweck auferlegt, um den Gläubiger für den Fall, daß die Aktion des Aufschiebungswerbers erfolglos bleibe, vor allen Nachteilen zu schützen. Auch könne bei der Aufschiebung einer Zwangsversteigerung von einer Sicherheitsleistung nicht deshalb Abstand genommen werden, weil der betreibende Gläubiger an der zu versteigernden Liegenschaft eine voraussichtlich zum Zug kommende Hypothek besitze. Durch Hypotheken sei der allfällige durch die Verzögerung entstehende, über die Verzinsung hinausgehende Schaden nicht gedeckt. Ausgehend von der betriebenen Forderung samt Nebengebühren in Höhe von ca S 1,500.000 und einer voraussichtlichen Verfahrensdauer beim Verfassungsgerichtshof von etwa 1 1/2 Jahren sei eine Sicherheitsleistung von S 200.000 angemessen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Erstehers ist zulässig und berechtigt.

Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung (§ 85 Abs 1 VfGG). Der Verfassungsgerichtshof hat der Beschwerde auf Antrag des Beschwerdeführers mit Beschluß aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre (§ 85 Abs 2 VfGG). Nach § 85 Abs 3 VfGG hat im Falle der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung die Behörde den Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes aufzuschieben und die hiezu erforderlichen Vorkehrungen zu treffen; der durch den angefochtenen Bescheid Berechtigte darf die Berechtigung nicht ausüben. Wie der erkennende Senat in seiner Entscheidung 3 Ob 172/94 (Leitsätze in RdW 1995, 142) mwN ausführte, bedeutet die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 85 Abs 3 VfGG, daß der Bescheid vorläufig keine Rechtswirkungen hervorzurufen vermag. Es haben daher alle Maßnahmen zu unterbleiben, die der Verwirklichung des Bescheides im weiteren Sinn dienen und die der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die Beschwerde vorgreifen würden. Nicht nur die belangte Behörde, sondern alle Behörden, somit auch die Gerichte, haben den vorläufigen Nichteintritt der jeweils mit dem Bescheid verbundenen Rechtswirkungen zu beachten. Die Behörden haben die Rechtslage so zu beurteilen, als wäre der angefochtene Bescheid nicht ergangen. Die Bestimmung des § 85 VfGG gilt auch für den gerichtlichen Exekutionsvollzug.

Die vom Verfassungsgerichtshof ausgesprochene, auch von den Gerichten zu beachtende Aufschiebung der Rechtswirkungen des angefochtenen Bescheides der Grundverkehrsbehörde hat somit die Folge, daß das Gericht weder eine erneute Versteogerung anordnen darf, weil in Schwebe ist, ob der dem Ersteher erteilte Zuschlag im Sinn des § 19 Tir. GrundverkehrsG, LGBl 1993/82, rechtswirksam wird, noch im Sinne des § 19 Abs 2 Tir. GrundverkehrsG die Erteilung des Zuschlages für wirksam erklären, ausfertigen und verlautbaren darf.

Diese Bindung des Gerichtes an den Beschluß des Verfassungsgerichtshofes, mit dem der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nach § 85 Abs 2 VfGG zuerkannt wurde, hat somit zur Folge, daß es dem Gericht verwehrt ist, die Anordnung einer erneuten Versteigerung von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen. Die Auferlegung einer Sicherheitsleistung durch das Rekursgericht stellt eine Maßnahme dar, die im Widerspruch zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes steht, weil damit die Anordnung einer erneuten Versteigerung von weiteren - vom Verfassungsgerichtshof nicht genannten - Voraussetzungen abhängig gemacht wird. Dies ist in einem Fall, in dem das Gericht an die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes nach § 85 Abs 2 VfGG gebunden ist, unzulässig, würde doch sonst bei Nichterlag der Sicherheitsleistung durch den Ersteher dieser dennoch den nach dem Entscheidungswillen des Verfassungsgerichtshofes zu vermeinenden unverhältnismäßigen Nachteil erleiden.

Die von Amts wegen zu beachtende, vom Verfassungsgerichtshof verfügte aufschiebende Wirkung der Beschwerde des Erstehers führt somit nicht zu einer Aufschiebung der Exekution im technischen Sinn des § 42 EO und der in anderen Bestimmungen der Exekutionsordnung sowie anderer Gesetze (siehe Anm 4 zu § 42 EO in Angst-Jakusch-Pimmer, EO, MGA13). Darauf war bei der gebotenen Wiederherstellung des erstinstanzlichen Beschlusses Bedacht zu nehmen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 EO, §§ 41, 50, 52 ZPO.

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