OGH 3Ob1/01w

OGH3Ob1/01w6.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Baumann, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger und Dr. Schramm als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, Wien 4., Prinz-Eugen-Straße 20, vertreten durch Dr. Heinz Kosesnik-Wehrle, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Partei I***** GmbH i.L. (vormals E***** GmbH), ***** vertreten durch Dr. Harald Schmidt, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederaufnahme des Verfahres 3 Ob 29/00m des Obersten Gerichtshofs (AZ 12 E 5528/97h des Bezirksgerichts Donaustadt), folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Der Antrag der verpflichteten Partei, das Verfahren 3 Ob 29/00m des Obersten Gerichtshofs (AZ 12 E 5528/97h des Bezirksgerichts Donaustadt) wiederaufzunehmen, wird

zurückgewiesen.

2. Die Strafanzeigen der verpflichteten Partei werden gemäß § 84 StPO der Staatsanwaltschaft Wien übermittelt.

Text

Begründung

Mit Einstweiliger Verfügung des Handelsgerichts Wien vom 25. 7. 1997, 24 Cg 48/97k-3, wurde der verpflichteten Partei zur Sicherung des Unterlassungsanspruchs der klagenden Partei ua verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Gewinnspiele oder ähnliche Aktionen anzukündigen und/oder durchzuführen, wenn den Adressaten der Eindruck des tatsächlichen Gewinns eines erheblichen Geldbetrags, insbesondere eines Geldbetrags von 175.000 S vermittelt wird, obwohl der in Aussicht gestellte Geldbetrag gleichmäßig unter allen Einsendern von Geldanforderungsscheinen mit der gezogenen Nummer aufgeteilt wird und Anteile unter einer gewissen Grenze nicht zur Auszahlung gelangen.

Zur Durchsetzung dieses Unterlassungsanspruchs bewilligte das Bezirksgericht Donaustadt mit Beschluss vom 15. 12. 1997 die Unterlassungsexekution.

Im Hauptverfahren vor dem Handelsgericht Wien schlossen die Streitteile in der Tagsatzung vom 8. 5. 1998 einen Vergleich, in dem sich die dort beklagte Partei verpflichtete, es im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, Gewinnspiele oder ähnliche Aktionen anzukündigen, wenn dabei den Adressaten der Eindruck des tatsächlichen Gewinns eines erheblichen Geldbetrags, insbesondere eines Betrags von 175.000 S vermittelt wird, obwohl der in Aussicht gestellte Geldbetrag unter allen Einsendern (von Geldanforderungsscheinen der gezogenen Gewinnnummer) gleichmäßig aufgeteilt wird.

Die betreibende Partei beantragte hierauf, die Exekutionsbewilligung vom 15. 12. 1997 dahin einzuschränken, dass der betreibenden Partei wider die verpflichtete Partei die Exekution zur Erzwingung der Unterlassung jenes Verhaltens bewilligt wird, wie es im Text des oben zitierten Vergleichs beschrieben wird, also die Exekutionsbewilligung dem nunmehr aufrechten Exekutionstitel anzupassen. Das Erstgericht bewilligte diesen Antrag mit Beschluss vom 19. 10. 1998 in Form eines Bewilligungsvermerks gemäß § 112 Abs 1 Geo und verhängte eine Geldstrafe von 50.000 S. Einem dagegen von der verpflichteten Partei erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge, sodass der erstinstanzliche Beschluss in Rechtskraft erwuchs. In dem am 13. 1. 1999 beim Erstgericht eingelangten Strafantrag ON 10 behauptete die betreibende Partei, die verpflichtete Partei habe dem Vergleich vom 8. 5. 1998 durch Versendung von bestimmten, dem Strafantrag angeschlossenen Gewinnspielunterlagen um den 10. 10. 1998, ua an eine namentlich angeführte Person, zuwidergehandelt. Das Erstgericht verhängte mit Beschluss vom 31. 3. 1999 eine Geldstrafe von 70.000 S.

Mit Strafantrag vom 23. 4. 1999 ON 16 behauptete die betreibende Partei ein weiteres Zuwiderhandeln der verpflichteten Partei gegen den bezeichneten Vergleich durch Versendung von Werbe- und Gewinnspielunterlagen am und um den 10. 2. 1999. Mit Beschluss vom 27. 4. 1999 verhängte das Erstgericht eine Geldstrafe von 80.000 S. Einem dagegen von der verpflichteten Partei erhobenen Rekurs gab das Gericht zweiter Instanz Folge und wies die Strafanträge ab. Es sprach aus, der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteige jeweils S 260.000, der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig. Seine Abänderung begründete das Rekursgericht damit, dass die einstweilige Verfügung nach rechtskräftigem Abschluss des Hauptverfahrens keinen tauglichen Exekutionstitel mehr für die Bewilligung eines Strafantrags bilde. Die betreibende Partei hätte zunächst die Exekutionsbewilligung hinsichtlich des vollstreckbaren Vergleichs wegen der behaupteten Verstöße beantragen müssen, weil der Unterlassungsanspruch der betreibenden Partei nur mehr aufgrund dieses Vergleichs, nicht mehr jedoch aufgrund der einstweiligen Verfügung zustehe. Eine Umdeutung des Strafantrags in einen Exekutionsantrag komme nicht in Betracht, weil das Gericht nach der auch im Exekutionsverfahren gemäß § 78 EO anzuwendenden Bestimmung des § 405 ZPO an das Begehren der Partei gebunden sei. Mit der bewilligten Einschränkung der Exekutionsbewilligung sei diese nicht dem Vergleich angepasst oder auf diesen eingeschränkt worden. Infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der betreibenden Partei stellte der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 20. September 2000, AZ 3 Ob 29/00m, die erstinstanzlichen Strafbeschlüsse wieder her. Im vorliegenden Fall sei ausschlaggebend, dass mit rechtskräftigem Beschluss des Erstgerichtes an die Stelle des früheren Exekutionstitels, der einstweiligen Verfügung, der im Hauptverfahren geschlosse Vergleich gesetzt worden sei. Dieser Beschluss sei in Rechtskraft erwachsen. Er habe die Wirkung, dass nunmehr als Exekutionstitel der bezeichnete Vergleich maßgeblich sei. Der Beschluss habe somit die gleiche Wirkung wie eine in einem gesonderten Verfahren erfolgte Exekutionsbewilligung. Das ergebe sich eindeutig aus seinem Wortlaut, heiße es doch, dass die Exekution zur Erzwingung der Unterlassung bewilligt werde. Dass zugleich eine "Einschränkung" der ersten Exekutionsbewilligung bewilligt wurde, ändere daran nichts. Das Rekursgericht habe bei seiner Entscheidung den klaren Wortlaut des bereits früher von ihm bestätigten erstinstanzlichen Beschlusses vom 19. 10. 1998 nicht beachtet. Mit ihrem am 29. Dezember 2000 beim Obersten Gerichtshof eingebrachten Wiederaufnahmeantrag bringt die verpflichtete Partei vor, die vom Obersten Gerichtshof seiner Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen stünden mit dem Inhalt der dem Vertreter der verpflichteten Partei zugestellten Ausfertigungen der Entscheidungen der Vorinstanzen in unvereinbarem Widerspruch. Mit Beschluss des Erstgerichts vom 19. 10. 1998 sei der betreibenden Partei nicht die "Exekution zur Unterlassung" bewilligt worden, sondern die "Einschränkung der Exekutionsbewilligung vom 15. 12. 1997". Einem dagegen mit der wesentlichen Begründung, dass "eine Einschränkung der Exekution ... auf einen anderen Titel im Gesetz nicht vorgesehen sei" erhobenen Rekurs der verpflichteten Partei habe das Rekursgericht mit der Begründung nicht Folge gegeben, dass durch den erstinstanzlichen Beschluss in Wahrheit ohnedies "keine Einschränkung auf einen anderen Titel erfolgt, sondern die verpflichtete (richtig: die betreibende) Partei auf die Durchsetzung eines Teils des ursprünglichen Exekutionstitels (in Hinblick auf den zwischenzeitig abgeschlossenen Vergleich) verzichtet" habe. Nach dem Grundsatz der Einheit von Spruch und Gründen seien die Entscheidungen der Vorinstanzen daher dahin auszulegen, dass damit keine neuerliche Exekutionsbewilligung aufgrund des Vergleichs, sondern eine Einschränkung der bestehenden, aufgrund der einstweiligen Verfügung erteilten Exekutionsbewilligung erfolgt sei. Das habe zur Folge, dass die weiteren, nur noch auf Zuwiderhandeln gegen den Vergleich gegründeten Strafanträge abzuweisen gewesen wären. Der vom Obersten Gerichtshof in seinem Beschluss zugrundegelegte Sachverhalt könne daher nur entweder durch Verfälschung der Entscheidungen der Vorinstanzen gegenüber deren ursprünglichen Ausfertigungen oder einer Verletzung der Amtspflichten zum Nachteil der verpflichteten Partei zustande gekommen sein. Es werde daher die Einleitung des Vorprüfungsverfahrens sowie die Einleitung eines strafgerichtlichen Verfahrens gegen unbekannte Täter im Bereich aller drei befassten Instanzen wegen des Verdachts der Verfälschung der Beschlüsse der Vorinstanzen, allenfalls gegen unbekannte Täter im Bereich des 3. Senats des Obersten Gerichtshofs wegen des Verdachts des Vergehens nach § 302 Abs 1 StGB beantragt. Weiters werde der Antrag gestellt, nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens den Beschluss des Obersten Gerichtshofs 3 Ob 29/00m aufzuheben und neuerlich über den außerordentlichen Revisionsrekurs der betreibenden Partei "aufgrund der tatsächlichen Aktenlage unter Abstandnahme vom unterlaufenen Wiederaufnahmsgrund" zu entscheiden. Mit Beschluss vom 29. Mai 2001, 1 N 504/01, hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass die damaligen Mitglieder des Senats 3 des Obersten Gerichtshofs, Senatspräsident Dr. Angst und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Graf, Dr. Pimmer, Dr. Zechner und Dr. Sailer von der Ausübung des Richteramts im Wiederaufnahmeverfahren zu AZ 3 Ob 29/00m ausgeschlossen sind (§ 537 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Die verpflichtete Partei im Exekutionsverfahren begehrt beim Obersten Gerichtshof als gemäß § 532 Abs 2 ZPO zuständigen Gericht die Wiederaufnahme des Revisionsrekursverfahrens aus dem Grunde des § 530 Abs 1 Z 3 und 4 ZPO und bekämpft damit jenen Beschluss, mit dem im Exekutionsverfahren die erstgerichtlichen Strafbeschlüsse wiederhergestellt wurden. Ersterer Wiederaufnahmsgrund liegt dann vor, wenn die Entscheidung durch eine als Täuschung (§ 108 StGB), als Unterschlagung (§ 134 StGB), als Betrug (§ 146 StGB), als Urkundenfälschung (§ 223 StGB), als Fälschung besonders geschützter Urkunden (§ 224 StGB) oder öffentlicher Beglaubigungszeichen (§ 225 StGB), als mittelbare unrichtige Beurkundung oder Beglaubigung (§ 228 StGB), als Urkundenunterdrückung (§ 229 StGB) oder als Versetzung von Grenzzeichen (§ 230 StGB) gerichtlich strafbare Handlung des Vertreters der Partei ihres Gegners oder dessen Vertreters erwirkt wurde. Z 4 leg cit liegt vor, wenn sich der Richter bei der Erlassung der Entscheidung oder der einer der Entscheidung zugrunde liegenden früheren Entscheidung in Beziehung auf den Rechtsstreit zum Nachteil der Partei einer nach dem Strafgesetzbuch zu ahnenden Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat.

Nach der Entscheidungspraxis des Obersten Gerichtshofs ist die Wiederaufnahmsklage eine Klage besonderer Art, mit der eine bereits ergangene durch eine für den Kläger günstigere Entscheidung ersetzt werden soll. Wie weit auch in anderen zivilgerichtlichen Verfahren die Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsklagen zulässig sind, ist umstritten, die Rsp ist weitgehend ablehnend. Die EO enthält weder eigene Regelungen über eine Wiederaufnahme des Verfahrens noch erfasst die Verweisungsnorm des § 78 EO den 5. Teil der ZPO über die Nichtigkeits- und Wiederaufnahmsklage. Die Verfahrenseinrichtung der Wiederaufnahme des Verfahrens könnte daher nur im Wege der Analogie zur Schließung einer als offensichtlich systemwidrig erkannten Lücke auch für das Exekutions- und Sicherungsverfahren nach der EO Geltung beanspruchen. Mangels Aufnahme in die Verweisungsvorschrift lehnen Heller/Berger/Stix (EO4 2891 f), Fasching (Kommentar IV 481, der nur die Urteile nach § 83 Abs 2 EO idF vor der EO-Novelle 1995 ausnimmt) und in der neueren Lehre Jakusch (in Angst, EO, § 78 Rz 1) und Fucik (in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 78 Rz 21) die Wiederaufnahmemöglichkeit ab. Dies entspricht auch der stRsp (ausdrücklich auch zur Wiederaufnahmsklage 3 Ob 261/98y [insoweit nicht veröffentlicht in EFSlg 88.0639], zuletzt 3 Ob 51/01y zur Nichtigkeitsklage; RIS-Justiz RS0048251). Dort, wo es gilt, einen sacherledigenden Beschluss des Vollstreckungsverfahrens zu beseitigen, tritt jetzt Fasching (in Lehrbuch2 Rz 2042) für die analoge Anwendung ein. Rechberger (Die fehlerhafte Exekution 177 f und 188) "erwägt" die Möglichkeit eines Nichtigkeitsantrags innerhalb des Exekutionsverfahrens; Konecny (ÖBA 1988, 1191 ff) will § 530 Abs 1 Z 7 ZPO im Provisorialverfahren analog anwenden.

In seiner Entscheidung 3 Ob 108/98y hat der erkennende Senat (ihm folgenden 6 Ob 250/99d) den Stand der Lehre und der oberstgerichtlichen Rsp zur Zulässigkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens im Provisorialverfahren zusammengefasst:

Erstmals die Entscheidung 8 Ob 585/93 = JBl 1994, 478 = EvBl 1994/60 erblickte in einer einstweiligen Verfügung über den einstweiligen Unterhalt nach § 382 Abs 1 Z 8 EO eine Sachentscheidung, die wegen des von Fasching angeführten besonderen Rechtsschutzbedürfnisses die analoge Anwendung des Wiederaufnahmeverfahrens der ZPO rechtfertige. Die generelle Richtigkeit dieser Auffassung wurde schon in der E 6 Ob 626/93 = EFSlg 73.159 in Frage gestellt, in mehreren Folgeentscheidungen jedenfalls eine Ausweitung der Anwendbarkeit der Vorschriften der ZPO auf "echte" einstweilige Verfügungen abgelehnt (4 Ob 43/95 = JBl 1996, 327 = ÖBl 1996, 87; 3 Ob 108/98y ua; zur Unzulässigkeit einer Nichtigkeitsklage 3 Ob 261/98y). Die von der Wiederaufnahmswerberin zur Stützung ihres Standpunkts herangezogene E 4 Ob 13/99m betrifft zwar die "systematische Auslegung" des § 78 EO, aber nicht im Zusammenhang mit einem Wiederaufnahmsantrag, sondern im Zusammenhang mit der Bestimmung des § 235 Abs 5 ZPO, die sich in Wahrheit mit den Parteien des Verfahrens iSd §§ 1 bis 73 ZPO beschäftige; die allgemeinen Bestimmungen der ZPO über die Parteien hätten aber kraft ausdrücklicher Erwähnung in § 78 EO auch im Exekutionsverfahren zur Anwendung zu kommen.

Das vorliegende Verfahren ist nicht geeignet, die zitierte Rsp in Bezug auf eine Unterlassungsexekution - somit kein Provisorialverfahren - zu überprüfen und die gestellte Rechtsfrage unter Befassung eines verstärkten Senats neuerlich zu behandeln. Denn wenn angesichts dieser unterschiedlichen Meinungen in Lehre und Rsp der Gesetzgeber anlässlich der EO-Novelle 2000 mit ihren zahlreichen Änderungen und Anpassungen die Verweisungsnorm des § 78 EO unverändert ließ, bleibt für die analoge Schaffung eines Wiederaufnahmsantrags im Exekutionsverfahren kein Raum. Es kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, insoweit - gemessen am Maßstab der gesamten geltenden Rechtsordnung - eine planwidrige Unvollständigkeit belassen zu haben.

Der vorliegende Wiederaufnahmsantrag war daher bereits im Vorprüfungsverfahren zurückzuweisen.

Die Übermittelung der Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft Wien gründet sich auf § 84 StPO.

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