OGH 3Ob290/03y

OGH3Ob290/03y25.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 4. Dezember 2002 verstorbenen Hanns Georg P*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Angelika B*****, vertreten durch Dr. Franz F. Podovsovnik, Rechtsanwalt in Wien, wegen Verteilung der Parteirollen gemäß §§ 125, 126 AußStrG gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 29. Oktober 2003, GZ 16 R 405/03b-29, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Erblasser hinterließ folgende letztwillige Verfügung vom 8. November 1999:

"Mein letzter Wille!

Im vollen Besitz meiner Kräfte, vermache ich an folgende Personen

meinen Besitz bzw. mein Vermögen. Die Anteile an der Fa. ...,

einschließlich Filiale, gehen an:

(August) Gustav ... 30 %

Hanni ... 25 %

Alfred ... 25 %

Michael ... 20 %

Mein Haus ... geht an die Gesellschaft über, sowie auch mein Anteil

an dem Haus ... einschließlich meiner Wohnung. ... [Firma] geht an

Michael ... einschl. Haus und Waren, einschließlich M .... Alle

privaten Gegenstände, bitte ich Herrn August ... zu einer gerechten

Verteilung zu überlassen ..."

Die Revisionsrekurswerberin ist eine Nichte des Erblassers. Das Rekursgericht bestätigte die Zuteilung der Klägerrolle an sie gegenüber den vier im letzten Willen genannten Personen. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

In ihrem außerordentlichen Rechtsmittel kann die gesetzliche Erbin das Vorliegen einer erhebliche Rechtsfrage nicht darlegen. Nach der Aktenlage wurde jene "Gesellschaft", die ebenfalls als Testamentserbin in Betracht kommt, bisher nicht zur Erbserklärung aufgefordert. Das hindert aber die vorliegende Entscheidung nicht, weil dessen ungeachtet die Klärung der Parteirollen im Hinblick auf die bisher aufgetretenen Erbansprecher nicht unzweckmäßig ist, steht doch noch gar nicht fest, ob die weitere präsumtive Testamentserbin

überhaupt eine Erbserklärung abgeben wird (3 Ob 98/97a = EvBl 1998/7

= RZ 1998/48 = EFSlg 85.796; RIS-Justiz RS0108238).

Nach Auffassung der Revisionsrekurswerberin hätte das Rekursgericht angesichts in der letztwilligen Verfügung nicht erwähnter namhafter Bankguthaben des Erblassers dem in der Entscheidung 6 Ob 385/97d erkannten Grundsatz folgen müssen, dass jenem Erbanwärter [nach § 126 Abs 2 AußStrG 1854] die Beklagtenrolle zuzuweisen sei, für den die größere Wahrscheinlichkeit des Erbrechts spreche, im vorliegenden Fall daher ihr als gesetzlicher Erbin; die im letzten Willen Genannten seien bloß Legatare.

Wie im Revisionsrekurs eingeräumt wird, hat sich das Rekursgericht ohnehin zutreffend auf diesen vom Obersten Gerichtshof in stRsp judizierten Rechtssatz gestützt (RIS-Justiz RS0008066 T1; zuletzt iglS 6 Ob 122/02p). Ebenso ist nach stRsp der Prätendent auf den Rechtsweg zu verweisen, der den "schwächeren" Titel hat. Welcher Titel jeweils "stärker" bzw "schwächer" ist, hängt von den konkreten Umständen des zu beurteilenden Falles ab (RIS-Justiz RS0008064), denen - vom Fall grober Fehlbeurteilung abgesehen - keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (4 Ob 103/01b; 7 Ob 41/02h = EFSlg 103.029; vgl auch 10 Ob 69/01x mwN).

Eine solche Fehlbeurteilung ist der zweiten Instanz hier nicht unterlaufen. Es ist Auslegungsfrage, ob die - wie hier - der äußeren Form nach unbedenkliche letztwillige Verfügung Erbseinsetzungen oder bloß Legate verfügt. Lässt sie ihrem Inhalt nach die Auslegung als Testament zu, ist sie ungeachtet der Möglichkeit auch gegenteiliger Auslegung so lange als Testament zu behandeln, bis bewiesen wird, dass der Erblasser bei Errichtung der letztwilligen Verfügung eine Erbeinsetzung nicht gewollt hat. Die Beweislast trifft den, der die Testamentseigenschaft bestreitet (stRsp, RIS-Justiz RS0012243; Welser in Rummel³ § 535 ABGB Rz 8). Ebenso entspricht es der stRsp (8 Ob 62/70 = NZ 1971, 29 uva, RIS-Justiz RS0007995, RS0008046), die auch Welser (aaO §§ 799, 800 ABGB Rz 27) billigt, dass in einem derartigen Fall den gesetzlichen Erben die Klägerrolle zukommt. Die von der Revisionsrekurswerberin für sich in Anspruch genommene Entscheidung 6 Ob 385/97d = EFSlg 88.725 betrifft zwangsläufig wieder einen Einzelfall; im vorliegenden Fall ist das "Testament" zwar nicht wie in jenem ausdrücklich als solches bezeichnet, es spricht aber der in der hier vorliegenden Verfügung enthaltene Passus mit dem Wortlaut "vermache ich meinen Besitz bzw. mein Vermögen" für Erbseinsetzung (7 Ob 554/94 = NZ 1994, 229; Welser aaO § 535 ABGB Rz 7), auch wenn diverse Zuwendungen nicht nach Quoten aufgeteilt werden. Es kann daher ungeachtet des Umstands, dass im Fall der Entscheidung 6 Ob 385/97d der Testamentserbin die Klägerrolle zugeteilt wurde, auch nicht von einer uneinheitlichen Rsp die Rede sein.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).

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