OGH 7Ob41/02h

OGH7Ob41/02h13.3.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Verlassenschaftssache des am 9. Jänner 1997 verstorbenen Roman M*****, über den Revisionsrekurs des erbserklärten Erben Christian M*****, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 29. November 2001, GZ 15 R 234/01i, 235/01m-107, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Linz vom 24. Oktober 2001, GZ 1 A 6/97y-100, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Revisionsrekurswerber ist der eheliche Sohn (und einziger Nachkomme) des Roman und der Elisabeth M*****, die mit Notariatsakt vom 16. 11. 1995 in Gegenwart zweier Zeugen einen Erbvertrag abgeschlossen haben, in dem sie sich wechselseitig vertragsmäßig zu ¾ ihres Nachlasses und testamentarisch zum restlichen Nachlassviertel als Alleinerben einsetzten. Punkt 4. des Erbvertrages lautet:

Die Ehegatten Herr Roman und Frau Elisabeth M***** bestimmen bereits jetzt, dass für den Fall des Ablebens des zuletzt Versterbenden von ihnen ihr Sohn Herr Christian M*****, geboren am 8. 12. 1957, ... zum Alleinerben berufen ist. Hinsichtlich des Liegenschaftsbesitzes in E*****, ordnen die Ehegatten Roman und Elisabeth M***** eine fideikommissarische Substitution im Sinn des § 608 ABGB zugunsten Jasmin K*****, geboren am 4. 8. 1984, ..., an.

Roman M***** (im Folgenden Erblasser) ist am 9. 1. 1997 verstorben. Seine Witwe Elisabeth erklärte mit Schriftsatz vom 31. 3. 1997, auf die Abgabe einer Erbserklärung zu verzichten. Mit Schriftsatz vom 19. 4. 2001 erklärte sie auch noch, keine Pflichtteilsansprüche zu stellen.

Die vom erblasserischen Sohn auf Grund des Gesetzes zum gesamten Nachlass abgegebene unbedingte Erbserklärung wurde mit Beschluss vom 26. 6. 1997 zu Gericht angenommen und der Erbrechtsausweis auf Grund der Aktenlage für ausgewiesen gehalten.

Der vom Sohn in der Folge gestellte Antrag, ihm “als einzigem Erbserklärten auf Grund der gesetzlichen Erbfolge das Erbe seines Vaters sofort einzuantworten", blieb wegen der im Erbvertrag angeordneten fideikommissarischen Substitution in drei Instanzen erfolglos (Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 7 Ob 115/99h). Gegen den (durch entsprechende Rechtsmittel zum Ausdruck gebrachten) Widerstand des Sohnes wurde die fideikommissarische Substitution zu Gunsten der mj Jasmin K***** grundbücherlich angemerkt (was zu 7 Ob 71/00t bestätigt wurde). Hinsichtlich des vom Sohn erhobenen Einwands, sein Vater sei im Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages nicht testierfähig gewesen, wies der Oberste Gerichtshof in den beiden zitierten Entscheidungen darauf hin, dass die Gültigkeit des Erbvertrages und damit der fideikommissarischen Substitution nicht im Verlassenschaftsverfahren beurteilt werden könne, sondern in einem Rechtsstreit des Sohnes mit der Nachlegatarin Jasmin K***** zu klären sei; das Verlassenschaftsgericht werde die Beteiligten im Sinne der §§ 125 ff AußStrG unter Verteilung der Parteirollen und unter Fristsetzung auf den Rechtsweg zu verweisen haben.

Mit Beschluss vom 24. 10. 2001 wies das Erstgericht zur Klärung der Frage, ob die im Erbvertrag zu Gunsten der mj Jasmin K***** angeordnete fideikommissarische Substitution rechtsgültig ist, dem erblasserischen Sohn die Klägerrolle zu und trug ihm auf, die Klagseinbringung binnen vier Wochen nachzuweisen, widrigenfalls von der Gültigkeit des Erbvertrages vom 16. 11. 1995 bzw der darin enthaltenen letztwilligen Verfügung zu Gunsten der mj Jasmin K***** ausgegangen und dies der Verlassenschaftsabhandlung zu Grunde gelegt werde. Gemäß § 126 AußStrG sei jener Partei die Klägerrolle zuzuweisen, die mit dem schwächeren Titel ausgestattet sei. Im konkreten Fall stütze der erblasserische Sohn seine Erbberechtigung auf die gesetzliche Erbfolge, während die mj Jasmin K***** ihren Rechtsanspruch aus der im Erbvertrag angeordneten fideikommissarischen Substitution und somit aus einer letztwilligen Verfügung des Erblassers herleite. Die gesetzliche Erbfolge stelle gegenüber einer Erbberechtigung auf Grund einer letztwilligen Verfügung den schwächeren Erbrechtstitel dar, weshalb dem erbl. Sohn die Klägerrolle zuzuweisen gewesen sei.

Das Rekursgericht bestätigte mit dem nur in diesem Punkt angefochtenen Beschluss unter anderem diese erstinstanzliche Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Gemäß § 126 Abs 1 AußStrG müsse zur Bestreitung des Erbrechtes des Vertragserben, der einen mit den erforderlichen Förmlichkeiten versehenen Vertrag für sich habe, dessen Echtheit nicht widersprochen werde, derjenige, dessen Anspruch sich nur auf eine letzte Willenserklärung oder auf die gesetzliche Erbfolge stütze, als Kläger auftreten. Der Kläger stütze sein seiner Meinung nach unbeschränktes Erbrecht auf das Gesetz. Die Bedingung im Erbvertrag vom 16. 11. 1995, wonach der erbl. Sohn zum Alleinerben berufen sein solle, sei nicht eingetreten: Sie setze das Ableben beider Ehegatten voraus. Unbestritten sei aber, dass die - immer und immer wieder vom erbl. Sohn in Frage gestellte - fideikommissarische Substitution in diesem Erbvertrag angeordnet worden sei. Entgegen der Ansicht des Sohnes hänge hier nicht etwa - wie in der Entscheidung SZ 42/22, an der sich der erbl. Sohn orientiert habe - von der Auslegung ein und desselben letzten Willens ab, sondern sei das aus dem Notariatsakt abgeleitete Recht der mj Jasmin K***** jenem des gesetzlichen Erben gegenüberzustellen. Zutreffend habe das Erstgericht daher Letzterem als gesetzlichen Erben und damit Inhaber des schwächeren Titels die Klagsrolle zugewiesen.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei für zulässig zu erklären gewesen, da zur Judikatur zur Klagsrolle zwischen Vorerben und Nacherben eine Konstellation wie die vorliegende nicht aufgefunden habe werden können. Zudem sei in der Entscheidung 6 Ob 2/84 auf die Wahrscheinlichkeit des Bestehens der fideikommissarischen Substitution abgestellt (und dem Vorerben die Klägerrolle zugewiesen) worden.

Der Revisionsrekurs des erbl. Sohnes, der damit eine Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen dahin anstrebt, der mj Jasmin K***** statt ihm die Klägerrolle im Erbrechtsstreit zuzuweisen, ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg sei darauf hingewiesen, dass die - bislang nicht näher erörterte - Frage, ob für den Fall der Gültigkeit des gegenständlichen Erbvertrags Jasmin K***** als Nacherbin anzusehen ist (da auch derjenige Erbe sein kann, dem nur eine einzelne Sache zugedacht ist, wenn der Nachlass zum überwiegenden Teil oder überhaupt nur aus dieser Sache besteht; siehe 6 Ob 103/75), oder als Nachlegatarin zu behandeln ist, auf sich beruhen kann, zumal eine fideikommissarische Substitution auch hinsichtlich eines Vermächtnisses angeordnet werden kann (§ 652 ABGB). Die Bestimmungen der §§ 125 ff AußStrG sind immer dann analog heranzuziehen, wenn es sich um einander widersprechende Standpunkte der Beteiligten handelt, von deren Lösung die Fortsetzung und Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens abhängt (NZ 1980, 146 = EvBl 1980/60). Dies ist auch dann der Fall, wenn die Frage strittig ist, ob eine Nacherbschaft (oder ein Nachlegat) angeordnet wurde (vgl NZ 1985, 188). Die in § 126 AußStrG normierten Grundsätze für die Zuteilung der Klägerrolle regeln nicht alle im Einzelfall möglichen Konstellationen. In solchen Fällen gilt der Grundsatz, dass dem Erbanwärter die Beklagtenrolle zuzuweisen ist, für den die größere Wahrscheinlichkeit des Erbrechts spricht (SZ 42/22 = EvBl 1969/268 = NZ 1970, 26; 6 Ob 385/97d uva). MaW ist nach ständiger Rechtsprechung derjenige Prätendent auf den Rechtsweg zu verweisen, der den “schwächeren" Titel hat. Welcher Titel jeweils “stärker" bzw “schwächer" ist, hängt von den konkreten Umständen des zu beurteilenden Falles ab (RIS-Justiz RS0008064), denen - vom Fall grober Fehlbeurteilung abgesehen - keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (4 Ob 103/01b; vgl auch 10 Ob 69/01x mwN).

Von einer “groben Fehlbeurteilung" iS einer Verkennung der Rechtslage, die einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedürfte, kann im vorliegenden Fall aber gar keine Rede sein: Die Ansicht der Vorinstanzen, der Revisionsrekurswerber verfüge über den “schwächeren" Titel, hat zunächst schon den Wortlaut des § 126 Abs 1 AußStrG für sich, wonach jedermann, der sich - wie hier der Revisionsrekurswerber - nur auf die gesetzliche Erbfolge stützen kann, gegen einen Vertragserben (dem ein “Vertragslegatar" gleichzuhalten ist), der - wie hier - einen mit den erforderlichen Förmlichkeiten versehenen Vertrag für sich hat, dessen Echtheit nicht widersprochen wird, im Erbrechtsstreit als Kläger aufzutreten hat. Grundsätzlich ist im Übrigen zu bemerken, dass auch in Bezug auf Vor- und Nacherben (bzw Nachlegatare) die Abwägung der Stärke bzw Schwäche des Titels von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Eine allgemein gültige Aussage, wonach das Erbrecht des Vorerben gegenüber dem des Nacherben stets das stärkere sei, kann keineswegs getroffen werden. Die oberstgerichtlichen Entscheidungen EvBl 1958, 634/371 und SZ 42/22, aus denen der Revisionsrekurswerber einen entsprechenden Rechtssatz ableiten will, sind mit der vorliegenden Causa nicht vergleichbar. In beiden genannten Fällen kam es entscheidend auf die Auslegung eines Testaments an, während im vorliegenden Fall nicht die Auslegung des Erbvertrags vom 16. 11. 1995 streitentscheidend ist, sondern die vom erbl. Sohn behauptete mangelnde Testierfähigkeit des Erblassers (und damit die Gültigkeit des Erbvertrags) der allein entscheidende Streitpunkt des streitigen Zivilverfahrens sein wird. Mangels eines tauglichen Zulassungsgrundes war das Rechtsmittel des erbl. Sohnes daher zurückzuweisen. Dabei konnte sich der Oberste Gerichtshof gemäß § 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken.

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