OGH 7Ob269/03i

OGH7Ob269/03i14.1.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schalich als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Schaumüller, Dr. Hoch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****, vertreten durch Dr. Wolfang Blaschitz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei W*****, vertreten durch Dr. Herbert Schachter, Rechtsanwalt in Wien wegen EUR 29.069,13 sA und Feststellung (Streitwert: EUR 7.267,28), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 26. August 2003, GZ 12 R 63/03b-29, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die zur Begründung der Zulassungsbeschwerde herangezogene Rechtsfrage, ob die für eine Entscheidung über den Ausschluss eines Vereinsmitglieds im Verbandsvorstand erforderliche Zweidrittelmehrheit von den anwesenden Mitgliedern oder von sämtlichen Verbandsvorstandsmitgliedern zu berechnen ist, stellt letztlich - wie die Revisionswerberin selbst festhält - eine Frage der Regelung bzw der Auslegung der Vereinsstatuten dar. Damit kommt ihr jedoch - entgegen der in der ao Revision vertretenen Auffassung - grundsätzlich keine Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zu (vgl 7 Ob 151/97z).

Gleiches gilt für die in den Revisionsausführungen weiterhin bekämpfte Auslegung des Schreibens der Klägerin vom 4. 5. 1998. Die einzelfallbezogene Beurteilung einer rechtsgeschäftlichen Erklärung könnte eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs nämlich nur dann rechtfertigen, wenn aus Gründen der Rechtssicherheit die Korrektur einer unhaltbaren, durch die Missachtung fundamentaler Auslegungsregeln zustande gekommenen Entscheidung geboten wäre (RIS-Justiz RS0042776 [T22]), weil von den anerkannten Interpretationsgrundsätzen in krasser, aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigierender Weise abgewichen wurde (RIS-Justiz RS0042776; RS0042742 [T5]; zuletzt: 7 Ob 191/03v, 7 Ob 283/03y und 10 Ob 24/03g mwN). Ein derartiges, vom Obersten Gerichtshof zu korrigierendes Abweichen des Berufungsgerichtes von den Grundsätzen der Rechtsprechung wird von der Revisionswerberin jedoch - zu Recht - gar nicht behauptet.

Wie auch die Revision zutreffend aufzeigt sind Vereinssatzungen nach stRsp wie generelle Rechtsnormen gemäß § 6 und § 7 ABGB auszulegen. Maßgebend ist also der objektive Sinn statutarischer Bestimmungen. Die Auslegung hat sich an der Gesetzestreue, dem Vereinszweck und den berechtigten Interessen der Mitglieder zu orientieren. Unklare Bestimmungen sind in vernünftiger und billiger Weise so auszulegen, dass deren Anwendung im Einzelfall brauchbare Ergebnisse zeitigt (8 Ob 559/89 [ÖFB-Satzungen, Statut der Bundesliga, ÖFB-Regulativ]; SZ 58/178; RIS-Justiz RS0008813; zuletzt: 1 Ob 273/00d und 2 Ob 196/01i).

Davon ausgehend haben die Vorinstanzen die Statuten des Beklagten dahin ausgelegt, dass das erforderliche Konsensquorum von der Zahl der anwesenden Mitglieder zu berechnen sei (weil ansonsten die allgemeine Verfahrensbestimmung, wonach die Beschlussfähigkeit eines Organs die Ladung aller Mitglieder und die Anwesenheit wenigstens der Hälfte der Mitglieder erfordert, keinen Anwendungsbereich hätte) und das Schreiben vom 4. 5. 1998 dahin beurteilt, dass es nicht als Rechtsmittel (Berufung an die zuständige Rechtsmittelinstanz [Verbandstag]) anzusehen sei. Ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, ist hier - wie bereits ausgeführt - nicht zu prüfen.

Entgegen dem Standpunkt der Revisionswerberin ist aber auch eine Abweichung von der in der Entscheidung 7 Ob 2314/96m dargestellten Rsp des Obersten Gerichtshofes nicht zu erkennen, wurde darin doch Folgendes ausgesprochen:

"Richtig ist, dass zur Frage, ob in dem Fall, dass die Satzungen eines Vereines vor dem Ausschluss eines seiner Mitglieder nicht dessen Anhörung vorsehen, dieses trotzdem vor dem Ausschlussbeschluss angehört werden muss, um seine Gegendarstellung abgeben zu können, keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes besteht. In der Entscheidung 6 Ob 548/93 = ecolex 1993, 450 wurde aber doch bei einer wenn auch etwas anders gelagerten Satzungslage die generell einzuhaltende Vorgangsweise bei Ausschlussverfahren dahin postuliert, dass dem auszuschließenden Vereinsmitglied vor der entsprechenden Gremialsitzung die ihm vorgeworfenen Ausschließungsgründe konkret mitgeteilt werden und ihm darauf eine sachliche Gegendarstellung ermöglicht wird (vgl. auch Sprung - König in RdW 1984, 226 ff). Der erkennende Senat schließt sich deshalb der Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes und der Lehrmeinung Aichers in Rummel ABGB I2 § 26 Rz 40 an, dass auch dann, wenn die Satzungen keine vorherige Anhörung des auszuschließenden Mitgliedes vorsehen, diesem Gelegenheit gegeben werden muss, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (auch die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung JBl 1987, 650 geht in diese Richtung).

Unstrittig ist, dass Entscheidungen von Vereinsorganen über die Rechtsbeziehungen zwischen dem Verein und seinen Mitgliedern gerichtlich überprüfbar sind. Einem zu Unrecht aus einem Verein ausgeschlossenen Vereinsmitglied stehen mit der Klage gemäß § 228 ZPO geltend zu machende Ansprüche auf Feststellung der Unwirksamkeit des Vereinsausschlusses zu. Richtig ist, dass dem Kläger im Gerichtsverfahren Gelegenheit geboten wurde, seine Gründe gegen den über ihn verhängten Vereinsausschluss geltend zu machen, doch kann dies nicht die ihm verwehrte Verantwortung vor dem ihn ausschließenden Organ ersetzen. ..." (7 Ob 2314/96, SZ 69/289 = JBl 1997, 452 = RdW 1997, 525 = HS 27.358).

Geht man von diesen - in stRsp (RIS-Justiz RS0017963 [T3]; RS0034827 RS0106615) vertretenen - Grundsätzen aus, ist es aber, entgegen der Auffassung der ao Revision, keineswegs "evident" dass die Qualität des einzuräumenden rechtlichen Gehörs im Zusammenhang mit der Absicht eines Vereinsausschlusses nach den Ausführungen des Berufungsgerichtes in der angefochtenen Entscheidung "anders gesehen werde":

In der angefochtenen Entscheidung wird der vorliegende Sachverhalt vielmehr dahin beurteilt, dass "diesen" (vom Gericht zweiter Instanz zutreffend wiedergegebenen) Anforderungen dadurch ausreichend entsprochen wurde, dass der Kläger mehrfach gemahnt worden sei (zuletzt am 1. 3. 1998 mit kaum verhüllter Ausschlussdrohung), laufend Schriftwechsel stattgefunden habe, und die anstehenden Probleme (am 11. 3. 1998) auch mündlich erörtert worden seien; wozu noch komme, dass in den Statuten insoweit ein zweistufiges Verfahren vorgesehen sei, als gegen die Ausschlussentscheidung eine Berufung an den Verbandstag eröffnet werde, die der Kläger ungenützt gelassen und sich dadurch selbst der Möglichkeit begeben habe, seinen Standpunkt der Auffassung des Vorstandes entgegenzusetzen und eine endgültige Entscheidung unter Berücksichtigung seiner Argumente durch den Verbandstag herbeizuführen.

Die außerordentliche Revision ist somit mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig.

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