OGH 10Ob24/03g

OGH10Ob24/03g18.11.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** AG, W*****, vertreten durch Braunegg, Hofmann & Partner, Rechtsanwälte in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Herbert Salficky, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei G***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hans G. Mondel, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 18.810 und Räumung (Revisionsinteresse: EUR 3.916,94), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 12. Februar 2003, GZ 39 R 371/02a-53, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 2 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte von der Beklagten zuletzt (ON 43) EUR 18.810 = S 258.831,24 sA an rückständigem Mietzins (einschließlich Betriebs- und Heizkosten) und die Räumung des Bestandobjekts.

Mit Teilurteil vom 29. 4. 2002 erkannte das Erstgericht die Klageforderung mit EUR 13.304,32 als zu Recht und die Gegenforderung bis zur Höhe der Klageforderung als nicht zu Recht bestehend, verpflichtete die Beklagte zur Zahlung dieses Betrages und wies das Mehrbegehren von EUR 5.505,68 ab.

Die Beklagte erhob gegen den klagsstattgebenden Teil dieser Entscheidung Berufung, welcher das Berufungsgericht mit dem angefochten Urteil teilweise Folge gab. Es änderte das Teilurteil, das in der Abweisung von EUR 5.505,68 als unbekämpft unberührt blieb, dahin ab, dass (insgesamt) die Klageforderung mit EUR 3.916,94 als zu Recht bestehend und die Beklagte schuldig erkannt wurde, der Klägerin diesen Betrag zu bezahlen, während der Antrag der Beklagten, die Klageforderung mit Gegenforderungen von insgesamt EUR 54.504,62 aufzurechnen, sowie das Mehrbegehren, die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin EUR 14.893,60 zu bezahlen, abgewiesen und ausgesprochen wurde, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Gegen den die Klagsstattgebung bestätigenden Teil dieser Entscheidung richtet sich außerordentliche Revision der Beklagten, welche das Erstgericht dem Obersten Gerichtshof vorlegte.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO gilt dessen Abs 3 (dass die Revision jedenfalls unzulässig ist, wenn der Entscheidungsgegenstand insgesamt EUR 4.000, nicht aber EUR 20.000 übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 für nicht zulässig erklärt hat) nicht für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrages entschieden wird. Durch die Formulierung „wenn dabei" in dieser Bestimmung sollte ausgedrückt werden, dass unter die Ausnahme von der wertmäßigen Revisionbeschränkung nicht nur der Ausspruch über die Kündigung, die Räumung, das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrages fällt, sondern auch die gleichzeitige Entscheidung über andere Ansprüche, soweit sie unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallen, also zB über einen Anspruch auf Zahlung rückständigen Mietzinses, weil solche anderen bestandrechtlichen Fragen mit der Auflösung des Bestandverhältnisses meist so eng zusammenhängen - oft ist der eine Anspruch für den anderen präjudiziell -, dass ein getrenntes Schicksal in der Anfechtbarkeit unbefriedigend wäre. Der hier mit Teilurteil entschiedene Streit über die Höhe des Mietzinsrückstandes ist für das Räumungsbegehren präjudiziell. Gegenstand ist daher nicht nur der geschuldete Mietzinsrückstand, sondern auch das Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses. Insoweit handelt es sich um eine nicht gewollte Regelungslücke (8 Ob 176/01t mit Hinweis auf: 7 Ob 631/92; 6 Ob 518/93 und 7 Ob 585/93 zur insoweit vergleichbaren Rechtslage vor der WGN 1997; bzw auf Petrasch ÖJZ 1989, 751 und Fasching LB2 Rz 2004; vgl auch 6 Ob 160/01z).

Hieraus folgt für den vorliegenden Fall, in dem der Mietzinsrückstand EUR 4.000, nicht aber EUR 20.000 übersteigt, dass die außerordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof zulässig ist (§ 505 Abs 4 iVm § 502 Abs 5 ZPO) und die Akten gemäß § 507b Abs 3 ZPO zutreffend direkt dem Obersten Gerichtshof vorzulegen wegen (8 Ob 176/01t).

Die außerordentliche Revision der Beklagten ist aber zurückzuweisen, weil die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) aufzuzeigen vermag:

In der Zulassungsbeschwerde wendet sich die Beklagte nur noch gegen die Beurteilung der Vorinstanzen, dass ein vertraglich in viel geringerer als der gesetzlichen Höhe vereinbartes Betriebskostenakonto keine Auswirkungen auf die vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragsparteien habe; dem gutgläubigen Mieter erwüchsen daraus „vertragliche Rechte", wenn die Höhe - wie hier - vom Hauseigentümer einseitig nur mit einem Teil des im Vorjahr ermittelten Akontos festgelegt werde (S 8.500 statt S 12.000 monatlich), weil diese „Mentalreservation" des Vermieters für den Mieter nicht bindend sei: Wenn im übrigen Text der Mietvertrages angeführt sei, der Mieters müsse die anteiligen (fast doppelt so hohen) Betriebskosten tragen, binde diese Vertragsbestimmung „nur in Relation des vereinbarten Betriebskostenakontos zur Summe der Betriebskosten des vergangenen Jahres". Das zu niedrig vereinbarte Betriebskostenakonto werde im Mietvertrag nämlich der (für Zwecke der Gebührenbemessung festgestellten) Jahresbruttomietzinssumme zugrundegelegt. Sie wirke sich (daher) auf die Auslegung des Begriffes „Betriebskostenakonto" aus und gelte nicht als „pro non scripto". Da in Mietverträgen sehr oft ein Betriebskostenakonto vereinbart und der Jahresbruttomietzins als Berechnungsgrundlage angeführt sei, sei die Frage, „ob bzw welche Auswirkungen das vereinbarte Betriebskostenakonto und der vereinbarte Jahresbruttomietzins für die Vertragsparteien haben", von richtungsweisender Bedeutung für künftige Mietverträge.

Dabei wird übersehen, dass die angesprochene Frage der Vertretbarkeit einer anderen Vertragsauslegung grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO hat (RIS-Justiz RS0042776 [T2, T23]; RS0042936 [T3, T17]). Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nämlich nach stRsp nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (6 Ob 169/02z; RIS-Justiz RS0042776 [T1, T4, T6, T8, T10, T11, T16, T22]; RS0042936; RS0112106 [T1 bis T3] zuletzt: 5 Ob 46/03f; 7 Ob 191/03v). Davon kann jedoch keine Rede sein:

Zweck der Betriebskostenpauschalverrechnung ist nur der, den Vermieter von der Vorfinanzierung überwälzbarer Betriebskosten zu entlasten, ohne den Mieter über Gebühr zu belasten (8 Ob 566/89 mwN; RIS-Justiz RS0070085 [T2]). Bei Betriebskosten-Pauschalraten, die gemäß § 21 Abs 3 MRG vorgeschrieben werden, handelt es sich aber nicht um die (echte) Akontierung auflaufender Betriebskosten, sondern um selbständige gesetzliche Mietzinsbestandteile, die als solche - ohne Rücksicht auf die spätere Abrechnung - geschuldet werden, solange die Voraussetzungen des § 21 Abs 3 MRG für die Jahrespauschalverrechnung erfüllt sind (Würth in Rummel II/5³ [2003] Rz 10 bzw 10d zu § 21 MRG; 5 Ob 2122/96m mwN, MietSlg 48.288 = WoBl 1997/85 [zust Würth]; RIS-Justiz RS0070097).

Einen sich aus der Jahresabrechnung (sofern sie gesetzmäßig gelegt wurde [5 Ob 75/87, MietSlg 40.387, 40.520;) ergebenden Passivsaldo haben „die Mieter" zu dem dem Beginn der Auflage folgenden zweiten Zinstermin zu entrichten (Würth in Rummel II/5³ [2003] Rz 10d zu § 21 MRG). Von dieser Rechtslage ausgehend ist - wie bereits das Berufungsgericht aufzeigt - auch nicht ersichtlich, weshalb der Gebührenbemessung, deren Bemessungsgrundlage der Jahresbruttomietzins ist, - wie die Beklagte meint - Relevanz für diese Zahlungsverpflichtung der Beklagten zukommen sollte.

Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht den Wortlaut der Vertragsbestimmungen dahin ausgelegt, es bestehe nach der wiedergegebenen Formulierung - worin ausdrücklich von Akontobeträgen die Rede ist - kein Zweifel daran, dass der Monatsbetrag von S 8.500 lediglich einen Akontobetrag darstelle, wobei es infolge einer Betriebskostenabrechnung zu Nachzahlungen kommen könne. Dies habe auch der Beklagten klar sein müssen, die nicht annehmen durfte, dass es sich bei diesem Betrag um die endgültige Gesamtbelastung (einen Fixbetrag) handle (Seite 7 der Berufungsentscheidung).

Diese einzelfallbezogene Beurteilung rechtsgeschäftlicher Erklärungen könnte eine Anrufung des Obersten Gerichtshofs nur dann rechtfertigen, wenn aus Gründen der Rechtssicherheit die Korrektur einer unhaltbaren, durch die Missachtung fundamentaler Auslegungsregeln zustande gekommenen Entscheidung geboten ist (RIS-Justiz RS0042776 [T22]), weil von den anerkannten Interpretationsgrundsätzen in krasser, aus Gründen der Rechtssicherheit zu korrigierender Weise abgewichen wurde (RIS-Justiz RS0042776; RS0042742 [T5]; zuletzt: 7 Ob 191/03v mwN). Ein derartiges, vom Obersten Gerichtshof zu korrigierendes Abweichen des Berufungsgerichtes von den dargestellten Grundsätzen wird in der eingangs wiedergegebenen Zulassungsbeschwerde jedoch - zu Recht - gar nicht behauptet.

Da der Frage, ob auch eine andere Auslegung vertretbar wäre, - wie bereits erwähnt - keine erhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukommt, ist die außerordentliche Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage unzulässig.

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