Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur allfälligen Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.
Text
Begründung
Die Antragsteller sind Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches ***** E***** mit dem Grundstück 430/117 und dem Wohnhaus P*****Straße 19. Für die drei in diesem Haus vorhandenen Wohnungen wurden mit Beschluß des Bezirksgerichtes Salzburg vom 12.5.1976, 11 Msch 3/76, ein Gesamtnutzwert von 1439 festgesetzt, wovon ein Nutzwert von 543 auf die im Erdgeschoß gelegene Wohnung top 1 entfällt.
Mit der Behauptung, mittlerweile auf der Liegenschaft ein selbständig benützbares, vom gemeinschaftlichen Grund aus erreichbares Nebengebäude errichtet zu haben, an dem Wohnungseigentum begründet und das als Zubehör in die Wohnung top 1 einbezogen werden soll, begehren jetzt die Antragsteller die Neufestsetzung der Nutzwerte. Ihrem mit insgesamt 6 Beilagen versehenen Antrag ist zu entnehmen, daß Baubewilligungen für das fragliche Nebengebäude vom 17.7.1979 und 12.11.1987 vorhanden sind.
Das Erstgericht wies den Antrag ohne weitere Erhebungen wegen Verfristung ab. Da der Tatbestand des § 3 Abs 2 Z 3 WEG geltend gemacht werde, hätte die Neufestsetzung der Nutzwerte innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft der baubehördlichen Bewilligung beantragt werden müssen.
Das Rekursgericht bestätigte diese als Sachbeschluß qualifizierte Entscheidung. Es führte aus:
Auch wenn sich die Antragsteller nicht ausdrücklich auf § 3 Abs 2 Z 3 WEG berufen haben, entspreche ihr Vorbringen doch exakt diesem Tatbestand. Zu Recht sei daher das Erstgericht von der Verfristung ihres Begehrens ausgegangen. Die möglichen Fälle einer Neufestsetzung der Nutzwerte seien zwar in § 3 Abs 2 WEG nicht taxativ aufgezählt, doch sei daraus für die Antragsteller nichts zu gewinnen.
Welchen Zweck es habe, wenn der Gesetzgeber für einzelne Antragsgründe eine (Jahres-)Frist setzt, darüber hinaus aber auch (wie jetzt ausdrücklich durch die Neufassung des § 3 Abs 2 WEG geschehen) noch andere Antragsgründe anerkennt, die in § 3 Abs 2 WEG gar nicht genannt (und daher nicht fristgebunden) sind, könne das Rekursgericht nicht nachvollziehen. Die Lösung Derbolav's (Die Neufestsetzung der Nutzwerte nach dem WEG 1975, ImmZ 1979, 4 ff), wonach im Falle bereits durchgeführter bewilligungspflichtiger Baumaßnahmen nachträglich die Baubewilligung eingeholt und damit ein Antrag nach § 3 Abs 2 Z 3 WEG auch noch nachträglich gestellt werden könne, wirke beim vorliegenden Sachverhalt kontraproduktiv und sei daher dem Gesetzgeber nicht zu unterstellen.
Der Sachbeschluß des Rekursgerichtes enthält den Ausspruch, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Begründet wurde das mit der angesprochenen schweren Verständlichkeit der Fristbestimmung in § 3 Abs 2 Z 3 WEG bei gleichzeitiger Zulassung anderer Gründe für die Neufestsetzung der Nutzwerte.
Im nunmehr vorliegenden Revisionsrekurs machen die Antragsteller geltend, daß die eigentliche Rechtsgrundlage ihres Begehrens die beabsichtigte Änderung des Wohnungseigentumsvertrages, nämlich dessen Anpassung an die neuen baulichen Gegebenheiten sei. Da eine solche Vertragsänderung die Neufestsetzung der Nutzwerte voraussetze, müssen diese - schon nach den Grundsätzen der Vertragsfreiheit - auch jederzeit möglich sein. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Nutzwerte wie begehrt neu festzusetzen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt, kann jedoch wegen der bisher nicht vorgenommenen materiellen Überprüfung des Nutzwertfestsetzungsbegehrens nur zu einer Aufhebung der vorinstanzlichen Sachbeschlüsse führen.
Schon das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, daß die Gründe, die zu einer Neufestsetzung der Nutzwerte führen können, in § 3 Abs 2 WEG nicht taxativ aufgezählt sind. Das war bisher schon anerkannt (WoBl 1993, 173/119 mwN) und hat nunmehr vom Gesetzgeber des 3. WÄG durch die Einfügung des Wortes "insbesondere" in den Einleitungssatz des § 3 Abs 2 WEG eine ausdrückliche Bestätigung erfahren.
Ein solcher nicht ausdrücklich im Gesetz geregelter Grund für die Neufestsetzung der Nutzwerte liegt in der Umwidmung allgemeiner, bei der bisherigen Nutzwertfestsetzung unberücksichtigt gebliebener Teile der Liegenschaft in Objekte, an denen gemäß § 1 Abs 1 und 2 WEG zumindest Zubehörwohnungseigentum bestehen kann (MietSlg 39/14; Würth in Rummel2, Rz 5 zu § 3 WEG). Daß einer solchen Umwidmung bewilligungspflichtige bauliche Veränderungen der Liegenschaft vorangegangen sind, löst für sich allein die dem Änderungstatbestand des § 3 Abs 2 Z 3 WEG eigene Befristung des Antrags auf Neufestsetzung der Nutzwerte nicht aus, weil die Änderung der Nutzwerte nicht schon - wie in § 3 Abs 2 Z 3 WEG vorausgesetzt - durch die baulichen Vorgänge, sondern erst durch die Widmungsänderung eingetreten ist (vgl Würth aaO, Rz 6 zu § 3 WEG). Es wäre ein Wertungswiderspruch, würde man die (unbefristete) Neufestsetzung der Nutzwerte bei Umwidmung unbebauter allgemeiner Teile der Liegenschaft (nach Maßgabe des § 1 Abs 2 WEG etwa in einen Hausgarten oder Lagerplatz) zulassen, nicht jedoch die Umwidmung eines auf diesem Liegenschaftsteil errichteten selbständigen Gebäudes. Immerhin hat die (Neu-)Festsetzung der Nutzwerte zwingend und zur Gänze die vertragliche Widmung aller Teile der Wohnungseigentumsanlage so nachzuvollziehen, daß von Wohnungseigentum verfangene Flächen gemäß § 1 Abs 1 und 2 WEG bewertet und gemeinschaftliche Teile der Liegenschaft nicht bewertet werden (Call in WoBl 1993, 175).
Damit haben die Vorinstanzen zu Unrecht die Verfristung des gegenständlichen Antrags angenommen. Das Erstgericht wird die materiellen Grundlagen der begehrten Nutzwertfestsetzung zu prüfen haben.
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