OGH 5Ob2220/96y

OGH5Ob2220/96y24.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schwarz, Dr.Graf, Dr.Floßmann und Dr.Baumann als weitere Richter in der Grundbuchssache der Antragsteller 1. Klaus B*****, 2. Dr.Wolfgang H*****, 3. Thomas Gasser, Tischler, 6922 Wolfurt, Achstraße 26, 4. Helmut L*****, 5. Ulla L*****, alle vertreten durch Dr.Arnulf Summer, Dr.Nikolaus Schertler, Rechtsanwälte in Bregenz, wegen Einverleibung des Wohnungseigentums, infolge Revisionsrekurses der Antragsteller gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 29. Mai 1996, GZ 2 R 155/96a-9, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bregenz vom 18.April 1996, TZ 3344/96-6, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß aufgrund des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrages vom 10. 11.1995, der beiden Kaufverträge je vom 10.11.1995, des Rangordnungsbeschlusses vom 15.11.1995, TZ 10.375/95, der Zustimmungserklärung vom 10.1.1996, der Löschungsquittung vom 18.12.1995, des Gutachtens vom 30.10.1995, der Bescheinigung vom 4.1.1996 und des Beschlusses vom 31.1.1996, 14 Msch 9/96t, im Grundbuch ***** in EZ *****, im Alleineigentum des Klaus B***** die Aufgliederung der restlichen Anteile des Klaus B***** auch in 112/3934-Anteile samt Einverleibung des damit verbundenen Wohnungseigentums am Lagerraum LR 22, und in 40/3934-Anteile samt Einverleibung des damit verbundenen Wohnungseigentums am Lagerraum LR 23, bewilligt wird und daß bei der Abweisung des Mehrbegehrens die Anführung der Lagerräume 22 und 23 zu entfallen hat.

Hievon werden verständigt:

1. Klaus B*****

2. Dr.Wolfgang H*****

3. Thomas G*****

4. Helmut L*****

5. Ulla L*****

6. Josef B*****

7. Walpurga B*****

8. Bausparkasse ***** zu 41965815-7 und 41965816-5

9. Finanzamt Feldkirch, 6000 Feldkirch zu StNr. 153/2348, 253/2355, 153/2462

10. Amt der Landeshauptstadt Bregenz, 6900 Bregenz

11. Notar Dr.Richard Huter, 6900 Bregenz zu 345/95 ua mit Originalurkunden.

Text

Begründung

Das Erstgericht bewilligte in EZ ***** Grundbuch ***** ua die Einverleibung des Wohnungseigentums an den Wohnungen W 1 bis 21, während es das Begehren auf Einverleibung des Wohnungseigentums an den Lagerräumen LR 22 bis 49 abwies. Aus dem Gesetz ergebe sich zwar nicht ein Mindestausmaß einer selbständigen Räumlichkeit im Sinne des § 1 Abs 1 WEG 1975, doch sei die Wohnungseigentumstauglichkeit dahingehend zu prüfen, ob die Schaffung solcher Räumlichkeiten nur zur Umgehung der "mangelnden Selbständigkeit von Zubehör" diene. Bei einem Lagerraum (LR 44) mit 1,3 m2 in Verbindung mit einem Auto-Abstellplatz im Ausmaß von 12,2 m2 solle offenbar eine (scheinbare) Selbständigkeit des Abstellplatzes erreicht werden. Beurteilsgrundlage für die Selbständigkeit einer Räumlichkeit sei jedoch nicht die bessere Bewirtschaftung des Zubehörs. Die Nutzwertfestsetzung für die Lagerräume sei noch kein Nachweis für ihre Wohnungseigentumsfähigkeit. Im Hinblick auf dieses Hindernis sei auch die begehrte Aufteilung der restlichen Liegenschaftsanteile, umfassend die Lagerräume, nicht zu bewilligen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge, sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 nicht übersteigt, und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es führte folgendes aus:

Zunächst teile auch das Rekursgericht die Ansicht des Erstgerichtes, daß die rechtskräftige Nutzwertfestsetzung auch der Lagerräume für das Grundbuchsgericht nicht bindend sei. Auch wenn die Frage der Wohnungseigentumstauglichkeit eines Objektes bereits bei der Nutzwertfestsetzung als Vorfrage zu prüfen sei, dürfe das Grundbuchsgericht bei Fehlen dieser Tauglichkeit die beantragte grundbücherliche Einverleibung nicht bewilligen. Eine solche Grundbuchseintragung wäre vielmehr unheilbar nichtig. Auch die Bescheinigung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Bregenz vom 4.1.1996, wonach es sich auch bei den Lagerräumen um "selbständige Wohnungseigentumseinheiten" handle, sei für das Grundbuchsgericht nicht bindend. Dieses habe vielmehr die Sonderrechtsfähigkeit eines Objektes nach § 1 WEG jeweils selbständig zu prüfen. Aus dem im Rahmen der Nutzwertfestsetzung erstatteten Sachverständigengutachten ergebe sich, daß die als "Lager" bezeichneten strittigen Objekte (top 22 bis 49) jeweils deutlich abgegrenzt und unmittelbar zugänglich seien und daß es sich hiebei um "Räume" (baulich nach allen Seiten abgeschlossen) handle. Die den Lagern jeweils zugeordneten "Autoeinstellplätze" seien hingegen Abstellplätze für Kraftfahrzeuge und keine "Räume" im Sinne des § 1 Abs 1 WEG. Davon gingen offenbar auch die Antragsteller aus, zumal sie sich nicht darauf beriefen und auch gar nicht behaupteten, daß die den Lagern zugeordneten "Autoeinstellplätze" geschlossene Räume zur Einstellung von Kraftfahrzeugen im Sinne des § 1 Abs 1 WEG seien. Da die Abstellplätze für Kraftfahrzeuge nicht in einer Baulichkeit, die ausschließlich zum Abstellen von Kraftfahrzeugen gewidmet sei, und auch nicht in einer überwiegend nur diesem Zweck dienenden Liegenschaft errichtet seien und selbständige in sich geschlossene Räume zur Einstellung von Kraftfahrzeugen nicht vorlägen, könne es sich bei den sogenannten Autoeinstellplätzen nur um Zubehör (§ 1 Abs 2 WEG) zu "sonstigen selbständigen Räumlichkeiten" (eine diesbezügliche Widmung zu Wohnungen sei nicht erfolgt) handeln. Es sei daher zu prüfen, ob die als Lager bezeichneten Räume "selbständige Räumlichkeiten" nach § 1 Abs 1 WEG seien. Richtig sei, daß im Gesetz die erforderliche Größe einer "sonstigen selbständigen Räumlichkeit" nicht normiert sei und dieser im allgemeinen auch keine besondere Bedeutung zukomme. Den Rekurswerbern sei auch beizupflichten, daß mangels einer gesetzlichen Definition einer "sonstigen selbständigen Räumlichkeit" jeweils zu prüfen sei, ob die Verkehrsauffassung dem Raum eine selbständige wirtschaftliche Bedeutung zuerkenne. Wenngleich - allerdings hinsichtlich der Wohnung - die Ansicht vertreten werde, daß im Zweifel jeder bewohnbare Raum zur Begründung von Wohnungseigentum geeignet sei, könne nicht allgemein gesagt werden, daß jeder noch so kleine Raum wohnungseigentumstauglich (als sonstige Räumlichkeit) sei. Als sonstige Räumlichkeit führe das Gesetz beispielhaft "selbständige Geschäftsräume" an, womit es zum Ausdruck bringe, daß die Räumlichkeiten zu einer geschäftlichen Nutzung geeignet seien. Von einer geschäftlichen Nutzungsmöglichkeit eines Lagerraumes, der wie jener laut top 44 nur 1,3 m2 groß sei, könne jedoch unter Bedachtnahme auf die Verkehrsauffassung nicht gesprochen werden. Einem solchen Raum komme vielmehr keine wirtschaftliche Bedeutung zu, sodaß daran auch kein Wohnungseigentum begründet werden könne. Das Rekursgericht übersehe nicht, daß verschiedene Lagerräume (insbesondere top 22, aber auch andere) durchaus sonderrechtsfähig und somit wohnungseigentumstauglich seien. Eine Bewilligung der diesbezüglichen Eintragung komme jedoch deshalb nicht in Betracht, weil wegen der fehlenden Wohnungseigentumstauglichkeit insbesondere der top 44 die Nutzwertfestsetzung nicht mehr Grundlage einer Grundbuchseintragung sein könne, sodaß das Erstgericht das noch strittige Mehrbegehren zu Recht abgewiesen habe.

Der Revisionsrekurs werde für zulässig erkärt, weil zur Frage der Wohnungseigentumstauglichkeit eines insbesondere sehr kleinen Lagerraumes eine Rechtsprechung fehle. Auch zur Frage der Bindung an die Nutzwertfestsetzung sei eine oberstgerichtliche Rechtsprechung nicht vorhanden.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsteller wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß die Einverleibung des Wohnungseigentums auch an den Lagerräumen bewilligt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht mit der Abweisung des Grundbuchsgesuches auch hinsichtlich bestimmter wohnungseigentumstauglicher Objekte die Rechtslage verkannt hat, und teilweise auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelwerber machen zusammengefaßt geltend, das Grundbuchsgericht sei an die rechtskräftige Nutzwertfestsetzung gebunden; die Lagerräume top 22 bis 49 seien "sonstige selbständige Räumlichkeiten" gemäß § 1 Abs 1 WEG, wobei es nicht auf das Ausmaß dieser Räume, sondern auf die Verkehrsauffassung und die Bauordnung ankomme; das Rekursgericht hätte nicht mit gänzlicher Abweisung hinsichtlich aller Räume vorgehen dürfen, wenn es einzelne Lagerräume für sonderrechtsfähig halte.

Hiezu wurde erwogen:

Die Wohnungseigentumstauglichkeit eines Objektes ist - wie das Rekursgericht richtig erkannt hat - anläßlich der Nutzwertfestsetzung als Vorfrage zu prüfen (MietSlg 40/14; vgl SZ 58/197 = MietSlg 37/19; Würth in Rummel2 § 3 WEG Rz 3). Daß aber die Beurteilung von Vorfragen grundsätzlich nicht in Rechttskraft erwächst, entspricht der herrschenden Lehre und Rechtsprechung (MGA JN/ZPO14 § 411 ZPO E 46; Fasching, LB2 Rz 1520 mwN; Rechberger in Rechberger § 411 ZPO Rz 10 mwN). Das Ergebnis des Rekursgerichtes, das Grundbuchsgericht habe die Wohnungseigentumstauglichkeit eines Objektes trotz rechtskräftiger Nutzwertfestsetzung selbständig zu prüfen, läßt sich daher aus der Judikatur des Obersten Gerichtshofes ohne weiteres ableiten. Nur am Rande sei bemerkt, daß sich nach der jüngsten Judikatur zu § 1 Abs 3 WEG idF des 3. WÄG (5 Ob 126/95 = WoBl 1996, 124 [Call] = ecolex 1996, 593 [Kletecka]) aus der (in diesem Fall rechtmäßigen) Festsetzung eines Nutzwertes für ein Objekt noch keineswegs die Zulässigkeit der Begründung von Wohnungseigentum ergeben muß.

Auch die Rechtsmeinung des Rekursgerichtes, im Falle einer "sonstigen selbständigen Räumlichkeit" (§ 1 Abs 1 WEG) sei jeweils zu prüfen, ob die Verkehrsauffassung dem Raum eine selbständige wirtschaftliche Bedeutung zuerkenne, steht mit der Rechtsprechung im Einklang (SZ 58/197 = MietSlg 37/19 im Zusammenhang mit Kellerräumen; Würth aaO § 1 Rz 3 mwN).

Im vorliegenden Fall war nach den vorgelegten Urkunden beabsichtigt, die "Lagerräume" top 24 bis 49 nicht etwa als Zubehör den Wohnungen der Obergeschoße zuzuordnen (§ 1 Abs 2 WEG), sondern aus ihnen selbständige Wohnungseigentumsobjekte zu machen, deren Zubehör jeweils (mit wenigen Ausnahmen) Abstellplätze in der Tiefgarage bilden sollen. Während die Lager top 22 und 23 immerhin 76,10 und 37,30 m2 groß und ummauert sind, haben die "Lagerräume" top 24 bis 49 nur eine Größe von 1,30 bis 6,53 m2 und ist nach den Planunterlagen - entgegen der Darstellung des Rekursgerichtes - keineswegs gesichert, daß es sich hiebei überhaupt um baulich nach allen Seiten abgeschlossene Räume (vgl Würth aaO § 1 WEG Rz 3 mwN) handelt. Schon das Erstgericht hat angedeutet, daß mit der gewählten Konstruktion in Wahrheit offenbar - in Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen (vgl Würth aaO § 1 WEG Rz 4 mwN) - eine Selbständigkeit der KFZ-Abstellplätze erreicht werden sollte.

Den "Lagerräumen" top 24 bis 49 kommt daher nach der Verkehrsauffassung keine selbständige wirtschaftliche Bedeutung zu, weshalb es mangels Wohnungseigentumstauglichkeit insoweit bei der Abweisung des Grundbuchsgesuches zu bleiben hat. Bei der unrichtigen Angabe einer Lagerraumnummer im abweisenden Teil des erstgerichtlichen Beschlusses handelt es sich im übrigen lediglich um einen berichtigungsfähigen Schreibfehler.

Was nun die Lager top 22 und 23 anlangt, so sind diese nach der Aktenlage als "sonstige selbständige Räumlichkeiten" wohnungseigentumstauglich. Entgegen der Meinung des Rekursgerichtes führt die fehlende Tauglichkeit der anderen Lagerräume (samt Autoeinstellplättzen) aber nicht dazu, daß die Nutzwertfestsetzung nicht mehr Grundlage einer Grundbuchseintragung hinsichtlich der tauglichen Objekte sein kann. Die erwähnten zur Begründung selbständigen Wohnungseigentums ungeeigneten Flächen sind nämlich hier - anders als etwa Stiegenhäuser oder die Hausbesorgerwohnung - keine notwendig allgemeinen Teile des Hauses, sondern könnten im Zubehör-Wohnungseigentum stehen (vgl Würth aaO § 1 WEG Rz 6, 9). Im Falle einer entsprechenden Umwidmung (vgl Würth aaO § 1 WEG Rz 7, 9) wäre der für sie festgesetzte Nutzwert dem Nutzwert des Wohnungseigentumsobjekts, dem sie zugeordnet werden, hinzuziehen. Bis dahin könnte an den jeweiligen Anteilen nur schlichtes Miteigentum bestehen. Die Verneinung der selbständigen Wohnungseigentumstauglichkeit der Lagerräume top 24 bis 49 führt daher im Falle solcher nicht notwendig allgemeiner Teile des Hauses nicht zur Verminderung der Summe der Nutzwerte und nicht zur Erhöhung der zum Erwerb des Wohnungseigentums an den übrigen Objekten der Liegenschaft gemäß § 3 Abs 1 erster Satz WEG erforderlichen Mindestanteile (vgl hingegen zur Hausbesorgerwohnung MietSlg 38.620/53). Es besteht somit kein Hindernis, neben der bereits vom Erstgericht bewilligten Einverleibung des Wohnungseigentums an den Wohnungen W 1 bis 21 auch das Wohnungseigentum an den Lagerräumen LR 22 und 23 mit den ermittelten Anteilen einzutragen.

Dem Revisionsrekurs war demnach in diesem Umfang Folge zu geben.

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