OGH 10ObS324/02y

OGH10ObS324/02y22.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gottfried Winkler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei mj Manuel M*****, geb am *****, vertreten durch die Mutter Karin M*****, vertreten durch Ing. Dr. Karl Ossana, Rechtsanwalt in Langenzersdorf, wider die beklagte Partei Land Niederösterreich, Landhausplatz 1, 3109 St. Pölten, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Pflegegeld, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Mai 2002, GZ 8 Rs 135/02k-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. März 2002, GZ 34 Cgs 367/01z-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Die im angefochtenen Urteil enthaltene rechtliche Beurteilung, wonach der am ***** 1992 geborene Kläger die Voraussetzungen für die Gewährung von Pflegegeld nicht erfüllt, ist zutreffend, sodass auf deren Richtigkeit hingewiesen werden kann (§ 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO). Den Revisionsausführungen ist noch folgendes entgegenzuhalten:

Dass bei der Beurteilung des Pflegebedarfs für Kinder nur jenes Ausmaß an Betreuung und Hilfe zu berücksichtigen ist, welches über das altersgemäß erforderliche Ausmaß hinausgeht (§ 4 Abs 3 NÖ PGG; RIS-Justiz RS0106555; 10 ObS 66/01f mwN) zieht die Revision nicht in Zweifel. Der Revisionswerber gesteht auch ausdrücklich zu, dass die Vermeidung der Selbstgefährdung an sich eine Eigenleistung des behinderten Menschen sei (10 ObS 374/97s = ARD 4966/44/98 uva; RIS-Justiz RS0109578).

Demnach ist aber (nach stRsp des erkennenden Senates) die Zeit der reinen Beaufsichtigung eines Pflegebedürftigen bei der Ermittlung des Betreuungsaufwandes nicht in Anschlag zu bringen; wird doch das Erfordernis der dauernden Beaufsichtigung oder eines gleichzuachtenden Pflegeaufwandes (bzw nunmehr: zeitlich unkoordinierbarer Betreuungsmaßnahmen oder dauernder Anwesenheit einer Pflegeperson wegen Eigen- oder Fremdgefährdung) nur dann entscheidend, wenn der Pflegebedarf schon ohne diese Beaufsichtigung durchschnittlich mehr als 180 Stunden monatlich beträgt (Pflegegeld nach Stufe 6), und auch nach § 4 EinstV zum BPGG (bzw NÖ PGG) ist die Anleitung und die Beaufsichtigung von Menschen mit geistiger oder psychischer Behinderung bei der Durchführung der in den §§ 1 und 2 leg cit angeführten Verrichtungen der Betreuung und Hilfe selbst "gleichzusetzen", nicht aber darüber hinaus gesondert zu veranschlagen (dazu ausführlich: SZ 71/16 = SSV-NF 12/23; 10 ObS 255/98t; SSV-NF 12/94; 13/27; 13/136 uva; RIS-Justiz RS0109571 [T1

bis T7]; zuletzt: 10 ObS 319/00k = ARD 5285/10/2002 und 10 ObS

143/01d = ARD 5334/23/2002).

Demgegenüber vertritt die Revision den Standpunkt, durch den hier festgestellten Betreuungsaufwand solle nicht die notwendige Vermeidung der Selbstgefährdung abgedeckt werden (was einer permanenten Betreuung gleichkomme), es handle sich vielmehr um jenen (mit 70 Stunden monatlich angesetzten) Aufwand, der über das Ausmaß hinausgehe, "welches" der minderjährige Revisionswerber fähig sei, "selbst auf sich aufzupassen". Die bekämpfte Beurteilung sei insoweit verfehlt, als "die Fähigkeit der Selbstbeaufsichtigung, der Vermeidung der Selbstgefährdung" mit der Notwendigkeit einer verstärkten Beaufsichtigung (von knapp mehr als 2 Stunden täglich) "begrifflich vermengt wurde".

Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.

Bei dem in Frage stehenden Zeitaufwand handelt es sich nämlich eindeutig (wie auch den Revisionsausführungen zu entnehmen ist [arg "verstärkte Beaufsichtigung"]) um Aufsichtsmaßnahmen, die zur Vermeidung der Selbstgefährdung notwendig sind.

Nach der zitierten stRsp ist aber - wie bereits dargelegt - im Rahmen der Prüfung des Anspruches auf Pflegegeld die für eine solche Beaufsichtigung notwendige Zeit beim Betreuungs- und Hilfsaufwand grundsätzlich (abgesehen von den ausdrücklichen Regelungen [vgl § 4 Abs 2 Stufe 6 NÖ PGG bzw § 4 Abs 2 Stufe 6 BPGG; § 4 EinstV zum NÖ PGG bzw § 4 EinstV zum BPGG]) nicht zu berücksichtigen, sodass auch das hier erforderliche (verstärkte) Beobachten des Klägers (zur Verhinderung der aus der ausgeprägten, dauernd starken Antriebs- und Stimmungstörung resultierenden ernsthaften körperlichen Gefahr) keine Verrichtung iSd Aufzählungskataloge zum Betreuungs- und Hilfsaufwand nach den §§ 1, 2 NÖ Pflegegeld-EinstV darstellt. Die dafür notwendige Zeit wurde daher - wie der erkennende Senat erst jüngst in einem vergleichbaren, bereits veröffentlichten Fall bekräftigt hat (ARD 5334/23/2002: 13-jähriger Pflegling, der das geistige Entwicklungsalter von 1,5 bis 2 Jahren und die Neigung hatte, ständig alles in den Mund zu nehmen, was zu einer permanenten Selbstgefährdung führte) - zu Recht nicht berücksichtigt (10 ObS 143/01d mwN).

Der Revision musste daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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