OGH 9ObA20/02k

OGH9ObA20/02k26.6.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Friedrich Hötzl und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Peter B*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Thomas Wanek und Dr. Helmut Hoberger, Rechtsanwälte in Perchtoldsdorf, gegen die beklagte Partei Ö***** KG, *****, vertreten durch Siemer-Siegl-Füreder & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 8.787,56 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. November 2001, GZ 9 Ra 345/01y-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wr. Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. Mai 2001, GZ 3 Cga 6/01s-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 665,66 (darin enthalten EUR 110,94 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob die Entlassung des Klägers gerechtfertigt war, zutreffend bejaht, sodass es ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der Berufungsentscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen des Revisionswerbers Folgendes entgegenzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 82 lit f zweiter Tatbestand GewO 1859 liegt ein Entlassungsgrund vor, wenn der Arbeitnehmer seine Pflichten beharrlich vernachlässigt. Der Tatbestand umfasst jegliche Vernachlässigung der aus dem Arbeitsvertrag geschuldeten Pflichten, insbesondere auch den Verstoß gegen durch den Gegenstand der Arbeitsleistung gerechtfertigte Weisungen des Arbeitgebers (Kuderna, Entlassungsrecht² 113 f; Arb 10.631, 11.281, 11.421, 11.495 ua; RIS-Justiz RS0060172, RS0104130, RS0104135). Unter "Beharrlichkeit" ist die Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit oder Hartnäckigkeit des in der Dienstverweigerung zum Ausdruck gelangenden, auf die Verweigerung der Dienste bzw der Befolgung der Anordnung gerichteten Willens des Arbeitnehmers zu verstehen (Arb 11.421; RIS-Justiz RS0029746, RS0104124). Daher muss sich die Weigerung entweder wiederholt ereignet haben oder von derart schwerwiegender Art sein, dass mit Grund auf die Nachhaltigkeit der Willenshaltung des Arbeitnehmers geschlossen werden kann (RIS-Justiz RS0105987).

Soweit der Revisionswerber versucht, seine mehrfachen Pflichtverletzungen zu verharmlosen, geht er dabei nicht von den bindenden Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen aus, sondern schwächt diese ab. Die Beklagte hat die Nichtverfolgung des Alarms durch den Kläger, der als Wachorgan (Kontrollor und Revierfahrer) beschäftigt war, nicht "akzeptiert", sondern den Kläger vielmehr am 7. 4. 2000 sogar schriftlich darauf hingewiesen, dass "jede" Anweisung der Notrufzentrale "strikt" einzuhalten ist (Beil ./7). Die Wortwahl in der weiteren schriftlichen Belehrung vom 31. 8. 2000 (Beil ./9) stellt - entgegen der Auffassung des Revisionswerbers - keineswegs "klar", dass die Beklagte das neuerliche Fehlverhalten des Klägers im Zusammenhang mit der unterbliebenen Unterstützung eines Kollegen als nicht besonders schwerwiegend ansah; der Kläger wurde hierin vielmehr abermals schriftlich über seine Pflichten belehrt. Richtig ist allein der Hinweis des Revisionswerbers, dass ihm nicht die Entlassung angedroht wurde. Darauf kommt es jedoch nicht an. Vor dem Ausspruch der Entlassung muss der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber oder von dessen Vertreter in der Regel ermahnt oder wiederholt zur Erfüllung seiner Pflichten aufgefordert worden sein (Kuderna aaO 115 f; Arb 11.281, 11421, 11.495 ua; es sei denn der Verstoß ist besonders krass und die Verletzung der Verpflichtungen offensichtlich [RIS-Justiz RS0060612]). Dazu ist weder der Gebrauch bestimmter Worte noch - entgegen der Auffassung des Revisionswerbers - die Androhung der Entlassung erforderlich. Es genügt, wenn der Arbeitnehmer auf die Vernachlässigung seiner Pflichten hingewiesen und in einer dem Ernst der Lage angepassten Weise zur Einhaltung seiner Pflichten aufgefordert worden ist (RIS-Justiz RS0060643). Dies war hier der Fall. Da der Kläger trotz zweimaliger schriftlicher Belehrung vom 7. 4. und 31. 8. 2000 auch in der Nacht vom 13. auf den 14. 9. 2000 seinen Pflichten nicht nachkam, indem er die Beklagte nicht sofort (Mitternacht), sondern erst fast 6 Stunden später (5.45 Uhr) informierte, dass er zufolge einer beim Kontrollgang erlittenen (vom Kläger nicht näher dargestellten) Verletzung nicht mehr in der Lage gewesen sei, die weiteren Kontrollen durchzuführen, blieben zumindest 8 Objekte unkontrolliert, zu deren Kontrolle die Beklagte jedoch gegenüber Dritten vertraglich verpflichtet war. Darin lag letztlich eine beharrliche Vernachlässigung der Pflichten und nicht bloß eine Ordnungswidrigkeit des Klägers. Seine wiederholten Pflichtverletzungen trotz mehrerer Belehrungen - die im Übrigen mit seiner schon seit geraumer Zeit zur Schau getragenen Dienstauffassung, dass er "nicht mehr besonders motiviert" sei, in Einklang standen - machten eine Weiterbeschäftigung des Klägers für die Beklagte unzumutbar, weil billigerweise von der Arbeitgeberin ein weiteres Tolerieren dieses Verhaltens in Anbetracht ihrer vertraglichen Bindungen gegenüber Dritten (Haftung für mangelhafte Bewachung; Vertrauensverlust der Kunden; Gefahr der Entziehung von Bewachungsaufträgen) nicht mehr verlangt werden konnte (vgl infas 1992, A 15). Einer über die bereits erfolgten Belehrungen hinausgehenden neuerlichen Belehrung über die Pflichten eines Wachorgans bedurfte es bei der festgestellten Sachlage und einer Beschäftigungsdauer des Klägers von rund 8 Jahren, die bei einem "Kontrollor" gewisse Mindesteinsichten in die Dienstpflichten indiziert, nicht mehr.

Nach dem festgestellten Sachverhalt war der Tatbestand der beharrlichen Vernachlässigung der Pflichten nach § 82 lit f zweiter Tatbestand GewO 1859 gegeben. Die Entlassung des Klägers war daher berechtigt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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